Ihr denen den Rücken kehrt und energisch dagegen auftretet. Es ist strenger Befehl, wenn Ihr mit den Leuten zusammen kommt und sie Euch Flugschriften geben wollen, sie sofort zu verhaften."

Ferner ist von jedem Hauptmann den Mannschaften ein Schriftstück vorgelegt worden, welches jeder bei seiner Batterie vom Feldwebel ab­wärts hat unterschreiben müssen.

Dasselbe lautet wörtlich:

,, Daß ich ausdrücklich über sozialdemokratische Schriften namentlich vom Batteriechef belehrt worden bin, und dieselben, falls ich solche finde oder zugestellt erhalte, ungelesen(!!) an den Batteriechef abzuliefern habe, unterzeichnet mit Namensunterschrift."

NB. Dragoner Rittmeister Degenfeld   hat 20 Mark für den ausgesetzt, welcher den Verbreiter von Flugs schriften erwischt.

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Soweit die zwei Schriftstücke, welche uns, nach der Form der Abfassung und der Art der Zusendung zu schließen, aus der Kaserne selbst zugeschickt wurden. Wir veröffentlichen sie in der Originalform, weil sie einen drastischen Beitrag zu dem Bilde liefern, welches das nach Außen so glänzend schillernde Deutschland   in Wahrheit bietet.

Ungelesen abliefern, das ist der Grundrefrain der väter­lichen" Ermahnungen, ungelesen oder das Donnerwetter soll Euch holen!" Woran die Soldaten merken sollen, ob sie sozialistische Flugschriften oder mords- und bettelpatriotische Traktätlein in der Hand haben, das fümmert so ein geniales Drillgenie nicht.

Ungelesen abliefern, diese Furcht vor dem Lesen, ist sie nicht charakteristisch für den Kulturzustand des preußisch- deutschen Kaiserreiches im Jahre des Heils Eintausend achthundert und einundachtzig?!

Ungelesen abliefern, wozu man überhaupt noch den Leuten noch das Lesen beibringt! Wäre es nicht gut, auch in dieser Beziehung ,, bis tief ins Mittelalter" zurückzugehen, wie die neueste Parole der Bis­märder lautet?!

Ungelesen abliefern, dieses Wort sollte man an alle Grenz­pfähle schreiben, die nach Deutschland   führen!

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Sozialpolitische Rundschau.

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verther

Zürich  , 27. Juli 1881.

Der schamlose Volksbetrug, den Bismarck   und seine Horde von Deutsch  - Neu- und Freikonservativen, von Antisemiten und Christlichsozialen und ähnlichem Gelichter gegen das deutsche   Volk planen, und wobei sie sich nach Taschenspielerart öffentlich bekämpfen, während sie sich heimlich in die Hände arbeiten, der schamlose Boltsbetrug, sagen wir, tritt nirgends so klar zu Tage als bei den Getreide und Lebensmittelzöllen. Nachdem das elende Geschwätz von dem Auslande, das den Zoll bezahle, nicht mehr verfängt, wird und ganz besonders von den Herren Antisemitendie Parole ausgegeben, der Zoll sei ja lächerlich gering im Verhältniß zu dem Gewinne, den die Speku­lation natürlich die jüdische am Getreidehandel mache, und wodurch das Getreide viel mehr vertheuert werde als durch die Zölle. Dieses Lamentiren über die Vertheuerung der Preise durch den Zwischenhandel ist nur ein schwacher Abklatsch aus den Schriften der älteren Sozialisten, nur mühten sich diese ernsthaft ab, das Uebel zu beseitigen, während die sozialistische Weisheit Bismarcks und seiner Trabanten darin besteht, Alles hübsch beim Alten zu lassen aber doch tüchtig zu schimpfen, um sich bei der Gelegenheit auch einen Antheil am Raube zu sichern. Die Herren Landwirthe sind viel zu eng mit der Börse verschwistert- fast kein Amtmann, und vor Allem, kein Großgrund­besitzer, der nicht in Getreide, in Spiritus oder Rüböl ,, macht" diesem Giftbaum" ernsthaft zu Leibe zu gehen: die Herren haben vor der Verstaatlichung des Getreidehandels fast noch größere Abscheu als die Getreidejuden selbst. Und daß die Zölle die Spekulation einschränken, wem wollen die Herren das heute noch weißmachen, wo trotz oder gerade wegen der Zölle die Spekulation mehr blüht als zuvor!!

