thurm zu Spandau  , blieben leer. Nun warf sich Bismarck verzweif­lungsvoll auf den Staatssozialismus; dieser sollte ihm die Mittel geben, noch einmal das Volk mit glänzenden Versprechungen zu bethören und es auszusaugen in einer Weise, die so ergiebig sein sollte, daß sie dem Bismarckschen Staate eine neue Galgenfrist der Existenz garantirte.

Die Aussicht auf diese Galgenfrist hat sich durch die Wahlen sehr ge­trübt, sie haben keine Majorität für das Tabaksmonopol, keine Majorität für die sogenannten sozialen Reformprojekte geliefert.

Zwar wenden sich die Reptilien des preußischen Preßbureaus schon mit rührender Freundlichkeit an die Ultramontanen, um sie für die Re­gierung zu ködern. Die Nordd. Allg. 3tg." verspricht der Partei Windthorst's, sie könne, wenn sie Entgegenkommen zeige, die Rolle spielen, welche die liberale Partei unter Bennigsen so lange gespielt habe, d. h. sie könne den Rang des Stiefelputers Bismarcks erlangen, wenn sie wacker das Volk aussaugen helfe. Aber diese Rechnung ist an sich schon hinfällig, denn das im Zentrum repräsentirte katholische Pfaffenthum ist nicht so diensteifrig, wie die liberale Lakaienschaar. Es wird sich dem Kanzler unterwerfen, sobald er nach Kanossa   geht, und wird ihn beherr­schen, statt ihm zu dienen. Und wenn wirklich die konservative und die flerikale Partei sich zu einer geschlossenen Regierungspartei vereinigten, so gäbe das noch keine Regierungs majorität, denn beide Parteien verfügen nicht über die absolute Majoritätsziffer von 199 Stimmen. Die Entscheidung würde bei allen Streitfragen zwischen dieser Regierungs­partei und den Liberalen in den Händen der Polen  , Protestler und der Sozialisten liegen. Auf die Gnade der letzteren würde die Re­gierung angewiesen sein, selbst im Falle des höchst unwahrscheinlichen Zustandekommens einer konservativ- klerikalen Regierungspartei.

Werden aber die Sozialisten auch wirklich in diesem Reichstage ver­treten sein? kann man nach dem offiziellen Ergebniß der ersten Wahl fich fragen.

Die Beantwortung dieser Frage bringt uns auf das ausgiebige Thema der geschehenen Wahlfälschungen. In Wahrheit sind bereits meh rere Sozialisten gewählt. Stolle in Zwickau  - Crimmitschau   ist zweifellos gewählt, aber man hat dort so viele sozialistische Stimmzettel für ungiltig erklärt, daß man eine Stichwahl herbeiführen konnte, unter dem Vorgeben, es fehlten 14(!) Stimmen an der absoluten Majorität. Ebenso ist der Kreis Glauchau- Meerane nur theils durch brutale Gewalt, theils durch Taschenspieler- Kunststückchen den Gegnern in die Hände ge­spielt worden, und der zehnte Theil des in unseren Händen befindlichen Materials hierüber genügte, um den Umstoß der dortigen Wahl zu recht­fertigen. Aber auch in allen anderen Kreisen, wo die Wahl von Sozia listen ernstlich in Frage kam, hat die offizielle behördliche Macht so arg gewüthet, daß die bis jetzt erzielten Wahlresultate in dem Maße, wie sie mehr oder weniger für den reaktionären Kandidaten Majorität ergeben, fein Barometer für die konservative Gesinnung der Wähler sind, sondern nur den höheren oder geringeren Grad der obrigkeitlichen Vergewaltigung der Wähler anzeigen.

