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Die Ausfuhren der Vereinigten Staaten liefern, wenn in Europa eine Periode befferer Ernten und wohlfeiler Brotpreise beginnt, womit das Tezte Jahr einen Anfang gemacht hat? Und wenn Ostindien, Egypten, Südrußland und die Donauländer unser Getreide aus dem Weltmarkt verdrängen, zumal die Chicagoer Spekulanten begonnen haben, schlechtere Sorten mit besseren zu mischen, um sie theurer zu verkaufen was natürlich unseren auswärtigen Markt sehr rasch verdirbt? Wenn wir unsere Fabrikwaaren nicht an unsere Farmer verkaufen können, wohin zu sollen wir sie verkaufen, da wir dafür höchst wenige auswärtige Abnehmer, wohl aber viel Mitbewerber haben?
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In Buffalo allein find soeben 2000 Lohnarbeiter durch Schließung der pa Fabriken auf's Pflaster geworfen worden. Aehnliche Nachrichten häufen bi fich. Inzwischen thun unsere rathlosen Gesetzgeber Alles, was sie können, ich um durch die Langsamkeit ihrer Entschließungen die Handelswelt in Ungewißheit über die Handelsaussichten der nächsten Zukunft zu halten. Vor Entscheidung der nächsten Nationalwahl will offenbar keine Partei in irgend etwas Eingreifendes thun, weil das ihre politischen Aussichten och verschlimmern könnte.
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Daß das arbeitende Volk inzwischen auf Kohlen sitt, läßt sie sehr tühl.
So unser amerikanisches Bruderorgan. Was es von der RückwirIr kung der indischen Getreidekonkurrenz auf Amerika sagt, trifft in ell noch verstärktem Maße auf Europa zu. Wenn der englische Markt e dem amerikanischen Weizenproduzenten man möchte fast sagen Weizente fabrikanten verschlossen bleibt, so ist die unvermeidliche Folge, daß derselbe mit allen Mitteln sich den festländischen Markt zu erobern sucht. Unsere Großeit grundbesitzer möchten sich zwar den unangenehmen Konkurrenten mit agrarind schen Schutzöllen vom Halse halten, das geht aber nicht seit Deutschland est Industrieland geworden und auf die Getreideeinfuhr angewiesen ist. Und jedenfalls ist die amerikanische Konkurrenz in der Lage, sowohl die ungarische als auch das russische Getreide auf dem Markte zu Sr unterbieten, wie denn bereits die Getreideausfuhr von Rußland nach Be dem Westen fast ganz aufgehört hat. Tausende und Abertausende von Kleinbauern sind auf diese Weise ruinirt; sie müssen ihre Steuern, es ihre Zinsen bezahlen, und können ihr Getreide nur zu Preisen losge schlagen, bei denen sie absolut nicht bestehen können. Daher die ан vielen agrarischen Unruhen in Rußland und Ungarn ( wo die Verhältnisse en ähnlich sind); dies die Erklärung für den Antisemitismus" in den nt beiden Ländern, weil der Bauer im Juden die Ursache seiner gedrückten en Existenz sieht. Die Judenhezen halten aber den Ruin der Bauern nicht en auf, sondern beschleunigen ihn eher noch, so daß ihnen schließlich nichts Des übrig bleibt, als der bestehenden Gesellschaft überhaupt den Krieg zu erflären. So zeigen sich immer deutlicher die Vorboten der gewaltigen Konvulsionen, denen das alte Europa am Ende des 19. Jahrhunderts entgegengeht.
