lich ohne die nöthigen Konsequenzen aus denselben zu ziehen. Diese That sachen verdienen die weiteste Verbreitung und halten wir es für unsere Pflicht, ihrer hier im Parteiorgan zu erwähnen.
Zunächst ist es Wilhelm, der, Heldengreis", welcher als Zeuge aufmarschirt. In seinem Berichte über die Niederwerfung der badischen Revolution, wo er als Oberbefehlshaber der preußischen Truppen fungirte, schreibt er:
„ Jeder Soldat hatte sich eine bestimmte Meinung über das verbrecherische Treiben der Rebellen mit zur Stelle gebracht und durch die eigene Anschauung der Verhältnisse nur noch mehr befestigt, so daß es allein den angestrengtesten Bemühungen der Offiziere zuzuschreiben ist, wenn im Gefechte überhaupt Gefangene gemacht worden sind."
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Natürlich hatten die Soldaten die bestimmte Meinung" nur erst bilden können auf Grund der Aufhebungen durch die Offiziere, da ste sonst überhaupt nicht gegen ihre Landsleute in's Feld gezogen wären, fie bildeten sich ein gerade wie die Engländer mit dem Abschaum der Menschheit zu thun zu haben. Nach gewonnener Schlacht ist es natürlich sehr billig für die Herren Offiziere, human" zu sein, damit ihr Ruhm durch das Gemetzel nicht beeinträchtigt werde, kein denkender Mensch wird aber die verhetzten Soldaten für Ausschreitungen verantwortlich machen, die nur die logische Folge der ihnen beigebrachten Lügen find. Es ist also Flunkerei, wenn da die preußischen Brutalitäten den Soldaten in die Schuhe geschoben werden.&
Das war 1849. Seitdem sind natürlich Fortschritte in der Humanität gemacht worden. Namentlich ist es der Abgott der„ Kölnischen", Bis marck , der durch seinen Busch der Welt fund thun ließ, wie ,, der größte Staatsmann des Jahrhunderts" über moderne Kriegsführung
denkt.
Besonders erbittert war, wie Busch in Fürst Bismarck und seine Leute" mittheilt, der Herr Reichskanzler im Jahre 1870 gegen die Franktireurs( Freischürler). Schonung derselben bezeichnet er, als sträfliche Trägheit im Erschießen."" Das ist Landesverrath", fuhr er fort.„ Unsere Leute sind fix beim Schießen, aber nicht beim Erschießen. Man sollte alle Dörfer, wo Verrath vorkommt, sofort au 8- brennen und alle männlichen Einwohner hängen. Auf einen Trupp Franttireurs, dem er nach Gravelotte begegnete, ritt er zu und erquickte die Unglüdlichen mit den Worten: Vous serez tous pendus!"( Jhr werdet Alle gehängt!) Die Mittheilung dieses kleinen Intermezzo's begleitete er mit den Worten:„ Der eine davon fing dann laut zu flennen
an!"
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Wiederholt spricht sich der Geniale auf das Entschiedenste dagegen aus, daß Franktireurs überhaupt zu Gefangenen gemacht wurden.„ Daß sie Franttireurs noch immer zu Gefangenen machen", ruft er,„ man hätte fie der Reihe nach füfiliren sollen." Die Klage, daß nicht genug erschossen wird, zieht sich wie der rothe Faden durch das Tagebuch, und der Minister findet besonders Gefallen an den Bayern, weil sie mit dem Todtschießen der Franttireurs rasch bei der Hand find." Unsere Norddeutschen halten sich zu sehr an den Befehl. Wenn so ein Buschklepper auf einen holsteinischen Dragoner schießt, so steigt er erst vom Pferde und läuft mit seinem schweren Säbel dem Kerl nach und fängt ihn. Der Bayer macht's anders, der weiß, daß Krieg ist, der hält noch auf gute Sitten. Er wartet nicht ab, bis von hinten auf ihn geschossen wird, sondern schießt guerft."