In den Industriedistrikten Sachſens  , welche immer Sozialisten in den Reichstag sandten, herrscht zur Zeit die Hungersnoth mit allen ihren Schrecken. Wer noch einige Habe besaß, hat sie veräußert und ist über's Weltmeer geflohen, dem langsamen Hungertode zu entgehen. Wer gar nichts besaß, ist zurückgeblieben. Da sißen sie nun hungernd hinter'm Webstuhl und zermartern sich das Hirn, wie sie Brod für die jammernden Kinder schaffen können, und von Tag zu Tag wird das Brod rarer, die Noth größer. In dieses allgemeine Elend fällt die Reichstagswahl. Unsere alten bewährten Genossen erheben sich trotz des Jammers, trotz des hungernden Magens auch diesmal, um gewissenhaft ihrer Ueber­zeugung Ausdruck zu geben. Man versucht Stimmzettel zu verbreiten und läßt ein Wahlflugblatt erscheinen. Da plößlich fallen aber die Amts­Hauptleute, Polizeichefs und sonstige Staatsbeamte wie ein Heer von Raubrittern über die hungernden Wähler her und schmettern sie wie mit eisernen Keulen nieder. Die Stimmzettel wurden in allen sächsischen

Mahlkunis.

werden konnten, oder nicht. Und wehe den Austrägern! In Zwickau  wurden sämmliche Austräger von Stimmzetteln verhaftet und ins Ge­fängniß geworfen, in dem Kreise Stollberg  , Schneeberg   u. s. w. holte man die Sozialisten vom Webstuhle  , von der hungernden Familie, von den schreienden Kindern weg und sperrte sie ein, wenn man sie nur irgendwie des Wirkens für sozialistische Wahlen verdächtig" hielt. Eine jede solche Verhaftung bedeutete den Ruin einer Familie, denn wo der Verdienst ohnedies nicht zulangt, ist der Ausfall der Arbeitsthätigkeit von wenigen Wochen, ja von Tagen uneinbringlich, er macht die Familie zu Bettlern, und da das Betteln verboten ist, überliefert er sie dem Hunger­tode.

Unsere Reichstagskandidaten, welche in diesen Kreisen von Ort zu Ort wanderten, mußten schreckliche Szenen dieser Art mit ansehen. Lieb­knecht kam in eine Stadt, in welcher soeben alle bekannten Sozialisten wegen Austragen von Stimmzetteln verhaftet worden waren. Der Schrecken der Weiber und Kinder war grenzenlos. Man bat den dort allgemein geliebten und geachteten Volksvertreter unter Thränen, er möge lieber weiterziehen, denn hinter ihm tauchte die Polizeigewalt auf, die ganze Schandarmerie des Kreises, mit Säbeln und Flinten bewaffnet, und drohte Jedem Verderben, der den sozialistischen   Kandidaten bei sich aufnehmen würde. Im 17. und 19. Wahlkreise hätten während des ganzen Wahlkampfes Räuber und Spitzbuben ungenirt hausen können, wenn sie nur den Ort mieden, wo sich Liebknecht oder Auer gerade aufhielten, denn hinter diesen Beiden zog stets die ganze Kreispolizei ein­her. In Lichtenstein   führte ein Genosse den Kandidaten Auer in seine Wohnung. Gleich darauf erschienen die Schandarmen, schleppten den Inhaber der Wohnung nach der Polizeiwache und entkleideten ihn dort gänzlich, um sich angeblich zu überzeugen, ob er Wahlflugblätter bei sich habe, in Wahrheit, um die Schreckensherrschaft im ganzen Kreise aufrecht zu erhalten, unter derem Schutze die Reaktion siegen sollte.

Es ließen sich noch hunderte solcher Beispiele aufführen, doch genug davon. Erwähnt sei nur noch, daß auch überall die Drohung ver­breitet war, im Falle sozialistischer Siege werde der Belagerungszustand verhängt, der den ohnedies hungernden Familien ihre Ernährer nehmen und den Untergang der sozialdemokratischen Bevölkerung herbeiführen solle.

