es freilich nicht liegen, wenn es nicht geschehen sollte, denn diese legen sich aus Furcht vor dem Sozialismus aufs Bitten und knien vor den Konservativen, um es mit ihnen nicht gänzlich zu verderben. Die Karls sind wie die Hunde; sie fressen, mit Respekt zu sagen, heute, was sie gestern ausgebrochen haben! Im Grunde genommen ist das aber kein Schaden; es ist die nothwendige Entwicklung. Diese ist bei uns eben schon so weit vorgeschritten, daß nicht viel mehr fehlt und es gibt nur noch Konservative und Sozialdemokraten. In wenigen Jahren wird dies erreicht und die Bahr frei sein. Dann wird uns der liberal­fortschrittliche Hanswurst nicht mehr vor den Beinen liegen und uns am Ausschreiten verhindern. In Breslau   wird bei den nächsten Reichstagswahlen die neue mit der alten Welt um die Palme des Sieges ringen, und es ist kaum zweifelhaft, wem als dann der Sieg zufallen wird. Das Füllhorn neuer und erhöhter Steuern, das jetzt über uns ausgegossen wird, macht auch die größten Schlafmützen munter, und nur uns kann der Zuwachs werden. Die totale Verarmung der Mittelklasse macht reißende Fortschritte! Die neuen Steuern werden das Tempo nur noch beschleunigen.

Die aus dem frommen Berlin   importirte Judenheze wird auch bei uns wacker kultivirt und es macht uns nicht wenig Spaß, wenn wir die sonst einhellig gegen uns polternde Bourgeoisie plötzlich von uns ablassen und die ehrenwerthen Herren sich ge genseitig als Spißbuben und Schubiake traktiren sehen. Vor Kurzem hat diese Heze dahier eine recht duftige Blüthe getrieben. Bei der Abgeordnetenwahl im vorigen Monat haben sich näm­lich ein jüdischer und ein christlicher Wahlmann, der höchst gebil­dete Dr. Asch und der nicht minder feine Rechnungsrath Aßmann, geohrfeigt. Natürlich wurde der Tumult groß und mußte schließ lich Militär requirirt werden, um die Ruhe wieder herzustellen. Das sind die Gebildeten" unter sich! Zum Glück hatten wir uns bei dieser Wahl nicht betheiligt. Anderenfalls hätte man wohl nichts unversucht gelassen, um uns diese solenne Keilerei in die Schuhe zu schieben. Und das schimpft aus Leibesfräften über die Rohheit der Arbeiter"!

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Was die hiesige Sozialdemokratie betrifft, so ist sie trotz alle­dem leidlich wohl und munter und freut sich über die ihr von der Bourgeoisie geleisteten Handlangerdienste. Nächstens mehr hierüber.

Z. Aus Oberschießten, 21. November. Unser neuerstan­denes Parkeiorgan wird zwar Arbeit genug haben, wenn es auch nur die hervorragendsten laufenden Jafamien der herrschenden Gewalt gegen das Volk und den Sozialismus verzeichnen will, und ein Zurückgreifen auf früher Geschehenes wird daher füglich so viel als möglich vermieden werden müssen. Indessen wird es doch in dem nachfolgenden Fall erlaubt sein, von dieser Regel abzuineichen, weil derielbe unsere heutigen Gesetzes und Justizzustände besser charakterisirt, als ganze Bände. Am 18. August d. J. erschien vor der ersten Strafkammer des Landgerichts zu Ratibor   der Sattlermeister J. Klaps von Ratibor   unter der Anklage der Majestäte­beleidigung". Und wodurch soll derselbe dies Verbrechen" begangen haben? Nun, man höre und staune: Ein Konzi­pient, namens Lehmann, hatte den Angeklagten schwer in jeinem Erwerb geschädigt, indem er ihn gelegentlich der letzten Reichstagswahl bei einem Streit mit dem Ratiborer Krieger­verein im Oberschlesischen Anzeiger" mit Verläumdungen überhäufte und besonders ihu als sozialdemokratischen Agitator denunzirte, was bei der damaligen Sozialistenheze einen so schäd­lichen Einfluß auf sein Geschäft übte, daß er beinahe ruinirt wurde. Außerdem kam klaps durch diese Infamie des Leh mann förmlich in Ehrverruf und seine Frau wurde aus dem­selben Grunde auf das Schamloseste beleidigt. Bezeichnend ist auch, daß Klaps, als er gegen den Verläumder Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft stellte, von dem allezeit zum Schutz der Amts und Bourgeoisehre bereiten öffentlichen Ankläger furzweg abgewiesen wurde. Nun, er ist eben Sozialdemokrat und das genügte ja. um ihn rechtlos zu machen. Da nun aber jedem Menschen, und sei er auch Sozia demokrat, schließ lich doch einmal die Geduld bricht, so machte Klaps einmal seinem Unmuth über den Urheber all der Kränkung und des Schadens, der ihn betroffen, in seiner Wohnung in den drastischen Worten Luft: Der alte Lehmann ist ein Lump." Und unerhört wegen dieser Aeußerung wird nun klaps der Majestätsbeleidigung angeklagt und zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt! Die fünf Richter erflären nämlich in ihrer Weisheit, daß da der deutsche   Kaiser notorisch bisweilen mit dem Spitznamen Lehmann" bezeichnet werd, der Angeklagte mit den Worten: Der alte Lehmann ist ein Lump!" sicher den Kaiser gemeint habe, weil Angeklagter sozialistischen Tendenzen huldige!! Da weiß man doch wahrlich nicht mehr, ob man n.ehr über die schreiende Ungered; tigkeit des Gerichtes empört sein oder mehr über die Bornirtheit lachen soll, welche unfreiwillig ironisch wird und unbemerkt selbst die größte Wiajestäts: beleidigung begeht!

