Deutschland  .

Berlin  , 23. Novbr.[ Landtagsverhand lungen. Das Abgeordnetenhaus] hielt heute feine 29. Sizung. Hauptgegenstand der Tages­ordnung war: Borberathung des Staats­haushaltsgesetzes für 1867 im ganzen

Hause.

des Hauses als besondere Position angefeßt, damit die Bibliothek nicht durch Uebertragungen benachtheiligt wer ben tönne. Außerdem wünscht er, daß überhaupt mehr auf die Bibliothek verwandt werde.

schen Antrag. Er glaubt, daß nur wenige Mitglieder sich die volle Gefahr klar gemacht haben, welche der Aufenthalt in diesem Hause mit sich bringt. Der längere Aufenthalt drückt die geistigen Fähigkeiten nieder.( Also Abg. Becker wünscht, daß die Regierung von allen daher erklärt sich so manches?) das häufige Verlassen des Drudiachen, die von ihr ausgehen, dem Hause ein Erem- Saales, das Nichtverstehen so vieler Redner und dergl. plar zugeben laffe; es feblen z. B. die Verhandlungen sind die Folgen des schlechten Hauses. Die Vorberathung der Provinziallandtage und die Provinzial Correspondenz. des Budgets würde beweisen, daß man nicht ungestraft Abg. Bassenge spricht für die Nothwendigkeit, den so lange täglich in solcher Luft( ist die physische oder Bau eines Parlamentsgebäudes zu beschleunigen und die moralische gemeint?) weilen fann; es muß daher nicht zu warten, bis ein altes Haus niedergeriffen werde. vor allem dahin gewirkt werden, daß man hier mensch­Abg. Graf Schwerin findet auch in dem Plan der lich existiren kann. Nicht blos der Gesundheitszustand Regierung den Fehler, daß er zu weitaussehend sei. Er der Mitglieder leidet dabei, sondern die Verhandlungen Das Haus tritt in die Vorberathung über den Etat meint, man fönne fich für's Erste mit Zuziehung des und damit auch das ganze Land. des Herrenhauses ein. Derselbe wird ohne Distuſſion nebenanstoßenden Kabinetsbauſes aus der Berlegenheit zieben; die Hinterräume beider Häufer bieten Raum zum Aufbau eines genügenden Sitzungsfaales und außer dem würde man Büreauzimmer gewinnen; es würde dann nur für 1867 ein provisorischer Sitzungssaal ge­schaffen werden müssen.

Der Präsident v. Fordenbeck eröffnet die Sitzung um 10 Uhr 20 Minuten mit geschäftlichen Mittheilun gen. Am Ministertische: Heydt, Selchow, Eulen­burg. Einige Regierungskommissare, darunter der

Abg. Geb. Rath Wagener.

erledigt. Es folgt die Berathung über den Etat des Abgeord­netenhauses. Es liegen Anträge auf Bau eines neuen Hauses vor. Der Regierungskommissar giebt einige Erläuterungen zum Etat und erklärt, baß die Regierung mit einigen Anträgen, welche in Bezug auf Aenderung einzelner Positionen gestellt sind, einverstanden ist. In Bezug auf die Anträge wegen des Baues eines neuen Barlamentgebäudes erklärt er, daß die Regierung sich lebhaft mit dieser Frage beschäftigt habe und nach ein gehenden Berathungen auf den Plan zurückgekommen sei, nur ein Haus für das Abgeordnetenhaus( auf dem Grundstück der Porzellanfabrik, neben dem Herrenhause), fein gemeinsames Parlamentsgebäude zu bauen. Abg. v. Bonin spricht für einen von ihm gestellten Antrag auf Genehmigung einer Zulage an den Büreau­Director des Hauses. Abg. Holzapfel stimmt bei. Der Antrag wird fast einstimmig aneenommen.

Der Abg. Bassenge regt bei Gelegenheit des Titels über die Besoldung der Snbaltern- Beamten die Frage an, wann die beabsichtigte Erhöhung sämmtlicher Gehalte der Subaltern Beamten eintreten werde. Der Reg.­Kommissar erklärt, daß dieselbe am 1. April ein­treten soll.

