Uebrigens haben derartige„Kraftproben" auch die gute Eigenschaft, die Krankheit schwerkranker Leute entsprechend zu steigern. Der Wider- stand des Kaisers wird also nicht lang dauern, und das Ereigniß, wel- ches der Meineidspfaffe Stöcker sammt seinen Vorder- und Hinter- Männern vom Himmel erfleht, wird vielleicht beschleunigt. II kaut corriger la fortune— man muß das Glück korrigiren, sagte der biedere Riccaut de la Marliniöre. Und es gibt eine englische Sensationsnovelle, deren Held seine Frau, welche er beerben will, durch eine Kette raffinirt herbei- und durchgeführter Aufregungen t ö d t e t.-- In Leipzig werden wir nächsten Montag den dritten Flugblatt- Prozeß haben— ich meine den dritten des Rattenkönigs von Prozeffen, welche aus dem bekannten Flugblatt zur Feier des 18. März hervor- gegangen sind. Die Zahl der Angeklagten beträgt über 20; warum fie nicht mit den 29 von neulich zusammen vor Gericht gestellt wurden, ist ein Räthsel, das vermuthlich erst im Lause der Verhandlungen gelöst werden wird.-- Die Entmüttdigung Hasenclever's ist schon vor über 2 Monaten erfolgt, und sein Mandat wurde bereits vor mindestens 6 Wochen dem Prästdenten de» Reichstag » und der Regierung zurückgestellt. Trotzdem verlautet noch nicht» von Schritten zur Vornahme der nöthig gewordenen Reuwahl. Herr Puttkamer will den 6. Berliner Wahlkreis erst gründlich von den Stöcker'schen durchwühlen lassen, denen bei Verbreitung ihrer Schmutzflugblätter von der Polizei aller mögliche Vorschub geleistet wird. Run— helfen wird da» den sauberen Patronen nichts.
Die Gedächtnißfeier der blutigen Maiwoche in Paris . Paris , I.Juni. Die am letzten Sonntag, den 27. Mai, vor der„Mauer der Föde« rir.m" zum Andenken an die blutige Maiwoche stattgehabte Gedächtniß« feier hat deutlich gezeigt, daß die Keime der Ideen, welche die Bour« geoisie 1871 durch Abschlachtung von mehr als 85,000 Opfern auszu- rotten gesucht, sich mächtig weiter entwickelt haben. Nicht nur Paris , auch die Provinz hält es für eine Ehrenschuld, durch Darbringung von Huldigungsspenden zu Ehren der letzten Vertheidiger der Kommune ein proletarisch-revolutionäres Glaubensbekenntnih abzulegen. Die 17 Jahre, welche seit der blutigen Maiwoch« dahingeschwunden, haben nicht ver- macht, aus Her, und Kopf des französischen Proletariats die Erinnerung an die glorreiche Erhebung und furchtbare Niederlage der Kommune zu tilgen, und weit davon entfernt, im Laufe der Zeit zu verblassen, zeigen die Feierlichkeiten zum Gedächtniß der Kommune, in denen sich die Er- innerung an das Weh der Vergangenheit mit den Hoffnungen und Be- firebungen für die Zukunft verknüpft, gerade ihrer tendenziellen Bedeu- tung nach jedes Jahr ein immer kräftigeres und reicheres Kolorit. Fast unwillkürlich drängt sich bei Konstatirung dieser Thatsache der Vergleich auf zwischen einer wahrhast volksthümlichen Feier, welche ein Ausdruck der Empfindungen und Bestrebungen der Masse ist, und einem offiziellen Fest, das par ordre du Moufti„überstanden" wird. Es kann in dieser Beziehung kein schärferer Gegensatz gedacht werden als der zwischen dem von oben herab dekretirten, an Saftleere elendiglich dahinkrüppelnden deutschen Sedanssest und der imposanten, auf freiwilligen Impulsen beruhenden Gedächtnißfeier der Maiwoche, respektive