Situation der deutschen Sozialdemokratie werfe. Nun» die-selbe läßt«sich nicht anders denn als eine sehrgünstige bezeichnen!Das liberale Bürgenhum, welches sich vor Jahresfrist amlautesten an dem Hcpp! Hepp!- Ruf gegen die Sozialdemokratenbetheiligte, ist ganz schweigsam und zerknirscht geworden, nieder-gedonnert in dem Gedanken, daß Fairst'Bismarck der„Ein-zige" ihm keine Gnade mehr wid�hh�n Die liberalenZeitungen und Parlamentarier aber WänM daß sw durchBefürwortung und Annahme des Vc�!alistMKefetzes sich selbsteine Ruthe gebunden haben, die schärfster Weisegegen sie angewandt wird.Die Fortschrittler gber waschen ihre Hände in Unschuld undrufen da? bekannte„Herr, ich danke dir, daß ich nicht bin wiejene!" Nun ist allerdings wahr, daß die Fortschrittspartei nichtfür das Sozialistengesetz gestimmt hat, aber deßhalb hat sie dochnur wenig Anlaß zur Prahlerei, denn sie hat die Sozialdemo-kratic vor Erlaß desselben in einer Weise geschmäht und zu be-sudeln versucht, daß die Regierung ihre Motive für die Einbrin-gung des Sozialisteng�ßetzes auf diese Schmähungen stützenkonnte. Sämmtliche Reden, welche bei Berathnng dieses Gesetzesvom Bundesrathstisch aus gehalten worden sind, hätte z. B. fasteben so gut Herr Eugen Richter halten können, wenn man dasSchlußwort, die Empfehlung der Annahme, sich fortdenkt. Wennalso gewisse Fortschrittler sich jetzt so viel darauf zu gut thun,gegen das Sozialistengesetz gestimmt zu haben, so müssen den-selben ihre ewigen Hetzereien gegen die Sozialisten in's Gedächt-niß gerufen werden, die zum großen Thcile das Gesetz mit vcr-schuldet haben.Indessen befinden wir uns, wie gesagt, trotz des Gesetzes, aufwelches wir, wie Bracke sagte,„pfeifen", ganz leidlich wohl.Sehen wir doch fast täglich, was wir unfern Gegnern bei Be-rathung des Ausnahmegesetzes voraussagten, daß die Spitze desletzteren machtlos an unserer Brust abprallt und in die Weichendes faulen Liberalismus führt, und haben wir doch gerade unterder Herrschaft dieses„Gesetzes" eine Anzahl ganz bedeu-tender Erfolge zu verzeichnen geh.abt.Vor allen ist es die Stadt Breslau gewesen, welche dieProbe auf das Sozialistengesetz zu geben hatte, und diese Probefiel nicht weniger als dreimal für die Herren Gesetzgeber undSozialistensrcsser äußerst kläglich aus.Zuerst, im Februar, war die Nachwahl zum Reichstag anStelle des verstorbenen Fortschrittlers Bürgers im BrcslauerWahlkreise. Alle Parteien hatten einen kleinen Rückgang zu ver-zeichnen, die„unterdrückten" Sozialdemokraten den geringsten.Der Kandidat derselben, Kräcker, kam in die Stichwahl undnur den vereintesten Anstrengungen aller„staatserhaltenden" Ele-mente(damals waren die Liberalen noch nicht in die Reichsachtgethan) gelang es, den fortschrittlichen Justizrath Freund, fürwelchen die gesammte Bourgeoisie, sowie die Beamten bis zumSchutzmann und Nachtwächter hinab, einmüthig gestimmt hatten,durchzubringen.Den 16. Mai fand das Bcgräbniß des braven sozialdemotra-tischen Abgeordneten für den BreSlauer Ostkreis, P. Reinders,statt. Tausende und aber Tausende von Menschen folgten derdeiche des einfachen Mannes, der sein Leben lang für die Frei-heit gekämpft und stets bereit gewesen, sein Herzblut für die Linde-rung der wirtchschaftlichen und