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Nun geht aus den amtlichen Berichten aus dem Stande der Saaten mit Evidenz hervor, daß die diesmalige Erndte in Preußen weit unter einer Mittelerndte ausfallen wird, die Wirth­schaftspolitische Korrespondenz" rechnet bei sehr mäßigen Zahlen auf Grund der amtlichen Erhebungen heraus, daß Deutschland   diesmal 48,000,000 Zentner Roggen und 3,500,000 Zentner Weizen wird vom Ausland beziehen müssen. Abgesehen also von der Vertheuerung, die durch diesen Erndteausfall an und für sich eintreten wird, wird das deutsche   Volk an direkten Getreidezöllen allein 2,500,000 Mark zu bezahlen haben. Die Vertheuerung des Brodes durch den Getreidezoll aber wird eine derartige sein, daß eine Familie von nur vier Köpfen bei dem nur mäßigen Verbrauch von 1,4 Kilogramm Brod per Tag eine Steuer von jährlich 6,12 Mark wird zu zahlen haben, das heißt nur, was den direkten Brodkonsum anbetrifft.

Wer uns nun aber weißmachen will, daß von der Erhöhung der Getreidepreise wenigstens die ländlichen Arbeiter Vortheil haben werden, den weisen wir auf die Erhebungen des wohlgesinnten, sozialistenfeind­lichen Fabrikantenvereines Konkordia hin, in denen ausdrücklich ein Fallen der Wochen- und Tageslöhne der Garten- und Feld­arbeiter seit dem 1. April 1880 also gerade in der 3eit, in welcher die jüngsten Getreidezölle seither in Geltung waren und in der Zeit abnorm hoher Getreidepreise konstatirt wird.

Wer also hat die Zölle, wer die Preiserhöhungen eingeheimst? Bis­marc, d. h. der Militarismus und seine Kumpane, die Junker vom Lande und die Junker von der Börse. Und wenn sie, um sich populär zu machen, noch so sehr auf einander schimpfen,

und schicke

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Volk, erkenn, daß du es bist,

das immerfort betrogen ist,"

Alle Beide, mit Schimpf und Schande heim!

In Berlin   stand am 10. Juni eine bekannte Persönlichkeit, der Privatdozent der Phyfit Dr. phil  . Baeblich, vor der zweiten Straffammer des Landgerichts, unter der Anklage, mit Kindern Nothzucht begangen zu haben. Es wurde bei dieser Gelegenheit auch festgestellt, daß Baeblich bereits im Jahre 1870 wegen eines ähnlichen Verbrechens in eine Unter­suchung verwickelt gewesen war. Die Verhandlung stellte die Schuld des Angeklagten außer Zweifel und wurde derselbe zu zwei Jahren Zuchthaus verurtheilt. Trotzdem wurde Baeblich auf freiem Fuß gelassen und wird jetzt von der Behörde behufs Antritt seiner Strafe, jedoch vergeblich gesucht!