der Kommune. Die gegenwär- tige schwüle Situation auf politischem Gebiet, und die Stellungnahme der einzelnen sozialistischen Fraktionen ihr gegenüber hoben die diesjährige Manifestation auf dem Pöre-Lachaise über den Rahmen einer einsachen Gedächtnißfeier hinaus und gestalteten sie zu einem herausfordernden Glaubensbekenntniß und einer Mahnung an die Arbeiterklaffe Frank- reichs, sich immer fester um das sozialistische Programm zu schaaren. Noch nie hatte eine imposantere Masse vor der„Mauer der Föde- rirten" vorbeidefilirt, vom frühen Morgen bis spät in den Nachmittag hinein wogte ein vieltausendköpfiges Menschenmeer vor der„fogse commune" der Maffengrust auf und ab, in welcher die letzten Kommune- kämpfer verscharrt liegen. Ueber die zum Pöre-Lachaise führenden Boule- vards, die Schlagadern der Bolksviertel, fluthete ein breiter Strom von Kommenden und Gehenden. Die Regierung hatte zwar die üblichen„Vor- stchtsmaßregeln" ergriffen und genügend Polizei und Militär in Bereit- schaft— der Hof des Gefängnisses La Roquett« war von konstgnirten Truppen überfüllt—, allein sie war— radikal genug, die Stützen der Ordnung so zu postiren, daß ihr Anblick das Publikum nicht heraus- forderte, und ihnen überhaupt eine ungewohnt anständige Reserve zur Pflicht zu machen. Diesem Umstand ist eS auch zu verdanken, daß trotz der stürmischen Szene, von welcher weiter unten die Rede sein wird, ernstliche Störungen nicht vorgekommen sind. Die einzelnen sozialistischen Fraktionen hatten geregelte Manifestationen organistrt. Die„Arbeiterpartei" sPossibilisten) hatte alle ihr angehörenden Gruppen für Vormittag zusammenberufen. Vom Eingang des Pöre- Lachaise aus zog die Partei in einer Stärke von 8—4000 Mann in Reih und Glied nach der„Mauer". Kaum hatte der Zug das Friedhofs- thor überschritten, so fielen die Hüllen der rothen Fahnen und Banner, und 14 verpönte„revolutionäre Abzeichen" wehten herausfordernd über der Masse. An der Spitze des Zuges schritt der Delegirt«, welcher den von der Partei gewidmeten großen Kranz aus rothen Immortellen trug; ihm folgten die neun possibilistischen Stadträthe, die Redaktionen vom „Proletariat" und de»„Parti Ouvrier", die Mitglieder des Rattonal- komites dann die verschiedenen Gruppen, denen Delegirte mit Kränzen oder Fahnen vorangingen. Vor der Mauer erhebt sich der vieltausend- stimmige Schrei:„Vivo la Commune!"„ViTe la Republiqne!"„A. bas Boulangorl" Joffrin, Chabert, Allemane und andere Führer der Partei ergriffen nach einander das Wort. Sie feierten sämmtlich die Kommune als Retterin der Republik , würdigten dagegen nur schwach ihre Bedeutung für die sozialistische Bewegung. Das sozialistische Programm, da« Prinzip des Klassenkampfs, war durch die„republikanische Konzen- tration" in den Hintergrund gedrängt. Die Reden lassen sich kurz dahin zusammenfassen, daß fie ein« Rechtfertigung der possibilistischen Schwanz- Politik, insbesondere der kürzlich erfolgten offiziellen Allianz mit den Radikalen sein sollten. Chabert ließ sich vom Moment so weit fort- reißen, den Zweck dieser Taktik zu nennen: einen größeren Bntheil am politischen Leben und den Einzug in das Parlament. Faillet erklärte sich in einer Rede gegen das Bündniß(lies Wahlkartell) mit den Radikalen. Im Ganzen zeigte die