Abg. Virchow wünscht die Kosten für die Bibliothet

Feuilleton.

Bourgeoisiepresse.

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In Reih' und Glied" so nennt sich ein so­eben im Verlage von D. Janke in Berlin   erschienener Roman von Friedrich Spielhagen  , ein Roman, der in Folge seiner antisocialistischen Tendenz den Chorus der gesammten deutschen   Bourgeoisiepreffe zu einem eben­so lärmenden als eintönigen Lobes Posaunengeschmetter herausfordern zu sollen bestimmt scheint.

Abg. v. Unruh hat den Antrag gestellt, eine Kom­mission zur Besprechung der Angelegenheit zu ernennen. Der Redner meint, ein solches Gebäude müsse nicht auf dem Hofe stehen, sondern öffentlich, Jedermann sichtbar. Der Grund, welchen man für den Plan anführe, daß der Sitzungssaal ruhig liegen müsse, sei nicht stichhaltig, da man den Ban ja doch so einrichten könne, daß der Saal ruhig liege. Der Grund, daß keine Bauplätze vorhanden sind, fönne auch nicht gelten, da man so gut wie Berlin   sein Rathhaus, solchen Platz ankaufen könne. Außerdem müsse endlich einmal wieder ein öffentliches Gebäude von Seiten der Staatsregierung gebaut wer­den, welches die Kunst zu fördern geeignet sei. Er meint, ein würdiges Gebäude sei auch in derselben Zeit zu schaffen, wie sie der Plan der Regierung fordere. Abg. Harkort spricht in demselben Sinne. Abg. Waldeck gleichfalls.

Abg. Michaelis und Graf Bethusy- Huc für den Antrag des Abg. v. Unruh.

Abg. Dr. Löwe- Calbe ist ebenfalls für den Unruh'­

nach einer Einleitung, worin sie sich über die früheren socialen Romane Spielhagens verbreitet, wie folgt fortfährt:

In dem neuen Werk mußte Sp. sich erst den Boden Ein social- politischer Tendenzroman in der bauen, auf welchem sein Drama verlaufen sollte, bier konnte er nicht bestimmte, der Geschichte angehörige That­sachen, die als bekannt vorauszuseßen wären, zur Grund lage nehmen. Denn er behandelt eine Bewegung, die noch heute nicht ganz ausgegohren hat, die historisch in ver­schiedene Epochen auseinanderfällt, während der Dichter fie auf engem Blan und in persönlichen Konflikten konzen­triren muß. Er mußte also einen geschichtlichen Hinter grund finden, der nicht allzu stark bestimmend auf die Hauptfiguren einwirkte und die Betrachtung nicht in an­derer Richtung fesselte. Zu solchen Zwecken kann der Poet sich Muster wählen, an Bekanntes anlehnen, Ge­gebenes mit Freiheit verarbeiten. Sein Staat erinnert an Preußen, sein König an den letzten ,, Romantiker auf dem Throne", doch mit wesentlichen Variationen; aber die Zeit, welche er meint, ist schwerlich kalendermäßig zu fixiren, die Begebenheiten sind anachronistisch gruppirt und viele Nebenfiguren am Hofe, die man leicht für Kopien halten möchte, sind frei erfunden.

Zwei Berliner   Blätter, die ,, Bolts- 3tg." und die Berl. Reform", haben bereits, in allerliebster Uebereinstimmung, den Reigen der Reclame in großen Recensionsartikeln eröffnet; die übrigen werden wohl nicht lange auf sich warten lassen,

" Zumi Helden des Romans hat Lassalle   gesessen, aber nur so, wie ein Individuum manchmal einem Maler zum Studienkopfe dient; die entfernte Aehnlichkeit bleibt, das Kunstwert ist aber in der Regel nur die Idealisirung einzelner Züge oder Eigenschaften."

