Die Aeue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage. 359 Frau Kläre. Novelle von Dorolkes Koebster. vs dein obersten Treppenabsatz blieb er noch einmal stehen und schöpfte Athen,  . Ein eigenthiiinlich bedriickendes Gefühl war plötzlich in ihm emporgestiegen woher, er selber kaum. Erst nach einigem Zögern die elektrische Glocke. Ein junges Stuben- techen mit kokettem Hamburger Häubchen öffnete: »Tie wünschen?" !Frau Schubert zu Hans?" Ich werde nachsehen. Wen darf ich melden?" Mein Name ist Russell." Er reichte ihr eine Visitenkarte:Fedor Russell." Ah, das ist etwas Anderes." Sie trat einen Schritt zurück und stieß eine seitwärts gelegene hohe Äiigelthür ans:Wollen Sie bitte Platz nehmen? Sie gnädige Frau wird sofort erscheinen." Er ließ sich in den weichen Polstersessel gleiten sah sich um. Er befand sich in einem hohen, ieräumigen Erkerzimmer; es war der Salon eines 'eichen Hauses, ausgestattet mit jener Eleganz, die tfle modernen Salons auszeichnet, und doch wieder eicht ohne persönlichen Reiz. Die hohen Palmen, aus dem Erkerfenster nickten, hüllten den Raum eine grüne Dämmerung, und in der Art, wie leichten Tische, Sessel und Sesselchen, Ständer Etagsren zusammengerückt und angeordnet waren, i�ückte sich eine gewisse Phantasie aus. Die Bilder �oren mit Geschmack gewählt. Statt der üblichen "eldrncklandschaften und Watteauszenen einige Kopien �ch Böcklin  , über dem Piano zwei Spangenbergs, Zug des Todes und das Wiedersehen im Lande Seligen. Neben einem Divan stand ein maurisches Tischchen Ihnen liebes 't Büchern, gebundenen und nngebundenen, und '"ern Möglichen durcheinander. Ein paar Bände Warlitt, ein paar Bände Reuter, daneben Hamer- WsAhnsoer", aber auch moderne Sachen: %ll und Strindbcrg in kleinen Reclaniheften, !�d ganz zu oberst Gabriele d'Annnnzio'sLust". Er beugte sich vor, um das Titelblatt zu be- Achten: Eva, die Adam den Apfel vom Baume "T Erkenntniß reicht. In deniselben Augenblick 'Wang jedoch ein leichter Schritt, die Portiere zum �benzimnier wurde aufgeschlagen und zwischen den ite» erschien eine Dame, eine schöne Erscheinung, und schlank und vom prächtigsten Rothblond; I?>t liebenswürdigem Lächeln streckte sie ihm die ?and entgegen:Also doch noch? Ich hatte schon heut' die Hoffnung aufgegeben." Ich muß allerdings um Entschuldigung bitten," er folgte ihrer einladenden Bewegung und lies; stch neben ihr auf den Divan nieder,mir Affine   aber ein Jrrthnm; statt in der Wannsee- .Ii nach Steglitz   fuhr ich mit dein Südring nach "iedenan." Und da sind Sie dann ivohl zu Fuß herüber- »kommen? Ach Gott, Sie Armer! Nun, jeden- % seien Sie herzlich willkommen. Meinen Mann fkffen Sie allerdings nicht mehr." Das könnt' ich mir leider denken. Herr Schubert strieb ja, daß er um sechs Uhr wieder im Geschäft 'in müßte. Ich hätte ihn gern begrüßt." Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Denn rlich sehen wir Sie doch sehr oft ja, sehr fft_ Sonntags sind Sie zu Tische bei uns. Riffen Sie wohl, was Ihr Mütterchen uns ge- hieben hat? Wir sollen Sie in strenge Obhut Wimen... Hüten Sie sich, junger Mann!" Sie stvhte ihm mit dem Finger und lachte. Er stimmte fröhlich ein:O, was die Strenge �betrifft aber nein, im Ernst, Sie können sich Laicht denken, wie froh Mama ist, daß ich in der Wen Stadt gleich Familienanschluß habe. Es '' mich wirklich sehr liebenswürdig von Ihnen, mir freundlich Ihr Haus zu öffnen, trotzdem Sie stich doch garnicht kannten." .O, ich