Diesen behördlichen Vergewaltigungen gegenüber treten die gleichfalls eifrig betriebenen Wahlbeeinflussungen der Gegner in den Schatten, so frech sie auch betrieben wurden. Nur beiläufig sei erwähnt, daß im Liebknecht'schen Wahlkreise( Schneeberg- Stollberg) die Gegner Stimmzettel in Viertel- Folioformat ausgaben, welche durch ihre Größe zweifellos kenntlich waren, und im Leipziger   Landkreise Stimmzettel aus Hanfpapier mit Wasserzeichen und rauhen Rändern hergestellt wurden, während die Liberalen in der betr. Papierfabrik gleich­zeitig den ganzen Vorrath des Papiers dieser Sorte auftauften, um Nach­bildung zu verhindern. Die liberalen Parteien gingen eben auch dies­mal Arm in Arm mit der Polizeigewalt.

Und was ist nun das Resultat dieser allgemeinen Heze gegen unsere Partei?

Sie steht nach wie vor auf ihrem Posten, kräftiger als je bietet sie der Reaktion die Stirn.

Berlin  , nach dreijährigem Belagerungszustande, nach hunderten von Ausweisungen und bei schamloser Polizeiwillkür, es stellte im ersten Wahlgange ohne irgend welche Agitation mit stummem Troße ein Armee­forps von 30,000 Sozialisten vor die Regierung hin, und Entsetzen ver­breitete sich im Hohenzollernpalast beim Anblick dieser unheimlichen Truppen, welche durch ihr Votum sagen: Wir sind noch da! Wir harren aus bis ihr geht!

Aus Dresden  , welches an Polizeiwillkür   im letzten Jahre Un­glaubliches erlebte, hielt seine alte Position, Breslau  , Frank

furt, Hamburg   u. s. w. thaten dasselbe, in Leipzig   und Magdeburg  , den Magdeburg  , den beiden Zitadellen des Nationalliberalismus, tritt unsere Partei in die Stichwahl, und mitten in der Raub­ritterwirthschaft der Polizeigewaltigen des sächsischen Erzgebirges er­hebt sich die alte Hochburg der Sozialdemokratie, Chemnitz  , wieder mit neuer Kraft und stellt daselbst unsern Sieg in sichere Aussicht. Die alte Stimmenzahl unserer Partei ist fast nirgends zurückgegangen, und unter den heutigen Verhältnissen wiegt jede Stimme zehnfach. Da ist nirgends das Strohfeuer der Begeisterung bestimmend gewesen, denn wir hatten keine Versammlung, keine Blätter, überhaupt kein Agitationsmittel. Unsere diesmaligen Wähler sind nur klare, selbst­bewußte Sozialdemokraten, die aus eigener Ueberzeugung zwischen uns und der Regierung gewählt haben und sich aller Konsequenzen bewußt gewesen sind, denn nur solche konnten den unerhörten Beeinflussungen der Be­hörden einerseits und den sozialen Reform- Versprechungen der Regierung anderseits Trotz bieten; kurz, die Hunderttausende unserer diesmaligen Wählerschaft, sie bilden die Volksarmee der Zukunft.

Auf diese Armee gestützt, können wir trotz aller Verfolgungen mit Zuversicht die Todeszuckungen des heutigen Systems abwarten, wir wissen, wenn der Feind verendet ist, werden wir als Vollstrecker des Volksrechts auf den Plan treten. Und daß dies nicht mehr lange dauert, dafür sorgt die selbstmörderische Politik des Fürsten   Bismarck besser, als die unterdrückte sozialdemokratische Agitation es je vermocht hätte.

Hezzjagden und das Proletariat.

Rohheit ist ein Hauptzug der aristokratischen Gesellschaft. Auch dem aristokratischen Sport" und den Vergnügungen aller Art, denen diese Klasse sich hingibt, klebt die Brutalität an. Die ekelhafteste Periode der Geschichte ist das Mittelalter, welches mit dem Eintritt der Reformation als abgeschlossen betrachtet wird. Diesem unendlich rohen und zerfahrenen Zeitalter verdanken die Hezzjagden ihre Entstehung. Bei diesen Jagden befinden sich die aristokratischen Jäger nämlich außer aller Gefahr, und das Hauptvergnügen besteht darin, die Thiere erst bis zur tödtlichen Er­schöpfung zwecklos zu verfolgen und sie schließlich aus reinem Vergnügen zu tödten. Diese Art der Jagd ist kein Erwerbszweig wie die Jagd an den Grenzen der Zivilisation, sie ist auch kein nothwendiger Kampf gegen die Thierwelt, um dem Menschen Raum und Sicherheit zu gewähren, wie in neu oder wenigstens dünn besiedelten Ländern, sondern sie ist die offene, unverhüllte Mordlust, die ausgeübt wird in Glacehandschuhen und weißer Kravate.

