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des Feuermenschen hatte seinen Ober­schentel durchbohrt und war darin stecken geblieben. Bei jedem Schritt rieb der Pfeil in der peinigenden Wunde hin und her und machte es für den Verwundeten un­möglich, mit Hängohr" Schritt zu halten.

Schließlich fonnte Großzahn" nicht weiter. Erschöpft hodte er sich in einer ficheren Baumgabel nieder. Hängohr" mertte es nicht und floh weiter. Erst als der Verwundete fläglich hinter ihm herrief, machte er halt und schaute sich um. Dann fam er zurüd, fletterte zu seinem Freunde hin und untersuchte den Pfeil. Zunächst versuchte er das Geschoß herauszuziehen, aber auf einer Seite war die widerhakige Spitze, auf der anderen der gefiederte Schaft im Wege. Die bloße Berührung des Pfeiles tat dem Ber­wundeten so weh, daß er die Hand feines Ge­fährten festhielt.

Ratlos hockten sie eine Weile still. Häng­ohr" war aufgeregt und wollte fort. Aengstlich blickte er ununterbrochen nach allen Seiten. ,, Groß zahn" winselle und schluchzie leise. Obgleich " Hängohr" vor Angst zitterte, blieb er doch bei seinem Freunde. So zeigte fich ichon in der Urzeit der Reim jener Nächstenliebe, der An­fang jener Kamerad schaft, die den Menschen zum mächtigsten aller Tiere machen sollte.

Noch einmal ver­fuchte Hängohr" den Pfeil durch das Fleisch zu ziehen, doch Groß­ zahn" fiel ihm ärgerlich in den Arm. Dann beugte sich Hängohr" über den Pfeil und be­gann mit den Zähnen daran zu nagen. Mit beiden Händen hielt er das Geschos fest, so daß es nicht in der Wunde reiben fonnte, und ,, Groß zahn" flammerte sich fest an seinen Freund. Es war ein vielfagendes Bild, welches die beiden jungen Urmenschen dar­boten, der eine fein ego­

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istisches Furchtgefühl bemeisternd und tapfer bei seinem Freunde aushaltend, der andere, verwundet, mit fläglich träumerischen Augen in die Ferne starrend, als fönnte er etwas von jener Zukunft voraussehen, die Ret tungsstationen, Rote Kreuz Schwestern, Märtyrer, Führer auf verlorenen Posten und sonstige Betätigungen der Nächsten­fürsorge zeitigen sollte. Wer fann wissen, ob die Kraft solcher Menschen nicht aus den elementaren Kräften Großzahns", oder Hängohrs" oder ähnlicher Waltbewohner Stammte?

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Nachdem Hängohr" die Pfeilspitze abge. nagt hatte, ließ sich der Schaft leicht her. ausziehen. Großzahn" erhob sich und wollte die Flucht fortsetzen. Doch nun hielt ihn sein Freund fest. Die Wunde blutete flart. Einige fleine Abern waren wohl gerriffen. Hängohr" lief bis zum Aftende

Neue Welt. Illufiriertes Unterhaltungsblatt.

und riß eine Handvoll grüner Blätter ab, die er in die Wunde stopfte. Sein Zweck war erreicht, denn die Blutung ließ bald ganz nach. Ruhiger setzten nun die Freun de ihre Flucht fort und erreichten auf Um­wegen ihre sichere Höhle.( Fortjegung folgt.)

Lebensweisheiten.

Die Gestalt des Menschen ist der Text zu allem, was sich über ihn empfinden und fagen läßt.( Goethe.)- Gerechtigkeit gibt jedem das Seine, maßt sich nichts Fremdes an, setzt den eigenen Vorteil zurück, wo es gilt, das Wohl des Ganzen zu wahren. ( Ambrofius.) Es wäre wenig in der Welt unternommen worden, wenn man nur immer auf den Ausgang gesehen hätte. ( Lessing.)

Hans Tirol  : Aufständische Bauern.

Mittelalterliche Bauern­darstellungen.