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Späterhin dehnte sich der Groll gegen das Gefangennehmen auch auf die regulären französischen Truppen aus. Bei einem Ausfall der Pariser Garnison waren 500 Rothhosen in Gefangenschaft gerathen. Der„ Chef" bedauerte lebhaft, daß man noch Gefangene machen müsse, sie nicht gleich todtschießen fönne."
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An einer anderen Stelle heißt es:„ Wenn wir in unserem Kreise nicht Alles mit Garnisonen versehen können, so schicken wir von Zeit zu Zeit eine fliegende Kolonne nach solchen Orten, die sich recalcitrant( halsstarrig) benehmen, erschießen, hängen und sengen." Dem Einwand, daß Letzteres nicht nöthig, das bloße Erscheinen des Exekutionskommandos vielmehr ausreichend wäre, begegnet der Chef" mit dem Bemerken: „ Na, ich weiß nicht, ein mäßiges Hängen wirkt doch wohl noch besser, und wenn ein paar Granaten hineingeschickt werden und ein paar Häuser abbrennen."
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Bei solchen Ansichten von Oben ist es kein Wunder, wenn in allen Theilen des Heeres schließlich die nackteste Brutalität Anhänger und Vollstrecker fand. Und zwar wurde sie nicht nur gegen den Feind, sondern auch gegen die eigenen Leute geübt. Es geht uns darüber ein Brief eines süddeutschen Arbeiters zu, den wir, gleichfalls zu Nutzen des deutschen Michels, an dieser Stelle folgen lassen:
Aus Rheinhessen. Die liberalen Tagesblätter in Deutsch land find jetzt voll sittlicher Entrüftung über die von englischen Soldaten auf dem Schlachtfeld von Tel- el- Kebir an egyptischen Verwundeten verübten Gräuelthaten. Es sollen sogar verwundete Feinde erschossen worden sein.
Gebt Acht, Ihr Herren liberalen Zeitungsschreiber, was jetzt tommt, und dann kehrt vor der eigenen Thüre.
Der Kommandeur der 49. Infanteriebrigade, Generalmajor von Wittich, hieb beim Vormarsch in die Schlacht bei Gravelotte mit dem Säbel so unbarmherzig auf mehrere seiner Soldaten ein, daß einige von diesen zusammenstürzten. Ob nun die be treffenden schon durch die übermenschlichen Strapazen halb zu Tode gehetzten Soldaten von ihrem Brigadekommandeur vollends todt geschlagen worden waren, konnte ich nicht sehen, denn ich war zu weit entfernt davon.
Ein anderes, aber ähnliches Bild:
Hauptmann und Kompagniechef von Weitershausen im Großh. Heff. 2. Jägerbataillon, wollte einen auf der Straße beim Marsche liegen gebliebenen Soldaten todtreiten. Der Mann war solange mitmarschirt, bis er zusammenfstürzte. Erst als der Unmensch sah, daß er sein Pferd hierzu nicht bringen tonnte, ritt er statt über denselben, an ihm vorbei, natürlich unter den üblichen brutalen Bemerkungen, um die ja kein deutscher Offizier verlegen ist.
Ein weiteres und gleichzeitig für heute das letzte Bild:
Ich kannte einen deutschen Krieger, welcher eine wehrlose Frau in Frankreich zusammenschoß, und zwar weil sich dieselbe seinen Anordnungen nicht fügte. Unfittliches war es indeß nicht, was der Mann von der Frau verlangte. Was er aber von ihr wollte, das sage ich nicht, es könnte sonst leicht kommen, daß man zu den da maligen vielen Mordthaten eine neue hinzufügte, denn Wilhelm liebt die Gerechtigkeit. In der Abtheilung wußten es Alle, daß der Mann die unselige That begangen hat, aber verrathen hat es keiner.
