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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
ich es wiirde Anna das Herz brechen!" Er wurde wieder roth, er fühlte, daß er log.„ Meine Verhältnisse sind nicht derart, ich kann- ich kann Niemand an mich fesseln, der der" er spreizte er spreizte die Finger aus, als suche er in der Luft nach dem richtigen Wort.„ Ich werde Dich immer lieben, Irene, ewig! Ich schwöre es Dir, einzig nur Dich!" Er faßte nach ihren eiskalten Fingern und drückte sie an seine brennenden Augen.
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Und für Dich ist es besser, ja, es ist besser für Dich, Irene" seine Stimme steigerte sich,
gleichsam sich selbst überredend- ,, was willst Dit mit einem Manne, wie ich bin? Mit einem Haushalt, mit kleinlichen Sorgen?! Frei mußt Du auf der Höhe des Lebens stehen, der Schmerz wird Dir den Weihekuß geben, Du wirst eine große Dichterin sein sein Dein Jahrhundert wird Dir den Lorbeerkranz reichen, ich weiß es!"
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Ein gramvolles Lächeln glitt über ihr Gesicht als einzige Antwort. Sie stand gebeugt, bei jedem seiner Worte knickte sie mehr zusammen.
,, Irene, steh' nicht so da, sieh mich nicht so an!
Wir haben noch einen langen, seligen Tag!" Ein Schauer von Küssen regnete auf ihr Gesicht.
Ohne Bewegung ließ sie die über sich ergehen. Irene, ziirnst Du mir?"
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Nein!" Sie zuckte zusammen, wie von einem Peitschenschlag getroffen. Krampfhaft arbeitete es in ihren Zügen; da war wieder etwas von dem alten, herben Stolz. Ihre Stimme flang tonlos:„ So komm! Wir wollen uns den einzigen Tag freuen" sie lachte kurz auf, schrill, mit zersprungenem Klang- ,, und dann kommt der Abschied!" ( Schluß folgt.)
,, Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß Als heimliche Liebe, von der Niemand nichts weiß."...
An den dichten Holunderbüschen entlang, weit hinter dem Dorfe, führt ein einsamer Pfad. Die zwei Liebenden haben ihn aufgesucht, ihr stilles Glück verträgt nicht die neugierigen Blicke, das berständnißvolle" Lächeln der Menschen. Niemand darf die süßen Worte hören, die sie einander zu sagen haben. Den Anderen erscheinen sie so nichtig, und ihnen sind sie doch so werthvoll, weil ihr Klang ihnen schon Alles verräth, was sie wissen wollen. Vor dem Spötteln der kalten Menschen sind sie in der großen Natur, in die sie sich geflüchtet haben, geborgen. Die Sonne ist längst gesunken. Nur ein verschwimmender Abglanz am Horizonte, durch den sich ein schmaler Wolkenstreif zieht, zeugt noch von der Pracht ihrer Gluthen. Langsam steigt die Mondfichel herauf. Tiefe Nuhe liegt über der Natur. Die dunklen, hohen Laubbäume stehen still, mit weichen Silhouetten, wie träumend gegen den weißlich schimmernden Himmel, hier und da bricht die Abendröthe durch das Gezweig, dann im Kontrast zu den dunklen Flächen um so heller aufleuchtend. Leise schwebt die Dämmerung hernieder, das weite Feld liegt schon in tiefen Schatten. Im Abendschein leuchten die weißlichen Blüthendolden der Holunderbüsche und der üppig wuchern den Schafgarben noch einmal auf. Der Widerschein der Abendröthe umspielt auch die Gestalten der Beiden und umfäumt sie mit einem lichten Streif. Eng umschlungen wandeln sie langsam dahin, in dieser Einsamkeit können sie sich ganz ihrem Glücke hingeben. In ihren empfäng= lichen Herzen werden sie sich vor der stillen Pracht und Größe der Natur ihrer Liebe mit doppelter Stärke be= wußt. Der füße Duft der Blumen umschmeichelt sie, die tiefe Nuhe läßt sie das Schlagen ihrer Herzen hören. Das Mädchen lehnt seinen Kopf hingebend an die Schulter des Mannes, in fosenden Worten und Küssen theilen fie ihr Glück einander mit. Es liegt etwas von der rüh= renden Schlichtheit der Worte des alten Volksliedes in dem Bilde, das wir heute bringen. Ludwig Dettmann , ein Berliner