Auf ein paar Tage verschwand dann der Wettermann wieder—Mechte Nachrichten aus St. Nemo— das Chirurgenmesser hatte nichtletödtet; der Aranke schien sogar sich zu erholen.Bald aber kamen wieder gute Nachrichten. Die Heilung macht« keineFortschritte— bedenkliche Symptome treten zu Tag und häuften sich.Und wieder trat er hervor an's Licht der Sonne, die auch MeweidS-, Pfaffen bescheint. Und auch diesmal zu großem Wort.CS galt einen entscheidenden Schlag zu führen: Das verhaßte Juden-thum und die verhaßtere moderne Kultur in Einer Person zu treffen»nd mit einem Schlag niederzuschmettern und„in den Koth" zu»erfen, wohin Beide« gehört.ES war ein denkwürdiges Schauspiel— eine denkwürdige„That".Tin moralisches Autodafö über einen der größten Sünder unseres Jahr-Hunderts: über Heinrich Heine, den Juden, den Gottes- undPfaffenseind, den materialistischen Freigeist.Da galt es, gewaltig zuzuschlagen— zu vernichten— verbrennenHeß sich der Teufelskerl leider nicht, weil er so klug gewesen, schon vorder Ankunft deS zweiten Luther zu sterben.--Di« Einzelheiten des Autodafe sind bekannt, der„kommende Mann"verfluchte und beschimpfte, wie nur„der kommende Mann" es versteht.Und er war vorsichtig gewesen in der Wahl seines Publikums. Vor?den 2000 Zuschauern, die dem Ketzergericht beiwohnten, und die Flüche«nd Beschimpfungen deS brüllenden Meineidspfaffen mit johlendem Bei-jall begrüßten, gehörten etwa 500 zu der stereotypen Sorte der Baffer-mann'schen Stöckergestalten, und die übrigen 1500 waren— deutsch«Studenten. Glatt gescheitelt, pomadenduftend, dirnenhaft aufgeputzt,jeder zum mindesten ein halbes Dutzend GlaS Bier im Leib und einhalbes Dutzend in Gedanken— so saßen sie da, so standen sie da,„Deutschlands Zukunft", glänzendes Produkt der Erziehung, wie sie imReich der Gottesfurcht und frommen Sitte betrieben wird— und siejohlten, johlten. Brausendes Gejohle bei jedem Schimpfwort auf dieverdammte Raffe der Juden; brausendes Gejohle bei jedem Schimpfwort«uf die unchristliche, unpatriotische Kultur. Und endlich ein wahrer Tor-«ado des Beifallzejohls und-Gebrülls, als der große„kommende Mann"«m Schluß seiner Predigt den goMosen Heine für ein-„Kothgeburt" er-klärte, der nur ein Denkmal von Koth gebühre.Betrachtungen sollen hier nicht gemacht werden. Es soll ein Stimmung?-bild sein, nichts weiter.— Das ist kein verspäteter Fastnachtsscherz. SoFeht's wirklich in Deutschland auS,— und der„Wettermann" ist inder That der„kommend« Mann".— Herr Ttöcker ist in Berlin sehr thätig. Er will mit Gewaltden sechsten Wahlkreis für sich erobern, und setzt zu diesem Behuf Himmel»nd Hölle in Bewegung— wobei ihn sein Freund PuttkamerNatürlich nach Kräften unterstützt. Daß die„Berliner Polizei" in denDiensten des Herrn Stöcker steht, ist eine alte Geschichte— jetzt zeigtsie das ganz ungenirt, indem die Polizeidirektion zur Verbreitung derStöcker'schen Unfliithereien— Flugblätter dü fen bekanntlich nicht mehr»hne polizeiliche Erlaubniß in dem belagerten Berlin verbreitet werden— die Genehmigung ertheilt und die Vertheilung nach Kräften befördert,so daß man ohne Uebertreibung sagen kann: Die P 0 l i z e i h a t d i eLeitung der Wahlagitation für die Stöcker'schenübernommen. Allein dies ist nicht der einzige Vorschub, den HerrPuttkamer seinem künftigen Kollegen Slöcker leistet: er zi'ht auch dieAnberaumung des Neuwahltermins möglichst in die Länge, damitdie Unfläthereien deS Stöcksr recht von»moro unter die Waffen gebracht«erden können.Erwähnt muß noch werden, daß Herr Stöcker in feinen FlugblätternLassalle regelmäßig als königlich preußischen Hofsozialisten aufmar-schiren