Während jede Woche Dutzende von rechtschaffenen Arbeitern in Deutsch­ land   ihrer Familie entrissen und wegen Fluchtverdacht monatelang in Untersuchungshaft gehalten und dadurch in ihrer Existenz ruinirt worden, weil sie vielleicht Sammlungen für die Familien ihrer ausgewiesenen Gesinnungsgenossen vorgenommen haben oder verbotene sozialistische Schriften in ihrer Wohnung gefunden worden sind, wofür sie im schlimmsten Fall zu einigen Wochen Gefängniß verurtheilt werden können, in den meisten Fällen aber freigesprochen werden müssen, läßt die Behörde einen wegen der gemeinsten barbarischen Verbrechen zu Zuchthaus verurtheilten Lüstling nach der Verurtheilung unbehelligt herumlaufen und gibt ihm damit selbst die beste Gelegenheit, sich der wohlverdienten Strafe zu ent­ziehen.

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Es ist ein prächtiges Ding, die Justiz des deutschen Reiches!

Ein Pröbchen, mit welcher Unverschämtheit die Bismarck­

Buttkamer'schen Agenten das Volk anschwindeln. Der Bettel­patriot" schreibt über die Gegner des Tabaksmonopols:

,, Am meisten verschnupft es die Herren, daß der unbemittelte Mann etwas billiger zu seinem Tabak kommt, und daß der Bemittelte dies tragen soll. Nur nichts für das Volk! Das können die Liberalen nicht vertragen."

,, Weiter kann die konservative Verlogenheit wohl nicht getrieben werd schreibt dazu die demokr. Korr. Die Wahrheit ist, daß in Frankrch, dem man es bezüglich des Tabaksmonopols nachmachen will, gerade der unbemittelte Mann fast die ganze La st des Tabaksmonopols zu tragen hat. Der Zuschlag zu dem Kostenpreise, welchen die Regierung erhebt, beträgt in Frankreich   bei dem ordinären Rauchtabat 600 Prozent, dagegen bei der feinen Havannazigarre nur 25 Prozent. In Folge davon kostet in Frankreich   ein Pfund gewöhnlichen Rauch­tabak, das man in Deutschland   für 1 Mk. kauft, 5 Mk.( das Kilo­gramm 12, Fr.), also gerade das Fünffa che. Dagegen kostet eine importirte Havannazigarre, welche man in Deutschland   mit 50 Pf. bezahlt, nur 60 Ct., das ist 48 Pf., also noch zwei Pf. weniger als bei uns. Mit anderen Worten, der unbemittelte Mann raucht in Frankreich  fünfmal so theuer als in Deutschland  , der reiche Mann sogar noch etwas billiger als in Deutschland  . Das sind die Vortheile des vielgepriesenen Tabaksmonopols für den Unbemittelten. Darum mögen die Wähler jedem Reichstagskandidaten ganz besonders scharf auf die Finger sehen, um zu erfahren, wie er zu der Frage des Tabaksmonopols steht."

Stimint; mögen aber auch sehen, wie er zur Tabak steuer steht, und zum ganzen System, das heute darauf angewiesen ist, daß der Tabak und verschiedenes andere noch mehr blutet."

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Der Bettelpatriot" bringt in seiner Nr. 3 eine rührsame Historie, welche die Arbeiter vor den bösen Aufwieglern und Demagogen warnen soll. Wenn das Jammerding auch weniger plump wäre, so würde der Liebe Müh' diesmal doch umsonst sein, die Arbeiter wissen zu gut, vor welcher" Demagogie" sie sich in Acht zu nehmen haben. Mit so elenden Historien kann man höchstens hinterpommersche und kassubische Bauern fangen, nicht aber im Klassenkampf erfahrene Proletarier. Das mögen sie sich hinter die Ohren schreiben, Herr de Grahl!

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Die Berliner   Antisemiten bewegung hat unter anderen ehrenwerthen Helden auch einen der edelsten Helden der Feder, vulgo Breßbandit, wieder auf der Bildfläche erscheinen lassen. Wir meinen den geistigen" Nachfolger des famosen Held, Herrn Eduard Krämer. Dieser Krämer hatte im Jahre 1872 mit dem Gelde des Gründers Seelig die deutsche freie Zeitung" gegründet. Als aber Seelig infolge hartnäckigen Ausbleibens der Abonnenten strikte, d. h. die Zuschüsse einstellte, da bekam Herr Krämer plötzlich den Tugendrappel und wurde Antisemit. Damals zog die Sache nicht recht, heute aber findet Herr Krämer endlich Gelegenheit, Rache für die erlittene Unbill zu nehmen.