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Altona  , 15. November. Seitens des Staatsanwalt Go­schuff ist, wie die hiesigen Blätter berichten, gegen das vom Land­gericht am 28. Oktober gegen die 13 wegen Verbreitung der " Freiheit" Angeklagten und 7 Wochen inhaftirt gewesenen So­zialdemokraten erlassene freisprechende Erkenntniß der Antrag auf Revision gestellt worden. Die Sache wird demnach ihren Schluß, hoffentlich keinen schlimmern als hier, in Leipzig   finden. Eine interessante Thatsache, die den Stephanismus" fenn­zeichnet, wird uns nachträglich von den Angeklagten noch mit ge theilt. Demnach ist die ganze Untersuchungsgeschichte auf die Unsicherheit der Post zurückzuführen. Im Lauf des Sommers wurde bei einem der Angeklagten nach einem Brief aus London  , der nach Versicherung der Polizisten ganz bestimmt angekommen war, Haussuchung gehalten, aber ohne Erfolg Darauf hin wurde von einem andern Angeklagten nach London   diese Thatsache mitgetheilt, mit dem Bemerken, an den Betreffen­den keine Briefe mehr zu schicken, sondern sich der beiliegenden Adressen zu bedienen. Der Absender kann nun beeidigen, daß er selbst diesen Brief wohl verschlossen in den Brief= fasten eines hiesigen Nebenpostamtes einstedte. In den Anklageaften steht aber vermerkt, die Auffindung des ganzen Komplotts sei herbeigeführt worden durch einen nach Lon­ don   adressirten vor der Aufgabe zur Post verloren

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gegangenen Brief", der an die Regierung von Schleswig  | sich mit den von Ihnen ausgesprochenen Ansichten in voll­

gesendet wurde, worauf von letzterer die Weisung eire Unter­suchung mit Hausiuchungen einzuleiten, gekommen sei!-Sollte sich etwa unser Reichstagsabg. Liebknecht, der sein Interesse für " Postalisches" im Reichstag schon oft kund gegeben, auch hiefür interessiren, so würde ihm jedenfalls reichhaltiges Material zu Gebote stehen.

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Haus Großknecht.