läßt, deffen Programm und Taktik von den Berliner Arbeiternleider schnöde verlassen worden seien. Die Arbeiter sollten nur„um-kehren", das„ s 0 z i a l e K ö n i g t h u m", welche» Laffalle's Ideal ge-«esen, sei jetzt da; die Arbeiter sollten sich nur von den falschen inter-»ationalen Götzen abwenden, dann würde die Regierung ihnen Alle?gewähren.Wir theilen das bloS mit, um festzustellen, mit welcher Unverfroren«heit das nicht neue Manöver: Lasfalle zum nationalen Staatssozialistenzu stempeln und als Lockvogel für die Arbeiter zu benutzen, jetzt be>trieben wird. Schon um Herrn Slöcker dafür zu züchtigen, daß er mitfeinen unreinen Fingern Laffalle berührt, werden die Berliner Arbeiterdem Meineidspfaffen am Tage der Wahl zeigen, wo Barthel denRost holt.— Zur Naturgeschichte der Bismarck'fche« Sozialreform.Wenn es in Bezug auf die Frage der Sozialreform einen Satz gibt,in welchem die Männer aller Anschaungen und Standpunkte überein»siimmeu, so ist e« d e r: daß eine gute, zuverlässige Statistik undund«ine genaue Kenntniß der sozialen Verhältnissedie unentbehrliche Vorbedingung einer ernsthaften Sozial-»esorm bildet. Zur Herstellung einer solchen Statistik und zur Erlangungeiner solchen Kenntniß hat aber das Institut der Fabrikinspek-toren sich bisher als daS b.stgeeignete Mittel bewährt, und diegrößere oder geringere Genauigkeit der Kenntniß der sozialen Verhält-»iffe hält in den Kulturländern, welche Fabrikinspektoren haben, mit dergrößeren oder geringeren Entwicklung deS FabrikinspektoratS genaugleichen Schritt. England steht in dieser Beziehung obenan, Deutschlandam tiefsten; und von allen Seiten, wo man es mit MaßregelnMf dem Gebiete der Sozialreform nur irgendwie ehrlich meint, wirdmShalb in Deutschland eine Vermehrung der Fabrikinspek«koren und eine ausgedehntere Machtbefugniß für die-selben verlangt.Wohlan, am 28. Februar d. I. kam die Materie im preußischen Ab-geordnetenhaus« zur Sprache, und bei dieser Gelegenheit sprach Herr»on Bötticher, der Reichsminister speziell für„Sozialreform," daSgroße Wort gelassen auS:„Die Bericht« der Fabrikinspektoren können zuunserer Kenntniß der sozialen Zustände nichtsbeitragen."In richtiges Deutsch übersetzt, heißt daS:Die Sozialreform ist uns„schnuppe"; wir haben sie als Schaustück«uf den Tisch bringen müssen— ähnlich wie das allgemeine Wahlrecht—, wären sie aber ebensogern wie dieses wieder loS, wiffen nur nicht»echt, wie wir'S anfangen sollen. Und was dai Institut der Fabrikinspek-«ren betrifft, so kann eS uns auch gestohlen werden. Wozu brauchen wirKenntniß der sozialen Zustände? Unser«, d. h. der Junker undBourgeois„sozialen Zustände" kennen wir zur Genüg«, und fürun S haben wir auch tapfer und kühn die„sozial- Frage" gelöst undJos«» sie fortwährend. Was gehen uns die sozia.en Zustände der Ar-» e i t« r an? Von diesen Habenichtsen hören wir schon so zu viel.Scherz bei Seile. DaS Wort ist wirklich gefallen. Und e» b euchiet»i« sogenannt« Sozialpolitik der ReichSregterung besser, als hundert derschärfsten Leitartikel e« thun könnten.— Eine recht lehrreiche Ergänzung zu dem im Vorstehenden■** Gesagten bildet folgende erst in diesen Tagen in durchaus loyalen rheini-scheu und westphälischen Blättern erschienene Mittheilung:„Sicherem Vernehmen nach steht die Anstellung weiblicherBahnwärter auf bestimmten Strecken der Eisenbahn Köln-Trier»unmehr definitiv fest. Mit dem 1. April soll diese Einrichtungin Kraft treten. In Folge deffen werden die alten angestelltenBahnwärter anderweitig verwendet; einige werden fernab von derHeimat auf andere Bahnstrecken versetzt, ander« werden den Dienst alsStreckenwärter