Und da sage man noch, die Antisemitenbewegung entbehre der sittlichen Berechtigung!

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In dem pommerschen Städtchen Neustettin   ist es, Dank der Judenhezze, bereits zu recht artigen Exzessen gekommen, ebenso in einigen unweit Neuftettin gelegenen Dörfern. Die Wohnungen und Läden der jüdischen Einwohner sowie derer, welche jüdisch- klingende Na­men führen, wurden mit Steinen bombardirt, sämmtliche Fenster demo­lirt und dergleichen mehr.

Obwohl es schließlich kein Wunder wäre, wenn in Orten, wo die Sozialdemokratie noch keine Anhänger zählt, die Arbeiter auf den so un­geheuer arbeiterfreundlich sich geberdenden Antisemitenrummel hineinfielen, um so mehr, als die jüdischen Geschäftsleute ohnehin nicht sehr beliebt sind, so müssen wir doch dagegen protestiren, wenn in den liberalen Zeitungen die Tumultuanten als Arbeiter bezeichnet werden, und aus­trücklich mit Rücksicht auf die Arbeiter von aufgehettem Pöbel" ge­sprochen wird. Der Pöbel, ihr Herrn, das sind nicht die Aufgehetzten, sondern die Aufheter, der Pöbel, das sind die Literaten, die Beamten, die aus Brodneid und wider besseres Wissen hetzen und schüren, nicht aber die Arbeiter, die lediglich ihrem Gefühle folgen und im Juden den Betrüger und Ausbeuter, nicht aber den Konkurrenten hassen.

Volksparteiliches. In Mannheim   sollte am 24. Juli der mit Hilfe unserer Genossen seiner Zeit gewählte Abgeordnete Kopfer seinen Wählern Rechenschaft erstatten, kein Wunder, daß auch unsere Ge­nossen sich zahlreich eingefunden hatten. Das wäre den Herrn von der Volkspartei schon ganz recht gewesen, denn als Staffage fann man die Sozialisten, die allezeit auf dem Platze sind, wohl brauchen. Aber so hatten unsere Genossen nicht gewettet, und als auf die Frage Drees­bach 8, ob an den Vortrag eine Diskussion sich anknüpfen werde, der Vorsitzende, ein Herr von Feder, die seige Antwort gab, auf der Tagesordnung stehe nur der Rechenschaftsbericht und er habe keinen Auf­trag, über diese Grenze hinauszugehen," da zogen sie wie ein Mann hinaus und ließen Herrn Kopfer allein vor seinem Häuflein Gesinnungsgenossen Bericht erstatten. Der dortige Korresp. der Franks. 3tg." bemerkt dazu: Das Verhalten des Vorsitzenden und des Komite's war durch die Ge­wißheit diktirt, daß die Versammlung sofort aufgelöst würde, wenn ein Sozialdemokrat zum Worte käme. Das konnten auch die Sozialdemokraten wissen. Das dramatische Szenchen war also lediglich eine nutzlose Demonstration."

Nein, werthe Herren, es war keine nuẞlose Demonstration, denn Ihr konntet ohne Risiko die Debatte nach Kopfers Rede zulaffen, aber Ihr wolltet nicht. Was hätte Euch denn die Auflösung geschadet, nach dem Kopfer bereits gesprochen? Gar nichts; sie hätte nur wieder drastisch dem Volke gezeigt, wie rechtlos es heute ist. Und darauf hätten echte Demokraten es nicht nur ankommen lassen sollen, sondern sogar ankommen lassen müssen. Und besonders Herrn Kopfers Pflicht war es, für die Redefreiheit einzutreten, nicht noch den Schergen der Polizei zu machen. Das dramatische Szenchen" hat aber den Freisinn" der Mannheimer  Volksparteiler im schönsten Lichte gezeigt, und Ihr werdet doch nicht so schlecht von Euch denken, das nußlos nennen zu wollen? Nein, das war sehr nützlich.