politischen Leiden des Volkes einzu-setzen. Dieser großartige Leichenzug, abgehalten in der zweitgrößtenStadt Preußpus, deren Polizei nach dem strammen Muster derBerliner organisivt ist, und unter dem Ausnahmegesetz, war eineDemonstration, wie Breslau sie niemals gesehen hat und wohlkaum wieder gesehen wird.In Fchlge von Reinders Tod fand dann am 8. Juni eineNeuwahl auch im Breslauer Ostkreise statt. Die Sozialdemo-kraten stellten Hasenclever auf, der bei den allgemeinen Wah-len in Berlin(Wahlkreis VI) mit 15,300 Stimmen unterlegenwar; die antisozialistischen Elemente fanden einen Kandidaten,einen Justizrath Leon Hardt, der erklärte, es den Fortschritt-lern, den Nationalliberalen und den Konservativen zugleichrecht machen zu wollen. Drastischer hat sich das Wort von der„reaktionären Masse" gewiß noch selten bewahrheitet!Die Ultramontanen aber erklärten sich für einen frühernevangelischen Pfarrer, Dr. Hager aus Mecklenburg. Beider ersten Wahl verlor die vereinigte Ordnungspartei über 5000,die Sozialdemokratie dagegen nur 1200 Stimmen; die Ultra-montanen, die ernstlich in Breslau nicht in Betracht kommen, ge-wannen einige Stimmen. Ergebniß: Stichwahl zwischen Sozialdemokratie und Reaktion.Die Ultramontanen erklärten feierlich, sich bei der engeren Wahlder Stimmabgabe enthalten zu wollen; das haben sie im AUge-meinen auch gethan. Denn zugegeben, daß vielleicht 200 katholische Arbeiter für Hasenclever stimmten, so haben doch minde-stens ebensoviel katholische Beamte und Bourgeois für Leonhardtgestimmt.Bei der engeren Wahl(18. Juli) zeigte sich eine lebhalteBetheiligung und Agitation beiderseits— man wußte, worum essich handelte. Die Fortschrittspartei besonders war es, die lebhaft für den Kandidaten der vereinigten Reaktion ogitirte. DieSozialdemokratie mußte ihre Agitation natürlich mehr im Stillenbetreiben, da ihr Versammlungen verboten waren"). Ihr ein-•) Rur ein einziges Mal kamen die Sozialdemokraten auf der Redner-tribime zum Wort und zwar in einer von freireligiöser Seite einberufenenVersammlung im llütsl de Silöaie, aus deren Tagesordnung stand;„DiePresse und da» Volkswohl." Die Versammlung war sehr zahlieiib, auchvon Sozialiste», besucht, jund ei sprachen in derselbe» der sozialistische Kan-didat Hasen clever und der ReichStagSabgeordnctc Max Kaps er untergroßem Beifall.— Bor der engein Wahl beriefen katholische Arbeiter eineVersammlung ein, in welche sich. Hasenclever, Koyser, Kräcker mitvielen Genossen begaben. Kräcker sprach von de» Sozialdemokraten zu-erst und empfahl die Wahl de« Sozialisten, woraus er einen Brief Lieb-kriecht'« an Hasenclever verla«, auf Grund dessen der überwachende Po-lizelkommissär die Versammlung auflöste. Der„gefährliche" Brief lautete:Mittweida, 16. Juli Abends.Lieber Freund! Wie wir schon heute Morgen vermutheten, ist e« mirin der That nicht möglich, zur Wahlschlacht nach Breslau zu kommen. Ichmuß Sonnabend in Hamburg sein, und, wenn ich auch Freitag Abend schonvon Breslau abfahre, so komme ich doch nicht mehr rechtzeitig dort an, abgesehen davon, daß ich todmüde sein würde. Es geht also nicht. Sageden braven Breslauern, ich bedauere e« sehr, nicht in ihrer Mitte sein zukönnen. Du weißt, wie ich mich trotz meine« Unwohlseins