4./16. April 1881.
Wiederum sind fünf thätige Arbeiter für die Befreiung des russischen Volkes den Märtyrertod gestorben. Der neue Czar hat die Grausamkeit seines Vaters noch übertroffen; er ließ ein Weib hängen, und einem zweiten Weib steht dasselbe Schicksal bevor!
Das Ende seines Vaters hat ihn nicht belehrt, nicht gewarnt hat ihn der bedeutungsvolle Umstand, daß die fünf Märtyrer, die er am 3./15. April von Henkershand erdrosseln ließ, Eines vor ihren hingerichteten Genossen der Jahre 1879/80 voraus hatten, daß sie mit dem Bewußtsein starben, daß den Tyrannen, der ihre Freunde hatte hängen lassen, das Strafgericht erreicht habe.
Ich werde auf die Einzelheiten des Prozesses nicht eingehen. Die heroische Haltung der Angeklagten und die Motive ihrer Thätigkeit sind von der gesammten Presse ausführlich behandelt worden; ich werde daher nur einige Bemerkungen über den Prozeß und einige Einzelheiten über meine hingerichteten Freunde anführen.
Man kann die sechs Angeklagten in zwei Gruppen theilen. Zu der ersten gehören: Sheljabow, Perowskaja , Kibaltschitsch und Jesse Helfmann. Sie haben alle die verschiedenen Phasen des Kampfes, von der friedlichen Propaganda an bis zu den revolutionärsten Bestrebungen und endlich terroristischen Unternehmungen durchgemacht. Nicht freiwillig hatten sie den verzweifelten Kampf mit der Regierung aufgenommen, von Schritt zu Schritt sind sie auf denselben hingedrängt worden.
Andrej Sheljabow wurde in früher Kindheit sammt seinen Eltern und Verwandten aus dem Tambowschen*) Gouvernement nach der Krim übergesiedelt, wohin sie einem neuen Herrn als Leibeigene verkauft worden waren. Der kleine lebhafte Andriuschka gefiel dem Gutsherrn, er nahm ihn daher als Kosatschock( Page) ins Haus auf. Sheljabow erzählte gerne, aber mit einem bittern Lächeln, von dieser Periode seines Lebens, wie er an der Thüre stehen, bedienen, und oft die Züchtigung seiner Verwandten ruhig mit ansehen mußte. Die geistige Begabung des kleinen Bauernknaben veranlaßte seinen Herrn, ihn lesen und schreiben lernen zu lassen, und als Andrej erstaunliche Fortschritte machte, schickte ihn sein Herr in die Stadt Simferopol aufs Gymnasium. Sch. blieb ihm dafür stets erkenntlich, lehnte aber seine weitere Unterstützung bald ab, da er schon im Stande sei, vom Unterrichtertheilen zu leben. Als er das Gymnasium glänzend absolvirt hatte, bezog Andrej die Universität Odessa, von der er zwei Jahre später( 1872) wegen Theilnahme an den damaligen Studentenunruhen ausgeschlossen wurde. Die privilegirte Stellung eines gebildeten Mannes hatte Sheljabow den Reichen und Vornehmen nicht näher gebracht, er wurde von den sozialistischen Lehren hingerissen, und ging, ins Volk", dem er selbst entstammte, dessen Bedürfnisse er tannte und dessen Leiden er mitempfunden, um Propaganda zu machen. 1874 wurde er in seiner friedlichen Thätigkeit als Apostel des Sozialismus durch Verhaftung unterbrochen. Mehr als vier Jahre schmachtete er in verschiedenen Gefängnissen in Untersuchungshaft, die vier schönsten Jahre seines Lebens verbrachte er hinter Schloß und Riegel, bis er 1878 in dem Prozeß der 193 mitangeklagt wurde. Wegen Mangel an Beweisen mußte das Gericht ihn freisprechen, aber ein anderes Gericht, die Polizei, verurtheilte ihn zur Verbannung. Es gelang Sheljabow, sich den Armen der Polizei zu entziehen; er ging nach Südrußland und ließ sich in Odessa nieder. Von nun an wurde seine Thätigkeit revolutionärer als vorher. Dank seinem organisatorischen Talente, seiner Beredsamkeit, seinen Kenntnissen, und seiner sympathischen, kühnen Natur gewann er in ganz kurzer Zeit den größten Einfluß auf die Arbeiterkreise Odessa's .
