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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
seinen Fuß stüßen konnte. Endlich fand er ihn und faßte diesen Stein von Neuem, um tiefer hinab zu steigen. Seine Glieder bewegten sich mit düsterer Regelmäßigkeit; bald sahen wir nur noch den weißen Fleck seiner Hand. Dann verschwand auch dieser. Wir hörten nur das dumpfe Geräusch des Körpers, der über die Felsen hinab in den Abgrund rollte...
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Der Russe war verstummt. Niemand wagte das Schweigen zu brechen. Diese Tragödie im Walde hatte uns Alle bewegt. Endlich fragte eine der jungen Engländerinnen:„ Und was ist aus dem Dorfe und seinen unglücklichen Bewohnern geworden?"
„ Ich habe B. einige Wochen nach dieser Erpedition verlassen," erwiderte unser Gefährte, und
erst später führte mich der Zufall im Vorübergehen zurück. Eine große Lichtung war im Walde ge schlagen worden; die Ninnsale und Bäche waren fanalisirt und Brücken verbanden die Ufer; man hatte Alles verbessert, so daß ich Mühe hatte, den Schauplaß unserer alten That wieder zu erkennen. Das Dorf war registrirt und stand in den Büchern der Polizei; es hatte jetzt einen gesetzlichen Namen: Tajoznaja. Als ich es betrat, wurde ich vom Ton einer Orgel angenehm berührt. Die Frauen trugen Kleider aus rother Baumwolle, die elegant und sauber aussahen und sich von den elenden Lumpen, die ich beim ersten Mal gesehen, vortheilhaft unterschieden. Besonders fiel mir ein schönes, neues Haus auf mit einem Balkon und einem großen Schilde,
auf dem ich in weißen Buchstaben auf grünem Grunde das Wort„ Wirthshaus" las. Mein alter Kamerad Polonsky stand auf der Schwelle. Er erkannte mich und lud mich ein, einzutreten und den Abend mit ihm zu verleben. ihm zu verleben. Er hatte sich im Dorfe nieder gelassen; seine Schenke war die bekannteste der Gegend, obwohl es noch mehrere andere gab. Ich schüttelte ihm die Hand und wir wechselten einige Worte; doch ich weiß nicht, warum ich fühlte nicht die Kraft in mir, in's Haus zu treten, oder in dem Dorfe zu trinken oder mich zu amüsiren, das wir einst, er und ich, der Zivilisation erobert hatten. Ich setzte meinen Weg fort und habe seitdem keine Gelegen heit mehr gehabt, nach Tajoznaja zu kommen."
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Feuilleton.
Nach des Tages Mühen. Das war heute ein heißer Tag. Kein Lufthauch ging, die Sonne brannte auf dem reglosen Wasser, eine Glühhize herrschte in der stickigen Luft, wie in einem Backofen. Es war, als zehre die Luft und das Wasser jede Spur von Kraft aus dem Körper. Erst gegen Abend, als die Sonne niederging, machte ein fühlender Windhauch sich auf. Und nun, nach beendetem Tagewerk, ist der Fischer vor die Thür getreten und ruht aus, an den niedrigen Stacketzaun gelehnt. Ein friedliches Idyll bietet der Anblick der Dorfstraße. In den dichten Büschen versteckt liegen die Häuser, zurück vom Fahrweg, der hinten abbiegt und sich zwischen den Bäumen zum Strande hin verliert. Ueberall ist Nuhe, das Netz ist zum Trocknen in den Zweigen aufgehängt. Nur ein fleines Kind spielt im Sande, sonst ist Niemand auf der Straße zu sehen. Weiche, breite Schatten laufen schon über den Weg. Die Sonnenstrahlen spielen jetzt mild und mit erquickender Wärme um den Fischer. Ein wohliges Gefühl strömt in die ermatteten Glieder... Ein prächtiger Typus eines niederdeutschen Fischers ist es, den Ludwig Dettmann in seiner frischen Art vor uns hingestellt hat: wie er so lässig dasteht in seinem Arbeitsgewande, der kurzen Jacke, den dicken Hosen und den schweren, weit hinaufreichenden Wasserstiefeln. Die lichten, röthlichen Haare und der dunklere Bart umrahmen das scharfgeschnittene, schon von mancher Furche durchzogene freundliche Gesicht. Ein merkwürdiger Ausdruck liegt in dem fest geschlossenen Mund und den hellen Augen. Der Blick scheint in die Ferne zu gehen, aber er faßt fein Ziel; es ist ein Hindämmern, in dem die Gedanken zügellos kommen und gehen die Abspannung von Leib und Seele nach schwerer Tagesarbeit.