darauf gefreuthatte. In Breslau ist die Gefammtp artet engagirt, und ich fühltemich verpflichtet, dem agitatorischen Massenaufgebot zu folgen,und mein Schärflein zum Sieg unserer Vorkämpfer beizutragen. Unsereziges Agitakionsmittel außer der mündlichen Propaga>a vonMann zu Mann war ein Flugblatt, welches in einer durch dieUmstände aufgezwungenen„gemäßigten" Sprache abgefaßt war,aber radikale Forderungen enthielt, und in 35,000 Exemplarengeschickt verbreitet wurde.Der Erfolg dieser Agitation war unter Berücksichtigung derVerhältnisse ein glänzender; denn der Kandidat des vereinigtenLiberalismus und Konservatismus erhielt trotz aller erdenklichenAnstrengungen mehr als 1200 Stimmen weniger als der Kan-didat der siegreichen Sozialdemokratie.Das war ein Sieg, der die vielversprochene„Vernichtung"der deutschen Sozialdemokratie durch das Ausnahmegesetz so rechtad oculos allen Sozialistenfressern demonstrirte. Deshalb er-folgte denn auch ein namenloses Zeter-Mordio in der ganzen„gutgesinnten" Presse, welche die Wahl von Breslau und dieSchuldjrage, d. h. wer den Sieg der Sozialdemokratie verschul-dct habe, wochenlang beleitartikelte, ohne freilich zu ihrem Leid-wesen dadurch etwas an dem Resultat ändern zu können.Kurz nach der Breslauer Wahl fand auch in Erfurt eineNachwahl statt, an Stelle des zum Minister ernannten seitherigenAbgeordneten Lucius. Wohl wurde Lucius wieder gewählt;aber nur mit knapper Roth, denn er hatte gegen das Vorjahrüber 4000 Stimmen verloren, während die Stimmeuzahl derSozialdemokratie trotz aller Pressionen ungefähr dieselbe, gegen1700, blieb. Außerdem stimmten für den radikalen und per-sönlich ehrenwerthen Fortschrittsmann, Albert Träger, über2000 Wähler Man sieht, welche Fortschritte das preußischeMinisterium macht, da ein Mitglied desselben in einem bisherallezeit durchaus konservativ-preußischen Wahlkreise fast eine Nie-dcrlage erlitten hätte.Und nun Hamburg! Mit Wchmuth denke ich an den 3.August. Der Besten Einer, unser unvergeßlicher Geib, hatuns verlassen. Das war eine Bcgräbnißfeier! Nicht Berlin vorzwei Jahren, nicht Breslau können sich mit Hamburg messen;50,000 im Leichenzuge, 100,000 neben demselben— das sinddie annähernd richtigen Zahlen— es war im wahren Sinneine sozialistische Heerschau, die die Gegner in Erstaunen undSchrecken setzte. Rühmend anzuerkennen ist, daß die HamburgerPolizei sehr anständig war, indem sie das Leichenbegängniß inkeiner Weise störte. Als Lohn dafür soll sie indessen von Berlin,wo man weniger„sentimental" denkt, später einen ordentlichenRüffel erhalten haben.50,000—100,000 Parteigenossen einmüthig beisammen, umeinen ihrer Besten zu begraben, Zeugniß abzulegen von ihrerEinigkeit, Zeugniß abzulegen für ihre Sache, Zeugniß dafür ab-zulegen, wandeln zu wollen auf den Wegen, die der Tadle an-gezeigt hat— sieht das aus wie ein„Rückgang"?Die Stimmung in den Bürgerkreisen ist denn auch bereitseine ganz andere, wie vor Jahresfrist, wo oft genug die Gast-wirthe und ihre Stammgäste einen halbwegs bekannten Sozial-demokrate» aus den Wirthschaftslokalen hinauszumaßregeln ver-suchten. Jetzt sehen wir dagegen meist nur freundliche Gesichterund manche einsichisvollen Leute sehen ein, zu welch erschrecklichenDummheiten sie sich