Während seiner Agitation in den Arbeiterkreisen tam er angesichts der Regierungsrepreffalien zur Ueberzeugung, daß die Partei vor allen Dingen vor den Schlägen der Regierung sicher gestellt werden müsse, und trat daher mit Ossinsky( in Kiew hingerichtet) und andern Personen der südrussischen Organisation, die derselben Ueberzeugung waren, in nähere Verbindung.
Im Anfang des Jahres 1879 schickte das damals bereits in Peters burg bestehende Exekutiv Komite zwei seiner Agenten nach Südrußland, um die thätigen und hervorragenden Kräfte der südlichen Gruppen für sein Programm zu gewinnen. Sch. schloß sich ihm nach lebhaften Debatten an und wohnte infolgedessen dem Kongreß in Lipezt bei( Sommer 1879). Nach dem von ihm geleiteten aber mißlungenen Attentate auf Alexander II. bei Alexandrowsk, übersiedelte er auf Wunsch des Erefutivkomite's nach Petersburg , dem Sitz der Regierung und des Zaren, wo daher die Hauptkräfte der Terroristen konzentrirt werden mußten. Die weitere Thätigkeit dieses kühnen Mannes ist aus dem Prozesse bekannt. Sophia Perowskaja genoß im Hauſe ihres Vaters, eines wirklichen Staatsrathes, eine aristokratische Erziehung, was sie indeß nicht hinderte, aus Liebe zum Volke schon als sechszehnjähriges Mädchen( 1870) das elterliche Haus zu verlassen, um Volkslehrerin zu werden. Soziali stischer Propaganda unter dem Volke verdächtig, wurde sie mehrmals verhaftet, bis sie endlich in den Prozeß der 193( 1878) verwickelt, wegen Mangel an Beweisen aber freigesprochen wurde. Aber die Polizei ließ sie nicht los, sondern verhaftete sie, um sie nach dem Olonezker Gouver nement zu verbannen; indeß gelang es Sophia, unterwegs zu entfliehen. Sie begab sich nach Charkow und schloß sich der dortigen sozial- revolutionären Gruppe an, wo sie Dank ihrem gefunden Verstande, ihren Kenntnissen und ihrer Energie bald eine hervorragende Stellung einnahm. Im Sommer 1879 schloß sie sich dem Exekutiv - Komite an. Wie sie sich ausgesprochen hat, hat noch Niemand von den Genossen derselben Organisation so viele Freunde im Kampfe verloren, als sie. Von den anfangs der 70er Jahre Wirkenden war sie allein in der Organisation geblieben, die Uebrigen sind untergegangen oder haben( das aber die Minderheit) die Flinte in's Korn geworfen. Der ,, milde" Alexander II. verstand es
verbannt zu werden. Im Sommer 1879 stellte er seine Kräfte und seine Kenntnisse durch Kwiatkowsky dem Exekutiv - Komite zur Verfügung. Wenn der echte Volksmann und-Redner Sheljabow, der Philosoph und friedliche Denker Kibaltschitsch, die gutmüthigsten und tieffühlendsten Naturen Perowskaja und Helfmann in ihrer praktischen Thätigkeit auf
den blutigen Kampf angewiesen wurden, ist das nicht ein vollgültiger Beweis dafür, daß dieser Kampf für Rußland eine historische Nothwendigkeit war und, wenn dieselben Verhältnisse andauern, auch für die Zukunft sein wird.
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Zu der zweiten Gruppe gehören der Kleinbürger Nikolai Ryssakow und der Bauer Timofei Michailow Jünglinge, die bis dahin noch nicht so viel wie ihre älteren Genossen für ihre Ueberzeugung gelitten hatten. Der Erstere schwärmte mit demselben Eifer, mit welchem die Jugend der 70er Jahre„ ins Volf" ging, für die Befreiung seines Bolkes; der Zweite hatt: an sich selbst die Uebelstände der jetzigen ökonomischen Ordnung kennen gelernt. Was anderes kann ihre Betheiligung an der terroristischen Bewegung erklären, als die Thatsache, daß auch für sie die Regierung in der Person des Zaren der Befreiung der arbeitenden Klasse im Wege stand?