Künstler, hat es als Mittelbild zu einem dreitheiligen Bilde( Triptychon) gemalt, in dem er drei Volksliedmotive zu gestalten sucht. In diesem Mittelbild hat er sein Bestes geleistet. Mit den einfachsten Mitteln hat er das tiefe Schweigen, die einfache Größe, die in der weiten Ebene liegt, im Bilde festhalten können. Die stille, verträumte Abendstimmung ist wundervoll herausgekommen. Es ist der rechte Hintergrund für den schlichten Vorgang aus dem Menschenleben, den er hat darstellen wollen. Wie er die Beiden mitten in diese herrliche Natur hineingestellt hat, wie sie einander umfassen und zu einer Einheit zu werden scheinen, all das geht zu einer tiefen Wirkung zusammen. Das Bild widerlegt die Meinung einer älteren Künstlerschule, daß nur die großen" Ereignisse der Geschichte, das Leben von Göttern und Helden für die Darstellung in der Kunst genügen dürften. Einfache Menschen in der uns täglich umgebenden Natur, geschaut und dargestellt von einem tief empfindenden Künstler, geben Stimmungsbilder, die hinter feinem heroischen Vorgang zurückzustehen brauchen.
Das Wesen der Malerei definirt Mar Klinger in seiner Schrift ,, Malerei und Zeichnung" also:„ Die Malerei hat die farbige Körperwelt in harmonischer Weise zum Ausdruck zu bringen, selbst der Ausdruck der Heftigkeit und Leidenschaft hat sich dieser Harmonie unterzuordnen. Die Einheitlichkeit des Eindrucks zu wahren, den sie auf den Beschauer ausüben kann, bleibt ihre Hauptaufgabe, und ihre Mittel gestatten, zu diesem Zwecke eine außer= ordentliche Vollendung der Formen, der Farbe, des Ausdrucks und der Gesammtstimmung zu erreichen, auf denen sich das Bild aufbaut..
Die eigentlichste Aufgabe der Malerei als solche bleibt immer das Bild. Nein durch sich wirkend, vom Naum und Umgebung unabhängig, hängt sein Reiz ausschließlich von der Benuzung und der Bewältigung seines winderbar ausbildungsfähigen Materials, seines die ganze sichtbare Welt umfassenden Stoffes ab, welche fie in allen Erscheinungsformen mit vollständiger Klarheit und Tiefe wiederzugeben vermag. In diesem Umfassen und Schen, in diesem Nachgehen und Nachfühlen alles Geschauten, der lebendigen Form sowohl wie der todten, und in der Kraft, das All in seinen wunderbaren Wechselbeziehungen nachleben zu können, liegt der Zauber des
Feuilleton.
Bildes. Das Einfachste gewinnt höchste Bedeutung durch die Intensität des Erfassens; denn das Wesentliche der Malerei ist, daß jede durch sie gegebene Form als solche wirken kann. Das Talent des Malers besteht in der Kraft und Vollendung, mit der er charakteristisch diese Form beherrscht, und jedes Stück geschauter und vollendet wiedergegebener Welt ist an sich völlig hinreichend, einen Vorwurf für ein Bild zu geben. Ueber allem Sichtbaren ruht der Zauber individuellen Lebens; diesen zu heben, das Geringe aus seiner scheinenden Gleichgültigkeit in seiner Erscheinungsform uns lebendig vorzustellen, ist die Kunst der Malerei. Es bedarf dazu keinerlei geistiger Zuthaten, keiner Kombinationen. Diese schaden in Gegentheil. Der Eindruck, den ein Bild auf uns macht, ist um so größer, je mehr es aus sich selbst heraus auf uns wirkt. Wir erhalten dann Eindrücke, die die Natur mur selten geben kann, weil uns die Gleichzeitigkeit vieles Geschauten, der stete Wechsel, vor Allem aber die eigene innere Sammlung selten zum reinen Empfinden durch das Auge kommen lassen. Wir sind vor der Natur immer Mitwirkende bei dem, was wir sehen. In ihre Stimmungen und Eindrücke mischen sich stets unsere Wünsche, unsere Unruhe. Vor dem Bilde werden diese ausgelöst, weil wir unsere eigene Person in der des Künstlers aufgehen lassen müssen, und wir, wenn dieser voll die eigene Natur zu geben weiß, die Welt durch seine Augen sehen. In diesem Aufgehen erlangen wir das, was wir im Leben umsonst suchen: ein Genießen, ohne geben zu müssen, das Gefühl der äußeren Welt ohne förperliche Berührung.
