Mr. 240.
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für 1891 unter Nr. 6469.
Vorwärts
8. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Mittwoch, den 14. Oktober 1891.
Expedition: Beuth- Straße 3.
Der zweite Parteitag baben wir nicht die B i 3 marc'sche und die russische die deutsche Sozialdemokratie ihre Siege, ihr Wachsthum und aus der Kritik auf Auflösung. Wieviel hundertmal aufgestellt und bestätigt worden sind, und deren Befolgung
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der deutschen Sozialdemokratie feit Er- Presse unter Berufung auf die Presse jener Länder und ihre Macht verdankt. löschen des Sozialistengesetes tritt heute in Es wird allerdings zu einigen persönlichen Ausdie Zustände Amerika's , Frankreichs , Englands, der Erfurt zusammen; und entsprechend der Größe der Schweiz als„ forrupt" und" unhaltbar" bezeichnen hören, einandersetzungen kommen, diese werden jedoch- deß Partei ist das Arbeitspensum groß, welches ihn erwartet. während die Zustände des eigenen Landes mit der ge- sind wir sicher- sich nicht vor dem Boden demokratischer Indeß so viele Fragen auch zu erledigen sein werden, knebelten Presse als musterhafte geschildert wurden. Weltanschauung entfernen und die demokratische Grundnicht eine einzige ist darunter, die zu prinzipiell em Gerade ebenso macht es die Presse der übrigen lage unserer Partei unberührt lassen. Meinungsstreit Anlaß geben oder gar den Keim der Parteien uns gegenüber. Weil bei uns rückhaltlos freie Der wichtigste Gegenstand der Tagesordnung ist die Bwietracht in die festgeschlossenen Reihen der Partei Kritik herrscht, nichts vertuscht, nichts unterdrückt wird Programmfrage. werfen könnte. Die Gegner der Sozialdemokratie freilich heißt es, wir seien korrupt", wir seien im„ Zerfall" be- Als der Halle'sche Parteitag die Revision des Prowiegen sich wieder, wie weiland vor dem Halle'schen griffen. Daß diese rückhaltlos freie Kritik gerade den gramms beschloß, höhnte die gegnerische Presse, daß wir Kongreß in der Hoffnung, die deutsche Sozialdemokratie ebenso dem unserer Partei bildet, daß sie die beste nicht sofort, stehenden Fußes, ein neues Programm imwerde ihnen den Gefallen thun, sich zu spalten und durch Bürgschaft ist gegen Korruption" und" Berfall", provisirt hätten. Wir wüßten nicht, was wir wollten Selbstmord zu enden. Sie werden auch diesmal zum und daß„ Korruption" und" Berfall" überall da sein indem wir das„ eherne Lohngefet" fallen geSchaden den Spott haben. muß, wo diese rückhaltlos freie Kritik nicht besteht lassen, hätten wir vermuthlich aus Furcht Wie die kapitalistische Gesellschaft als Ganzes die das wird von unseren Gegnern übersehen. Eine demo- vor den geistigen Waffen" unserer Feinde Sozialdemokratie nach sich selber zu beurtheilen pflegt fra tische Partei, gleich einem demokratischen Staats- einen feigen Rückzug angetreten u. s. w. Wir lächelten und derselben ihre eigenen Lafter und Gebrechen wesen, tanzt nicht nach der Pfeife eines Individuums ob des albernen Geredes; die mit der Ausarbeitung des unterschiebt, so begehen auch die kapitalistischen Par- oder einer kleinen Zahl von Individuen es geht nicht neuen Programm- Entwurfs beauftragten Genossen lösten teien bei Beurtheilung unserer Partei durchweg den alles mit der militärisch- bureaukratischen Präziston difta- ihre Aufgabe nach bestem Wissen und Können- feit Fehler, sie mit ihrem eigenen Maßstab zu messen. Sie torisch oder aristokratisch organisirter Parteien und Staaten, Monaten ist der neue Entwurf der Oeffentlichkeit und der alle sind mehr oder weniger autoritär- sie alle allein dafür ist eine hundertmal größere Lebenskraft freien Kritik überliefert und die Parteigenossen wie werden von einer oder von mehreren Persönlichkeiten ge- und Thatkraft vorhanden. die Gegner haben reichlich Zeit gehabt, zu prüfen.