Beweist dieser Umstand nicht, daß die letzte Bewegung sich nicht nur auf von der reaktionären Regierung gereizten Personen gründet, sondern daß der Despotismus selbst eine Athmosphäre erzeugt, wo der Terror neue und junge Kräfte schöpft, und am Meisten aus den niederen Schichten und der arbeitenden Klasse?
Der künftige Geschichtsschreiber Rußlands wird mit Ehrfurcht von den russischen terroristischen Sozialisten, die so unerschrocken und mit so eiserner Festigkeit für ihre Sache eintraten, zu sprechen haben.
Nichts schreckt sie von ihrer Thätigkeit ab: weder die Stricke des Zarischen Henters noch das schmachvolle Betragen der Liberalen, für deren politische Freiheit gekämpft wird, und die der Regierung ihre Dienste zur Vernichtung der Sozialisten anbieten, noch der Umstand, daß in Europa sogar Gesinnungsgenossen ihren Freiheitskampf nicht verstanden. Solange den Volkskämpfern das freie Wort nicht gestattet sein wird, so lange werden in Rußland die Attentate nicht von der Tagesordnung verschwinden. W. G.
O, diese Amerikaner! Ein Seufzer in zwei Zügen. Erster Zug:
Heber die Gottlosen.
Die Freidenfer von Washington, so schreibt man dem„ Philad. Tagbl.", haben in Bezug auf das Petersburger Attentat folgenden Beschluß gefaßt:
" Indem die Presse, die Kirche und der jetzige Kaiser von Rußland erklärt haben, daß es Gottes Wille war, den verstorbenen Kaiser zu sich zu nehmen; und
Indem wir große Achtung für Gott in dieser Angelegenheit haben;
So sprechen wir hiermit unsere größte Zustimmung für Gottes Willen aus".
„ Die christlich Gesinnten", bemerkt hierzu der Korrespondent, ,, durften sich natürlich nicht weigern, Gottes Willen gutzuheißen, und die Freidenker waren froh, daß es Gottes Wille war und sprachen die allgemeine Hoffnung aus, daß Gottes Wille in dieser Richtung fortfahren möge."
Zweiter Zug:
Aeber die Frommen.
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Der St. Louiser Western Watchman", redigirt von dem hoch würdigen Pater Phelan,*) behandelt, wie der Anzeiger des Westens" mittheilt, das Petersburger Attentat in folgender„ für ein religiöses Blatt höchst eigen thümlichen Weise":
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,, Letzten Sonntag wurde ein alter Mann, Namens Alexander Romanoff, von ein paar jungen Leuten, mit denen er seit langer Zeit nicht auf dem freundschaftlichsten Fuße gelebt hatte, in den Straßen von Petersburg angefallen und durch die Erplosion zweier von den letzteren geworfenen NitroglyzerinBomben schwer verwundet, so schwer, daß er wenige Stunden nachher starb. Romanoff war in der ganzen Welt wegen der grausigen Verbrechen, die er begangen hatte, berüchtigt. In Rußland gab es kein Gesetz, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Er that, was ihm gefiel. Er führte ein höchst ruchloses Leben und war der Schrecken von 80 Millionen Menschen. Während seines langen Lebens voller Gewaltthaten, hatte er sich viele Feinde gemacht. Er hatte Viele ins Elend getrieben, deren Verwandte zurückblieben, um Rache zu nehmen. Er hatte Viele ermordet, Andere beraubt und mißhandelt und in ihrem Herzen brannte natürlich die Begierde nach Rache. Es ist die alte Geschichte. Seine Hand war gegen Jedermann und er kam zu einem Ende mit Schrecken. Er griff zum
Romanoff gehörte zu einer großen Verbrecherbande, deren Mitglieder meist alle schon bei Jahren sind. Einer heißt Hohenzollern . Er lebt in Berlin . Er soll sich sehr über den Unfall seines Kameraden grämen, und man sagt, er wolle sich bessern. In diesem Falle wird die Bande sich auflösen. Mitglieder von ihr hausen noch in mehreren großen Städten Europa's , und sie sollen überall in der größten Bestürzung sein." O, diese Amerikaner!
