Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

' reinzureden in Ihren Kram. Natürlich auf Ord­nung müssen Sie halten. Nun, das sind Sie ja vom Militär her gewöhnt. Ihre Frau versorgt den Herd, während die Mädel auf Arbeit gehen. Ist das nicht ein herrliches Leben? Kann man sich was Selbstständigeres, Freieres denfen für einen unter­nehmenden, strebsamen jungen Mann wie Sie- he?"

Dabei klopfte er Gustav freundschaftlich auf die Schenkel. Der wandte ein, daß er die Arbeiten vielleicht garnicht verstehe, zu denen er die Leute anstellen solle.

" Verstehen Sie das Mähen?" " Ja!"

Verstehen Sie das Binden?" " Ja!"

"

Und das Seßen?"

Abermals ja!"

Nun, und das Bischen Nüben verhacken, ver­ziehen und roden ist ja ein Kinderspiel. Außerdem ist dort natürlich auch ein Inspektor, der Sie in dem Nothwendigsten unterweisen wird. Ihre Pflicht ist vor Allem, das Zusammenhalten und Beaufsichtigen der Leute; verstehen Sie! Sie sind gewissermaßen der Korporalschaftsführer."

Die Worte des Agenten verfehlten nicht einen gewissen Eindruck auf Gustav hervorzubringen. Was der da sagte, berührte sich mit seinen geheimsten Wünschen. Schon wußte er nicht mehr, was für Einwände er Jenem noch entgegenseßen sollte.

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Die Sache ist Ihnen noch fremd, mein Lieber!" fuhr der Agent fort. Ich will Ihnen mal was im Vertrauen sagen! Diese Art des Arbeitskontraktes und der Arbeiteranwerbung überhaupt, das ist die moderne Wirthschaftsweise. So wird's in Amerika  gemacht, auf den Plantagen und Farmen. Und in Zukunft wird's bei uns überall so werden. Das ist die moderne rationelle Wirthschaftsweise." Der Mann schien besonders stolz auf diesen Aus­druck zu sein, denn er wiederholte ihn noch einige male. Das ist überhaupt das einzige Nationelle so! Beide Theile kommen dabei auf ihre Rechnung. Der Arbeitgeber macht sich seinen Anschlag, bestellt sich dann, was er braucht, an Arbeitskräften; der Agent besorgt ihm die Leute, so viel wie er braucht auf den Kopf. Und der Arbeiter nun der fährt auch nicht schlechter dabei. Der bekommt seine Leistungen auf Heller und Pfennig in Baar   aus­bezahlt. Beide Theile wissen ganz genau, was sie voneinander zu fordern haben; dafür ist der Kon­traft da. Der Eine giebt das Geld, der Andere seine Kräfte. Das Geschäft ist klipp und flar, wie ein Rechenerempel. Alles wird auf Geld zuriicks geführt, gerade wie in Amerika  ! Ist das nicht viel praktischer und rationeller so? Friher, da bekam das Gesinde Geld überhaupt nicht zu sehen. Da gab's freie Wohnung und Verpflegung und höchstens noch Deputat. Das waren die sogenannten patriarchali­schen Zustände. Unter uns gesagt, die reine Sflaverei! Jezt giebt's das nicht mehr. Jetzt wird Alles nach amerikanischem Muster gemacht. Das nennt man das moderne Wirthschaftssystem, verstehen Sie! Aber, alles das sage Ihnen nur ganz im Vertrauen."

Dem jungen Mann brummte der Kopf von Dem, was er gehört hatte. Ihm wurde bange zu Ihm wurde bange zu Muthe diesem Menschen gegenüber, mit seiner auf­dringlichen Beredsamkeit.

Zittwizz hatte sich, nachdem er diesen Trumpf ausgespielt, erhoben. Er habe noch mit Jemandem zu sprechen, sagte er, wolle aber bald zurückkommen.

Gustav wartete nur, bis er den Agenten in eifrigem Gespräch mit ein paar jungen Leuten am anderen Ende des Saales vertieft sah, dann entfernte er sich so schnell wie möglich. Den Kontrakt des Agenten hatte er aber doch zu sich gesteckt.

( Fortsetzung folgt.)

Merkwürdige Automaten.