oder Wächter versehen müssen. Die jüngeren Bahnwärtersindm als Rottenarbeiter Beschästiaung. Jedoch ist nichtausgeschlossen, daß sich für den Bahntvärterdicust auchMänner zu dem für die weiblichen Wärter herabgesetztenBohne melde« könne». Derselbe beträgt pro Tag 1 Mark 20 Psg.,das macht somit für die Wärterin und ihr« Ablösung je60 P fg. Für diejenigen, welche an Hauptübergängen Dreiviertel«Tagesdienst leisten müssen, würden 80 Pfg. ausgezahlt."Die fortschrittliche Berliner„Volkszeitung", der wir die Notiz ent-Nehmen, bemerkt dazu:„Wir geben dies« Mitth-ilung hier wieder in der zuversicht»lichen Erwartung, daß sie durch-in« Erklärung von maßgebenderStelle von Ansang biS zu Ende als erfunden bezeichnet wird. SS er-scheint unS völlig ausgeschlossen, daß auf diese Weise Erspar»»iffe bei den Betriebsausgaben der Stoatsbahnaerwaltung erzielt werdenkönnten. Im Interesse der Eisenbahnverwallung ersuchen wir HerrnPindter freundschaftlichst, dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten so-fort daS erforderliche Stück weißen Papiers zur Verfügung zu stellen."Auf die„Ausfüllung" wird die„Volkszeitung" wohl ziemlich langewarten müssen. Auf diese Weise, d. h. durch Beschneidung der Löhneder schlechtestgeflellten Arbeiter, werden von jeher die Ersparnisse gemacht,und warum sollte es plötzlich anders werden? Man kann doch nicht anden Gehältern der Direktorei�rc. Abstreichungen vornehmen. Und daJedermann weiß, in wessen Schlund die Ersparnisse wandern, so kannnur ein durch und durch reichsfeindliches, vaterlandsloses Blatt es be-Mängeln, wenn im Staate der Sozialreform der Berufethätigkeit derFrau eine neue Quelle eröffnet wäre— im Bahnwärterdienst.— Da» Erkenntnis im Berliner Sozialistenprozeß lautetauf Berurtheilnng von sechs der angeklagten Genossen, nämlich dieMaurer Ferkel und W i l f ch k e, die Tischler Schmidt und See-l i g, den Etuimacher Jahn und den Nähmaschinenarbeiter A p e l t,zu je drei Monaten und zwei derselben, den Tischler Scholz undden Schlosser Neu mann zu je zwei Monaten Gefängniß.Sämmtlichen Angeklagten wurden je zwei Monat als durch die Unter-suchungshaft verbüßt in Anrechnung gebracht, so daß nur die sechs Erst-genannten noch je einen Monat Gefängniß zu verbüßen haben.Ein mageres Resultat für die Puttkamer'schen Staatsretter, wenn manbedenkt, mit welchem Riesenx�arat von Polizeimitteln der Prozeß inSzene gesetzt und welche grausamen Enthüllungen von Polizei-Reptilenin Aussicht gestellt wurden. Ein um so magereres Resultat, als derGerichtshof bei Fällung des Erkenntnisses sich überall auf den Stand-punkt der neuen Reichsgerichtserkenntnisse gestellt hat, an seiner„korrek-ten" Gesinnung also gar nicht zu zweifeln ist.Nur Eines vermochten die betreffenden Richter oder wenigstens dieMehrheit der betreffenden Richter— denn wir möchten beileibeNiemand Unrecht thun, am all.-rwenigsten dem von der berühmtensiebenten Deputation her bekannten Herrn von MakomaSkinicht über sich: gleich ihren Kollegen in Halle haben sie es abge-lehnt, den unsichtbaren Zeugen, mit den n die Püttkämerlinge auf-marschirten, Glauben zu sch-nken. Es heißt darüber im Erkenntniß:„Der Gerichtshof hat die Bekundungen dervernommenen Polizeibeamten, soweit sie überihnen von Vertrauensmännern gewordene Mit»theilungen berichteten, nicht für beweiskräftig er-achtet, da der Gerichtshof nicht in der Lage war,die Glaubwürdigkeit dieser Vertrauensmännerzu prüfen." Der Gerichtshof hat diesen Bekun-düngen nur insoweit Glauben geschenkt, als die-selben durch andere Zeugnisse und Thatsachenunterstützt wurden."ES war allerdings eine starke Zumuthung an