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leitet, diktatorisch oder aristokratisch regiert, under Die Diskussionen und Differenzen, welche in unseren Giocherfreuliche Thatsache ist es eine Thatunter möglichstem Ausschlusse der Oeffentlichkeit. Wir Gegnern die Hoffnung auf den Zerfall der Sozialdemo- sache, die den glänzendsten Beweis für die Sozialdemokraten haben überhaupt keine Partei regie- fratie erweckt haben, hätten mit Leichtigkeit vertuscht und Einheitlichkeit und die Homogenität rung, sondern nur eine Partei verwaltung. Die Ge- unterdrückt werden können, wenn wir nicht eine demo-( Gleichartigkeit) der Partei bietet- daß die vernossen, welche die Parteigeschäfte zu führen haben, haben kratische Partei wären. Sie waren in Wirklichkeit weit schiedenen Verbesserungsanträge und sogenannten„ Gegenweder das Recht noch die Macht, der Partei irgend Vor- geringfügigerer Natur, als die Krakehlereien, welche in entwürfe" sich prinzipiell und der wissenschaftlichen schriften zu machen, sie haben in Bezug auf die Taktik sämmtlichen anderen Parteien ganz abgesehen von dem Entwickelung nach vollständig auf demselben der Partei nicht mehr zu sagen als jeder andere Genosse Auflösungsprozeß, in dem diese sich befinden Dutzend Boden bewegen, wie der Entwurf des
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sie können Rath geben, mit ihrem Rath die Ini- weise vorkommen. Nun- auf diese Diskussionen und Vorstandes. Wir haben deshalb auch keine Verantiative ergreifen - mehr können und sollen sie nicht. Differenzen haben wir hier nicht einzugehen, das aber lassung gehabt was Anfangs unsere Absicht war Ein von oben herab Anordnen kennt unsere Partei nicht wissen wir, daß sie der Partei nur zur Stärkung und in eine Besprechung der einzelnen Vorschläge und Entund würde es nicht dulden. Ueber jede Frage, die auf zur Klärung gedient haben, und daß der Erfurter Partei- würfe einzutreten. So weit dies nöthig war, ist es in taucht, hat jeder Genosse das gleiche Recht und die gleiche tag nicht weniger imposant als voriges Jahr der der„ Neuen Zeit" geschehen. Es kann uns nicht in den Pflicht, sich auszusprechen; und zum Heil der Partei wird Parteitag von Halle die Einheitlichkeit und Festig- Sinn kommen, den Entschließungen des Parteitags vorvon diesem Recht der ausgiebigste Gebrauch gemacht, wird keit unserer Partei aller Welt offenbar machen greifen zu wollen. In jedem Fall wird die Programmdiese Pflicht im weitesten Maße erfüllt. Wir stehen in wird. frage leidenschaftslos erledigt werden. Eine Verweisung
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dieser Beziehung den übrigen Parteien gegenüber, wie Die Frage der Taktik wird den Parteitag sicher- der verschiedenen Entwürfe und Anträge vor eine Länder mit absoluter Preß- und Versammlungs- Freiheit lich in keine Aufregung versetzen. Eine solche Frage kommission wird nicht zu vermeiden sein, despotischen Ländern mit der Ruhe und„ Ordnung" des liegt im Ernst gar nicht vor. Mit Ausnahme einer ver- und bei der Abwesenheit prinzipieller Differenzen Kirchhofs. In freien und wilden" Ländern werden rück- schwindenden, nicht ins Gewicht fallenden Minderheit ist wird es der Kommission nicht schwer werden, haltlos, oft übertrieben, alle Fehler gerügt, alle Schäden die Gesammtpartei einig in Sachen der Taktik sich über eine allseitig befriedigende Fassung zu hervorgehoben, alle Meinungen zum Ausdruck gebracht.- und der Erfurter Parteitag wird zweifellos nicht an einigen. Ein ideales, d. h. absolut vollUnd wer an die Ruhe und Ordnung" des Despotismus den Grundfähen rütteln, die von sämmtlichen Kon- kommenes Programm gehört natürlich ins Bereich gewöhnt ist, erblickt in dieser Rückhaltlosigkeit das Streben, gressen und Parteitagen, die in Deutschland der Träume. Die beste Formulirung wird stets einer zu zerstören, schließt aus dem Tadel auf„ Korruption" seit dem deutsch - französischen Krieg stattgefunden haben, Verbesserung fähig sein. Vor Allem kommt es auf den
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Feuilleton.
Machdruck verboten.]
Er kehrt zurück!
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Originalroman von Jean Meroz. Plöglich, während er sich diesen finsteren Betrachtungen hingab, fühlte er sich lebhaft gestoßen. Er drehte sich um
und konnte nicht umhin, laut aufzuschreien.
von Bewaffneten begleitet seinen Weg fortsehen wollte; eines Unbekannten gelten gegenüber einem Manne, den die aber Marche- Seul stürzte sich in wilder Wuth auf ihn. Regierung der Republif mit ihrem Vertrauen beehrt hatte. Er zitterte an allen Gliedern und die Aufregung, welche Und da er keine Gewissensbisse kannte, sondern kaltihn erfaßte, als er den Zynismus sah, mit welchem Collard blütig zu handeln gewohnt war, so fühlte er sich Herr der ihm geantwortet hatte, war so groß, daß er einige Augen- Situation. Statt dem auszuweichen, welcher ihn als einen blicke mit der geballten Faust drohend dastand ohne ein alten Bolizei- Agenten bezeichnet hatte, ging er nun gerade Wort hervorbringen zu können. auf ihn zu.