durch ihre, ihnen von der Regierung ein-gejagte Furcht vor dem rothen Gespenst haben verleiten lassen.Es ist zweifellos, daß wir seit den letzten Monaten eine großeAnzahl geheimer Anhänger gesunden haben.Wie kleinlich erscheint einer solchen Demonstration für dieSache der Menschheit gegenüber ein preußisches Polizei-g e s e tz!Und da sollten wir nicht zufrieden sein mit der gegenwärtigenSituation angesichts solcher Erfolge!?Was schließlich die Stimmung und Haltung der deutschenSozialdemokratie selbst betrifft, so sind allerdings— wie bei demschroffen Uebergang von der früheren offenen und geräuschvollenAgitation zu der durch das Ausnahmegesetz bedingten stillen unddabei äußerst beschwerlichen von heute leicht erklärlich— mancheSchwierigkeiten und Unzuträglichkeiten zu überwinden gewesen.Manche Genossen vermögen sich eben nur schwer oder kaum indie veränderte Sachlage zu finden und glauben der Sache durchnutzlose Demonstrationen zu dienen, während doch die Macht derThatsachen— unbeschadet des Prinzip es— eine ganz andereTaktik fordert. Jndeß ist die Zahl dieser Genossen doch nureine verhältnißmäßig sehr geringe und nimmt angesichts der sichstets mehrenden eklatanten Erfolge unserer Taktik außerdem rapidab. Die Entwicklung und Disziplin der deutschen Sozialdemo-kratic ist eben bereits weit genug fortgeschritten, um die Parteiüber alle inneren und äußerlichen Schwierigkeiten hinwegzuführen— zum großen Leidwesen ihrer Todfeinde, die beschränkt genugwaren und noch sind, allen Ernstes an die Möglichkeit der Ver-nichtung einer entwicklungsgesetzlich mit Nothwendigkeit entstan-denen und sich immer mehr entfaltenden Partei durch politischeund soziale Unterdrückungsmaßregeln zu glauben.Ich kann daher zum Schluß nur mit gutem Gewissen wieder-holen, daß unsere Partei seit dem Sozialistengesetzin stetem Wachsthum begriffen ist und daß, wenndie Fessel dieses Gesetzes so oder so einmalfällt, und wir dann öffentliche Heerschau halten,diese großartig und für alle Gegner des Sozialis-mus furchterregend ausfallen wird!Vorkämpfer— da« find die Brcslauer seit dem Inkrafttreten de« Sozialistengesetze«! Viermal in den letzten 9 Monaten hoben fie die Ehre derPartei gerettet: zweimal im Ringen für Kräcker'« Kandidatur, dann beidem Begräbniß unseres tapferen Reinders und endlich am Dienstag vor8 Tagen. Und nun übermorgen ist der fünfte„Tag de« Proletariat»,"Möge er ein Tag de« Sieges sein! An den Breslauern wird e« nicht feh.ien— deß bin ich sicher— fie werden zum fünfte» Mal seit Erlaß desSozialistengesetzes ihre Schuldigkeit thun; fie weidcn am 18. Juli den Zaghaften den Weg der Pflicht zeigen, die feigen Berläumder Unserer Parteibeschämen und die kurzsichtigen Poliliker, welche die weltbewegende Idee de«Sozialismus mit den ZwirnSfäoen eines Polizeigesetzc« zu knebeln vermeinten, ad absurdum führen. Ich, ich wäre so gern mit dabei.— mit aufdem Ehrenposten! Nun, ich muß mich in da» Unvermeidliche schicken.Und cS geht ja auch ohne mich! Wo l 6, 066 Männer entschlossen find, denSieg zu erkämpf«!, da kommt e« aus Einen mehr oder weniger nicht an.Die BreSlauer haben sich so trefflich bewährt, daß jeder Zweifel dieabscheulichste Verläumdung wäre; die hohe Bedeutung der Wahl de» 13.wird die Kräfte eine« Jeden verdoppeln, Jeden zur äußersten Kraftanstren-gung anspornen. Die» weiß ich, und darum erwarte ich fest den Sieg-llebermorgen werden meine heißesten Wünsche die BreSlauer Genossenan die Wahlurne begleiten. Da» sag' ihnen!Mit sozialdemokratischem GrußDeinW. Liebknecht.Die Bedeutung der sächsischen LandtHwählen.