die Richter, sich voneinem Kriminalkommissär Schöne oder irgend einem Polizeiwachtmeisterallerhand Geschichten erzählen lassen und sich auf die Frage: Ja, woherwiffen Sie denn das, mit der Antwort bescheiden zu müssen:„Das kann ich nicht sagen. Meine Dienstpflicht verbietet mir, meineVertrauensmänner zu nennen."Das hieß, den Richter unter die niedrigsten Handlanger der Polizeistellen, und dagegen sträubt sich selbst ein preußischer Richter heute noch.Ist's nicht sein juristisches Gewissen, so ist es sein Standesgefühl,'dassich dagegen auflehnt. Es müssen zum Theil sehr nette„Vertrauens-männer" sein, diese lichtscheuen Gesellen, die sich für einen Judaslohnin die Reihen der Arbeiter schleichen und alles berichten, was sie gehörtund nicht gehört, was sie erschnüffelt und er— rathen haben. Aus derWeigerung der Polizei, sie zu nennen, kann man auf ihre Beschaffenheit,auf ihre Zuverlässigkeit schließen.Nun, der Prozeß ist zu Ende, und was hat die Polizei erreicht? Garnichts. Sie hat eine Anzahl Arbeiter auf eine Zeit lang hinter Schloßund Riegel gebracht, das ist alles. Und wenn es so viel Jahre wärenals es Monate sind, so würde die Wirkung auf die Berliner sozia-listische Bewegung die gleiche sein. Kein Arbeiter, der durch denProzeß von der Unrichtigkeit, von der„Verwerflichkeit" der sozialdemo-kratischen Bestrebungen überzeugt worden wäre, kein Arbeiter, der sich vonder Zugehörigkeit zu derselben hätte abschrecken lassen. Gerade vom Stand-punkt der Polizei aus ist der Prozeß eine schmähliche Niederlagederselben. Sie behauptet, daß in Berlin eine große geheime Or-ganisation, eine weit ausgedehnte geheime Verbindung bestehe,die sie, bis in die kleinsten Verzweigungen hin, genau kenne. Sie, diestärkste, reichstdotirte politische Geheimpolizei der Welt hat zugeschlaaen,und wa» hat sie getroffen: Acht, fage acht Personen, und sonst nichts,nichts, absolut nicht».— Warnung! Die Leipziger Zunftmeister deS ehrsamenSteinmetzengewerbes haben, zur Bethätigung ihre«„ächt deutschen und christlichen Sinnes", ihre Arbeiter, weil diese nicht Hundefein, und nicht von der Laune oder Gnade der Herren Meister abhängenwollen, auS der Arbeit gejagt, und geben sich jetzt alle erdenk-liche Mühe, die„widerspenstigen Gesellen", deren ganzes Verbrechen eSist, daß sie an ihrer Organisation— dem inzwischen von der Polizeiarbeitersreundlich aufgelösten Fachverein— festhielten, dauernd„außerBrod" zu setzen. Und da sich in Deutschland keine Arbeiter finden,niedrig und kurzsichtig genug, die Stellen der so schnöde Gemaßregelteneinzunehmen, so haben die frommen Herren Jnnungsmeister jetzt einenAgenten ausgeschickt, der aus dem Auslande, namentlich aus Italien,Ersatz für die„Rebellen" herbeischaffen soll. Es- ist nothwendig, daßdie Arbeiter aller Länder vor diesem Agenten und seinen Absendern ge-warnt werden. Wir bitten deßhalb sämmtliche Arbeiter- und der Ar-beftersache nicht feindlichen Blätter, diese Warnung abzudrucken, undder von den Leipziger Zunftmeistern verbreiteten Lüge, die Arbeiterhätten die Arbeit freiwillig niedergelegt, und seien an dem ganzen Streitschuld, entgegenzutreten. Den Arbeitern war zugemuthet worden, ihrenFachverein aufzugeben, und dessen weigerten sie sich. Daraufhinerfolgte die Aussperrung der Arbeiter. Als kurz darauf der Fach-verein von der mit den Zunftmeistern unter einer Decke steckendenPolizei aufgelöst wurde, zogen die Herren Zunftmeister allerdingsdie nun hinfällig gewordene Bedingung zurück, daß die Arbeiter ausdem Fachverein austreten müßten, stellten aber statt dessen die nochfrechere Bedingung, daß die Arbeiter a u ch künftig keinem Fachvereinangehören dürften. Wären die Steinmetzen auf diese Bedingung einge»gangen, so verdienten sie die Knute, welche die braven HerrenZunftmeister in christlicher Liebe für sie in petto haben.Darum noch einmal: Warnung vor Zuzug nach Leipzig!