Manifestation, daß die Possibilisten in Pari» über einen organisirten und disziplinirten Anhang verfügen, allein sie bestätigte auch, daß sich die Partei auf der schiefen Ebene der Oppor- tunitätspolitik befindet und den sozialistisch-reoolutionären Charakter immer mehr zu verlieren droht. Der Zug verließ den Pöre-Lachaise in bester Ordnung, nachdem er noch den Manen verschiedener Revolutionäre: DeleScluze , Blanqui , Flouren», BalldS feine Huldigung dargebracht hatte. Rachmittags gegen 2 Uhr fanden die Demonstrationen der übrigen sozialistischen Fraktionen— Blanquisten, Kollektivisten, unabhängige Sozialisten— statt, die ebenfalls in einer Stärke von mehreren Tau- senden ausmarschtrten. Auch sie vergaßen nicht, die Gräber der genannten großen Revolutionäre durch Reden und Blumenspenden zu ehre». Auf ihren Zug folgten einzelne Gruppen von Anarchisten mit schwarzen oder umflorten Fahnen. Der Zug brach sich mühsam durch die versammelte Menge Bahn und machte vor der ibsse commune Halt. Während Vaillant da» Wort ergriff und dazu aufforderte, alle sozialistischen Frak- tionSstreitigletten zu begraben und angesichts der geschlossenen Feindes» masse die sozialistische Konzentration zu vollziehen, wollten die Delegirten die verschiedenen Kränz« an der Mauer aufhängen. Ein vom„Jntran- sigeant" gesendeter Kranz veranlaßt« in diesem Augenblick einen heftigen Tumult. Drei Anarchisten, welche mtt ihren Bannern, von denen daS ein« die Inschrift„Den Märtyrern von Chicago " trug, die Mauer er» klettert hatten, prolestirten in heftigster Weise gegm die Niederlegung des KranzeS. Während die Umstehenden für oder gegen Annahme von Rochefort'S Gabe Partei ergriffen, zog Lucas, einer der drei Anarchisten, seinen Revolver, zielte nicht auf den Träger deS KranzeS vom„Intransigeant", sondern auf denDelegirten der Blanquisten, und feuert« auf denselben drei Schüsse ab, die ihn selbst zwar verfehlten, aber zwei nahestehende Personen trafen. Die Menge hielt die Schüsse anfangs für blind, als fie aber die Verwundeten ohnmächtig zusammenbrechen und unter ärztlichem Beistande forttranS»
portiren sah, war ihr Zorn unbeschreiblich. Sie wollte den Attentäter lynchen und versuchte ihn durch Steinwürfe und Stockschläge aus seiner gesicherten Position herunterzuholen. Lucas rettete sich durch einen Sprung nach der Außenseite der dorthin gegen acht Meter hohen Mauer, er hat sich dabei das Knie verrenkt und sonstige Verletzungen zugezogen. Die Entrüstung der Menge kehrte sich nun gegen die beiden Gefährten des Lucas, von denen besonders der eine derselben durch seine Reden ange» reizt hatte. Trotz ihrer Gegenwehr wurden sie von der Mauer herunter- gerissen und nicht gerade sanft behandelt. Der erwähnte Anarchist, der sich besonders bemerklich gemacht, ward einem Kirchhofwächter übergeben, der ihn jedoch entwischen ließ. Er ward, ebenso wie Lucas, erst in den letzten Tagen verhaftet, ein Umstand, der der Bermuthung Grund ver- leiht, daß das Attentat von der Polizei organistrt war, die sich Lucas entweder direkt als eines agent provocateur bediente, oder ihn ali Wahnsinnigen oder zum mindesten Ueberspannten von einer ihrer Krea- turen bearbeiten ließ. Vaillant versuchte seine Rede zu Ende zu führen, allein eS war angesichts der allgemeinen Ausregung unmöglich, mehr