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- Die Berufung auf die sogenannte, kaiserliche Botschaft" kann man hier und da nicht blos in der staatssozialistischen, sondern auch in der sozialdemokratischen Agitation zu hören bekommen. Ist in letterem Falle die Zitirung auch nicht ernst zu verstehen, so wird sie doch gewissermaßen als ein Trumpf gegen die herrschenden Parteien ausgespielt, und es wird selbst dadurch noch dem ,, Raiserwort" eine Bedeutung beigelegt, die es absolut nicht hat. Jeder Mensch weiß, wie Thronreden" und um eine solche handelt es fich entstehen, wie unschuldig Derjenige an derselben ist, der sie vorlesen muß, wie sie gleich anderen offiziösen Kundgebungen, Waschzetteln u. s. w. lediglich nach dem Stande der Tagespolitik zusammenda gestellt werden, und wie sie am nächsten Tage bereits veraltet sind. Das Ministerium Bismarck bedurfte einer Reklame für die Vorlage indirekter Steuern, die durch sozialreformatorische Versprechungen genießbar gemacht werden sollten, deshalb erschien die„ kaiserliche Botschaft", und es wird ihr auch kein ernsthafter Politiker eine andere Bedeutung zu gemessen haben. Wenn man sich nun trotzdem dumm stellt" und auf die gegebenen Versprechungen pocht, so macht man beim Volke nur Reklame für das Hohenzollernthum; man gibt sich den Anschein, als glaube man, der Kaiser könne in die soziale Entwickelung eingreifen und könne für die unteren Klassen etwas thun, wenn er nur wollte; ja es flingt manchmal sogar so, als wenn der Kaiser auch den guten Willen hätte und vorläufig nur durch den widerspenstigen Reichstag oder andere Hindernisse abgehalten werde, seiner Botschaft" die That folgen zu laffen.
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Solche Hilfsmittel sind, auch unter dem härtesten Ausnahmegesetz, der sozialdemokratischen Agitation unwürdig. Sie darf ihre Nahrung nicht aus dem Kehricht der Staatssozialisten auflesen. Wenn es der größte Fehler Lassalle's war, daß er auf das Versprechen des Königs von Preußen pochte, so darf bei der jetzigen fortgeschrittenen sozialpoli tischen Erkenntniß den Massen um so weniger vorgeredet werden, der Kaiser sei eine Art höherer Vorsehung, welcher die sozialen Zustände aus eigener Willkür umgestalten könne. Der Kaiser ändert an dem Stande der sozialen Zustände des Volkes so wenig wie der niedrigste Polizist, es stehen nicht Personen, sondern Gesellschaftsklassen in Frage, und die ter Befreiung der Arbeiterklasse kann nur durch die Arbeiterklasse selbst geschehen; dieser unumstößliche Sag läßt sich nicht hinwegdisputiren, und man soll ihn auch nicht durch sozialreformatorische di Phrasen verdunkeln.
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Anarchistisches aus Sachsen . Wenn man bisher glaubte, 1b daß die Anarchisten in Sachsen feinen Anhang gefunden hätten, so hat man sich arg getäuscht. Die Anarchisten treiben ihr Wesen hier let ungenirter als anderwärts und lassen an Keckheit wahrlich nichts zu wünschen übrig. Sie haben sich hier jedoch, um ihre Ziele besser verwirklichen zu können, in die sogenannten vornehmen Kreise eingeschlichen, e haben sich hier Einfluß erworben und benutzen ihre Position, um die fer Gesetze des Landes und die herkömmlichen Sitten tagtäglich mit Füßen es zu treten.
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Da ist als erster Anarchistenhäuptling der Minister von Nostizell Wallwitz zu nennen, der für die größten Gesetzesverletzungen, die im et ganzen Lande von hohen und niederen Polizisten verübt werden, Ablaß nd ertheilt. So oft eine Beschwerde über flagrante Gesetzes- und Rechtsbrüche ne an ihn kommt, tritt er vor das versammelte Kriegsvolk hin und sagt: en Es ist eine starke Zumuthung an unsere Loyalität, zu verlangen, daß in wir den Wortlaut der Gesetze achten sollen, da unter diesen Gesezen doch gegen uns angekämpft wird. Die widersinnige Handhabung und die nu Verlegung der Gesetze durch polizeiliche Praxis, das sind die ite Dämme, die uns gegen unsere Feinde schützen, und es fällt uns gar di nicht ein, diese Dämme selbst niederzureißen. Wenn dann von sozialve demokratischer Seite erwidert wird, Diejenigen, welche Geseze ma chen, cht hätten auch die Pflicht, sie zu respettiren, so ruft ein anderer einrie flußreicher Anarchist den Herrgott" an, daß er das Land vor de Gesetz und Recht in Gnaden behüten möge. Dem Volke wird durch dieses wi Beispiel der Regierung, welche in dieser anarchistischen Pragis von de Fortschrittlern wader unterstützt wird, die Lehre gegeben: auf die di Geseze kommt's nicht an, sondern wer die Macht dazu hat, thut ste mit denselben oder gegen dieselben Alles, was ihm gerade zweckmäßig sto und nüßlich erscheint
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Dieser anarchistische Grundsatz, von so einflußreicher Stelle proklamirt, rer wird sicher nicht verfehlen, Wurzeln zu schlagen; und wenn man forteit fährt, die Sozialdemokraten niederzustimmen, wenn sie sich in ihrem wi Kampf gegen Willkür und Opportunität auf die bestehenden Gesetze betla rufen, so werden die Landesgesehe in Sachsen bald als die verachtetsten hei und überflüssigsten Dinge gelten, die man je gesehen, und die Schüler hn und Anhänger des ministeriellen Anarchismus werden sich dann vielleicht ird auch einmal gegen ihren Lehrmeister wenden und deren durch Geseze gewährleistete fettbefoldete Stellungen, sowie verschiedenes Andere für idt sehr unzweckmäßig und mit Gewalt Abzuschaffendes erklären.