— Auch eine Frucht de» Sozialistengesetze». Die Reichs-regierung betreibt, wie die Leser ja wissen, seit mehreren Jahren mitder ihr in solchen Dingen eigenen Harlnäckigkeit die Einführung einesGesetzentwurfs, welcher die O e ff« n t li ch k e i t der Gerichtmrhand-lungen ausschließen, oder wenigstens auf's Aeußerste beschränken soll.Wir wollen hier nicht auf die Bedeutung der O ss-ntlichkeit im Gerichts-verfahren hinweisen— wir wollen nicht des Längeren auseinandersetzen,— waS zum Gemeinplatz geworden ist,— daß in der Oeffentlichkeit desGerichtsverfahrens die Haupibürgschaft gegen Mißbräuche in der Recht«-pflege liegt. Genug, der Regierungsentwurf wurde von den früherenReichstagen richtig aufgefaßt und dementsprechend zurückgewiesen. Auchdieser kartellbrüderliche Reichstag hatte in seiner ersten Session nochso viel Schamgefühl, daß er zu dem Ding nicht Ja zu sagen wagte.Jndeß Kartellbrüder sind Kartellbrüder. Und für die verbrecherischeKühnheit, der Regierung in Sachen der neuen SozialistengesetzvorlageWiderstand geleistet zu haben, müssen sie durch verdoppelte Servilitätnach anderer Richtung hin Buße thun. Sie haben sich jetzt entschlossen,dem Regierungsentwurf zuzustimmen. Und sie haben sich— be-merkenswerthes Moment— dazu entschlossen, nachdem einer derRegierungSkommissäre in d-r Kommission daS Geständnißgemacht hatte, die Regierung brauche da« Gesetz zum Schutze ihrerPolizeibeamte« in den Sozialisten- und sonstigen politischen Pro«Jessen.Da haben wir's. Schutz für die I h r i n g- M a h l 0 w' s und Na«p 0 r r a' S— Schutz für die Männer mit dem„allgemeinen Ehren-zeichen" und für Solche, die es haben wollen!Also nicht genug, daß unter der Herrschaft deS Sozialistengesetz»? daSRecht auf's schmachvollste gebeugt, die Justiz der Polizei dienstbar ge-macht worden ist, wird jetzt auch noch, zur besseren Ehr« des Sozialisten-gcsetzeS und um eine schneidige Handhabung desselben zu ermöglichen,da» Bollwerk der modernen RechtSpfiege: Die Oeffentlichkeitbeseitigt._ UnS überrascht das indeß in keiner Weise. Im Gegentheil, wir kow-statiren, daß alle unsere Vorhersagungen in Bezug auf das Sozialiste«'gesetz und dessen Wirkungen jich im vollsten Maße erfüllt haben.— Die ReichStagssession wird schon im Laufe dieser Woche(derlO. März ist in Aussicht genommen) geschlossen werden. So rasch hatnoch kein Reichstag„gearbeftet"; so viel Geld und Blutsteuer hat nochkeiner bewilligt,— so viel Volksrechte noch keiner preisgegeben,— undso wenig hat noch keiner nein gesagt. Für da» Volk und inibesonderedre Arbeiter ist nichts, aber auch g a r n i ch t S in der zu Endegehenden Session geschehen. Die Altersversorgung ist wieder vertagt—und nicht einmal die Bettelsuppe, welche von der Sonntagsarbeit-Kom-misston gekocht worden ist, wird den Arbeitern verabreicht werden, dennder Bundestag wird sie, aus lauter Respekt vor der„kaiserlichen Bot«schaft", fürsorglich wegschütten, damit eS den deutschen Arbeitern nichtzu wohl werde.Trotzdem fahren die Reptilien fort, die riesigen Verdienste, welche diedeutsche Regierung sich um die„Sozialreform" erworben hat, in alleWelt hinauszuposaunen, und allen Völkern der Erde zu verkünden, daßes nur ein Land gebe, in welchem etwas Ordentliches für die Arbeitergeschehen, und ein fester Grund zur Lösung der sozialen Frage gelegtworden sei— und daß dieses Land Deutschland heiße und seinReichskanzler Bismarck.Reklame ist die Hauptsache— sagt Barnum.