Sozialpolitische Rundschau.
Wurde Ryssakoff der Tortur unterworfen? fragt der „ Révolté", und konstatirt, daß nach dem ,, Amtlichen Boten" die Wohnung der Telejnaja und die beiden Wohnungen Ryfsakoffs infolge der Geständnisse Ryffakoffs aufgefunden worden seien, während ein dahingehendes Geständniß Ryfsakoffs sich nirgends protokollirt findet, obwohl der Anklageakt sagt, daß alle Geständnisse zu Protokoll gebracht seien.
Der Anklageatt sagt ferner, daß er alle Aussagen Ryfjakoffs enthält mit Ausnahme einer besondern Denkschrift, worin Ryssakoff sich über seine Behandlung im Gefängniß ausläßt. Warum hält man diese Dent schrift geheim? Und warum fehlt gerade dieser Passus aus dem Anklageakt in dem Bericht des Amtlichen Boten"? Wie kommt es, daß der kräftige und entschlossene Ryssakoffein starker Bauern bursche nach den Beitungen so schwach vor dem Gericht gewesen sein soll, daß man selbst am Stenographentisch seine Aussagen nicht habe verstehen fönnen, obgleich seine Rede eine halbe Stunde währte?
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Der Révolté scheint Letzteres zu bezweifeln, uns dünkt es dagegen höchst wahrscheinlich, daß Ryfsakoff geistig und körperlich vollständig gebrochen war. Wodurch?
Vielleicht weiß Alexander III. , der noch am 13. März Ryfsakoff in der Belle einen Besuch abstattete, Näheres darüber.
Denn am Abend des 13. März ,, entdeckte" man bereits die Wohnung der Telejnaja.
- Die raffinirte, teuflische Grausamkeit, mit welcher der Schinder von Petersburg , Frolo w heißt die Bestie, die Todesqualen der Opfer des 15. April, insbesondere des genialen Sheljabow zu verlängern und verstärken wußte, hat selbst, wie die Köln . Ztg." be richtet, bei den Gegnern derselben allgemeine Entrüftung und Erbitterung hervorgerufen.
Schade nur, daß die russischen Henker sich um die„ allgemeine Erbitterung" den Teufel scheeren!
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Aus Paris meldet man der Zür. Post", daß der schuftige Renegat Andrieux, der Mann war früher Anarchist, die Papiere, die er bei dem verhafteten Russen Tscherkassow beschlagnahmte, der russischen Regierung ausgeliefert hat, die daraufhin zahlreiche Verhaftungen vornahm. Und so ein Subjekt ist Beamter in einem republikanischen Lande! Nein, Frankreich ist keine Republik , es trägt nur erst den Namen einer solchen.
- Die von Herrn Gladstone am 7. April im englischen Unterhause eingebrachte irische Landbill" hat, so bescheiden sie auch in die ,, unveräußerlichen" Rechte der Grundbesitzer eingreift, wobei noch gar nicht gesagt ist, daß das von ihr in Aussicht genommene Landtribunal zur Abschägung und Festsetzung gerechter" Pachtzinse immer zu Gunsten der Pächter abschätzen wird, dennoch den ganzen Zorn der edlen Landlords hervorgerufen. Zunächst ist der Herzog von Argyll aus dem Kabinet Gladstone ausgetreten und hat damit seinen Freunden in der liberalen Partei einen deutlichen Wink gegeben, daß es hohe Zeit ist, die Maske abzuwerfen. Andererseits sind aber auch die radikalen Elemente mit der Bill durchaus nicht zufrieden, und ihre Unzufriedenheit wird wachsen, sobald die Bill das Prokrustesbett des Oberhauses verlassen haben wird. Schon jetzt hat Parnell, auf seiner erfolgreich begonnenen Agitationsreise durch England in Newcastle sprach er unter großem Beifall vor 15 bis 20,000 Menschen einige Punkte dieser Bill scharf kritisirt, obwohl er ihre Tragweite anerkannte", und Parnell gehört zu den gemäßigten Mitgliedern der Landliga. Die Lage der großen liberalen Koalition wird dadurch immer kritischer, ia, man kann wohl behaupten, daß ihre Tage gezählt sind. Daran ändert auch der Tod ihres bedeutendsten konservativen Gegners Beacon
field nichts.