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der

Erbaulich ist der Kampf der Westphälischen Kohlen­barone mit der preußischen Regierung. Sobald diese nämlich eine Kohlenlieferung für ihre Staatsbahnen ausschreibt, treten die Herren zu­sammen, verabreden ihre Preise und fordern nun so unverschämt Staat tann's ja bezahlen daß der Eisenbahndirektion die Haare zu Berge steigen. Der preußische Staat hat aber kein Geld übrig, und so sind die Kohlenbarone in letzter Zeit häufig abgeblitzt, die Eisenbahnver­waltung kaufte freihändig besser. Infolgedessen sittliche Entrüstung ob solcher ,, unnobeln Praris der Staatsbeamten und Beschwerde des Dortmunder  Vereins für bergbauliche Interessen an den Minister.

Aber ach! Auch hier fielen die Herren gründlich' rein. Herr May­bach schickte ihnen eine Antwort, die sie sich nicht hinter den Spiegel stecken werden. Man sieht, wo es sich um den Staatssäckel handelt, schwärmt man in Preußen gar nicht sehr für die Interessenvertretung", die ist nur gut für den Bismarck'schen Volkswirthschaftsrath".

"

Aus Leipzig  , Hamburg   und Berlin   werden neue Aus­weisungen gemeldet. Namentlich in dem anständigen" Hamburg  wird diese bismarckische Prozedur mit wahrem Feuereiser geübt, fast jeder Tag bringt da neue Ausweisungen, so daß es schier unmöglich ist, von allen Kenntniß zu nehmen. Die stolzen Hamburger zittern vor der Möglichkeit, die Wahlen könnten nicht so ausfallen, wie der große Bismarc es befohlen hat, daher diese infames brutale Vorgehen gegen unsere Ge­nossen. Nun, wir werden die Lehre nicht unbenu ßt lassen, wir werden wissen, wie man mit den Herren zu sprechen hat.

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Unter den jüngst aus Hamburg   Ausgewiesenen befindet sich auch unser Genosse J. Audorf  , Verfasser der Arbeiter- Marseillaise und des Liedes mit dem kannibalischen Reim", wie Herr Treitschke   das harmlose Petroleumlied pathetisch genannt hat.

Daß die Ausweisungen den gewünschten Zweck, Einschüchtern", nicht erzielen, zeigten jüngst unsere braven Hamburger Freunde, die sich zu Tausenden einfanden, wie die gegnerischen Zeitungen berichten, um fünf ausgewiesene Genossen, die nach Amerita answandern, zum Schiff zu ge leiten. Auf dem Schiff und auf dem Lande wurde die Arbeiter­Marseillaise gesungen und Reden gehalten, bis sich das Schiff unter Hurrahruf und Tücherschwenken in Bewegung setzte. Nein, lieber Bismarck  , uns kriegst Du nicht klein!

Unser Bruderorgan, die Arbeiterſtimme", veröffentlicht den Rekurs, welchen das Komite der sozialdemokratischen Partei der Schweiz   an das schweizerische Bundesgericht gegen das Verbot des Weltkongresses gerichtet hat. Wir bedauern, das sehr inter essante Schriftstück wegen seines Umfanges hier nicht wiedergeben zu können, und begnügen uns daher, wenigstens einige Stellen aus dem selben zur Kenntniß unserer Leser zu bringen.