Herrn Spielhagen scheint, in dieser Hinsicht wenig stens, ein großer Wurf gelungen": man erkennt, be­grüßt, bejubelt, vergöttert in ihm den Dichter der gro­Ben liberalen Partei," des ,, Bolts, das da denkt und ar­beitet," und Julian der Literarhistoriker", mag nur getrost in der nächsten Auflage seiner Literaturgeschichte Herrn Spielhagen   in Reib' und Glied" stellen neben den Dichter von Soll und Haben," welchem gegenüber es selbst einem Göthe und Schiller nicht gelungen ist, fich, wie Herr Jul. Schmidt etwa sich ausdrücken würde, zur Vollreise der Entwickelung im Ideal- Realen durch zuarbeiten," da, wie jener Herr orakelt, der Eine, Göthe  , ,, die Romantik, die ihre düsteren Schwingen über seine goldene Zeit verbreitete, nicht los werden, sich nicht in's Freie kämpfen konnte," und der Andere, Schiller   ,,, sich bemühte, die Schilderungen dem Stoffe anzupassen, weß halb man oft über seine Sympathien im Unflaren ge­wesen." Das Dioscurenpaar am Literaturhimmel des modernen Bourgeois ,, Realismus" ist entdeckt, Castor hat seinen Pollux Herr Freitag seinen Spielhagen ge- die politische Bewegung matt. Da nun aber Spiel funden, Schiller und Göthe   sind ein ,, überwundener Standpunkt" Heil uns, hallelujah!

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Was unser Urtheil über den genannten Roman be­trifft, so ist selbstverständlich, daß wir ihm die aufmerk samste und gewissenhaftefte Würdigung widmen werden, da ja die Fragen, welche er in der Form einer Dichtung behandelt, für uns vom höchsten Interesse sind.

Vorerst wollen wir jedoch unseren Lesern nur einige bruchstückweise Proben der Reclamen mittheilen, welche die genannten Bourgeoisorgane dem Spielhagen'schen Romane bereits haben angedeihen lassen, der ihnen offen bar eine hochwillkommene Gelegenheit geboten, gegen den ihnen ebenso verhaßten als von ihnen gefürchteten So­cialismus so recht nach Herzenstuft wüthen zu können. Lassen wir vorerst die ,, Volks- 3tg." sprechen, welche

Minister des Innern Graf Eulenburg  : Die Regie­rung widersetzt sich keineswegs prinzipaliter einem monu­mit Rücksicht auf die Nähe der Ministerien und des mentalen Gebäude. Die Lage in der Leipzigerstraße ist ein anderer Plan in fürzerer Zeit als in 4-5 Jahren Herrenhauses sehr günstig. Er glaubt nicht, daß irgend auszuführen sein wird. Uebrigens wird sich die Regierung gern mit anderen passenden Vorschlägen, die nicht zu viel Geldmittel erfordern, einverstanden erklären.

Ein Antrag auf Schluß wird abgelehnt. Der Regierungskommissar erklärt, daß die often des Ausbaues aus dem Baufonds des Handels­ministeriums bestritten werden sollen.

Die Debatte wird geschlossen. Das Haus nimmt den Antrag des Abg. v. Unruh mit einem Zusatz von Michaelis, daß die Kommission sich mit dem Präsidium in Verbindung setzen solle, einstimmig an.

Das Haus geht zur Berathung der Etats des Staatsministeriums über. Reg. Kommiff. Geh. Nath Wagener giebt die Erläuterungen zu dem Etat der Büreaukosten des Staatsministeriums.

Bei der Berathung der Position für das literarische Büreau des Staatsministeriums wird darauf aufmerkjam gemacht, daß das Haus die Position im vorigen Jahre gestrichen habe, da es nicht zweckmäßig sei, solche Stellen definitiv zu besetzen, indem bei dem Wechsel des Mi­

und scharf, wie die Gesetze der Kunst es erfordern, her­vortreten zu lassen. Der Held muß untergehen, weil er sich gegen die Gesetze des politischen Schaffens vergeht, weil er sich in frecher ßo über die ethische Gemeinschaft der Gesinnungsgenossen erhebt, weil Er der Held sein will in einer Zeit, wo nur das Volk der Held ist, wo jeder Fortschritt ein Allen gemeinsamer sein muß, um wirklich als Fortschritt zu gelten. Er geht unter, weil er in seiner subjektiven Ungeduld schließlich den idealen Wirkungsmitteln nicht mehr vertraut. Er stirbt, wie jeder Achilles  , an einem Stich in die Ferse. Aber es war schwierig, ihn im Konflikt der Idee zu opfern, ohne ihn vorher im Kampf gegen die kleinliche Intrigue selbst flein erscheinen zu lassen.. Spielhagen hat diese Schwierig­feit überwunden und den leitenden Gedanken, der an die höchsten Vorwürfe der antiken Tragödie erinnert, nach allen Seiten furchtbar herausgeschäft."