Ein vorzüglich aristokratischer" Sport" ist ja auch das Taubenschießen, das Fuchsprellen und in Italien   z. B. das Vogelstellen, welcher mörde­rischen Beschäftigung sich auch der sogenannte Heilige Vater" in Rom  mit ganz besonderer Vorliebe hingibt. Es muß doch eine ganz eigen­thümliche Art von Gottgefälligkeit sein, die müden Wandervögel, welche sich vertrauensvoll in den Parkanlagen des Vatikans niederlassen, um auszuruhen, sich zu stärken und dann ihre Reise fortzusetzen, heimtückisch zu fangen und ihnen das Genick umzudrehen.

Die kleinen gefiederten Sänger, welche, wie uns gerade die Gläubigen versichern, mit ihrem Gesang in so schöner Weise ihren Schöpfer ver­herrlichen, werden von dem heiligen" Vater in sehr unheiliger Mordgier gefangen und abgemurkst.

Allerdings regt sich bereits die öffentliche Meinung gegen diesen päpst­lichen Vandalismus; die Ungläubigen, in der Regel die besseren Menschen, sprechen es offen aus, daß diese Art Vergnügen den Menschen verthiert, eines gesitteten Menschen unwürdig sei und sich für einen Priester der Religion der Liebe am allerwenigsten eigne. Hier haben wir ein Bei­spiel, wie der Unwille der gebildeten und gesitteten Welt früher oder später den Papst und seine gleich mordgierige Umgebung zwingen wird, nen Bergerheben, Benitopperagens poet qui augenviiny" vey stellen realen Erfolg geführt, es mag dies daher kommen, weil sie sich zunächst noch in Kreisen bewegt hat, welche gewohnt sind, mit Glacehandschuhen ihr Tagwerk zu verrichten.

Dahingegen haben wir mit Befriedigung zu berichten, daß sich das Volk Jrlands ohne Glacehandschuhe, ohne zarte Umschreibungen, in nicht mißzuverstehender Weise in die engeren Sportsangelegenheiten seiner Ausbeuter gemischt hat, indem es die projektirten Hezzjagden der Kaiserin von Oesterreich und der englischen   und irischen Lords auf irischem Boden kurzer Hand unter Androhung körperlicher Züchtigung der theil­nehmenden aristokratischen Ausbeuterbande verboten hat. Das ist ein sehr erfreuliches Zeichen für die Gefittung des irischen Volkes. Es ist aber auch gleichzeitig ein Zeichen für das Umsichgreifen des revolutionären Geistes. Und darin, daß es den Frländern in Curraghmore gelang, eine Jagdgesellschaft zum Rückzuge, zur Aufgabe der bereits begonnenen Jagd zu zwingen, erblicken wir auch bereits einen Sieg der Volksmacht über die Privilegirten.

In ganz Irland   haben sich Vereine gebildet, die mit einander in Verbindung stehen und den Zweck verfolgen, den Aristokraten ein- für allemal alle Hetziagden und das Jagen zum Vergnügen überhaupt zu verbieten. So wird per Kabel berichtet, daß die Landliga der Grafschaft Meath   beschlossen hat, die Abhaltung von Jagden nicht zu gestatten. Bekanntlich beabsichtigte die Kaiserin von Desterreich dort zu jagen.