— t. Aus Sachsen,'feie soeben vollzogenen Wahlen zii,sächsischen Landtag*) haben ein für unsere Gegner geradezu verblüffendes Resultat geliefert. Und daß es unter der Herrschaft des Zensus u ifb des Ausnahmegesetzes unsmöglich geworden, zwei unserer Kandidaten durchzubringen undin fünf andern Wahlkreisen eine Macht zu entwickeln, die unsunter normalen Verhältnissen den Sieg gesichert härte,— dasist allerdings eine Thatsache, wohl geeignet, die Feinde der So-zialdemokratie zu erschrecken.Bekanntlich ist das Landtagswahlrccht in Sachsen an die Zah-lung einer direkten Steuer von 3 Mark jährlich geknüpft. Daman aber entdeckte, daß bei der kolossalen Besteuerung,. welchedie neue Reichshcrrlichkeit über uns»erhängt, so ziemlich jederErwachsene der Zensusbedingung entsprechen würde, so ist manauf die schlaue Idee gekommen, einen Theil der direkten Steuerzu fixiren und den Rest in Gestalt eines sogenannten„Zu-schlages" zu erheben. Nur die fixirte Steuer zählt alsZensus im Sinne des Gesetzes, der Zuschlag dagegen wirdeinfach n.cht gerechnet!Jetzt beträgt der„Zuschlag" 50 Prozent der fixirtcn Steuer;um also der Zensusbedingung der 3 Mark zu. entsprechen, mußman in Wirklichkeit 4'/% Mark direkter Steuern bezahlen. Undwenn es unfern Herren Gesetzgebern einfällt, die fixiric Steuerauf die Hälfte herab und bim Zuschlag auf die vierfacheHöhe hinaufzusetzen, dann ist es auch„in der Ordnung",und mit Ausnahme einiger Tausend Reichen hat in SachtenNiemand mehr das Landtagswahlr.cht. Man muß jedenfallsgestehen, daß sich unsere Gesetzgeber voi trefflich auf die„U m-gehung der Gesetze" verstehen.Wie dem nun sei, die Wirkung des gegenwärtigen Zensus(mit„Zuschlag") ist, daß durchschnittlich ungefähr zweiDrittel derReichstagswähler vomLandtagSwahl-recht ausgeschlossen sind. In den Bcrgwerksdistrikten(dem Zwickauer Kohlenbecken) und in Leipzig und Dresden nebstindustrieller Umgegend, wo die Arbeitslöhne relativ hoch sind—freilich dieses relativ hoch ist absolut sehr tief— durch dmZensus ziemlich genau die Hälfte der Reichstagswähler desLandtage Wahlrechtes beraubt, während in den W e b e r distriktenkaum ein Viertel der Reichstagswähler dos Landtagsrecht besitzen.Wenn man bedenkt, daß es gerade das Gros der sozialdemo-kratischen Reichstagswähl r ist, welch. s der Zensus ausschließt,wohingegen die Anhänger der reaklionäcrn Parteien nicht vonihm betroffen werden, so tritt die volle Bedeutung unserer Er-sö ge bei den letzten Landtagswahlen zu Tage. Dieselben über-heben es üb»r jeglichen Zweifel, daß unsere Partei seitder Reichstagswahl iin A tten t a t s so nimer großeFortschritte gemacht und weit tiefer in die Massen,na ni entlich in die bürgerlichen und bäuerlichenKreise eingedrungen ist, als dies vor% Jahrender Fall war!Besonders klar ergibt sich dies Wachsthum in den beiden Wahl-kreisen, in welchen wir gesiegt haben: dem Leipziger und demZwickauer Landkreis Hier wie dort