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heidnischen Brauch ankämpften. Es war ursprünglich an fine bestimmte Zeit geknüpft, sondern wurde entfacht, wenn epidemische Krankheiten unter Menschen oder Vieh ausgebrochen waren, und zwar auf Beschluß und unter Mitwirkung der ganzen Gemeinde. Zuvor wurden alle Feuer des Ortes ausgelöscht. Dann zog Alt und Jung vor Sonnenaufgang nach einem verabredeten Plaze und nahm dorthin Nahrung für ein neues Feuer mit. Dieses mußte ein reiner Jüngling durch Reiben eines harten Holzes mit einem weichen entfachen( daher hieß das Feuer„ Nothfeuer", d. h. durch Reibung erzeugtes Feuer), worauf alle Mitglieder der Gemeinde das Feuer nährten. Durch den brennenden Holzstoß wurde dann das gesammte Vieh der Gemeinde dreimal getrieben, bis die Menschen endlich selbst durch die Flamme sprangen. Zum Schlusse nahm jede Familie etwas Feuer mit nach dem heimischen Herde, während die Asche auf Felder und Wiesen gestreut wurde.
Die Johanniszeit, die Tage, an denen die Sonne nach der volksthümlichen Auffassung ihren Höhepunkt erreicht, werden noch immer vom Landmann durch allerlei Bräuche gefeiert. Die Zeit des Hochsommers ist die für den Landmann gefährlichste: Das Getreide geht der Reife entgegen, die Heerden weiden in der freien Natur, und gerade jest treten Hagel und Gewitter besonders häufig auf und können in wenigen Shinden die Hoffnungen auf eine gute Ernte vernichten, verheerende Krankheiten stellen fich unter den Thieren am leichtesten ein. In ihnen allen treiben nach altem Glauben feindliche Dämonen ihr Wesen und bemühen sich, dem Menschen zu schaden. Gegen diese sucht sich der Gefährdete zu schüßen: aus der symbolischen Abwehr gegen die verderblichen Gewalten erklären sich die meisten Gebräuche, die in der Johanniszeit vom Volke geübt werden; fie lassen sich bis auf die frühesten Zeiten unserer Geschichte zurückverfolgen. Eine anziehende Schilderung derselben giebt Prof. Eugen Mogt in dem von Hans Meyer herausgegebenen Buche„ Das deutsche Volksthum"( Leipzig und Wien. Bibliographisches Institut ). Wir entnehmen seinen Ausführungen das Folgende:
obachte die kleinen, weißen Wolfen am tiefblauen Himmel, horche dem Gesange des Buchfinken und freue mich meines Daseins auf dieser miserabelsten aller Welten. Ueber das im leichten Winde wogende Korn huschen die Schwalben, fern am Horizont feucht ein Bahnzug dem Städtchen zu, dessen Thurmspiße über das wellige Gelände grüßt. Still zufrieden ziehe ich das Pfeifchen hervor. An Tabak ist auch fein Mangel, da eine alternde Ladenjungfrau gegen den Wunsch eines guten Mannes und reichen Kindersegens diesem Bedürfniß abgeholfen hat. Ein Pfeifchen Tabat in solcher Umgebung ist ein Genuß, den mir nur Der nachfühlen kann, welcher selbst als Handwerksbursch die Welt durchwandert hat.