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Ein bewährtes Rezept. Das englische Sozialistenblatt ung" Justice" schreibt mit treffendem Sarkasmus:
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Deutschland ist die erste Militärmacht Europas . Bismarck ist der be größte Staatsmann Europas . Moltke ist der größte Feldherr Europas . Bar Der deutsche Kaiser ist der größte Kaiser Europas . Nichtsdestoweniger ag möchten die Deutschen sich gerne all' dieser Größe entledigen, und gibt pin es mehr Sozialisten in Deutschland als irgendwo anders. Wenn Bismarc so geschickt wäre, wie gewisse Leute glauben, so würde er liberal Da werden und dem Bolk mit schwächlichen Konzessionen schmeicheln. Kein Stlave ist so verworfen als ein freier Sklave."
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Was Justice" hier ironisch empfiehlt, ist das von unseren deutschen Liberalen und Demokraten" begeistert empfohlene System der englischen Staatsweisheit!
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Gott sei gepriesen, wieder eine Seele gerettet! Der Halle 'schen Zeitung" schreibt man aus Arn st a dt in Thüringen : ,, Eine gewiß selten vorkommende Taufe an einem bereits achtjährigen Knaben wurde am letzten Weihnachtsfeste in der Kirche des benachbarten Dörfchens Angelhausen vollzogen. Der kürzlich verstorbene, wohlhabende Vater des Knaben, ein der Sozialdemokratie ergebener Mann, hatte zu seinen Lebzeiten, trotz der fortwährenden Protestation seitens seiner Ehefrau, die Vornahme der Taufe seines Kindes verweigert. Außerdem war er auch öfters dem Unterrichte in der christlichen Religion durch die Schule, insoweit derselbe seinen Sohn betraf, entgegen. Der später von diesem selbst ausgesprochene Wunsch, getauft zu werden, wurde sonach erst nach dem Tode des Vaters erfüllt. Selbstredend war dieser Taufakt, wohl hier noch nicht vorgekommen, ein ebenso feierlicher als ergreifender."
Es muß allerdings ein ergreifender Akt gewesen sein, als das achtjährige Kind, auf seinen von ihm selbst ausgesproche= nen Wunsch" o ihr verlogenes Gesindel! in den Bund der ,, Gläubigen" aufgenommen wurde! Fast so erhebend als die Taufatte der römisch- katholischen Pfaffen an Kindern von ,, Ketzern", die ihnen in die Hände fallen, und worüber das ganze Protestantenvolt stets in die moralischste Entrüstung ausbricht.
Was der achtjährige Junge sich wohl gedacht haben mag, als ihn der Priester mit dem Wasser, so mit und bei dem Worte Gottes ist, und mit dem Worte Gottes, so mit und bei dem Wasser ist, beglückte!
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Politische Heuchelei. Die deutsche Presse, und wiederum voran die liberale, ist sittlich entrüstet über ein jüngst in franzö sischer Sprache erschienenes Buch über die Berliner Gesell= schaft eine Sammlung von Artikeln der Pariser Nouvelle Revue ( Neue Rundschau), die deutschen Buchhändler, voran Herr Brockhaus , erklären, getrieben von jenem hohen Patriotismus, der sie von jeher auszeichnete, ein so schändliches Buch nicht verbreiten zu wollen; mit einem Wort, es ist ein Geschnatter und Gegacker, als wäre das Kapitol in Gefahr, als stände die Ehre der ganzen Nation auf dem Spiel. Und um was handelt es sich? Um ein Buch, welches die ,, Gesellschaft" von Berlin , das heißt die vornehme Welt, einzelne Irrthümer abgerechnet- eher zu günstig als zu schlecht darstellt, ein Buch, in welchem zwar über die Hohenzollern neben vielem schmeichelhaften auch einiges leider nur zu wenig Wahres gesagt wird, und dieses wenige Wahre noch in einer Form, die nicht entfernt an die Sprache heranreicht, welche in deutschen Blättern über Alles, was Frankreich betrifft, von jeher üblich ist. Es ist wahr, der Hof und was um ihn herum schmarozert, kommt bei dem Verfasser nicht gut weg, aber daß der Mann kein Deutschenfresser ist, beweist er dadurch, daß er sich über die sogenannten bürgerlichen Kreise Berlins sehr günstig ausläßt.