waren wir bei der letztenReichstagswahl unterlegen. Wir haben also jetzt unter demDrucke des Zensus und des Ausnahmegesetzes zwei Wahlbezirkeerobert, die wir vor fünf Vierteljahren mit Hülfe des allgemeinen Wahlrechtes und der uns noch nicht vollständig ent-rissenen Waffen der Preßfreiheit und des Vereins- und Versamm-lungsrechts nicht zu erkämpfen vermocht hallen. Aehnlich ist esim Dresdener Landkreis, wo Liebknecht bei der Landiagswahl,obgleich ev nicht siegte, doch vergleichsweise mehr Stimmenerhielt, als im Sommer des vorigen Jahres.Auch in Chemnitz Stadt und Land, sowie in den beidenstädtiichen Bezirken von Dresden war der Ausfall ein solcher,daß wir ohne Selbsttäuschung behaupten können: ww hättenunsere Kandidaten durchgesetzt, wenn die Behörden nicht in derrücksichtslosesten Weise die Wahlfreiheit vernichtet und sich beispiel-lose Gewaltübergriffe und Einschüchterungsversuche erlaubt hätten.Ueber unser Vorgehen war die Regierung und Polizei gänzlichim Dunkeln: man fürchtete aber eine Ueberrumpelung imletzten Moment, und, um unS lahm zu legen, erließ die Regie-rung in der Woche vor der Wahl eine Ordre, dahin gehend:jede sozialdemokratische Wahlversammlung und Wahlkundgebungzu hintertreibeir, das Sozialistengesetz auf's Schärfste anzuwenden,jedes sozialdemokratischer Beziehungen verdächtige Blatt zu unter-drücken, massenhafte Haussuchungen vorzunehmen und beim ge-ringsten Anlaß jeden sozialdemokratischen„Führer" oder„Agenten"zu verhaften.Und diese Ordre wurde auch strikt ausgeführt. Zunächst fielenihr drei Blätter zum Opfer: eins in Dresden, eins in Chemnitzund eins in Glauchau, alles Blätter, denen sozialdemokratischeBestrebungen im Sinne des Sozialistengesetzes nachzuweisen ein-fach unmöglich wäre. Doch was jrägt die Polizei nach„Beweisen"? Dann wurde in Dresden ein harmloser Verein, hinterdem man sozialdemokratische Tendenzen witterte, der Demokraten-bund, ausgelöst, und ferner am Sonnabend, Sonntag und Mon-tag vor det Wahl(Dienstag den 9.) ftde Wählei Versammlungin Sachsen, deren Einberufer der Polizei nicht als gute Ordnungs-männer bekannt wmen, verboten— zahlreicher Haussuchungengar nicht zu erwähnen.Am skandalösesten verfuhr die Polizei in Chemnitz, der Domänedes berüchtigten Siebdraht. Dieser Miniatur-Gesellschafts-retter überfiel am Sonnabend vor der Wahl ein Lokal, in welchem,bei offenen Thüren und von den übrigen Wirths-Hausgästen nicht abgesperrt, 20 unserer Genossen, darunter Vahlteich und Wiemer, sich zum Zwecke der Wahl be-sprachen und Wahlaufrufe nebst Stimmzeddeln falzten,— underklärte sämmtliche Anwesende für verhaftet. Umsonst wurde re-kurrirt, es blieb bei der Verhaftung, und die 20 Arrestanten,Vahlteich und Wiemer voran, wurden,„wie ein BündelZigarren" mit einem Strick zusammen gebunden,durch die Straßen nach dem Polizeihausc geführt! Dort entließman 15 sofort, 4 am folgenden Tag, nur Vahlteich, auf den♦) Es muß bemerkt werden, daß diese Wahlen bloße Thellwihlenwaren, indem fie sich blv« auf ein Drittel von Sachsen erstreckten. Derstichsische Landtag, ist»iiiNtich ewig: alle drei Jahre hat ein Drittel derMitglieder auSzuscheiten. und zur Besetzung der vakanten Sitze eine„Ersatzwahl" stattzufinten. Die Mandate haben sechsjährige Gültigkeit.