Die Quellen berichten ausdrücklich, das sei gegen die Drache geschehen, so die Luft verderbten. Nun trieben aber im Volksglauben die Drachen, d. h. die bösen Geister, vor Allem in der Johanniszeit ihr Wesen; auch dies wird von den mittelalterlichen Quellen ausdrücklich be= tont. Und so kam man auf den Gedanken, der Gefahr der Verseuchung vorzubeugen und das abwehrende Feuer jährlich in dieser Zeit zu entzünden. Diese Sitte der Nothfeuer zur Sommersonnenwende hat sich in Niederdeutschland bis in unser Jahrhundert in alter Frische erhalten; in anderen Gegenden ist sie jedoch längst verblaßt, und das Johannisfeuer ist nur als schwaches Abbild davon übrig geblieben. Auf die Art, wie es entfacht wird, wird bei diesem nicht mehr gesehen, und an die Stelle des früheren Ernstes ist meistens Scherz und harmlose Fröhlichkeit getreten. Aber auch in dieser ab= geschwächten Form erinnert noch Manches an den lebendigen Volksglauben. An vielen Orten glaubt man noch heute, daß diese Feuer vor Krankheiten und Unwetter schützen. In anderen Gegenden vertreibt nach dem Volksglauben das Hagelfeuer die Heren. Auch den Sprung durch das Feuer fann man noch antreffen, besonders in Oberdeutschland, wo der Bursche gemeinsam mit seinem Mädchen über das Feuer zu springen pflegt. Nur mit dem Vieh ist man vorsichtiger geworden; man hütet sich jetzt, es durch's Feuer zu treiben, aber in einzelnen Gegenden führt man es am nächsten Morgen über die Asche. In anderen Orten wird um das Feuer getanzt. Nach alter Weise werden zuweilen auch noch Blumen und Bänder, ja selbst Gebäck in das Feuer geworfen, und manche Maid will aus ihm ihre Zukunft lesen.
Das Feuer hat nach altgermanischem Glauben reinigende und Dämonen abwehrende Kraft. Wenn sie von einem Gebiet Besiz ergriffen, pflegten die Germanen mit einem Feuerbrande den erworbenen Grund und Boden zu umgehen, um das Land vor verderblichen Geistern zu schirmen; in manchen Gegenden wiederholt sich dieser Vorgang jedes Jahr vor der Bestellung des Feldes; an vielen Orten brennen noch heute in der Osterzeit die Feuer auf den Feldern, ein Ueberbleibsel in der Sitte aus den Tagen, da dieser Glauben noch lebendig war. Die hervorragendste Rolle aber spielen die abwehrenden Feuer in der Zeit der Sommersonnenwende, zu der wir die Noth, Hagel- oder Johannisfeuer in fast allen Gegenden Deutschlands finden. Sinnlose, nichtssagende Spielereien sind diese Feuer nicht. Die Luft fann durch das Feuer des Holzstoßes von schädlichen Stoffen, nach volksthümlicher Auffassung von feindlichen Dämonen gereinigt werden, und so entstand bei Seuchen oder ansteckenden Krankheiten das Nothfeuer, gegen das schon die Synoden des achten Jahrhunderts als einen
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Doch das Pfeifchen zieht nicht. Suchend spähe ich nach einem dürren Aestlein aus, das dem Uebelstande abhelfen soll. Pucks liegt mir das Gewünschte auf der Nase. Ueberrascht schaue ich empor. Ein Eichfäßchen sizt über mir im Geäft des Baumes und blinzelt so ver ständnißinnig mit seinen schwarzen Aeuglein auf mich herab, als sei es als Röniglich bayerischer PfeifenReinigungsmittel- Fabrikant" dort oben angestellt.
Dank dir, du kleiner Schelm!"