Es heißt da unter Anderem:

Wir brauchen uns also mit der rabulistischen Auslegung der Zürcher  Verfassung durch den Regierungsrath, daß das verfassungsmäßige Recht der freien Meinungsäußerung, Vereinigung und Versammlung nur ein den Schweizerbürgern gewährleistetes und kein allgemeines Menschenrecht für Jeden, der sich auf dem Boden des Kantons Zürich   befindet, hier nicht weiter einzulassen und können uns mit dem Hinweis auf das im Refurs an den Kantonsrath Gesagte begnügen. Wir wehren uns zunächst für unser Recht, auf unserm Boden mit unsern Vereinsgenossen aus andern Ländern zusammenzukommen. Wir wehren uns für dieses unser verfassungsmäßiges Recht als gute Patrioten und Republikaner, die wir stets auch unsern Pflichten gegen unser Vaterland und Gemein­wesen nachgekommen sind und deshalb auch keine Verletzung unserer Rechte dulden. Und wir wehren uns endlich, weil wir befürchten müssen, daß, wenn eine Regierung ungehindert einen Verfassungsbruch gegen uns begehen darf, sie auch dazu kommen könnte, die Rechte anderer Mitbürger anzutasten. Es gilt, die Integrität und Unverleßlichkeit des Grundvertrages, der alle Bürger unseres Gemeinwesens als Gleich­berechtigte umfaßt, zu wahren. Wird derselbe durch Polizeiwillkür zerrissen, dann wird damit auch das Panner unserer Republik   geschändet und das Palladium unserer bürgerlichen Solidarität geräth in die größte Gefahr. Welchen Halt, fragen wir, hat unsere kleine Republik  , zwischen den großen Militärstaaten eingeklemmt, noch, wenn sie es geschehen läßt, daß die Rechtsgleichheit der Bürger und ihr verfassungsmäßiges Recht verletzt werde und wenn sie damit in einen Theil der Bürger das Bewußtsein drängt: Wir sind rechtlos?

,, Wir, die wir unsere Hauptaufgabe darin erblicken, einen größtmög­lichen Theil des Volkes über unsere Anschauungen aufzuklären und für dieselben zu gewinnen, wir denken wahrlich nicht gering von einer so großen Volkszahl, wie sie durch die Petenten repräsentirt wird, aber wir fönnen unmöglich das Recht da erblicken, wo es nicht ist und nie sein fann, bei Unterschriften, die unter Angabe von Unwahrheiten und unter Benüßung der ökonomisch bevorzugten Stellung gegenüber Abhängigen gesammelt, d. h. erschlichen und gepreßt wurden.

,, Allerdings wissen wir wohl, daß es auch gegenüber einer irregeleiteten Mißstimmung eines großen Volkstheiles, soweit eine solche wirklich vor­handen ist, im Interesse des öffentlichen Friedens geboten ist, Rücksichten zu nehmen, aber es darf dies nicht geschehen unter Hintansetzung so wichtiger verfassungsmäßiger Rechte, wie die hier in Froge kommenden. Auf solche Rechte verzichten, in dem Moment, wo sie in Frage gestellt werden, das hieße feige den echt republikanischen Kampf um's Recht auf­geben und auf seine Würde als republikanischer Bürger verzichten.

,, Wir wenden uns deshalb nicht an Sie, um es unter allen Umständen zu erzwingen, daß der Weltkongreß in Zürich   abgehalten werden muß, sondern um unser bürgerliches verfassungsmäßiges Recht zu wahren, wie es Republikanern geziemt."

Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß das Bundesgericht dem Rekurs zustimmen und das Verbot der zürcherischen Regierung als un­gesetzlich erklären wird.