Nun, Ihr liberalen Zeitungsschreiber, was sagt Ihr zu diesen drei angegebenen Atten? Daß die Offiziere der deutschen Armee so roh find, das haben wir Euch Augendienern zu verdanken! Daß der Soldat diese barbarische Handlung begehen konnte, haben wir in erster Linie wieder nur Euch und in zweiter Linie Euren blutdürftigen Gözen zu verdanken. K. N.
Ich mache den Vorschlag, daß von Zeit zu Zeit derartige Helden ftückchen, wie ich sie hier zum Besten gegeben, im Parteiorgan ber öffentlicht werden."
Jedenfalls genügt das Mitgetheilte, um den edlen Menschenfreunden der„ Kölnischen Zeitung" den Mund zu stopfen." Charity begins at home", sagt der Engländer. Wenn Ihr für die Interessen der Menschlichkeit eintreten wollt, so fangt nur erst zu Hause an. Arbeit gibt's da genug.
Republik und Monarchie. Wir gehören nicht zu den blinden Verehrern der Republik, aber in einer Zeit, wo die Anhänger der Monarchie sich ungeheuer groß thun, weil in diesen das wenige Gute auf offenem Markte ausposaunt, das Schlechte aber sorgfältig vertuscht und bemäntelt wird, während in den Republiken das Schlechte offen geFennzeichnet, das Gute aber als selbstverständlich betrachtet wird, in solchen
| Zeiten halten wir es für unsere Pflicht, zu zeigen, wie eine Republik nicht nur ihre Staatsangehörigen schüßt, sondern auch Diejenigen, welche unter dem Schutz ihrer Gesetze leben. 3500 sin Vor einiger Zeit wurden an der schweizerisch- österreichischen Grenze auf dem Bahnhof von St. Margarethen zwei Genossen von österreichischen Zollbeamten angehalten, welche sozialistische Schriften heimlich mit fich führten. Da sie die österreichische Zollgrenze schon paffirt hatten, sich aber noch auf Schweizerischem Gebiete befanden, so hätten die Defter reicher höchstens das Recht gehabt, die Schriften zu beschlagnahmen. Statt deffen erfrechten sie sich, die beiden Sozialisten über die Grenze zu transportiren, wobei sie sich, wie einer der Verhaften, Genoffe Beffi, in einem Briefe mittheilte, von einem schweizerischen( St. Galler) Landjäger unterstützen ließen.
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Daraufhin reifte Genoffe Conzett, der Redakteur der Arbeiterftimme", nach St. Gallen, um dem dortigen Regierungsrath Kenntniß zu geben. Bereitwilligst sandte der Vorsteher des St. Gallischen Polizeide partements, Landammann Dr. Curti, den Landjägerhauptmann mit Conzett zur Untersuchung nach St. Margarethen. Das Resultat derselben ergab die Bestätigung der Angaben Belli's.
Das war am Dienstag, den 14, November, Abends. Mittwoch Vormittag war der Landjäger in St. Margarethen Hitz aus Graubün den vom Regierungsrathe aus dem Dienste ent lassen. Das ist schnelle und gerechte Justiz!
Außerdem hat die St. Galler Regierung, nunmehr zum zweiten Male, beim Bundesrathe Beschwerde gegen die illegale Verhaftung unserer zwei Genossen erhoben und energisch die Freilassung der Verhafteten gefordert. Auch die Zürcher Regierung wird Genossen Belli als Zürcher Niedergelassenen
reklamiren.
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Wenn der Bundesrath, schreibt die ,, Arbeiterstimme", nur halbwegs so viel Eifer entwickelt, wie dies verdankenswerther Weise die St. Galler Regierung gethan, dann werden die Verhafteten frei. Der Bundesrath wird nicht dulden, daß monarchische Beamte auf Schweizergebiet Verhaftungen vornehmen können!"