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Daß die preußische Regierung das Buch beschlagnahmen und ver bieten ließ, ist selbstverständlich, aber feige, bodenlos feige ist es von der liberalen Presse, wie sie diese Beschlagnahme noch durch geheuchelte Entrüstung beschönigt geheuchelte, denn sie hat absolut keinen Grund dazu, wirklich entrüstet zu sein.
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Allerdings sitzt dieser Menschensorte die Knechtsseligkeit so in den Gliedern, daß es wunderbar wäre, wenn sie nicht mit der Reptilienpresse um die Wette Zeder und Mordio schrie. Als Probe, wie die Ritter vom Geiste" des Volkes der Denker ihrer hohen Aufgabe nachkommen, lassen wir eine Stelle aus dem Feuilleton der ,, Elberfelder Zeitung" über dieses Thema folgen. Es ist Herr Ludwig Pietsch , der Freund Turgenjews", der da schreibt:
,, Als man den ersten, den Mitgliedern des Königlichen Hauses gewidmeten Artikel las, kämpfte das Erstaunen über diese völlig ungewohnte rücksichtslose Manier, öffentlich über jene sonst stets mit einer Art von überirdischerlicht wolte umgebenen, der Diskussion in der heimischen Presse völlig entrückten Persönlichkeiten wie über jeden andern sterblichen Menschen(!) zu schreiben, und die gerechte Empörung des preußischen patriotischen Gemüths über die pietätlose, ja hämische Auffassung und Schilderung der betreffenden hohen Herren und Frauen mit der unwillkürlichen Bewunderung der sich hier nicht selten offenbarenden eminenten Schärfe der Beobachtung und der Kunst der prägnanten Darstellung."
Also wirklich ,, eminente Schärfe der Beobachtung"? Und man sollte einem solchen Beobachter nicht dankbar sein, daß er die hohen Herren und Frauen" der überirdischen Lichtwolke" entrückt und sie dem Bublium wie jeden andern sterblichen Menschen" geschildert? Nur Bediente können über sein Buch empört" sein.
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Ein Geniestreich. Die konservativen, und wohl auch die liberalen, Abgeordnetenimsächsischen Landtage tragen sich, wie die Blätter mittheilen, mit der großartigen Idee, unseren Abgeordneten, die ihnen von Tag zu Tag unbequemer werden, das Mandat durch Kammerbeschluß abzuerkennen, weil ihre Erklärung, daß sie nach wie vor auf dem Boden der Revolution stehen, mit dem abgelegten Treueid nicht vereinbar sei.
Von welcher Seite man diesen Beschluß auch betrachten mag, immer wird man ihn höchst genial finden.
Schicken wir voraus, daß unsere Abgeordneten, als sie den Eid ablegten, selbstverständlich wußten, welchen Werth sie ihm beizulegen hatten. Sie nahmen sich deshalb auch die erleuchtetsten Persönlichkeiten Deutschlands zu Lehrmeistern darüber, wie man politische Eide hält. Voran den Kaiser ,,, alt in Ehren". Als König von Preußen hat Wilhem 1. z. B. geschworen, die Verfassung dieses Landes zu halten so wahr mir Gott helfe". Und obwohl Artikel 4 dieser Verfassung lautet: Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich, Standesvorrechte finden nicht statt", ist er es dennoch, der verlangt, daß die Offiziere sich, was das Gesek ver= bietet, duelliren, d. h. daß vor dem Gesetz ein Standesunterschied stattfindet. Er hat auch das verlängerte Sozialistengeset unterschrieben, welches für Hunderttausende von preußischen Staatsangehörigen diesen von ihm beschworenen Verfassungsartikel außer Kraft sett.