Von Fred Hood.

eit einiger Zeit durchwandert die Straßen der guten Stadt Tonawanda in Nordamerika  ein Sandwichmann von imponirender Er­scheinung, der einen großen, buntbemalten Reklame­fasten hinter sich herzieht. Diese an und für sich

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sehr harmlose Beschäftigung wäre wenig geeignet, sehr harmlose Beschäftigung wäre wenig geeignet, unsere Aufmerksamkeit zu erregen, handelte es sich nicht um ein Geschöpf ganz eigener Art. Sie werden diesem Manne Ihre Hochachtung nicht versagen können, wenn ich Ihnen mittheile, daß er der Stammvater eines großen kommenden Geschlechtes ist, daß Sie in ihm den ersten elektrischen Menschen verkörpert sehen. Allerdings hat er fein Hirn im Kopf, es fließt kein Blut durch seine Adern, nur der elektrische Strom ist es, der ihm Leben und Kraft verleiht- vorausgesetzt, daß die Akkumulatoren auf dem Re­flamewagen hinter ihm geladen" sind. Dieses etwas merkwürdige Exemplar eines Menschen ist im Hause Gillie Goddard& Co. in Tonawanda stumm zur Welt gekommen, doch handelt es sich weder um ein erbliches, noch um ein unheilbares Uebel. Man wird dem Manne eine phonographische Stimme ein seßen, damit er die Pillen und Mixturen, die hinter ihm auf den Affichen verzeichnet sind, auch mit lauter Stimme anzupreisen vermag, wie sich das für einen echten und rechten Sandwichmann gehört. Andere meinen, er werde sich auch automatische Verbrauchs­apparate beilegen und dann einen schwunghaften Handel mit Wachskerzen, Zigarren, Parfünt, Bonbon­schachteln und anderen unentbehrlichen Gegenständen eröffnen. Einstweilen steht noch in Frage, ob ihm die stets wachsende Konkurrenz kein Bein stellen wird. Allerdings, meine ich, wäre es rathsam, den elek­trischen Mann hübsch in Ruhe zu lassen, denn unter Umständen könnte ein gegen ihn gerichtetes Attentat für die Attentäter selbst übel ablaufen. Philipp Perew, der geistige Urheber dieses Menschen, ist zweifellos ein sehr genialer Kopf, und so darf man annehmen, daß er sein Werk nicht dem Muthwillen des ersten besten Gassenjungen aussehen wird, ohne ihm die Waffen zu seiner Vertheidigung in die Hand zu geben.

Dieser brave Sandwichmann erinnert uns an eine große Zahl ähnlicher automatischer Kunstwerke früherer Zeit, deren treibende Kraft allerdings nicht die Elektrizität, sondern ein sinnreiches Uhrwerk, bis­weilen auch die Dampfkraft bildete. Ueber die Ein­richtung vieler Automaten vermochte man allerdings nichts Genaueres in Erfahrung zu bringen, da die Erfinder derselben meist sehr geschäftskundige Herren ihr Geheimniß wohl zu wahren wußten. Sie reisten in aller Welt umher, stellten ihre Puppen aus und füllten sich die Taschen mit dem Gelde des schaulustigen Publikums.

Es scheint, daß schon die Alten mit der Her­stellung derartiger Kunstwerke vertraut waren, denn viele ihrer Sagen verrathen eine auffallende Kenntniß dieser Materie. Ich erinnere nur an jenen eisernen Wächter von Kreta  , Namens Talos  , welcher der Sage nach dreimal täglich mit riesiger Schnelligkeit die Insel umkreiste und Jeden, der an die Küste ver­schlagen wurde, in seine Arme nahm und mit ihm in's Feuer sprang. Als die wohlbewaffneten Argo­in's Feuer sprang. Als die wohlbewaffneten Argo­nauten auf ihrer Fahrt nach dem goldenen Vließ nach Kreta   kamen, empfing sie dieser Talos mit Steinwürfen, so daß sie nicht zu landen vermochten. Nun schoß Poias, der Vater des Philoftet, auf den Nath Medea's, einen Pfeil nach dem Fuße des Talos, worauf das Blut sofort wie geschmolzenes Blei hervor­quoll, und der eiserne Niese zu Boden stürzte. Einige Mythologen, die der Sache näher auf den Grund gehen, setzen hinzu, die Riesengestalt sei an einer Zehe mit einem eisernen Pflock versehen gewesen, welcher eine vom Kopf nach den Füßen verlaufende und mit Quecksilber gefüllte Hauptader abschloß. Die Geschichte und die Mythen des Alterthums bes richten aber noch von vielen anderen höchst merk­würdigen mechanischen Kunstwerken, von denen ich nur die hölzerne Taube des Archytas von Tarent  , die Schnecke des Demetrius Phalereus   und den Android des Ptolemäos Philadelphos erwähnen will.