Inzwischen sizen aber unsere Genossen seit jetzt bald 10 Wochen in Feldkirch in Haft- ohne daß das dortige f. t. Gericht auch nur Miene machte, Anklage gegen sie zu erheben. Das Ding müßte ja auch wunderbar aussehen. Sie haben nicht den Muth, sie anzuklagen, und nicht die moralische Kraft, fie freizulassen. Und die österreichischen Grenziäger, die ihre Funktion überschritten, werden für ihren Eifer noch extra Belobigung erhalten. Denn im Habsburgischen Kaiserstaat ist das Volk für die Beamten da, nicht aber die Beamten für das Volk.
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Aus Leipzig, 18. November, schreibt man uns: Am 10. und 11. d. M. wurde von den Herren Bourgeois hier wie andernorts nach althergebrachter Gewohnheit tüchtig in Schiller und Lutherfeier gemacht. Da mußten sich Luther und Schiller gar viel gefallen laffen. Während Ersterer auf den Kulturkampf Klepper gesetzt und in einen Bismarck'schen Altkatholiken verwandelt ward, hatte der arme Schiller Polizeidienste zu thun gegen die Sozialdemokraten. Das Verdienst, in dem Dichter des Fiesko, des Wilhelm Tell und des Liedes an die Freude*)( Diesen Kuß der ganzen Welt!") einen Spezialfeind der Sozialdemokraten entdeckt zu haben, gebührt dem hiesigen Buchhändler Cavael, vor 1848 und in jenem ,, tollen" Jahr noch ein eifriger Demokrat, ja Republikaner, vertrautefter Freund Robert Blum' s, seitdem aber Nationalliberaler und Bismärcker vom Kopf( oder um sicherer zu gehen, sagen wir lieber: vom Scheitel) bis zur Zehe. Das ist so der Typus des Durchschnitts- Achtundvierzigers, soweit er der Bürgerklaffe angehört. Als es galt, die bürgerlichen Forderungen durchzusetzen, da waren die Herren freiheitsbegeistert, schworen den Tyrannen Krieg bis auf's Meffer, feierten den Attentäter Tschech in Liedern und auf Taschentüchern und Schnupftabaksdosen, waren Sozialisten, ja Kommunisten und seit sie ihr Schäfchen in's Trockene gebracht, sind sie„ satisfaits", fett und zufrieden und schimpfen auf die Bestrebungen ihrer Jugend.
Wie sollte es auch anders sein? Eine Klasse, welche die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zur Existenzbedingung hat, kann un möglich im Ernst demokratisch sein von sozialistisch u. s. w. gar nicht zu reden. Jedenfalls kann man es aber dem Volk nicht übel nehmen, wenn es den Namen Achtundvierziger als ein Schimpfwort betrachtet.
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Unsere hiesige Zeitung ich meine nicht das Organ für Schweinsfnöchel und Klöße, sondern das für die Regierungsweisheit unserer„ gemüthlichen" Regierung: die Leipziger Zeitung" beschäftigte sich in letzter Zeit ziemlich eifrig mit der Frage der Armenversorgung. Daß diese jetzt sehr mangelhaft und daß die Laft der Armenunterstützung in der ungleichmäßigsten, ungerechtesten Weise vertheilt ist, das kann die ,, Leipziger Zeitung" nicht ableugnen. Allein sie hat auch nicht die Konsequenz, den von Liebknecht in der Kammer gemachten Vorschlag der Erhebung des Armenwesens zur Staatsfache zu befürworten, und da kommt sie denn auf die komischsten Auskunftsmittel um so tomischer, weil sie sich die erdenklichste Mühe gibt, human zu scheinen. Letzteres Bestreben hat nun einen ihrer Leser in die Wolle gebracht, der in einer geharnischten Zuschrift erklärt, die Versorgung der Armen sei lauter Larifari, man müsse die Armuth abschaffen, jedoch nicht in dem gewöhnlichen, sondern im Polizeifinne des Wortes, d. h. die Armen auf den Schubladen und zwangsweise in Kolonien deportiren, ihnen dort so viel verabreichen, daß sie nicht gerade verhungern, sie eine Zeit lang unter eiserner Zucht halten und dann ihrem Schicksal überlassen. Daß die Sozialdemokraten gelegentlich mitdeportirt würden, vesteht sich von selbst.