Kommt sein erster Rathgeber, der Reichskanzler. Dieser hat als preußischer Minister geschworen, die Verfassung zu schützen und zu beobachten so wahr mir Gott helfe". Und obwohl die Verfassung vorschreibt, daß das Budget des Landes alljährlich durch Gesetz festgestellt werden muß", regierte er jahrelang ohne Budget und nahm das Geld da, wo er es fand. Leute, wie der berühmte Rechtsgelehrte Gneist sprachen damals vom ,, Kainszeichen des Eidbruchs"; indeß, das muß doch wohl ein Irrthum gewesen sein, denn Bismarck ist heute noch Minister und Gneist, der noch heute Recht lehrt, sein eifrigster Bewunderer. Und wenn so etwas vereinbar ist, da sollte es nicht vereinbar sein, einen Eid auf die Verfassung zu leisten und revolutionäre Gesinnungen zu bekennen? Man sollte Leute, die das behaupten, wegen Majestäts- und Bismarckbeleidigung anklagen!
Und unsere Genossen haben ihren Eid obendrein nur mit Bezug auf ihre Thätigkeit im Hause" abgegeben, während die Revolution, für welche sie eintreten, sicher nicht in diesem Hause, wie überhaupt in irgend einem Hause" sich abspielen wird. Darüber können die Herren Deputirten beruhigt sein.
Aber, und das ist das Schönste: Wie dann, wenn die Wähler von Chemnitz , Leipzig Land, Zwickau Land, trotz der famosen Erklärung, Bebel, Liebknecht, Puttrich und Vollmar wiederwählten? Welche Konsequenzen würden sich daraus ergeben?
Und sie werden sie wiederwählen. Mit noch größerer Majorität wiederwählen. Deß können die Herren Reaktionäre sicher sein. Mögen sie also ihr Geniestückchen zur Ausführung bringen, er wird einen glänzenden Triumph des revolutionären Sozialismus zur Folge haben.*)
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Aus Sachsen , 25. Januar, schreibt man uns: In unserem parlamentarischen Karpfenteich ist's auch in der letzten die Landtagswoche schließt nämlich mit dem Freitag, wo die Herren Volksvertreter zum Geschäft und zu Muttern" nach Haus fahren recht lustig und munter hergegangen. Der Justiz Etat, welcher am Montag zur Verhandlung kam, bot Gelegenheit, unserem Justiz- Oberpascha, Erzellenz von Abeken, Einiges unter die Nase zu reiben. Exzellenz von Abeken ist ein büreaukratischer Jurist der ganz alten Schule, vom Stoffe der Inquisitionsrichter, und würde mit Wollust jeden Andersdenkenden bei langsamem Feuer zu Tod schmoren lassen.
*) Den Herren Reaktionären scheint das auch inzwischen klar geworden zu sein, denn jetzt lassen sie plöglich die Nachricht als aus der Luft gegriffen" hinstellen.
Zum Glück hat Exzellenz von Abeken von der Natur ein so abstoßendes Aeußere, und durch Erziehung und Gewohnheit so abstoßende Manieren erhalten, daß seine Gemeingefährlichkeit dadurch erheblich vermindert wird. Das konnte man am Montag wieder einmal deutlich sehen: obgleich die bösen Sozialdemokraten ihm arg einheizten, so ließen ihn doch die sonst so dienstbaren Mameluken der Rechten im Stich, und weideten sich schadenfroh an seinem Verlegenheitsgestotter und seinen verzweifelten Grimassen, die durch das Uebermenschliche der Häßlichkeit, wenn auch nicht ein künstlerisches, doch ein wissenschaftliches Interesse erregen konnten. Darwin würde sicher in seinen Forschungen nach dem Urahn des Menschengeschlechts auf die richtige Fährte gekommen sein.
Es fielen aber auch gar häßliche Streiflichter auf die sächsische Justiz, die freilich nicht schlechter und nicht besser ist als die Justiz in anderen Kulturstaaten.
Besonders schlecht kam Landgerichtsdirektor Mangold weg, der berüchtigte Streber, dessen politisch- demagogische Agitationsthätigkeit ebenso unbarmherzig gegeißelt ward, wie seine richterliche Amtsthätigkeit, und dessen Verfahren gegen Bebel, den er am Pfingstsonntag 1882 auf die frivolsten Gründe hin in Dresden auf der Straße verhaften und die Feiertage über fißen ließ, mit vollkommenem Recht als ein Aft per= sönlicher Rache bezeichnet ward.