- dt München  , 19. November. Dreist und gottes fürchtig das ist die Signatur der Zeit hier am Platze, aber freilich nicht erst seit dem famosen Oktobergesetze, das unserer armen Polizei und Rechts"-pflege endlich ein kleines Ver: schnauferi seit 1870 gönnte, sondern seit jeher, und in diesem Punkte hätten wir eigentlich nichts Neues vor Paris  " zu melden. Die Firma Feiligsch- Pfister Bartsch polizistisch- staatsan­waltschaftlichen Angedenkens, hat zwar die Stille der Natur seit diesem Sommer einige Male mit einem Sturme im Wasser­glas unterbrochen und den Irrthum widerlegt, als ob die Gar­nituren von Maaßkrügen auf den Fenstersimsen unserer Polizei­und Wachtstuben das einzig greifbare Moment eines in diesen Räumen herrschenden friedlichen Geistes wären. Michel Gehret, der Zeuge für Alles, mußte sogar seinen Stammsiz beim Eberl und Mattheser" einigemale ganz unzeitig verlassen und schwören helfen", eine Arbeit, die dem bismarckschen Leib­gendarm beinahe noch schwerer fiel, als die Kritik der Ritting­hausen'schen Abhandlungen, die nach Michels Gutachten, von einem äußerst unklaren Kopfe" geschrieben sind! Aber was kam bei dem ganzen Trödel heraus? 14 Tage für einen total harmlos hereingefallenen Nichtsozialisten, an den ein Un­bekannter einige Laternen" adreifirte,( die Brüsseler Post hatte ganze Adressenlisten bestimmter Bäckereien der deutschen Reichsgeneralpostspigelei ausge­liefert) und liefert) und 4 Wochen für die Zeugnißverweigerung seitens eines Zweiten, der eine Laterne" geschenkt bekommen hatte und den Geber nicht verrathen wollte. Das ist Alles. Und nun denken Sie sich unser Pfistert", bei dem der Teig doch sonst immer to flott gegangen war und unsern Bartsch, dessen juristische Logik bis auf die Spektral- Analyse der ſozia­ listischen   Mittagsmahlzeiten Dutzender von Angeklagten durchzu­dringen gewohnt war! Aber diesmal gab es eben leider Nichts durchzubringen, und umsonst versicherte Gehret, als Kronzeuge, daß es die neueste Taktik der Sozialisten sei, sich gegenseitig zu verleugnen, nicht zu kennen, wenn sie konfrontirt werden" und dergleichen mehr. Es blieb aber bei den Zweien wie es seit Jahresfrist bei der Zusicherung Gehrets geblieben ist, wahr­daß er einen sozialistischen Roman" schreiben werde scheinlich um darin seiner zeugeneidlichen Phantasie noch gründ­licher Luft zu schaffen als bisher.

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Er ist nämlich unternehmend, der Verfertiger eines lithogra­phirten Stammbaumes der Sozialdemokratie". Bei den beiden Fällen, denen verschiedene Hausiuchungen vorausgingen, war er nicht direkt thätig; aber was schadets, man brauchte ja nicht Alles gesehen zu haben, um es beschwören zu können! Dreist und gottesfürchtig- vom Chef bis herab zum Schwör­spitzel" ist und bleibt eben die Signatur von Pensionopolis und Pfaffenheim."

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Zur Vervollständigung einer der besten und komplettesten so­ zialistischen   Bibliotheken im ganzen Reich, als deren Bibliothekar die hiesige Bolizeibehörde fungirt, würde freilich Michels Roman entschieden beitragen, denn die moderne Spizbubenliteratur ist entschieden arm zu nennen, seitdem von hier monatlich 3-400 auswärtige Vagabonden" und Bettler 2c. abgeschubt werden! Etwas humaner wird schon mit den Dirnen und Louis verfahren, welche ja mit den besseren Kreisen" in hinlänglich er Fühlung stehen. Frauen gewisser Beamtentategorien ( Gendarmen, Bahnbeamter u. drgl.) zählen, unter diese publize!-; die ledigen Schwestern" haben meist Quartier bei solchen, sowie bei dem Heere von Spiteln aller Kategorien, und darum geht in diesem Punkte Alles so glatt und nett bei uns.... Einer Ihrer Berliner   Briefe berichtet ganz ähnliche Zustände und wir waren nicht wenig erstaunt, die Borussifizirung unseres Bayernlandes auf diesem Gebiet so mächtig gediehen zu sehen. Seuchen und Hunger fehlen auch in diesen Kreisen keineswegs und viele kleinbürgerlichen Elemente, auf jenen Sumpf angewiesen, partizipiren an Syphilis, Typhus  , Tiphtheritis u. drgl. jahraus, jahrein, wie man in Spitälern beobachten und von ein­geweihter Seite des Bestimmtesten versichern hören kann. Selbst das Militär mußte letzterzeit vom Lechel dislokirt werden. Der Typhus hatte halbe Schwadronen im Sold. Wir haben eben zu wenig Rasernen" hier! Bitte, lachen Sie nicht darüber. Um übrigens noch einmal auf die edle Polizei zurückzukommen, so scheint( freilich auch nur scheint!) unser Haupt- Sozialisten­