Der Leipziger Zeitung" war das denn doch etwas zu starker Tabak", und sie kanzelt den biederen Zuschriftler recht gut ab.
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und das
Auf den Plan, der ja nicht gerade neu ist, will ich nicht eingehen, auch nicht an das bekannte Sprichwort erinnern:„ Die Nürnberger hängen teinen, ehe sie ihn haben!" mit der Variante: Die Bismärcker deportiren in teine Kolonien, ehe fie welche haben. Ich will blos ist es, weshalb ich überhaupt die Sache erwähne zur Erbauung der Lefer mittheilen, daß der brave Zwangsdeportationsmann ein Geistlicher ist, ein Prediger der„ Religion der Liebe", der Liebe vor Allen gegen die Armen!
Das ist die„ chriftliche Liebe", wie sie in Wirklichkeit aussteht, man packt die Armen, wirft fie, wie Exportvieh, auf Schiffe und setzt fie in irgend einem fremden Lande aus. Das Pfäfflein( natürlich ein protestantisches) hat das praktische Christenthum" des Junkers Bismarck, ben es auch lebhaft bewundert, vortrefflich studirt, das muß man ihm laffen. Mich erinnert dieses neueste Pfaffenstückchen an das alte Sprichwort: ,, Wenn irgendwo eine ganz besondere Niedertracht verübt, empfohlen oder gerechtfertigt wird, dann ist es sicher ein Pfaffe, der's thut." Und so ist es.
Die polizeidirektorlose schreckliche Zeit soll mit Schluß dieses Monats zu Ende gehen. Am 22. d. wird von der zum Behuf der Wahl einer geeigneten Persönlichkeit niedergesetzten Kommission den Stadtverordneten Bericht erstattet und am 29. d. vom Stadtverordnetenkollegium eine deftnitive Wahl vorgenommen werden. Von den Kandidaten, welche die meiste Aussicht haben die Namen, soweit nicht schon genannt, find gleichgiltig
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ist der eine genau so gut wie der andere. Hoffentlich fegt der neue Besen so gut und bringt hübsch„ Leben in die Bude" wie der alte. Für 10,500 Mark jährlich,
*) Welches, wie jüngst ein Franzose behauptete und wofür alle Wahr scheinlichkeit spricht, ursprünglich an die Freiheit gerichtet war. Viele Stellen deuten darauf hin, so namentlich der Schluß:
Männerftolz vor Königsthronen, Brüder, gält' es Gut und Blut: Dem Verdienste seine Kronen, Untergang der Lügenbrut!
die wir bezahlen müssen, kann man auch schon etwas Ordentliches verlangen.-
Heute kommt Hasenclever aus dem Gefängniß. In Punkto der Freiheit" wird er keinen Unterschied finden.
jed naud and
Oesterreich. Noch einmal die Wiener Straßen unruhen. Ueber das jeder Kritik spottende Verhalten der Wiener Polizei deren Ruf ohnehin längst der denkbar schlechteste ist, schreibt uns unser Gewährsmann: and induks mingi
Was ich Ihnen in meinem vorigen Brief geschrieben, beruht nicht auf Zeitungsnachrichten, sondern auf eigenen Beobachtungen. Die Schwester eines meiner Bekannten mußte jeden Abend beim Heimweg den Kriegsschauplatz" pasfiren, und obwohl ihr Bruder, der fie regelmäßig abholte und heimgeleitete, dafür sorgte, daß sie nicht allzusehr in's Gedränge tamen, hat er doch Szenen der impertinentesten und ungerechtfertigsten Rohheit von Polizei und Militär miterfahren müssen. Ihn ließ man, weil er„ ,, anständig" aussah, ungeschoren, aber kein Arbeiter passirte, den nicht irgend eine dieser Kanaillen angeschnauzt hätte, und mit Bagasche"," Kanaillen"," Gesindel" 2c. titulirt hätte. Dabei fuchtelten die Kerle mit ihren Säbeln jedem vor der Nase herum, und wehe dem, der es sich beifallen auch nur das geringste Wort zu erher und mißhandelte ihn, um ihn
widern! Sogleich fiel man über auch nur da
schließlich wegen Aufruhrs" zu eskortiren.