,, Dem einen Leo( Lassalle) stehen natürlich mehrere andere Figuren gegenüber, welche das Gesammtwirken des modernen Menschen im öffentlichen Leben nach seinen verschiedenen Abstufungen darstellen. Die Hauptfiguren sehen wir wachsen und sich nach ihren ursprünglichen Anlagen, wie aus bestimmten Keimtrieben, entwickeln. Die verschiedenartigen Früchte saßen ursprünglich auf einem und demselben Stamm oder doch an sehr benach, barten Stämmen. Eine adlige Gutsherrn und eine bürgerliche Försters Familie, enge mit einander verbunden, bilden den Ausgangspunkt. Der politische Klassenkampf " Spielbagen konnte es nicht anders machen. Als Lassalle und die socialen Widersprüche spiegeln sich hier schon zu agitatorischen Zwecken den Socialismus aufzuwärmen in engerem Rahmen. Die verschiedenen Spezies der versuchte, war derselbe längst überlebt; Lassalle selbst Opposition und des Junkerthums begegnen sich gleich war von diesem Moment an nur noch der Epigone jener in den Bewohnern eines stillen kleinen Walddorfes und bekannten Propheten aus den dreißiger und vierziger stoßen in den Knabenspielen der heranwachsenden Genera­Jahren, die vor Lassalle   die große Kraft voraus hatten, tion auf einander. Leo- Lassalle geht aus den abenteuer­nicht durch wissenschaftliche Bildung in ihren Ueberzeu lichen und ungeordneten Verhältnissen eines Hauses her­gungen gestört zu werden. Damals aber, als der Socia- vor, deffen Haupt ein mißlungenes Genie, ein verhungernder lismus( mit Forderung der Staatshilfe und der Perspek- Projektenmacher war; dann ist er mit stolzem Haß das tive auf eine zukünftige Revolution) noch blühte, war Brod der Gnade. In den Geheimbund der Revolution wird er eingeweiht von einem Schulmeister, der den hagen die beiden Gegensätze in voller Frische gebrauchte, Abscheu gegen die höheren Siände zu einer Art von und unmöglich eine ganze gedankenreiche Entwickelung Religion verarbeitet hat und der später einen jener un­in das kurze Jahr 1848 zusammendrängen konnte, so erbittlichen Pfeiler der Emigration darstellt, welche Nichts mußte er auf bistorischem Gebiete frei kombiniren." lernen, Nichts vergessen, mit der Wirklichkeit niemals ,, Laffalle's frappante Physiognomie hat sicherlich schon transigiren und durch ihre Starrheit imponiren. Wie manchen Romanschriftsteller gereizt. Diese merkwürdige ein eleganter Spartacus neben einem wirklichen Stla­Mischung idealer Kräfte nud niedriger persönlicher ven, der die Kette bricht, so steht Leo neben diesem Strebungen, dieses Kind der Neuzeit mit dem, meisten Tusky." ,, Ein phantafiereicher theils falschen, Bathos einer vergangenen Epoche, diese König glaubt mit den weltbewegenden Prinzipien spielen gewaltige aber unfreie Individualität, in welcher Nichts zu können und geräth dadurch in die bedenklichste Ver­ganz wahr blieb, als die Leidenschaftlichkeit seines Thuns wirrung. Um ihn her die ganze wüste Demoralisation und Wollens, ist der richtige Held eines modernen Ten- eines intriguanten Hoflebens mit Günstlingen und Mai­denzromans. Natürlich mußte Spielbagen ihm Icarus- treffen, hier mit ganz meisterlicher Sachkenntniß ge­Flügel anheften und ihn ins Titanenhafte ausmalen, um schildert. Es wird augenscheinlich, daß nicht durch Königs die Gegensätze, um welche es sich hier handelt, so rein Gunst, nicht durch geniale Sprünge und Ueberrumpe­

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