bitte, jetzt aber kein Wort mehr, mein mm hat mir so viel erzählt von Ihnen Allen, ich nieine, ich hätte Sie schon längst gekannt. Aber nun sagen Sie erst mal, wie gefällt Berlin  ? Ein bischen anders, als Zhr Bremen  , nicht?" O ja lehr anders. Es ist, als kommt man in eine völlig neue Welt. Alles ist so frisch, so lebendig. Es ist um Einen herum, wie ein unsichtbarer Ehor, der immer dasselbe singt: Vor- wärts, vorwärts! Bremen   dagegen," er hielt inne und sah nachdenklich vor sich hin,Bremen  , sehen Sie das ist wie ein Stückchen alte Zeit. Nicht blos die Hänser, auch die Menschen, Alles so patriarchalisch... so... gesetzt und spießbürgerlich, und ja, und Alles Kausleute." Das sagen Sie, der Sie selbst einer sind?" Er schwieg. Sie richtete sich lebhaft auf; in ihr bisher trotz aller Liebenswürdigkeit doch ziemlich gleichgültiges Gesicht kam plötzlich ein interessirter Zug:Sie sind also nicht aus Neigung Kaufmann geworden?" Ach, lassen wir das!" Nein lassen wir das nicht." Sie nahm seine Hand.Wir lvollen doch Freunde sein, nicht wahr? Da müssen Sie auch Vertrauen haben. Beichte» Sie also!" Sie... Sie sind so liebenswürdig, wirklich so..." er brach ab, eine glühende Verwirrung malte sich in seinem hübschen, noch stark knabenhaften Gesicht, dann warf er plötzlich den Kopf zurück:Ich kann es Ihnen ja auch ruhig sagen nein, ich bin nicht aus Neigung Kaufmann geworden, nur weil ich sollte, nur damit unsere alte Firma nicht in fremde Hände kommt; Onkel Fedor hat doch keine Kinder. Wenn es nach mir ginge..." Dann? Nein, jetzt müssen Sie mir Alles sagen. Also dann?" Dann..." er drehte die Troddel des Sessels zwischen seinen Fingern; erst nach einer ganzen Weile sprach er weiter, erst zögernd, aber schließlich mit steigender Begeisternng:Dann würde ich zur... zur Bühne gehen. Mein ganzes Sinnen und Fühlen steht nach der Bühne. Meine Seele ist so voll von Gestalten, die nach Leben schreien. O, ich weiß, ich hätte etwas erreicht... Ich habe auch gefallen damals... ich..." Sie sind schon aufgetreten? Wo denn? Als was? Das ist ja riesig interessant! Bitte, bitte, erzählen Sie weiter." Ach, es war ja nur in einer... einer Dilettanten- Vorstellung im... Börsenklub. Ich... ich gab den Max, wissen Sie, Max Piccolomini im Wallen­ stein  , und sie waren auch Alle so entzückt, und unser Regisseur vom Bremer Stadttheater sagte auch, daß ich Talent hätte..." Das glaube ich auch... ja gewiß... das glaube ich bestimmt. Man braucht Sie blos zu hören. Sie mit Ihrem Feuer, Ihrer Begeisterung! Und eine prachtvolle Bühnenfigur haben Sie auch, so groß und elastisch... Und das Talent sollen Sie nun unterdrücken? Das wäre aber wirklich unverzeihlich. Was sagt denn die Frau Mama dazu?" Ach, Mama!"... Er seufzte tief auf.Maina versteht mich nicht. Sie glaubt ja nicht an mich; und wenn sie an mich glaubte ich bin seit Vaters Tode ja ganz und gar von seinem Bruder abhängig, und Onkel Fedor will..." Daß Sie dereinst mit Kaffee und Thee handeln, nicht wahr? Wissen Sie was? Wir werden Ihrem Onkel Fedor ein Schnippchen schlagen. Wir üben zusammen. Sie stndiren sich ein paar Rollen ein, recht schön, und im Winter kommen Sie mit in die Literarische Gesellschaft  , da sind eine ganze Menge Theaterdirektoren, mit denen mache ich Sie bekannt. Nur schweigen müssen Sie, nichts Mutterchen ver- ratbeii, und auch nichts meinem Man»; der ist nämlich auch so komisch darin, so ein... na ja, so ein richtiger Bremer  ." Sie lachte.Wenn Sie dann erst Engagement haben und berühmt sind..." O, berühmt!" Er war wieder völlig zaghaft geworden. Ja gewiß, berühmt! Sie werden es, glauben Sie mir, Sie werden es! Sie haben schon so etwas Geniales. Ich habe gerade darin einen scharfen Blick, in Ihnen steckt ein Künstler, ich ahne..." Lieber Himmel, ahnen Sie schon wieder mal?" Sie schreckten Beide empor: in der Thür stand ein Herr im leichten helle» Sommcranzng; der Kneifer saß ihm ans der Nase. Als er Fedor erblickte, trat er näher und ließ das Pincenez fallen:O Pardon, Sie haben Besuch? Ich glaubte, Ihr Gatte..." So sehr weise!" Sie erhob sich; der leichte Aerger, der eben über ihr Gesicht geflogen, machte einem belustigten Lächeln Platz:Ist mein Mann um sechs Uhr noch zu Haus? Nein, aber nun er- landen Sie, daß ich vorstelle: Herr Doktor Spar- mann, unser Hausfreund Herr Fedor Russell, Erbe und dereinstiger Inhaber der Firma Russell in Bremen  , derzeitiger Volontär bei Behrens& Co. hier, und meiner speziellen Obhut anempfohlen, also so eine Art Pflegesohn." Ach!... Da gratulire ich." Wem? Ihm oder mir?" Der Doktor machte ein ernsthaftes Gesicht:Beiden natürlich." Sie sah einen Augenblick prüfend zu ihm empor, dann wandte sie sich schmollend ab:Pfui, Sie sind nichtswürdig! Zur Strafe werden Sie sich in die Ecke setzen. Nein, bitte recht sehr, nicht hier an meine Seite, da drüben neben dem Klavier." Immer Ihr Sklave, meine Theuerste. Muß ich auch noch die Wand ansehen?" Das wird von Ihrem ferneren Betragen ab- hängen, mein Herr! Vorläufig sollen Sie Pardon haben, weil Sie grade so gelegen kommen. Sagen Sie mal, der Direktor Schwarz... ist das nicht ein Bekannter von Ihnen?" Oberflächlich ja." Ist er zugänglich?" Was nennen Sie zugänglich?" Was?... Hin... Ich meine, ob er sich für Jemand interessiren ließe, der die Bühnenlaufbahn einschlage» will?" Bühnenlaufbahn?... Donnerwetter, wollen Sie Ihre schauspielerischen Talente jetzt auch einmal praktisch verwerthen?" Ein Gesicht will ich Ihnen machen, das will ich; augenblicklich drehen Sie sich nach der Wand." Ich will ja aber ganz artig sein..." er faltete die Hände und nahm die betrübte Miene eines zerknirschten Kindes an. Sie lachte auf:Sie sind und bleibe» derselbe Sünder, jetzt aber mal im Ernst gesprochen: Ich möchte Schwarz für einen Bekannten interessiren." Ach so! das ist die Sache... Darf man auch fragen, für wen?" Fragen darf man... aber, ob... man Antwort erhält?" Sie sah ihren jungen Nachbar an.Nun, ich denke, mein lieber Herr Fedor so darf ich Sie doch nennen, nicht wahr? ich denke, wir können unseren alten Freund da ruhig in's Vertrauen ziehen. Also, Sparmann, ich habe die Ehre, Ihnen in Herrn Russell auch einen jungen Künstler vorzustellen den Kainz der Zukunft!" O, aber, gnädige Frau... Künstler?!..." Ja gewiß, Künstler!" Sie winkte Fedor zu, und wandte sich wieder zu dem Doktor, der jetzt seinen Eckplatz verlassen und sich bei ihnen am Tische niedergelassen hatte,aber Sparmann se taire heißt schweigen; daß Sie nichts meinem Mann sagen, Sie wissen ja, er hat gar keinen Sinn für das Ideale." Zu Ihrem größten Kummer!" Gewiß, zu meinem größten Kummer. Spotten Sie doch nicht schon wieder!" Sie setzte eine ge- kränkte Miene auf.Wirklich, Sie können sich garnicht denken, wie es ist, wenn man so recht in Schönheit und Poesie versenkt ist und es kommen Einem die Anderen mit der größten Banalität da- zwischen. Das wirkt wie eine kalte Donche...