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" Ich war", so äußerte sich mein Freund, außer mir vor Wuth, und wenn ich nicht meine Schwester bei mir gehabt hätte, ich hätte meiner Entrüstung lauten Ausdruck gegeben. Ich wundere mich nicht, daß es zu Erzeffen gekommen ist, sondern darüber, daß man so ruhig geblieben ist." Von Ansammlungen zu reden, ist lächerlich. Ein Viertel der Bevölferung Wiens mußte den Kriegsschauplag" passiren, um von der Arbeit nach Hause zu kommen; wenn man nicht einen Umweg von oft einer Stunde machen will, was kein müder Arbeiter gern thut. So wie die Schwester meines Freundes, waren Tausende von Anderen, Fabritarbeiterinnen 2c. Kinder, und natürlich Massen von Arbeitern gezwungen, den Weg durch die Mariahilfer- und Westbahnlinie zu nehmen. Jetzt bedenke man noch die Menge Neugieriger, die da hinausströmt und bewirkt, daß Gruppen stehen bleiben, um sich zu besprechen, und man wird es natürlich finden, daß Stauungen vorkamen. Und wo sich das Volk ftant, da reitet man mit Kavallerie in scharfem Trabe hinein. Die Bestien!
" Ich weiß ferner aus guter Quelle, nämlich von einem der betheiligten Soldaten selbst, und das bitte ich Sie noch nachzutragen, daß an das Militär scharfe Patronen vertheilt wurden, mit der Ordre, bei der ersten Widersetzlichkeit zu schießen, und zwar gleich das erste Mal scharf. Nicht über die Köpfe, sondern auf die Füße zu zielen.
Das ist doch der Gipfel der Niedertracht!
Italien. Endlich liegt uns ein ausführlicher Bericht über den Ausfall der italienischen Wahlen vor, so daß wir in der Lage sind, die Erfolge unserer Genossen abzuschätzen. Wenn man bedenkt, daß das Wahlrecht in Italien immer noch an einen gewissen Zensus oder Bildungsnachweis geknüpft ist, so daß kaum 30 Prozent aller erwachsenen Männer stimmberechtigt find, die große Masse der Arbeiter daher des Wahlrechtes noch beraubt ist, so kann man mit dem erreichten Resultate nur zufrieden sein. Unsere Genossen haben ihre Kräfte erprobt und werden die gemachten Erfahrungen in Zukunft zu berücksichtigen wissen.
Jm Ganzen beträgt die Zahl der für die sozialistischen Kandidaten abgegebenen Stimmen 49,154, zirka 4 Prozent sämmtlicher Stimmen.
Gut für unsere Genossen wählten: Forli*)( Cipriani, der im Frühjahr zu lebenslänglichem Bagno verurtheilte Kommunekämpfer, 2148 St., Cofta 1081, Gnocchi- Viani 420), Imola( Cofta 2834 St., der zweite nach den Gewählten), Livorno( Barbanti 1970 St.), Lodi( M. Anelli 1580 St.), Mantua( A. Moneta 3683 St., nur wenig fehlten an der Majorität), Parma( L. Musini 3100 St., gleichfalls mit nur geringer Differenz unterlegen), Pavia( G. Locatelli 2786 St.), PesaroUrbino( A. Cofta 2514 St.), Ravenna( A. Cofta 3554 St., gewählt), Reggio Emilia( Barbanti 2946 St.), Rocca S. Caspiano( A. Brunicardi 2536 St., gewählt).
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Wie man sieht, überwiegt Mittelitalien.