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Spürhund Gehret in neuerer Zeit etwas außer Aktivität gestellt und seine Aufgabe überhaupt vollendet zu sein, seitdem es selten mehr Etwas zu schwören gibt und seitdem der bewährte Polizist außer Bismarcks Ueberwachung in Kissingen   keine historische Mission mehr erfüllen kann. Dafür erfreut sich aber Michel seit länger schon der polizeilichen Ueberwachung unsrer seits auf Schritt und Tritt. Schon von Hause weg folgt ihm ein guter Schatten, der uns dafür bürgt, daß wir seiner immer ansichtig bleiben, und es verdient gewiß alle Anerkennung, daß unser junger Nachwuchs sich diesem Ehrendienst mit Ves geisterung widmet, ohne dabei die sichere Ucberwachung der üb­rigen Spizelei im Geringsten zu vernachlässigen. Mögen Sie hieraus und aus unsren sonstigen Lebenszeichen auf alles Weis tere über unser Befinden schließen. Wir arbeiten ſtill und ruhig. Wohl bekomms Ihnen.-Sobald sich weitere Muße findet, das historisch Wichtigste" aus der zehnjährigen hiesigen Sozialisten hat an dieser Stelle für die Welt und Nachwelt zu geben und aufzufrischen, soll es geschehen. Die Personalien der eingangs Genannten verdienten speziell biographisch berücksichtigt zu werden und wir schlagen hiezu und überhaupt vor, unsrem Sozialdemokrat" einen Polizei- und Richterspiegel" mitzugeben, dem Guten zur Wehr, dem Bösen zur Lehr und dem, was dazwischen liegt, zur Aufmunterung!

A. C. Rom, 21. November. Sie haben sich über das Cairoli'fhe Agrarprojekt schon erschöpfend ausgesprochen und ich würde auf diese Sache nicht mehr zurückkommen, wenn ich Ihnen nicht einige Thatsachen mitzutheilen hätte, welche

fommener Uebereinstimmung befinden und welche nicht abge

leugnet werden können.

leugnet werden können. Die Bauern, welche seit 1806 so glücklich waren, bei der Vertheilung der Domanialgüter Land­eigenthum zu erhalten, sind dadurch aus der niedrigen Lage des Tagelöhners"( cafone) feineswegs emporgehoben worden, wie es der Minister glaubt oder glauben machen will. Ganz im Gegentheil. Die an die Bauern vertheilten Landloose, deren Größe durchschnittlich zwischen 83 und 100 Aren be trägt, sind viel zu flein, um zur Erhaltung einer Familie zu genügen. Wären sie aber auch größer, so würde doch das zur Urbarmachung und rationellen Bewirthschaftung des Lan­des nöthige Geld gänzlich fehlen. Der Ertrag ist daher karg und der Boden bald erschöpft. Trotzdem aber muß der Bauer dem Staat wie der Gemeinde Steuern und zwar enorme Steuern bezahlen. Und kann er das nicht, so wird entweder das ihm so großmüthig zugetheilte Landloos wieder von der Kommune eingezogen oder für wenige Vire an einen Grund­besitzer des Orts verkauft oder aber einem Wucherer ver= pfändet, damit dieser für den Bauer den vertragsmäßigen Bodenzine bezahle. Auf diese Weise befördern die angeblichen Landreformen in der That nur die Monopolisirung des Land­befizes in den Händen der Großgrundbesitzer und vergrößern yon Tag zu Tag die Latifundien auf Kosten des Kleinbesitzes. Dies das providentielle Werk" des Ministers!

Weiter will ich Ihnen über ein Ereigniß berichten, welches mit der Agrarbewegung zusammenhängt, ja welches geradezu eine Aeußerungsform derselben ist: ich meine die Affäre der Laz zarettisten, welche fürzlich von den Geschworenen von Siena   freigesprochen wurden. Bekanntlich war Lazzaretti ein armer Fuhrmann von Arcidosso  ( Toskana  ), der mit Energic und natürlicher Intelligenz ausgestattet war. 1859 machte er freiwillig den Krieg mit, nach dessen Beendigung er 1860 zu seiner Familie zurückkehrte und sein Geschäft wieder aufnahm. Nichts ließ ahnen, daß unter dieser rauhen Schale ein Pro­phet schlummere, bis Lazzaretti 1868 mysteriöse Träume be­fam, sich nach Rom   zum Bapst begab und sich darauf in ein zerfallenes Kloster inmitten der Berge zurückzog, um dort seine Visionen und Prophezeihungen niederzuschreiben. Dann kehrte er 1869 nach Arcidosso zurück und erklärte sich offen als Pro­pheten, worauf die durch seine Reden und die Aenderung seines Lebenswandels begeisterten und gewonnenen Bauern bald an= fingen, auf ihr Eigenthum zu Gunsten der von Lazzaretti ge­bildeten Gemeine zu verzichten, einer Art von hierarchischer Bruderschaft, welche sich religiösen Uebungen und dem Kult einer mystischen Republik   widmete, die sie das Reich Gottes" nannte. Auf die Aufforderung Lazzaretti's erbauten seine An­hänger auf der Höhe des Monte Labaro( oder Labro) ein Heiligthum, indem sie Steine, Balken und alles zum Bau Nöthige auf ihrem Rücken den Berg hinauf trugen. Die Lehre der Lazzarettisten ist in so dunkter, geheißnißvoller Sprache abgefaßt, daß es fast unmöglich ist, eine allgemeine Idee von ihr zu erhalten; so viel ist aber gewiß, daß ihren Grund die Gütergemeinschaft und die brüderliche Gleichheit bildeten, sowie daß es die Hoffnung auf ein besseres Leben auf dieser Welt war, welche der Prophet erregte und welche die Bauern zu seinen Anhängern machte.