Und weiter berichtet der Telegraph:" Der Marquis von Waterford   hat die Leitung der Curraghmorer Hezzjagden niedergelegt und begründet dies damit, daß sich ein Verein zur Verhinderung der Jagden in ganz Irland  gebildet habe. Als er am vorigen Donnerstag zur Jagd ausgezogen sei, seien die Kirchenglocken geläutet und Hörner geblasen worden, und eine Menge Menschen habe ihn und seine Freunde mit Steinen beworfen, nach den Hunden geworfen, mehrere derselben mit Heugabeln gestochen und so lange gejohlt und geschrieen, bis die Gesellschaft sich genöthigt gesehen habe, wieder nach Hause zu gehen. Die Curraghmorer Jagd­hunde sind die schönsten in ganz Irland  , und die Kaiserin von Oesterreich  sollte in diesem Jahre mit ihnen jagen.

In Kildare hat die Liga bekannt gemacht, daß wenn der Marquis von Drogheda  , der Graf von Mayo  , Lord Cloncurry, John La Touche oder William Blacker auf der Jagd erscheinen, dem Jagen Einhalt gethan werden wird. Die Vorgenannten sind die bedeutendsten Grundbesitzer in der Grafschaft.

Dem Jagen Einhalt thun, ist sehr gut. Das heißt offenbar, die Aristo­kratie mit ihrem Leben für die Durchführung des Beschlusses der Landliga verantwortlich machen. Dadurch werden alle Jagden aufhören; das Wild gehört wieder dem Bauer, d. h. dem Bewohner des Landes. Die meilen­langen Wildparks werden überflüssig und wieder zu Ackerland gemacht, und wo bisher die Aristokraten ihre Mordlust befriedigten und jagten, werden wieder Menschen wohnen, welche durch den Erfolg ermuthigt, demnächst auch die ganze aristokratische Ausbeuterbande vertreiben werden. So muß es kommen! ( Borbote".)

Sozialpolitische Rundschau.

Zürich  , 9. November 1881. Allgemeines zur Wahl. Erst in nächster Nummer können wir eine einigermaßen genaue Aufstellung der auf unsere Kandidaten am 27. Oktober gefallenen Stimmen bringen. Nur ein Theil unserer Genossen ist erst seiner Verpflichtung nachgekommen, dem Parteiorgan das Resultat ihres Kreises mitzutheilen, und die Zeitungen haben nur von den Hauptorten Spezialberichte gebracht. Nach einem vorläufigen Ueberschlag | glauben wir jedoch schon heute feststellen zu können, daß sich die Gesammt­

zahl der für uns abgegebenen Stimmen auf 310-320,000 beläuft. Da, wie die ersten Stichwahlen gezeigt haben, wir noch über eine stattliche Reserve gebieten, die aus gegnerischem Lager erhaltenen Stimmen rechnen wir natürlich nicht mit ein, so dürfte die Gesammtzahl sehr nahe an 400,000 herankommen, ein Resultat, das unsere kühnsten Erwartungen übersteigt. Unsere Genossen in Deutschland   haben sich mit wenigen Aus­nahmen über alle Maßen brav gehalten.

In der vorigen Nummer haben wir von den Wahlkreisen, welche einen Stimmenzuwachs für uns aufweisen, nur die für uns bedeutenderen aufgezählt. Es dürfen aber darüber nicht die Kreise übersehen werden, in denen die Zahl unserer Stimmen absolut genommen zwar nicht be­trächtlich ist, die aber durch verhältnißmäßig bedeutenden Zuwachs oder auch nur durch Erhaltung der früheren Stimmenzahl dokumentiren, daß in ihnen ein Stamm tüchtiger Genossen sitzt, der selbst unter günstigen Umständen, unter einer uns noch kalt oder gar feindselig gegen­überstehenden Arbeiterbevölkerung für unsere Sache zu werben versteht. Zu diesen Kreisen gehören u. A.: Karlsruhe  ( vergl. unsere heutige Korrespondenz), Köln   und der Kölner   Landkreis, wo Genosse Bebel zusammen über 3000 Stimmen erhielt, Wiesbaden  , wo Genosse Liebknecht   über 600 Stimmen erhielt, Homburg   wo auf Frohme über 900 Stimmen entfielen, Celle  , Schwerin   in Mecklenburg  , Mülhausen   im Elsaß  , Naumburg   3eit, Halle a./Saale  , Hameln   i./Hannover  ( Meister über 800 Stimmen) Aachen  ( Bebel über 500 Stimmen) u. s. w. u. s. w.