Exzellenz von Abeken erklärte zwar Alles für ,, unwahr", allein Erzellenz von Abeken hätte ebensogut erklären können, die Thatsache, daß Minister schon oft gelogen, sei eine unwahrheit. Es gibt eben Leute, von welchen die Begriffe wahr und unwahr verwechselt werden. Es ist das eine Art moralischer Farben blindheit. Und bei Exzellenz von Abeken, den wir schon als ein ganz besonders geeignetes Objekt für naturhistorische Studien kennen gelernt haben, scheint auch diese interessante Krankheit oder Abnormität in eminentem Grade ent wickelt zu sein.
Komisch war, daß Erzellenz von Abeken schließlich noch mit dem fortschrittlichen Landtagshammel Bö nisch hintereinandergerieth, weil dieser in seiner Eigenschaft als Referent einen zahmen Protest gegen die unverschämte Behauptung des justiz- Oberpascha's: in puncto der Wahrheit und Wahrhaftigkeit sei ein Unterschied zwischen den Worten von Ministern und von Abgeordneten, zu erheben die staunenswerthe Kühnheit gehabt hatte. Das brachte die Exzellenz so in die Wolle, daß sie nämlich die Exzellenz von Abeken nach der Kammerſigung beim Hinausgehen aus dem Saal den unglücklichen Bönisch in einer Weise anfuhr, daß der gute Knigge, wenn er nicht schon so lange todt wäre, sich im Grab hätte umdrehen müssen. Jedenfalls hat dieser offizielle Vertreter des gemüthlichen“ und„ höflichen" Sachsen sich würdig er wiesen, nebst seinem Gesinnungsgenossen Gelbke( auch von Gelbke) in den kroatischen Landtag gewählt zu werden. Natürlich ertheilte der Fortschrittler Bönisch dem impertinenten Minister nicht die ver= diente Abfertigung und Züchtigung.
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Am Dienstag war es kaum weniger lebhaft. Die schlechte Bezahlung der Waldarbeiter, die ihren färglichen Lohn nicht einmal wöchentlich erhalten, und die Redaktion der zwei Regierungsorgane: ,, Leipziger Zeitung" und Dresdner Journal", gaben den Vertretern der Sozialdemokratie Gelegenheit zu scharfen Angriffen und Auseinandersetzungen. Namentlich wurde bei der Debatte über die Leipziger Zeitung" deren gehässige Behandlung der französischen Verhält nisse, das Geheze gegen die französische Republik und die französischen Republikaner scharf gerügt, auf der anderen Seite aber auch den Liberalen, welche sich über die ihnen von den Regierungsorganen applizirten Mückenstiche bitter beklagten, nichts geschenkt, und das infame Gebahren der liberalen Presse gegen die Sozialdemokratie gebührend an den Pranger gestellt. Die Liberalen sowohl als die Konservativen parirten die Hiebe mit dem Hintern, und bloß Herr Ackermann, der große Wechselprotestler und Abtrittsredner, schwang sich zu dem außerordentlichen Heldenmuth auf, unter dem Schuße eines flug vorbereiteten Schlußantrages auf die bösen Revolutionäre ein paar stumpfe Holzpfeile abzuschießen, die lächelnd mit der Hand aufgefangen wurden und ihm beim ersten passenden Anlaß um die länglichen Ohren geschlagen werden sollen. Der Schlußantrag ist für diese traurige Gesellschaft die letzte traurige Waffe, die letzte Zuflucht des sich bankrott fühlenden Begriffsvermögens.
Am Mittwoch mußte er abermals herhalten, und wird nun wohl sterotyp werden, wie weiland im St. Valentins- Reichstag. Und doch handelte es sich um eine möglichst harmlose Materie: die von den Sozialdemokraten beantragte Abschaffung der vorsündfluthlichen sächsischen Gesindeordnung. Aus dem Jahre 1835 stammend, ist diese Gesindeordnung ein groteskes Gemisch patriarchalischen Zopfs und junkerlicher Brutalität, und enthält zahlreiche Bestimmungen, welche auf ein echtes und rechtes Leibeigenschaftsverhältniß hinzielen, oder er voraussehen und sanktioniren. Der Dienstbote" ist der rechtlose Sklave, der Herr sein impertinenter Meister, der Dienstbote kann vom Herrn Tag und Nacht zur Frohnarbeit genöthigt, kann nach Belieben malträtirt, ja geohrfeigt und geprügelt werden. Ein Theil der Bestimmungen ist so veraltet und unsinnig, daß er von den„ Herrschaften" gar nicht mehr benügt werden kann und thatsächlich in Vergeffenheit gerathen ist. Ein Grund mehr, sich dieses lächerlich- reaktionären Plunders je eher desto lieber zu entledigen. Die Herren von der ,, einen reaktionären Masse" dachten jedoch anders.