Es darf uns nicht wundern, daß auch im Mittel­alter die größten Künstler und gelehrtesten Köpfe viele Jahre ihres Lebens auf die Herstellung sinn­reich durchdachter aber zum Theil doch höchst lächer­licher automatischer Figuren verwandten. mur folgerichtig, daß man in einer Zeit, in der man das Perpetuum mobile zu erfinden und den Stein der Weisen zu entdecken strebte, auch künstliche Lebe­

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wesen aus Kraft und Stoff glaubte erschaffen zu können. Denn dies war thatsächlich das Ziel der größten Gelehrten jener Zeit, und wir würden den Geist dieser bedeutsamen Kulturepoche mißverstehen, wollten wir annehmen, jene Männer des Mittel­alters wären nur bemüht gewesen, irgend ein heiteres Spielzeug zur Belustigung der Menge zu Stande zu bringen. Natürlich blieb das Resultat ihrer lang­jährigen Studien weit hinter ihren Wünschen zuriick und spottete der darauf verwandten Miihen. weniger als dreißig Jahre war Albertus Magnus  damit beschäftigt, ein menschenähnliches Wesen zu schaffen; und schließlich brachte er einen Android zu Stande, der nichts Besseres zu thun wußte, als den Fremden die Thür zu öffnen und sie zu be­grüßen. Sehr menschenähnlich scheint aber dieses. Geschöpf nicht gewesen zu sein, denn es wird erzählt, daß Thomas von Aquino  , bei seinem Anblick auf's Höchste bestürzt, den Automaten mit einem einzigen Schlage zertrümmert habe. Des Weiteren werden die lebenden Figuren des Noger Bacon( 1214-94) und des Regiomontanus  ( 1436-76) gerühmt. Als Kunstwerke des Regiomontanus   werden eine eiserne Fliege, welche sich ganz natürlich zu bewegen ver­mochte, sowie ein Adler besonders hervorgehoben, welcher dem Kaiser Marimilian I. bei seinem Einzug in Nürnberg   entgegenflog und ihn mit Flügelschlägen und Kopfnicken begrüßte.

Die Freude an derartigen scheinbar aus eigener Kraft belebten Kunstwerken war eine so große, daß sich viele Fürsten besondere Gallerien solcher Merk­wirdigkeiten anlegten. Der Mechanismus war meist derartig beschaffen, daß er unwillkürlich durch den Besucher der Gallerie selbst in Bewegung gesetzt wurde. Einen besonders derben Humor bekundete in dieser Hinsicht Philipp der Gute  , der sich auf seinem Schlosse Hesdip in Flandern   eine Gallerie einrichten ließ, in der dem Besucher aus allen Ecken und Winkeln geharnischte Ritter und wilde Thiere entgegentraten, deren Mechanismus durch bewegliche Fußplatten oder beim Oeffnen der Thüren ausgelöst wurde. Die Fremden wurden mit einer Staub­oder Rauchwolfe überschüttet, in eine Fallgrube ge­trieben, mit Wasser besprißt, oder es wurden sonst irgend welche Scherze inszenirt, die wenig geeignet waren, den Besucher in eine rosige Laune zu versezen.

Die Erfindung der Taschenuhren um 1500 gab zu einer weiteren Vervollkommnung der Auto­maten, für welche der Mechanismus wie geschaffen war, Veranlassung. Häufig brachte man auch das Uhrwerk selbst in engere Verbindung mit den be= weglichen Figuren, wie zum Beispiel bei der in den Jahren 1547 bis 1580 verfertigten berühmten Straß­burger Münsteruhr, die mit vielen automatischen Kunstwerken ausgestattet ist, unter denen besonders ein auf dem Nebenthurm ſizender Hahn, der durch Flügelschlag und Krähen die Mittagszeit verkündet, sich noch jetzt der lebhaftesten Bewunderung erfreut. Aehnliche Uhrwerke giebt es in Nürnberg  , Lübeck  , Prag  , Olmik und vielen anderen Städten; auch möchte ich den Kukuk unserer Schwarzwälder Uhren an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen.

Im sechzehnten Jahrhundert hatten die Auto­maten bereits eine große Vollkommenheit erreicht; doch wird man als Glanzepoche für dieselben das achtzehnte Jahrhundert bezeichnen müssen. Eine große Berühmtheit erlangten unter anderen die Figuren A. von Vaucanson's   aus Grenoble  , die zuerst im Jahre 1738 in Paris   ausgestellt wurden. Es waren dies ein Flötenspieler, ein Klarinettenbläser und eine höchst wunderbare Ente, welche sich ganz natürlich bewegte, schwamm, fraß und sogar die Nahrung ver= daute. Vaucanson wurde aber später durch die daute. Schweizer   Jacquet Droz und Sohn aus Chaur de Fonds übertrumpft, welche unter dem Namen Anderiten" einen schreibenden und einen zeichnenden Knaben, sowie ein klavierspielendes Mädchen vorführten und mit diesen aller Orten die lebhafteste Bewunde­rung fanden. Der Klavierspielende Automat, welcher ein Mädchen von etwa zwölf Jahren vorstellte, ließ nicht allein völlig naturgetreu die Finger über die Tasten des Instruments gleiten, sondern folgte auch mit den Blicken abwechselnd den Noten oder der Bewegung der Finger, während er sehr korrekt seine

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