— Rom hilf! Die Katholiken oder wohl richtiger die Ultra-montanen in der Schweiz betreiben zur Zeit lebhaft die Gründungvon katholischen Arbeitervereinen, ziemlich eingestandenermaßen imGegensatz zum Grütliv erein, der sich zwar grundsätzlich»um da«religiöse GlaubenSbekenntniß seiner Angehörigen nicht kümmert, sich auchvon aller sogenannten Kulturkämpferei fernhält, aber gerade wegen dieserToleranz gewissen Konservativen um so fataler ist. Es handelt sichdarum, die Arbeiter auch politisch im Bann der konfessionellen Parteienzu hallen. Den Ultramontanen kann man aus diesem Bestreben kaumeinen Vorwurf machen, man kann es bekämpfen, und wir wärengew-ß die letzten, die das nicht thäten, aber man kann den Herren nichtbestreiten, daß sie von ihrem Standpunkt auS nur konsequent handeln.Wenn nur die Gegner des Ultramontanismus ebenso konsequent han-delten. Aber da hat der G e l d s a ck ein gewichtiges Wort mitzureden.Was keines noch so beredtsamen Dialektikers Worte vermöchten, daSbringt er zuwege: er macht aus dem eifrigsten Liberalen einen begeistertenBundesgenossen— Roms.Man höre, was der liberalen Münchener„Allgemeinen Zeitung"aus der Schweiz über die neu« Gründung geschrieben wird:„Die schweizerischen Arbeiter haben ihre hauptsächlichste Organisationin dem etwa 5000 Mitglieder zählenden Grütliverein. Dieser Vereintrug noch vor wenigen Jahren einen ausgesprochen national- schweizer»-schen Charakter; unter dem Einfluß der von auswärt« zugeströmtensozialdemokratischen Elemente hat der Verein aber diesen Charakter mehrund mehr abgestreift, und seine international« Färbung ist schon beiverschiedenen Anlässen nicht undeutlich zu Tage getreten. Es ist dabeian die Protestversammlungen zu erinnern, welche seinerzeit gegen diebundesräthlichen Anarchisten-Ausweisungen inszenirt wurden und die sichhauptsächlich aus den Grütli-Bereinen rekrutirten. Um nun ein Gegen-gewicht zu schaffen, hat man in katholischen Arbeiterkreisen die Initiativezur Gründung eines neuen schweizerischen Arbeitervereins ergriffe«,welcher sich die Aufgab« stellen will, die sozialen Fragen auf nationalemBoden zu lösen. Wenn uns auch der konfessionelle Beigeschmack, dendie neue Schöpfung an sich trägt, nicht behagen kann, so müssen wirdoch die Gründung eines solchen Vereins begrüßen, in einer Zeit, dadie schweizerischen Arbeiter sich mehr und mehr in's Schlepptau derdeutschen Sozialdemokratie nehmen lassen."Der Grütliverein ist heute noch eine so ausgesprochen nationaleKörperschaft, als er es je gewesen, noch heute können Ausländer nurPaisivmitglieder werden, und findet man unter seinen gegen 12,000(nicht 5000) Mitgliedern keine 500 Nichtschweizer. Sein Programm istein streng reformerisches, sein Auftreten ein durchaus gemäßigte?. Aberder Grütliverein bekämpft mit Energie und Umsicht alle Klassen-Privilegien, er hat sich als ein schneidiger Anwalt der Rechteder Arbeiter erwiesen, er hat in den Konflikten zwischen Kapital undArbeit treu auf Seite der Letzteren gestanden, und darum hilf Rom!Wir haben dich zwar lang gehaßt, aber wenn du die Arbefter hübsch imZaum halten hilfst, so wollen wir dich ehren und preisen.Jndeß, Rom kann zwar sehr viel, aber der ökonomischen Ent«Wicklung gegenüber versagen seine Künste. Und da diese es ist, dieaus den weiland guten Kindern de« GrütlivereinS böse Sozialdemokratennach deutschem Muster gemacht, so wird wohl auch dieser AuSweg nichtshelfen.Jedenfalls aber ist e« kein übler Witz: Der UltramontaniSmuS, einstder Inbegriff der„Baterlandslosizkelt", muß jetzt das nationaleBanner retten helfen. Alles zur größeren Ehre— de« GeldsackS.