als abgerissene Worte zu erhaschen. Nur soviel sei hier Hervorgehoben, daß Vaillant ausdrücklich erklärte, daß er„gegen jede Diktatur" sei,„möge sich dieselbe Mac-Mahon, Jerry oder Boulanger nennen". Die wenigen Worte sind das energische Dementi aller der Verleumdungen, mittels deren Vaillant dem französischen Proletariat als„Boulangist" verdächtigt wurde, weil er den Kampf auf Grund des sozialistischen Programms führte und den„AntiboulangismuS" und die„republikanische Konzen» tration" alS Wahlmanöver verschmähte. Andere Redner, die nach Vaillant das Wort ergriffen, hatten das gleiche Schicksal, denn der Tumult dauerte fort. Der Kranz des„Jntran- sigeant" wurde(verdientermaßen. Red. d.„S.-D.") zerrissen und über die Mauer geschleudert, und dem Kranz des„Cri du Peuple" wäre es beinahe nicht besser ergangen. Die Masse der Anwesenden ballte sich in kleinen Gruppen zusammen, in denen heftig gestritten ward, ost nicht bloS mit Worten. Hätte sich die Polizei eingemischt, so wäre es sicher- lich zu einer wahren Straßenschlacht gekommen, während so schließ- lich Alles in Ruhe verlief. Nicht nur Rochesort's Haltung gab Anlaß zu erbitterten Debatten für und wider, sondern auch die Taktik der possibilistischen Führer ward lebhaft kritisirt und in den schärfsten Aus- drücken gemißbilligt.„A bas les JoffriniBtes!"„Lea Joffrinistes sont des traitres 1" schwirrte überall durch die Luft. Erst tief am Nachmit- tag leerte sich der Pöre-Lachaise allmälig, die Boulevards zeigten noch lange eine ungewöhnliche Bewegung. Besondere Erwähnung verdient noch der Umstand, daß die Provinz durch viele Blumenspenden vertreten war, und daß sich verschiedene Provinzgruppen durch Delegationen vertreten ließen. Das Attentat wird selbstverständlich von der reakttonären Presse ge- hörig gegen die Sozialisten ausgeschlachtet. Die Blanquisten protestirten bereits am nächsten Tage gegen dasselbe und brandmarkten es offen als einen Akt der ferryistischen Polizei. Auch verschiedene Anarchistengruppen haben sich gegen das Attentat erklärt, jede Solidarität mit Lucas energisch zurückgewiesen und die That als ein Verbrechen gegen die Idee der Anarchie und sozialen Revolution bezeichnet. Andere Anarchistengruppen hinwiederum erklärten sich ali solidarisch mit dem Attentat! Ziehen wir das Fazit der Manifestationen, so ergeben sich wohl fol» gende Thatsachen: Obgleich die Masse des Pariser Proletariats entschieden gegen jede Diktatur ist, ist sie doch auch ebenso entschieden gegen jede Allianz mit den bürgerlichen Parteien, die Abweichung vom Prinzip des Klassenkampfes erscheint ihr als Verrath. Darin liegt die beste Bürg- schaft nicht nur gegen die boulangistische Gefahr, sondern für die Weiter- eutwicklung des sozialistischen Lebens in Frankreich . 0— n.
Sozialpolitische Rundschau.