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Jm Großherzogthum Baden ist unsere Stimmenzahl von 3803, die wir im Jahre 1874 erhielten, auf 4667 gestiegen. Bravo!

Im Wahlkreise Frankenthal- Speyer ist die Zahl unserer Stimmen noch erheblich größer, als wir in voriger Nummer annahmen, und zwar nicht 2500, sondern 3100.

Selbst in dem erzultramontanen Wahlkreise Kaufbeuren   sind auf Genoffe Bebel 75 Stimmen gefallen, darunter in dem Dorfe Jrsee 32 von überhaupt 76 abgegebenen Stimmen. Wenn man bedenkt, daß hier noch alles thut, was der Pfarrer sagt, so ist das schon ein guter Erfolg", schreiben uns die dortigen Genossen.

In Marburg  ( Hessen  ) erhielten wir in Stadt und nächster Um­gebung 159 Stimmen gegen 152 Stimmen, welche voriges Mal der ganze Wahlkreis lieferte.( Korrespondenz aus Marburg   in nächster Nummer.)

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Bismarck in Nöthen. Sein Reinfall bei den Wahlen hat unsern unfreiwilligen Agitator ganz außer Fassung gebracht. Jett trägt er sich gar, wie die" Post" meldet, ernsthaft mit Rücktrittsgedanken. Es iſt, wie wir gesagt haben, mit dem Fortschritt will ER nicht und mit dem Zentrum kann ER nicht regieren, und ohne beide kriegt ER keine Majorität. Da mag denn ein Anderer die Suppe auslöffeln. Es bliebe Ihm freilich noch die Auflösung des Reichstages, aber eine allgemeine Volksströmung wird dadurch nicht aufgehalten und die jetzige geht noch viel mehr nach links, als bei den Wahlen diesmal zum Ausdruck gekom­men ist. In Folge dessen ist der große" Kanzler müde, herzlich müde!"

Die Judenhatz hat ihm auch nichts eingebracht. Hinterpommern besaß Er ohnehin, und Berlin   ist trotz aller Anstrengungen nicht erobert wor­den. Die Juden und Judengenossen" haben in Berlin   trotz alledem gefiegt, das geht Ihm nicht aus dem Kopfe, und daher neulich der flägliche Rückzug im Gespräch mit dem jüdischen Papierfabrikanten Behrendt, Er habe durchaus keinen Haß gegen die Juden, die ja ganz achtbare Menschen seien, besonders wenn sie ihm das Holz aus dem ,, eroberten" Sachsenwald zu zivilen Preisen abkaufen, wie der obige Behrendt, und die Er sogar lieben könnte, wenn sie Seine Politik unter­ftützen wollten.

Wahrhaftig, Er muß sich gewaltig wacklig vorkommen, der Mann von Eisen.