Nachdem der übliche Schlußantrag eingebracht war, richtete sich die weiße Weste des Herrn Ackermann mit einer ungewöhnlichen, Ungemüthmüthliches ankündigenden Feierlichkeit auf, und der Besizer der weißen Weste und Originalverfasser der unsterblichen An- und Abtrittsrede verlas langsam und hohlstimmig eine schriftliche Erklärung, dahin lautend, er und seine Partei erblickten in dem revolutionären Angriff auf die Gesindeordnung nur einen Versuch, die Unzufriedenheit in weitere Kreise zu tragen, und sie würden deshalb ihre Hand zu einer Verbesserung der Gesindeordnung nicht reichen.
Das ist köstlich: Die Sozialdemokraten haben im Grunde Recht, aber aus Bosheit gegen die Sozialdemokraten, welche nur unzufriedenheit säen wollen, erhalten wir die Gesindeordnung aufrecht, welche nichts taugt und Unzufriedenheit erregt.
Um einer so genialen Logik und eines so staatsmännischen Staatsstreichs kapabel zu sein, muß man statt des Herzens ein Säckchen mit protestirten Wechseln in der Brust, und Schleim statt Hirn im Schädel haben. Als Herr Ackermann unter ironischem Bravo der Sozialdemokraten seine Verlesung geendigt hatte, erhob sich natürlich verabredetermaßen das fortschrittliche Weichthier Streit, und gab in dem bekannten Molluskenton tieffittlicher Ueberzeugung die nicht niedergeschriebene und auch nicht gereimte Erklärung ab, daß die vereinigten liberalen Parteien, in deren Namen er sprach, die Reformen der Gesindeordnung unter den gegenwärtigen Umständen nicht für opportun hielten und folglich mit dem weißwestigen Ackermann gemeinschaftliche Sache machen mußten. Und das thaten sie denn auch die Schlußantrags- Guillotine that den Dienst.
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Man sieht, die Herren Parlamentarier begraben den Parlamentarismus, was sehr verdienstvoll ist von unserem Standpunkt aus. Wir danken ihnen. Also, fie fühlen sich weder fähig, mit uns zu debattiren, noch zu reformiren: Das Geständniß ist Goldes werth. Die Gerechtigkeit erheischt noch, zu konstatiren, daß die Abgeordneten Kirbach und Walter ersterer unter ausdrücklichem Protest sich an dem skandalösen Verfahren der vereinigten liberalen Parteien" nicht betheiligten.
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Nachtrag. Die Abstrafung der einen reaktionären Masse" erfolgte heute Freitag noch ganz unerwartet, gerade vor Thor schluß kostete aber Liebknecht einen kleinen Wolkenbruch von Ordnungsrufen!
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Wozu die Pfaffen gut sind. Es geht uns folgende Zuschrift mit der Bitte um Veröffentlichung zu:„ Als am 30. September vor. Jahres der Sohn des Tagelöhners Schünemann zu Bodenwerder an der Weser mit einer Ruh, welche er für den Halb- Bauer Müller zu hüten hatte, von der Weide kam, schlug der zehnjährige Sohn des Senators Pigge mit einer Peitsche so heftig auf dieselbe los, daß der ebenfalls zehnjährige Schünemann das Thier kaum noch zu halten vermochte, bis endlich Schünemann, gereizt, dem Burschen einen Hieb mit dem Stocke versette. Die Mutter des Pigge hatte vom Fenster aus den Vorgang mit angesehen, und rief sofort ihrem Mann, auf daß er die Schmach, so ihrem Sprößling widerfahren, räche. Der Herr Senator, nebenbei ein großer Verehrer der Prügelstrafe, hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als dem Uebelthäter nachzusehen; er traf den armen Schüne mann gerade noch auf der Scheunendiele des Müller, hob ihn auf und stieß ihn mehrmals heftig auf den Boden. Alles Bitten war vergeblich,