Zürich , 12. Juni 1888. —„Der„Sozialdemokrat" hat seine Hältung und seinen Ton vollständig geändert, seit die Ausweisungen aus der Schweiz erfolgt sind. Es war also ganz gut, daß die Herren Sozialdemokraten einmal eine Lektion erhalten haben. So schreiben verschiedene deutsche Reptilienblätter. Run— daS Lügen ist den deutschen Reptilienblättern zur anderen Natur geworden; und wie immer, so haben ste auch mit diesem Ge- schreibsel ihre Leser belogen. Die Haltung und Sprache des„Sozial- demokrat" h a t sich nicht verändert, und wird sich nicht verändern. Und waS insbesondere die„Ausweisungen" anbelangt, so können die- selben, da wir ihre Geschichte und ihre Urheber genau kennen, uns nur in der Ueberzeugung bestärken, daß wir von Anfang an R e ch t gehabt haben, und daß die Feinde, welche wir bisher bekämpft haben, bis zu ihrer Vernichtung bekämpft werden müssen. Wenn wir die infamen Jntriguen, die gegen den neuen Kaiser von Deutschland spielen, an's Tageslicht gezogen, und das majestätsbeleidigende und hochverrätherische Treiben der machthabenden Demagogen gebrandmarkt haben, so steht das in keiner Weise im Widerspruch mit unserer stüheren Haltung, und berührt nicht unsere prinzipielle Stellung, ur Monarchie als Institution. Es ist aber in unseren Augen eine bodenlose Gemeinheit, einen todt- kranken, widerstandsunfähigen Mann, wie den jetzigen Kaiser, zu de- schimpfen und zu verhöhnen—«ine um so größere Gemeinheit, weil die Urheber dieser Beschimpfungen und Verhöhnung ihrer eigenen Prätension nach die Hauptstützen der Monarchie sind. Und wie zur Monarchie als Institution, so ist auch zum herrschenden System unsere Stellung genau dieselbe wie zuvor. Feindschaft auf Tod und Leben. Krieg bis zum Sturz dieses gemein» schädlichen, infamen Systems. „Aber dt« Sprache de«„Sozialdsnwkrat" ist doch«me weit zahmere geworden— er hat gemerkt, daß die Rächt, welche er früher so rück- sichtslos angegriffen, ihn auch zu treffen weiß— und er hält sich deshalb mehr zurück!"— schreiben d»e journalistischen Spitzel. Ge- waltiger Jrrthum l Oder richtiger: unverschämte Lüge. Denn dieses Repttlgesindel weiß wohl, daß eS die Unwahrheit sagt. Es weiß aber auch, daß der „Sozialdemokrat" seit neuerer Zeit,«amentlich seit der Entlarvung der Lockspitzel und ihre» Puttkamer in oielweiteren, und zwar besonders auch gegnerischen Kreisen gelesen wird als zuvor: daß die oppositionell bürgerlich« Presse häufig Auszüge veröffentlicht, welche dem Publikum eine ganz andere Bor, stellung von dem„Sozialdemokrat" und derPartei, deren Organ er ist, beizubringen geeignet sind, als e» nach den lügenhaften Berichten der Reptilien bii» her gehabt hatte. Mit andern Worten— und das ist der eigent» liche Grund, weshalb wir die Sache hier erwähnen— daS wirklich« Bild war und ist verschieden von dem wüsten S ch r e ck b i l d, da» die journalistischen Spitzel an die Wand gemalt hatten, daß ein Umschwung zu unseren Gunsten in dem Urtheile des Publikum« zu befürchten stand — und da sind denn die Reptilim auf de» Kniff verfallen, die Wahr- heit wieder einmal auf den Kopf zu stellen, daS Lügenbild für da« richtige und daS richtige Bild für das Lügenbild«rkären. Zu diesem Zwecke verbreiteten ste erst die Mähr, der„Sozialdemokrat" erscheine in zwei verschiedenen Ausgaben: einer anständigen, die bloS zum Schein angeferttgt werde, um die Sinschmuggelung der anderen, richtigen Ausgabe zu erleichtern. Und die jüngste Lesart: Der „Sozialdemokrat" Hab« aus Angst vor weiteren Maßregelungen sein« Schreibweise„gemäßigt", ist genau zu dem gleichenZweck« erfunden. Niemand, der uns kennt, wird der albernen Insinuation auch nur «inen Augenblick Glauben geschenkt haben. Das Programm, welches wir in der ersten Nummer des„Sozialdemokrat" ausstellten, al» Ver» tretet der Sozialdemokratie aufstellen mußte«, ist bi« auf den heutigen Tag unverbrüchlich befolgt worden, und mußte und muß befolgt werden, weil wir sonst aufhörenwürden.dalOrgan der deutschen Sozialdemokratie zu fein.