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Die Zersetzung der alten Parteien ist aber für die Entwickelung der Dinge in England von größter Bedeutung.
Aus London schreibt man uns: Die Affaire Dilke„ Freis heit" scheint ihren Abschluß noch nicht gefunden zu haben, da des Lord Churchill Gewährsmann, Maltman Barry, seine Angaben aufrecht erhält. Er sandte noch am 7. April eine Erklärung an verschiedene hiesige Tagesblätter, welche interessant genug ist, um wörtlich wiedergegeben zu werden. Sie lautet: Da ich von Lord Randolph Churchill benachrichtigt worden bin, daß heute Sir Charles Dilfe im Unterhause geläugnet hat, er habe Geld zur Erhaltung der Freiheit" gesteuert, ersuche ich, mich konstatiren zu lassen, daß diese Abläugnung im Widerspruche mit den Thatsachen steht. Ich erkläre im Gegentheil ausdrücklich, daß mir Sir Charles Dilke gegen Ende der Session von 1879 eine Summe Geldes in Gold, als seinen Beitrag, und zwar ausdrücklich zu diesem Zweck,
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vortrefflich), im Zeitraum von 10 Jahren eine ganze Generation an Geist Schwerte gegen seine Mitmenschen und durch das Schwert iſt gab; ich händigte nachher die Summe dem Staffter( treasurer) un
und Gemüth ausgezeichneter Elemente auszurotten!
Heßja Helfmann war vor dem häuslichen Despotismus ihrer fanatischen jüdischen Eltern aus dem Minsker Gouvernement nach Kiew entflohen, wo sie, um selbständig zu leben, die Geburtshilfe studirte. Aus eigener Erfahrung lernte sie die erbärmlichen Konsequenzen der heutigen Gesellschaftsordnung kennen, und es ist kein Wunder, daß sie sehr bald den sozialistischen Ideen huldigte. 1874 wurde sie verhaftet und schmachtete drei volle Jahre in Untersuchungshaft. 1877 wurde sie im berühmten Moskauer Prozeß der Fünfzig zu zwei Jahren Zuchthaus verurtheilt, die Einzige von allen Angeklagten, welche diese entehrende Strafe traf, denn sie war ja nur klein bürgerin. Sie hat die zwei Jahre physischer und moralischer Qualen in Gemeinschaft mit gemeinen Verbrecherinnen und Dirnen im Petersburger Zuchthause heroisch ausgehalten, als endlich die Frist abgelaufen war( 7. Mai 1879), wurde sie nicht freigelassen, sondern nach Staraja Russa verbannt. Ende 1879 gelang es ihr, die Polizei zu täuschen und aus ihrem Verbannungsort zu ent fliehen. Sie tam nach Petersburg und schloß sich der Partei„ Narod= naja Wolja" an.
Nikolai Kibaltschitsch , ein Popensohn, hatte schon in seiner Kindheit Gelegenheit gehabt, die Leiden des Volkes kennen zu lernen. Während seiner Universitätsjahre in Petersburg 1871-1875 beschäftigte er sich eifrig mit dem Studium der sozialistischen Ideen und ergab sich der Volkssache mit der ganzen Gluth seines feurigen Gemüths und der Festigkeit eines philosophischen Denkers. Aber schon seine ersten Versuche, seine Gesinnung durch praktisches Wirken zu bethätigen, wurden verhindert; 1875 wurde er in einem Dorfe verhaftet. Nachdem er 3 Jahre in Untersuchungshaft zugebracht, wurde er im Prozeß der 193 freigesprochen, dessenungeachtet mußte er sich von da an verbergen, um nicht
*) Hierauf bezieht sich seine Bemerkung vor Gericht, er sei ein ächter Russe, da er in den Registern als aus der Krim stammend, d. h. als Kleinruffe verzeichnet ist.
er umgekommen. Seine Mörder hatten ohne Zweifel guten Grund zur Rache.