In Mailand sind unsere Genoffen gegen die Republikaner unterlegen, welche einen Arbeiter, den Schriftseter Maffi, auf ihre Liste genommen hatten. Doch erhielt Gnocchi- Viani, der Redakteur der„ Plebe" gegen 1200 Stimmen.
Es handelt sich nunmehr um die Frage, ob Costa in das Parlament eintreten soll oder nicht, da der Eintritt von der Ablegung eines Schwurs abhängig ist. Die Mailänder Plebe" schreibt darüber:„ Wir hoffen, daß die Genoffen der Romagnola den erlangten Sieg vollständig ausnügen und so vernünftig sein werden, nicht die lächerliche Eidesfrage zu erheben, da der Eid unter den Umständen, unter welchen er abverlangt wird, Niemandes Gewissen binden kann. Keinenfalls darf er ein Hinderniß sein, von dem ein Revolutionär sich den Weg versperren läßt. Die Frage lautet: Ist es nüßlich und zweckmäßig, daß ein revolutionärer Sozialist ins Parlament eintritt? Uns scheinen die Gründe bei Weitem überwiegend, um darauf mit Ja! zu antworten." Uns auch!
3wei Urtheile russischer Sozialisten über die russische revolutionäre Bewegung. Stepniat, der ehemalige Redakteur der ,, Semlja i Wolja"( Land und Freiheit) ein Mann des Gedankens und der That, der alle Phasen des russischen Kampfes attiv mitgemacht hat, sagt in seinem, hoffentlich bald in deutscher Uebersetzung erscheinenden Buche:„ La Russia sotteranea"( Das unterirdische Rußland) S. 265 u. ff.:
" Nachdem die russischen Sozialisten anfange, gleich der extremsten Fraktion der Internationale, daran festgehalten hatten, daß sich die Sozialisten von jeder Theilnahme am politischen Kampfe fernzuhalten haben, haben sie durch die unerbittliche Logit des Lebens und auf eigene Roften lernen müssen, daß die politische Freiheit sowohl für die Sozialisten als überhaupt für Alle, welche unter ihren Mitbürgern irgend einer Ueberzeugung Geltung verschaffen oder für eine Idee Propaganda machen wollen, nicht nur nüglich, sondern geradezu unentbehrlich ist. Sie haben anerkennen müffen, daß der Sozialismus ohne jene elementaren Rechte nie ans den beschränkten Grenzen der geheimen Gesellschaften heraustreten, noch einen entscheidenden Einfluß auf die Ueberzeugung der Volsmassen haben kann."
Da es in Rußland keine andere Partei gibt, welche fähig wäre, den Kampf mit dem Despotismus aufzunehmen, so haben sich die russischen Sozialisten entschlossen, ihn auf eigene Rechnung zu führen."
Dagegen sagt Plechanoff, der Redakteur des„ Tschorni Beredjel" ( Die große Landvertheilung) in der Vorrede zur russischen Ausgabe des kommunistischen Manifeftes":
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„ Die russische sozialistische Bewegung beschränkt sich nicht mehr blos auf diejenigen Schichten, welche man die studirende Jugend, das intellektuelle Proletariat u. s. w. zu bezeichnen pflegt. Die Arbeiter unserer industriellen Zentren beginnen ihrerseits nachzudenken" und sich nach Befreiung zu sehnen. Ungeachtet aller Verfolgungen der Regierung werden die geheimen sozialistischen Arbeiterorganisationen nicht nur nicht zerstört, sondern sie erhalten immer größere Ausdehnung. Zu gleicher Zeit dehnt sich die sozialistische Propaganda aus und die Nachfrage nach populären Broschüren, welche die Grundprinzipien des Sozialismus auseinandersetzen, wächst. Es wäre sehr wünschenswerth, daß die russische Arbeiterliteratur, welche entstehen muß, die gewundenen Wege des mehr
*) Jn den größeren Wahlkreisen ist Liftenwahl.