Das Leben der Bauern im Mittelalter war reich an Arbeit, Bedrängnissen und Lei­den. Die drei Stände, Bauern, Bürger und Adel lebten in Fehde miteinander; Bauern friege und unruhen waren an der Tages­ordnung Das Los der Bauern war beson­ders erschwert durch die Tatsache, daß fast aller Boden im Besitz der Klöster und des Adels war. Die Herren drückten die Bauern durch das Recht auf Jagd und Fischfang, das ihnen allein gehörte, durch Abgabe­forderungen an Korn, Bich. Ciern, Käse usto. Erfüllten die Bauern diese Pflichten nicht, so bestrafte man sie, indem man ihnen Brondienste auferlegte wie Bachen, Fuh­ren usw. Oder man nahm ihnen zur Strafe

ich ab und entzog ihnen sogar ihre Klei der Da die Bauern des Schreibens nicht mächtig waren durften ihre Peiniger alles

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Mögliche über le schriftlich berichten und verbreiten, ohne daß sie sich dagegen wehren fonnten. Städter und Adelige stellten die Bauern als roh, boshaft, falsch, verschwens derisch und schwelgerisch dar. Zu diesen beiden letzten Behauptungen kamen sie durch die Sitte der Bauern, Hochzeiten und andere Feste auf sehr derbe, ja milbe Art zu feiern. An solchen Tagen erholten sich diese Unter­drückten von ihren Leiden, indem sie in vollen Zügen genossen, den Tafelfreuden bis zur Völleret zusprachen und wilde Tänze aufführten. Es sind eine Menge zeit genössischer Darstellungen solcher Festszenen aus dem Bauernleben überliefert. Beson ders häufig finden sich tanzende Bauern dargestellt. Brachtvolle derartige Zeich nungen hat Albrecht Dürer   gegeben u. a. in den Randleiften zum Gebetbuch des Kal­fers Maximilian, das wir bei früherer Ge­legenheit nachbildeten. Diese drallen, hoch

geschürzten Bäuerinnen mit ihren derben Tän­zern sind voller Bewe gung und intensivster Tanzfreude. Bon einem Schüler Dürers, dem Hans Sebald Beham  , stammen die beiden Holzschnitte, die wir ab­bilden( 1500 bis 1550). Beham  , der als Kupfer­stecher und Zeichner für den Holzschnitt in Nürn­ berg  , später Frankfurt  lebte, gehört zu den so­genannten Kleinmel ftern". Seine Tanzen­ben sind nicht so leben­big wie diejenigen Dü­rers, doch verraten auch fie Luft und Freude. Auf dem ersten Bilde fehen wir sie paarweise zum Tanz antreten, und awar scheint es sich um einen getanzten Umzug an einem Zaun entlang zu handeln, und nur bas legte Paar hält sich wie zum Rundtang um schlungen. Das zweite Bild zeigt eine Auffor derung zum Lanz. Bir sehen, wie zwei Burschen sich Länzerinnen aus der Schar der warten. den Mädchen holen, während die lebrigge­bllebenen, die Mauer­blümchen, die in diesem Fall an einem Zaun lehnen, mit tetis neu­gierigen, tells neidischen Bliden den Abgehenden folgen. Die Musikanten mit den primitiven In­strumenten, Dudelsack und Flöte, find voller Eifer an der Arbeit. In eine andere Stimmung führt die Zeichnung des Hans Tirol  : Aufständische Bauern. Ernsthaft beratend, als Waffent ihre Geräte bei sich führend, sind die Bauern hier verjammelt.

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Die mittelalterlichen Holzschnitte und Kupferstiche hatten den besonderen Zwed, Ereignisse und gewisse Borkommnisse im Bolf, welches des Lesens unkundig war, zu verbreiten. Sie erfüllten so gewissermaßen die Aufgabe emer Zeitung. Auf den Märt­ten und vor den Kirchtüren wurden fie in großen Mengen verfauft und ausgetauscht. Feuersbrünste, Wassersnöte, Mordtaten, Aufstände, Kriege usw. wurden auf diese Weise in ihrer bildlichen Darstellung unter das Boll gebracht Daß auch Albrecht rer, dem es zeitweise bitter schlecht erging, folche Stiche und Holzschnitte entwarf, ble seine Frau auf den Märkten herumziehend, verlaufle wird berichtet.