— Ein Kandidat für'» allgemeine Ehrenzeichen. AuSMünchen wird uns geschrieben:Wir können der hochmoralischen Exzellenz in B e r l i n zu einem wür-digen Mitarbeiter aus dem Gebiete der Staats« und Gt»sellschastsrettung gratuliren. Es ist ein Mann mit dem schönenNamen Fürst, von B-ruf Schuhmacher, aber da er zum Arbeiten zufein ist, jetzt Pflastertreter und„Beschützer" gewisser Damen.Diesen Fürst hatten wir schon bei der letzten Gemeinderathswahl, dauns ausfiel, daß er nichts arbeitete und er uns nicht sagen konnte, vonwo er die nötbigen Mitlel zu seinem nicht gerade kargen Leben bezieht,aus unserer Mitte entfernt. Seit einem halben Jahre spielt er denwirklichen„Gentleman", elegant gekleidet, mit einem Hund so groß wieein Kalb, durchstreicht er die Stadt. Wir haben die Beweise, daß erneben seinem sauberen Gewerbe als„Louis" wiederholt braven, gut-müthigen Kellnerinnen den Hof gemacht und ihnen Geld abgeschwindelthat. Alles die« ist auch der Polizei bekannt, aber trotzdem Polizei-direktor Müller vor zwei Jahren, als er fein Amt antrat, allerlei Ukasegegen daS Umhertreiben der Lustmädchen auf öffentlichen Straßen erließ,wird Fürst und noch manch' anderer Kund« der sauberen Zunft von derPolizei als„Retter" der Ordnung besoldet. Aus Fürst'» Denunzia-t i 0 n hin fanden am 27. Februar hier bei einer großen Anzahl Ge-nassen Haussuchungen statt— sämmliche nalürhch ohne Erfolg.ES wurde geschnüffelt wie noch nie, und gefunden absolut gar nicht«.Letzten Sommer trafen sich in Maisach bei Augsburg auf demBierkeller einige bekannte Sozialdemokraten. Auch Gentleman Fürststellte sich ein und widmete namentlich den Genossen aus Augsburgseine Aufmerksamkeit, befragte st« nach ihren Namen und fast alle hattenspäter polizeiliche Maßregelungen zu erleiden. Da daS Bezirksamt vonBruck von der Zusammenkunst Kunde erhalten, kam zur Üeberwachungder Bezirksamtmann mit einigen Gehilfen herbei, denen sich noch«inpaar Offiziere in Zivil anschlössen. Gegen diese benahm sich nun derKollege des pflichtgetreuen Jhring-Mahlow so unverschämt provo-katarisch, natürlich immer in Gegenwart der Genossen, daß er all-gemeinen Unwillen erregte und es schon damals nahe daran war, daßer den verdienten Fußtritt erhielt. Seine jetzige Denunziation ist nureine Wiederholung der Maisacher.Bon anderer Seite schreibt man unS über denselben Ehrenmann:In Sachen Fürst ist noch zu berichten, daß dieser Lumpazius Thal-kirchenerstraße 104 wohnt, und daß er vorige Woche zu einem seinerBekannten sich prahlend äußerte: er bekäme 180 Mark pro Monat fürseine der Polizei geleisteten Dienste. Die? ist natürlich Humbug, dennso dumm auch die hiesige Polizei im Ganzen sein mag. daß dieselbe einemFürst mehr als für gelegentlich geleistete Dienste«in Trinkgeld gebenwerde, da» halten wir für ausgeschlossen. Daß Fürst während derReichstagswahl eine Rolle spielen konnte, waS er that ächlich gethan,denn er trat als Redner für unsere Partei auf, gab Erklärungen inderen Namen ab, zu denen ihn Niemand bevollmächtigt hatte und drängtesich in das Wahlkomite, wo er die erste Violine sptelle, war nur durchden Umstand ermöglicht, daß die älteren und aktiveren Genossen in Folgede» vorjährigen Prozesses im Gefängniß saßen, die jüngeren Partei-genossen daS frühere Treiben de» LumpaziuS Fürst aber nicht kannten.Al» sich die Gefängnißthore für unsere Genoffen im Lauf« de» Früh-jahrS wieder öffneten, war die Rolle des Fürst auch ausgespielt, und fürhier ist er jetzt für alle Zeiten unschädlich gemacht."Hoffentlich erhält auch er bald die oerdiente„eklatante Senugthuung".