— Im Gegensatz z« dieser Reptillüge hat ein anderer„Sau- Hirt" dem repttlisirten„Hamburger Korrespondent" vom Nieder« rhein zu melden gewußt, daß der„Sozialdemokrat" seit der NuS< Weisung unserer vier Genossen weit maßloser schreibe und von „Jnvektiven gegen unser Herrscherhaus" strotze. Mit bewunderungswürdiger Naivität weiß daS Reptil dann sogar zu orakeln, daß C o n z e t t' s Vertrauen auf die unbegrenzte schweizerische Preß- freiheit am Ende doch Schiffbruch leiden könnte. Man steht, das gegenwärtige„Interregnum" in Deutschland hat den Steuermann dieser Prsßp iraten etwas unsicher gemacht— sonst ließe sich dieser Zwiespalt in der Taktik schlecht erklären. Komisch wirkt die Selbsttäuschung, mit der das Reptil seine eigene Begriffsverwirrung auf die übrige Welt überträgt. Weil für ihn und Seinesgleichen Deutsch - land und Bismarck identisch ist, muß es dies auch für die ganze Well sein. Und weil in der ersten„Kraftprobe" der kranke Kaiser unterlegen, ist für den Reptilienchor die alte Fiktion zur allgemein anerkannte« Thatsache geworden, daß der eigentliche Herrscher in Deutschland der „eiserne Kanzler" ist, und jede Kritik an ihm und seinen hoffnungsvollen Söhnen oder an Tyras wird zur„Jnvektive gegen unser Herrscher- haus." Ob die„Interessen der Krone" es gerade sind, die aus diesem gro- testen Faschingstreiben Vortheil ziehen, daS zu beurtheilen hat Herr Puttkamer in seiner unfreiwilligen Muße jetzt vollauf Zeit. — Puttkamer hatte vor seinem Abtritte noch Pech. EineS der schönsten Attentate, das je von Polizeiwegen hätte inszenirt werden können, ist bekanntlich durch die bösen Sozialdemokraten vereitelt worden. Die prächtige K a u f m a n n'sche Bombe, das schöne, massenhafte S ch r ö d e r'sche Dynamtt hat jetzt seinen Zweck verfehlt— und wa« hätte damit nicht Alles„eingeleitet" werden können! Wie ganz ander« wäre die P u t t k a m e r'sche„Kraftprobe" ausgefallen, wenn er den kranken Kaiser auS den Händen der Meuchelmörder„gerettet" hätte! Oder wenn wenigstens die Dynamtt- und Bombenkiste eine? TageS in den Geschäftsräumlichlelten des„Sozialdemokrat" gefunden worden wäre! Statt daß er jetzt, trotz der energischsten Anklammerungsversuche, so schmählich zum Ministerhotel förmlich hinausgeworfen wer» den mußte, hätte er in triumphirender Pose eine„eklasimte Genug- thuung" erhalten! Und ein zweites Pech passirte ihm dieser Tage dadurch, daß einer seiner Stipendiaten zu frühe plauderte. Die„W eserzeitung" berichtet folgende Schauermähr: „Dem Berliner Korrespondenten der„Liverpool Post" zufolge sind der Berliner Polizei Mittheilungen über ein Komplott zur Ermo?