Es ist für die bildliche Darstellung darum wesentlich, Buthaten überphantastischer, allegorischer oder novellistischer Art zu vermeiden, die den Geist des Beschauers zu über das Bild hinausliegenden Spekulationen führen. Jene sich selbst genügende Nuhe, die die Höhe des Kunstwerks bezeichnet, ist es, die uns zu den Werken aller BildMeister zieht. Sie ist nur durch die Vollendung der Darstellung in Formen, in Farbe, in Ausdruck und Gesammtstimmung zu erreichen. Die Phantastik, die im Bilde angestrebt werden kann, muß derart sein, daß nie jene vier Bedingungen gestört werden, daß selbst, wo zu Umbildungen der Natur gegriffen wird, immer der Eindruck der Lebensfähigkeit und des Folgerichtigen auch im Ungewöhnlichen festgehalten ist."
Ernstes und Lustiges aus dem alten österreichischen Polizeistaate. Die Karlsbader Beschlüsse waren ein brutaler Fauftschlag in das Gesicht der aufstrebenden deutschen Literatur. Sie riefen einen wahren Sturm der Entrüftung bei allen unabhängigen Schriftstellern und Gelehrten hervor. Am rücksichtslosesten erdrosselte und verstümmelte die Regierung die Presse im gemüthlichen Oesterreich. Hier erschien einst eine harmlose Broschüre: ,, Gravatiana, oder die Kunst, die Cravatte umzubinden." Diese staatsgefährliche Broschüre wurde verboten, weil darin ein Knoten à la Riego" hieß, und Niego der Urheber der spanischen Revolution war. In einem großen historischen Werke sprach der Autor kurz vom Kaiser Mar. Der besorgte Zensor meinte darob:" Dies sei gegen die Würde, es müsse Kaiser Maximilian heißen." Es ereignete fich mitunter in Wien , daß in drei Tagen das gleiche Gedicht in einer Zeitschrift erlaubt, in einer anderen gestrichen wurde. Einmal bestand der Zensor auf einigen Aenderungen in einem Gelegenheitsgedicht. Der Redakteur brachte ihm jedoch die Verse ungeändert zurück, und der Zensor gab nun die Druckerlaubniß. Auf einem Kunstblatte zum Stammbaume der Habsburger wurde einst der Kaiser Franz mit seinen vier Frauen dargestellt. Der Zensor bemerkte nun zu diesem Blatte: Admittitur ( wird zugelassen, erlaubt), jedoch ist dem Herausgeber die Unbescheidenheit zu verweisen, seinen Monarchen mit seinen vier Frauen darzustellen." Ein anderes Blatt des Stammbaumes stellte die Ermordung Kaiser Albrecht's durch Johann Parricida dar. Ein Erzherzog machte nun scherzweise auf die Unzulässigkeit aufmerksam, daß sich ein dolchzückender Königsmörder in den Läden auf offenem Markte präsentire. Sofort wurde dem fürchterlichen Uebelthäter von der Polizei der Dolch entrissen. Jetzt aber fuhr der gefährliche Parricida mit der geballten Faust dem Kaiser ganz despektirlich unter die Nase, und deshalb sagte der wißige Erzherzog mit gezwungenem Ernst zu ben dienstbefliffenen Ordnungswächtern:" Da haben Sie
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was Schönes gemacht. Der Dolch ist weg, aber jetzt hält der Johannes dem Kaiser die Faust, und zwar öffentlich und ungestraft, unter die Nase! Ein Mord geschicht nicht alle Augenblicke, aber die Ehrfurcht gegen die gekrönten Häupter ist heutzutage ohnehin schon genug erschüttert." Die Herren Zensoren zerbrachen sich lange den Kopf, ob sie dem„ Don Carlos" von Schiller den Zugang zur Bühne öffnen sollten. Endlich faßten sie in ihrer untrüglichen Weisheit folgenden Beschluß:„ Admittitur( wird zugelassen) und unterliegt die Aufführung des klassischen Stückes keinerlei Bedenken. Nur hat die