-Frankreich  . Die in unserer vorigen Nummer angekündigte Versammlung nahm einen recht befriedigenden Verlauf. Zustimmungs­adressen waren eingegangen aus Italien  , Rußland  ( Odessa  ), Schweiz  , Spanien  , Belgien  , Portugal  , aus allen größeren Städten Frankreichs  , und auch die deutschen   Sozialdemokraten waren durch zwei vom Landes­ausschusse der deutschen   Sozialisten in der Schweiz   bestimmte Delegirte vertreten. Den Vorsitz führte B. Malon, sämmtliche Reden, von denen die des Genossen Jules Guesde  , die mit stürmischem Beifall aufgenommen wurde, besonders hervorgehoben zu werden verdient, waren von echt internationalem Geiste beseelt.

Die Versammlung faßte zum Schluß bezüglich der Marseiller   Unruhen drei Resolutionen, in denen sie

1) Die Habgier der Unternehmerklasse einzig und allein für die Kon­flikte zwischen den Arbeitern verschiedener Nationalitäten verantwortlich macht, und als ihr einziges Motto den Bund aller Proletarier gegen alle Bourgeois erflärt;

2) Die Gemeinderäthe von Marseille   speziell der Verhezzung der Arbeiter gegeneinander beschuldigt;

3) Die Aufhebung des Fremdengesetzes von 1848, das nur noch gegen fremde Arbeiter zum Schutz der Unternehmer angewendet wird, und die Aufhebung des Gesetzes von 1872 gegen die Internationalen Arbeiterorga­nisationen energisch fordert, sowie die Festsetzung eines Tarifes für Hand­arbeiter verlangt, um die unerhörten Lohnschindereien durch Importirung von italienischen, spanischen 2c. Arbeitern zu verhindern, und die organi­firten Arbeiter auffordert, mit allen Mitteln auf die Erringung politischer Macht bedacht zu sein.

Einen eingehenden Bericht, der uns leider etwas zu spät zugegangen ist, bringen wir in nächster Nummer.

-In Großbritannien   betrug die Zahl der Unfälle in den Kohlenbergwerken in der Periode von 1859-78, also innerhalb zwanzig Jahren 16,531. Bei denselben büßten 21,390 Menschen ihr Leben ein, also jährlich durchschnittlich mehr wie tausend!

Ueber die Zahl der blos" Beschädigten gibt die englische Statistit nur unvollkommene Auskunft. Wir können aber ahnen, welche Opfer das Kapital fordert, wenn wir hören, daß im Jahre 1878 von den 117,383 Mitgliedern von sechs Permanent Relief Societies( Knapp­schaftskassen) nicht weniger als 20,721 bei Unfällen verletzt wurden! Der größte dieser Vereine, der von Northumberland   und Durham  , der 1862 gegründet wurde und 1878 79,000 Mitglieder zählte, hat in den sechs Jahren von 1873-78 nicht weniger als 52,000 in Folge von Unfällen für längere oder fürzere Zeit arbeitsunfähig gewordene Mit­glieder zu unterstützen gehabt. Fast jeden Bergmann trifft also innerhalb sechs Jahren ein Unfall! Das ist keine Schlacht mehr, in der die Ar­beiter fallen, das ist schon ein Schlachten!

Der Bourgeois aber wehrt sich hartnäckig gegen Haftpflicht und Un­fallversicherung aus Furcht, die Arbeiter könnten dadurch verleitet werden, sich freiwillig selbst zu verstümmeln. So ein Bourgeois hält das Faullenzen für das größte Glück auf Erden, größer als das, sich gesunder Glieder zu erfreuen.

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In Irland   scheint es diesmal wieder so zu gehen, wie es noch jedesmal gegangen ist: im Juli, sobald die ersten Kartoffeln reif werden, mindern sich die Gewaltthätigkeiten, um im August gänzlich aufzuhören. Der Jrländer lebt eben nicht nur materiell, sondern auch politisch von der Hand in den Mund.

Lächerlich ist das Geschrei im revolutionären" Lager, die irischen " Führer" hätten Frland verrathen", weil sie nicht rechtzeitig losschlugen. Wer die Geschichte Irlands   kennt, weiß, daß das irische Volk sich aus­