Nun, mein Freund, was wollen Sie von mir, was fällt Ihnen eigentlich ein?
Sein Ausruf und seine Haltung hatten die Aufmerksamkeit einer Menge von Insurgenten und Bürgern erregt, welche angesichts des Triumphes der Revolution herbei und baten, er möchte von den Worten dieses armen Teufels, Einige von Collards bewaffneter Begleitung folgten ihm eilten, un zu Gunsten der neuen Regierung zu Er hatte Collard wieder erkannt, der ihn nicht bemerkt manifestiren, wie sie einſt die Monarchie begrüßt welcher jedenfalls ein Narr sei, feine Notiz nehmen. und durch die Menge drang, ein Blatt Papier schwenkend, hatten, welche vor einigen Stunden sich selbst unter den Aber Marche- Seul hatte sich hoch aufgerichtet, auch er während er schrie:- Play! Platz! Im Namen der pro- Pflastersteinen der Barrikaden begraben hatte. hatte seine Kaltblütigkeit wiedererlangt und war entschlossen, visorischen Regierung. Marche- Seul stand wie angenagelt auf dem Plate. Das gebrechliche jämmerliche und traurige Aussehen diesem Elenden die Spitze zu bieten und ihn öffentlich zu entlarven. Collard, der Polizeispion Louis Philipp's, der unschaft geblendeten Menge zu imponiren. Collard kannte sie Hände die Republik gefallen war. Vielleicht konnte er so dem Volke klar machen, in welche versöhnliche Republikaner, beauftragt mit einer Mission übrigens wohl. Besser als irgend Jemand von der Polizei- Hände die Republik gefallen war. präfektur tannte er alle Mitglieder der geheimen Gesell- Regierung ihr Vertrauen geschenkt hat, ist ein Polizei-Bürger, sagte er, dieser Mann, dem die provisorische schaften und hatte wohl gesehen, daß Marche Seul weder auf Bekannte noch auf Kameraden unter allen denen zu rechnen hatte, welche ihn umgaben.
durch die Regierung der Republik .
Er traute seinen Augen und Ohren nicht.
Die Entrüstung, welche ihn erfaßte, war so groß, daß er Alles um sich her vergaß, selbst das Geheimniß, welches der Polizei- Agent fannte, und welches er Charlotten zu verrathen gedacht hatte.
-Aber dieser Mensch ist ein Polizeispion, rief er aus, er ist ein alter Agent des Präfekten Delessert. Als Collard diesen Ausruf hörte, hatte er sich umgegewandt und erblaßte bei dem Anblick des unversöhnlichen Revolutionärs.
Aber er fand bald seine Kaltblütigkeit wieder. Mit stolzer Herablassung und verächtlichen Tones sagte er dreift:
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Dieser Mann ist ein Narr, worauf er achtungsvoll
Marche- Seul's war nicht dazu angethan, dieser von Leiden
Er blieb daher, nachdem er einige Schritte gemacht hatte, stehen. Nur der furchtbare Zorn hatte den Schuhflicker der Rue Galande die Drohung vergessen lassen können, die Collard ihm entgegengeschleudert hatte, indem er erklärte, er wolle seine ganze Vergangenheit derjenigen entdecken, welche sich für seine Tochter hielt.
Collard fühlte seinerseits, daß unter diesen Verhältnissen Marche- Seul zu einem Erzeß wohl fähig war, indeß diesmal fürchtete er sich nicht. Was konnte hier das Wort
spion ! Diese Worte hatte Marche- Seul mit solcher Würde und Hoheit gesprochen, daß diejenigen, welche ihn eben noch drohend umringt hatten, schwiegen.
Der Revolutionär beschloß, aus dieser unerwarteten Besserung seiner Lage Nugen zu ziehen, und blickte den Polizeiagenten fest an, dessen Augen sich senkten, obwohl er immer noch eine ruhige und verächtliche Miene zeigte. Und nun sprach Marche- Seul mit seiner harten vibrirenden Stimme, welche gewöhnlich einen großen Eindruck machte. Ja, Du bist ein Polizeispion! Vor drei Tagen's überwachtest Du die Republikaner ebenso wie mich; Du denun