" Der alte Romanoff war reich und seine Familie ist gut versorgt. In Wirklichkeit hatte er zwei Familien. Außer seiner ehelichen Gattin unterhielt er noch ein anderes Frauenzimmer, das ihm mehrere Kinder gebar und ihn überlebt. Die Ermor dung des alten Romanoff war eine Ueberraschung für seine Bekannten. Er war so vielen Gefahren entronnen, hatte so anfingen, er habe ein gefeites Leben. Aber Freibeuter, viele gefährliche Abenteuer bestanden, daß die Leute zu glauben Straßenräuber und Gesezverächter sterben felten eines natürlichen Todes.
„ Wir sind gegen solche schmachvolle Straßenszenen. Der Vorfall, der den Tod des alten Romanoff herbeiführte, trug sich an einem Sonntag zu. Warum erlaubt auch die Polizei von Petersburg jungen Leuten, explodirende Bomben in den Taschen zu tragen? Es ist schlimm genug, wenn sie BowieMesser und Pistolen bei sich haben. Irgendwo muß die Grenze gezogen werden; man ziehe sie also bei Bomben. Zur Zeit als der alte Romanoff durch die Straßen passirte, hätten auch friedliche anständige Bürger vorbeikommen und durch jene abscheuliche Bomben getödtet werden können.
*) Was sagen Sie zu diesem Glaubensgenossen, Herr Windthorst und Herr Schorlemer Alst ? Der scheint ja für die„ Mordgesellen" Bartei zu ergreifen. Und ist dabei ein guter, ein leidenschaftlicher Katholik. Wenn aber der Katholizismus solche Früchte zeitigt, wäre es da nicht an der Zeit, internationale Maßregeln gegen denselben zu ergreifen?
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dem Komite der Freiheit" ein, indem ich zugleich angab, von wem sie stammen. Dieser Beitrag wurde auch richtig in der Freiheit" quittirt.
Diese Thatsachen können bestätigt werden durch die Herren Vaux, Weber und andere Mitglieder des Komite's und durch die Spalten der Freiheit"( es ist leider nicht gesagt, in welcher Nummer. J. S.*). Schließlich will ich noch hinzufügen, um zu erhärten, daß der Beitrag. ausdrücklich für die Freiheit" gegeben war, daß ich Herrn Charles Dilke fragte, ob er die Zeitung regelmäßig von der Expedition zugesandt haben wolle, als eine Art Zurückzahlung, und daß er antwortete, das sei nicht nothwendig." So weit Maltman Barry.
Aus seiner Erklärung geht hervor, daß die Catone von der Freiheit" ganz genau wußten, von wem das Geld stammte. Die Freiheit" nimmt also auch Geld von Fortschrittlern etwas anderes ist Dilke nicht- fie
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*) In Nr. 51 der Freiheit" vom Jahre 1879 befindet sich folgende Quittung: M. Barry and friends: L. 2."( 50 Fr.); daß Herr Most gewußt hat, von wem das Geld herrührt, scheint aus einer in der gleichen Nummer befindlichen Notiz über den damaligen englischen Wahlkampf hervorzugehen. Es heißt da wörtlich:" Die Liberalen benützen inzwischen die Situation sehr gut. Und Gladstone wird in seinen Agitationen immer deutlicher und kräftiger" 2c., worauf schließlich zwar auf die Unzuverlässigkeit der Liberalen hingewiesen wird, aber in einer so zahmen Weise, wie es selbst die farblosen Käseblätter" in Deutschland nicht gethan.
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Selbstverständlich wollen wir damit nicht sagen, daß Herr Most sich durch die L. 2 habe kaufen lassen, mit einem solchen Vorwurf würden wir warten, bis Most wieder frei ift,- es war eben nur die gehobene Stimmung, die dem Revolutionärsten der Revolutionäre für einen Augenblick eine ,, objektive" Brille verlieh. Du lieber Himmel! wer ist nicht froh, wenn ihm aus einer argen Batsche geholfen wird. Da fragt man nicht erst lange, von wem; später kann man ja doch wieder kecklich behaupten, es sind nur Arbeiter, die zur Erhaltung unseres Blattes beigetragen haben. Anm. d. Redkt.