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So lange die Lazzarettisten sich darauf beschränkten, in ihrem Heiligthum zu beten und begeistert den Predigten Lazzaretti's zu lauschen, ließ sie die Regierung gewähren. Aber als sie in feierlicher Prozession von ihrem Berge herabkamen, um, wie sie sagen, die Heiligthümer von Arcidosso   und Castel del Piano   zu besuchen oder, wie die Lokalautoritäten und mit ihnen die Anklageakte behaupten, zur Gütervertheilung und Errich da mengte tung einer republikanischen Regierung" zu schreiten fich die Polizei dazwischen und die Gendarmen richteten das befannte Massacre an. Wir können nicht genau sagen, was an den von der Anklage gegen die Lazzarettisten geschleuderten Beschuldigungen Wahres ist; aber sicher ist, daß das Auf­tr ten Lazzaretti's unter den Bauern eine große Bewegung und weitgehende Hoffnungen hervorrief und daß viele im Hin­blick auf das herannahende Reich Gottes" die Steuern ver

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Die

weigerten. Wie das nun auch sei: am 18. August 1878 fam ein Zug von 2-3000 Bauern jedes Alters und Geschlechts unter Borantritt des phantastisch gefleideten Propheten vom Monte Labaro herab und bewegte sich gegen Arcidosso  . Führer trugen Fahnen mit der Inschrift: Die Republik   ist das Reich Gottes" und sangen im Chor eine Hymne, deren Refrain lautet: Es lebe die Republik, Gott   und die Frei heit". Erschreckt durch die Annäherung dieser Menge, schickten sich einige Reichen an, ihr Eigenthum zu vertheidigen, welches sie gefährdet hielten, und der Polizeileiter von Arcidosso   jam­melte alle Kräfte, die ihm zur Verfügung standen, und eilte der Prozession entgegen, welche er zum Auseinandergehen auf­forderte. Als die Lazzarettisten dieser Aufforderung indeß nicht Folge leisteten, schossen die tapferen Gendarmen fast auf Ge­mehrlänge in die wehrlose Menge und tödteten Lazzaretti so­wie drei der hm zunächst Stehenden, während zwölf mehr oder weniger verwundet wurden. Als die Bauern ihren Pro­pheten fallen sahen, stoben sie sofort auseinander und flohen in ihre Hütten; viele wurden indeß später verhaftet. In Siena   standen 21 vor Gericht und unter ihnen drei Brüder des Propheten.

Der Prozeß hat die Rohheit und Bestialität der Lokalbes hörden zur Evidenz bewiesen: das Massacre war kalten Blutes beabsichtigt! Was aber jeden Menschen noch mehr em pören muß, dem noch ein Schamgefühl geblieben, das ist die Thatsache, daß die Regierung den infamen Veranstalter des Wassacres belohnt hat und daß sie, nicht genug, die Laz zerettisten füsilirt zu haben, sie auch noch verurtheilen wollte! Die Geschworenen von Siena   aber haben ihre Gewissenspflicht besser verstanden und sprachen die armen Bauern frei, die nun wenigstens nach einer 15 monatlichen Untersuchungs­haft zu ihrer Arbeit zurückkehren und die Wiedererscheinung des Propheten, an die sie fest glauben, erwarten fönnen.- Und er wird kommen, der Messias  , wenn auch in anderer Gestalt, als die lazzarettistischen Mystiker es erwarten: als Volksrevolution, die den armen Bauern in den Besitz, den vollen und ganzen Besitz des Bodens setzen wird, den er mit seinem Schweiße düngt im Dienst der Menschheit!

Schweiz  . Bereinsbuchdruckerei Hottingen- Zürich  .