Bald ist das Pfeifchen in Gang gebracht. Mit wohligem Behagen blase ich die blaugrauen, wohlriechenden Wölkchen in die Luft. Sich' dal! Ein Baar Rebhühner trippeln am Rande des Kornfeldes hin und her. Sichernd hebt das eine der flinken Hühnchen den Kopf, während das andere fleißig die saftigen Spigen der Pflanzen ab pickt, hin und wieder auch wohl einen zu naseweisen Käfer verhaftet. Jezt ducken sich plötzlich beide, kaum fann ich noch die bräunlich gefärbten Rücken der scheuen Thiere erkennen. Plößlich sind sie schnellen Laufes im Kornfeld verschwunden. Droht Gefahr? Doch wohl nicht, denn dort kommen sie schon wieder zum Vorschein, um dasselbe Spiel von Neuem zu beginnen.
Eine Herenwaage. Zu Oudenwater in Holland fieht man noch die Herenwaage, die in den Jahren 1591 bis 1596 gebraucht wurde. Der Magistrat der Stadt nämlich hatte das Geschäft, die vom Teufel besessenen Personen ihrem Gewicht nach abzuschätzen. Wehe ihnen, wenn das Gewicht nicht mit der Tare übereinstimmte, welche der weise Rath entworfen und festgesetzt hatte, und sie einige Pfund leichter als der niedrigste Gewichtsansaz befunden wurden. Man hatte nämlich das Vorurtheil, daß die mit dem Teufel in Verbindung stehenden Personen, durch den Erdmagnetismus angezogen, ihre ursprüngliche Schwere verlören. Es reisten daher viele Leute nach Dudenwater, um sich von dem dortigen Magistrat ein Attest zu erbitten, in welchem bezeugt wurde, daß sie schwerer befunden, als die Nathstare bestimmt hatte. In den Protokollbüchern dieser Nathswaage findet man Folgendes: Anna Gräberin, ein sehr feistes Weibsstück, als Here befunden, wog am 10. Januar 1593 nur 2 Loth und 3 Quentchen."
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Und doch! Etwas Falb- Rothes schimmert durch das Korn. Ist es eine wildernde Kaze? Jest schiebt sich langsam, zögernd ein spiziges Geficht durch die Halme. Aha! Reineke, der Räuber! Und das am hellen Tage in der Nähe menschlicher Wohnungen. Wie seine schiet gespaltenen Augen vor Mordlust und Gier funkeln! Jest Suckt er sich gleich einer Kage zum Sprunge! Jetzt eine rothe Bogenlinie in der Luft- doch flap, flap- dahin streichen die beiden Hühner. Enttäuscht, fast verbust schaut der rothe Bandit dem entwischten Festtagsbraten nach. Ich richte mich etwas empor, um das weitere Be ginnen des geprellten Hühnerliebhabers besser beobachten zu können. Da bemerke ich, daß die verunglückte Jagd partie noch einen zweiten Beobachter gehabt hat. Einige Schritte seitwärts von mir sigt mit gespizten Löffeln ein Hase. Als er meiner ansichtig wird, schlägt er einen Purzelbaum den Abhang hinunter, ob vor Schadenfreude über das Pech seines Todfeindes oder aus Schreck über mein Erscheinen, fann ich nicht sagen. Mit wenigen ge waltigen Säßen fonzentrirt Herr Lampe sich dann rüd
Siesta. Ein heißer Sommernachmittag. Im Schatten einer alten Linde unweit der Landstraße hab' ich es mir bequem gemacht. Das Felleisen als Kopffissen benuzend, strecke ich die müden Glieder im schwellenden Grün, be
Berantwortlicher Rebatteur: Oscar Kühl in Charlottenburg.
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Lachend lege ich mich wieder, um jedoch im nächsten Augenblick mit einer Verwünschung emporzuschnellen. Gin intensives Stechen und Jucken an meinem corpus belehrt mich, daß ich wenig vorsichtig in der Wahl meines Ruhe plages gewesen bin. Ich untersuche den Grund näher. Ja, nette Geschichte das! Einen Ameisenbau hab' ich aufgestört, und nun brauchen die kleinen, tapferen Sterle ihr Hausrecht so energisch, daß ich vorziehe, ihren dringenden Borstellungen nachzugeben und zu weichen. Schnell ist das Felleisen aufgepackt. Vorwärts!
Nachdruck des Inhalts verboten!
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