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ver die Sozialbcmukratie in den Wahlkampf eingetreten ist, hat unsere Gegner verblüfft. Obgleich wir beim ersten Sturm nicht einen einzigen Wahlkreis genommen haben, hat unsere Partei doch überall da, wo ein Kampf überhaupt möglich war, eine solche Stärke entwickelt, daß die Chorheit des Bestrebens, die Sozial­demokratie durch ein Ausnahmegesetz zu vernisten, jedem Denkfähigen zu klarem Bewußtsein kommen mußte. In diesem Seone spricht sich auch eine große Anzahl von uns feindlichen Zeitungen aus. Nur in einem Blatt finden wir eine abweichende Stimme: in der Kölnischen Zeitung  ", die sich aus Sachsen   schreiben läßt, das Resultat der diesjährigen Reiche tagswahl habe das Sozialistengesetz gerechtfertigt, dessen heilsame Wirkung nicht mehr zu bezweifeln sei. Der Rückgang" in der Stimmenzeht für sozialdemokratische Kandidaten sei nur dadurch herbeigeführt worden, daß das Sozialistengesetz die Masse der Wähler gegen die Terrorisiru g durch die Sozialdemokraten geschützt habe! Man weiß nicht, wa größer ist: die Unverschämtheit dieser Behauptung oder ihre Dummheit. Bei allen früheren Wahlen hat freilich eine Terrorisirung der Wähler" stattgefunden, jedoch nicht eine Terrorifirung durch Sozialdemo fraten, sondern durch die Arbeitgeber und die Behör dern, die mit den verwerflichsten Mitteln auf die Wähler zu wirken suchten. Zehntausende von Arbeitern sind, allein in Sachsen  , notorisch und nachweisbar durch derartige Beeinflussung entweder von der Aus­übung der Stimmabgabe abgehalten oder zur Stimmabgabe gegen ihre Ueberzeugung gezwungen worden. Der einzige Unterschied, den das Sozialistengesetz geschaffen hat, besteht darin, daß es uns die Mittel, diesen Beeinflussungen entgegenzuwirken, entweder ganz genommen oder arg beschränkt hat. Das Sozialistengesetz hat die Masse der Wähler an Händen und Füßen gebunden dem Terrorismus unserer Feinde, d. i. der Ordnungsparteien, überliefert voilà tout! Wenn die heurigen Wahlbeeinflussungen im sächsischen Landtag und im deutschen  Reichstage zur Sprache kommen, werden Standale enthüllt werden, denen die umfangreiche Skandalchronik amtlicher und nichtamtlicher Wahlbeein­flussung und Wahlkorruption absolut nichts Aehnliches an die Seite zu stellen hat.

- Liberale Gesinnungslumperei. Die rothe und die schwarze Internationale müssen zertreten werden!" wem hallt er nicht in den Ohren, dieser stets mit Emphase ausgestoßene Schlachtruf der National­liberalen. Besonders heiß ging es am Rhein   her; da wurde gegen die ,, Römlinge" der Denunziantenbund, deutscher Verein" genannt, gegriin­det, und sein Organ war das große Weltblatt", die Kölnische Zeitung  ". Die Römlinge" sind noch immer die gleichen, Windthorst und Schorlemer- Alst haben noch keine Silbe zurückgenommen, wo aber ist die Kultur pa ufe der Liberalen geblieben? Verduftet, alle gewor den, wie die Opposition der Konfliktsjahre. aus Furcht vor der Sozial­demokratie. Mit großer Genugthuung meldet die Kölnische Zeitung  " den Kompromiß zwischen Fortschritt und Ultramontanismus in Elberfeld   und Solingen  , mit innerer Befriedigung konstatirt das Hauptblatt des rheinischen Liberalismus, daß die Kämpfer gegen Rom  ", die Männer des geistigen Fortschritts", der wissenschaftlichen Aufklärung", für das Haupt der Schwarzen, der Finsterlinge, für den agrarisch- konservativen Junker von Schorlemer- Alst gegen den Sozialdemokraten Ritting­hausen stimmen werden. Gibt es eine drastischere Illustration des Satzes von der reaktionären Masse? Aber diejenigen Arbeiter in Solingen  , Remscheid   2c., die bisher fortschrittlich stimmten, sie werden den Pakt ihrer Führer hoffentlich ebensowenig ratifiziren, wie die Mainzer   Arbeiter den der ihrigen, sie werden nicht begreifen, warum man ihnen erst vorpaukte; der Fortschritt sei der beste Wall gegen den Ultra­montanismus und ihnen nun zumuthet, selbst für den Ultramontanen zu stimmen, warum man ihnen die Rothen als Verbündete der Schwarzen denunzirte und sie nun selbst für die Schwarzen ins Feld führen will, sie werden ihre Führer verlassen und mit den Rothen gegen di