anstößige Liebe des Stiefsohnes zur Stiefmutter auszubleiben." Einmal strich und änderte ein vorsichtiger Zensor in dem Werke Murchar's über das alte Noricum die Worte des römischen Historikers Dio Cassius , weil nach seiner Meinung„ die Wuth der Pannonier über die römischen Zöllner und Steuereinnehmer leicht als böswillige Anspielung auf die Gegenwart gelten könnte, wo eben das Militär wegen endloser Steuerrückstände überall im Lande auf Exekution herumliege und Alles nach so langem Frieden, nach einer frohen Rückwirkung der fran zösischen Kontributionsmillionen auf den großen Nothstand schreie." Als der Historiker Hormayr diesem Zensor einst eine Schilderung Kaiser Albrecht's in seiner Geschichte Wiens unterbreitete, meinte der Staatsretter_gutmüthig zu ihm:„ Wenn Das und Jenes ausgelassen würde, stünde da nicht Albrecht's Ebenbild noch schöner und ganz km. fleckenlos da?"
Warum funkeln die Thautropfen in allen Farben? Einer der herrlichsten Anblicke ist der des frisch gefallenen Thaus, auf den die Morgensonne scheint. Obwohl er aus weiter nichts, als aus flarem, reinem Wasser besteht, zeigen die einzelnen Tropfen doch die verschiedensten glitzernden Farben, so daß eine bethaute Wiese im Sonnenschein wie übersäet von den prächtigsten Diamanten und bunten Perlen erscheint. Diese Farbenpracht, die kein Maler auch nur annähernd wiederzugeben vermag, ist die Folge eines einfachen physikalischen Gesetzes. Ein weißer Lichtstrahl, der aus der Luft in einen anderen Körper eindringt, wird gebrochen, d. h. von seinem Wege abgelenkt, und dabei zugleich in seine einzelnen farbigen Bestandtheile zerlegt. Die in ihm enthaltenen grünen Strahlen werden stärker abgelenkt als die gelben und rothen; die größte Ablenkung erfahren die blauen und violetten Strahlen, und es ist ja bekannt, daß man durch die Zerlegung des weißen Lichtes mittelst eines Prima ein farbiges Spectrum erhalten kann. Auch bei den Thautropfen findet eine solche Zerlegung statt. Ein weißer, heller Sonnenstrahl, der auf einen Tropfen fällt und in ihn eindringt, wird dabei in die verschiedenen farbigen Strahlen zerlegt, die nunmehr in verschiedenen Richtungen in den Tropfen eindringen. An seiner Rückwand, da, wo der Tropfen auf dem Grashalm oder Blättchen auffißt, werden diese Strahlen reflektirt, in die Luft zurückgeworfen, und zwar, da sie in verschiedenen Richtungen ankommen, auch wieder in den allerverschiedensten Nichtungen. Treffen nun die rothen Strahlen unser Auge, so erscheint der Tropfen roth; gehen wir ein wenig weiter, so gehen die rothen Strahlen an unserem Auge vorbei, während die grünen oder blauen jetzt eindringen. Der Tropfen ändert daher beständig seine Farbe, sobald wir die Richtung ändern, von der aus wir ihn betrachten. Befindet sich unser Auge an einer bestimmten Stelle und betrachten wir eine ganze Reihe von Thautropfen, so hat jeder eine andere Nichfung zum Auge; aus dem einen kommen die rothen Strahlen in's Auge, aus einem anderen die grünen, aus einem dritten die blauen u. s. f. So sehen wir die vielen Thautropfen in den verschiedensten Farben glänzen, und diese Farben gehen ineinander über, sobald wir über die Wiese hinschreiten; es entsteht ein buntes, schillerndes Spiel, das bei dem hellen Sonnenschein, der uns an sich schon heiter stimmt, die fröhlichste Stimmung und reinste Freude an der schönen Natur hervorruft.
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