« dung de» Kronprinzen Wilhelm und des Fürsten Bismarck zugegangen. Di« Verschwörer, welche zumeist Mechaniker und Elek- 1 1 i k e t ♦) sind, halten ihre Zusammenkunft in der Behausung ewes fanatischen Anarchisten imNordenLondons und es wird geglaubt, daß sie die für die Mordversuche bestimmten Höllenmaschinen, welch« theilweise elektrisch sind, beinahe vollendet haben. Die Maschinen solle« von einem Schiffszimmermann, der in revolutionären Kreisen als erfolg« reicher Schmuggler sozialistischer Schriften wohlbekannt ist, nach Deutsch » land mitgenommen werden. Der Bericht schließt:„Zwei junge Leute, die, wie man glaubt, gegenwärtig in Berlin wohnen, haben eS unter- nommen, das Attentat auszuführen, allein die Polizei ist augenschein« lich(!) gründlich informirt über die Pläne der Verschworenen, so daß wohl keine Aussicht darauf vorhanden ist, daß sie zur Aus- sührung gelangen werden." Es ist wirklich schade, daß nunmehr nicht blas keine Aussicht— da« Wort ist unbezahlbar, Ex-Exzellenz!— vorhanden ist„zur Ausführung", sondern nicht einmal zur Fruktifizirung der„Entdeckung". Aber wäret nicht ein Bischen unklug, den Kronprinzen und Bismarck zu« „Opfer" auszuerlesen, und den kranken Kaiser so ganz zu verschonen, wenn man wirklich einmal ad oculum attentiitern lassen wollte? Del Zufall könnte auch einmal treffen laffen, und dann träfe es Bismarck und den Kronprinzen, nicht blos den kranken Kaiser, für desse« „Erlösung" die Frommen im Lande beten. Eine Garantie für Hödelck hat man nicht immer, und bloß«„Entdeckungen" ziehen heute nicht mehr! Ach, es wär' so schön gewesen, eS hat nicht sollen sein! — Z« den Spitzel-Enthüllunge« in letzter Nummer, daß nämlich die Berliner Spitzeldirektoren von dem Vorhanden- sein der Dynamitkiste mit der Kaufmann'schen Bombe von dem Lock- spitze! Schröder sofort in Kenntniß gesetzt worden waren und zur Aufbewahrung ihre Zustimmung gegeben hatten, habe» wir heute noch einen Nachtrag zu machen. Ein Repttt schreibt de« „Hamburger Korrespondent", und dieser druckt eS bereitwilligst ab: „Der Buchdrucker W. Bührer, der bekanntlich seiner Zett di« „Freiheit" druckte und hinterher den Agenten Schröder dieserhalb denn«- zirte, ist von Zürich wegen Unterschlagung flüchtig geworden, weShalt polizeilich auf ihn gefahndet wird. Bührer war vor zirka 8 Jahre» schon einmal in Untersuchung wegen Erpressungsversuchs, welcher Fall mit dem„Stellmacher-Pamphlet" zusammenhing. Das ist nunde» Kronzeug« der Herren Bebel-Stnger im Reichstag « gewesen, und man muß sagen, daß der Eideshelfer feine« Auftraggeberwürdigwar." Dazu bemerkt daS„Hamburger Echo":„Etwas Gemeineres,»H der gesperrte Schlußsatz besagen soll, ist uns in unserer Preßthätigkeck noch nicht begegnet." Diese Gemeinheit erhält ihre richttge Beleuchtung erst dadurch» das Lockspitzel Schröder in Zürich eingestanden hat, er sei berettl seit dem Jahre 1881 in Diensten der Berliner Polizei Qp Wesen, nicht also erst seit 1884, wie er anfangs behauptet hatte. De» Druck der„Freihett" wurde durch ihn im Jahre 1882 besorgt, zu» Zett also, da Schröder schon lange alS Lockspitzel installirt wa5 ebenso wie der mit ihm in diesem Druckgeschäft kooperirende„Mechanik« und Elektriker" Kaufmann, der ja damals auch aus der Spitzel- krippe der Herren Krüger und Putft kamer gespeist ward. Und wie die Ankunft der Dynamttkiste, so hat Schröder auch dt« Geschichte mit dem Druck der„Freiheit" nach Berli» berichtet! Man kann nach alledem ermessen,«elche Stirn« dazu gehört«, wen» Puttkamer damals eS wagte. Alles stech abzuleugnen, und wenn je? die Reptilien, nachdem sie ihre alle Frechheit wiedergewonnen, diese! System der Ableugnung fortsetzen. Uebrigens wollen wir gerade b«l dieser Gelegenheit wiederholen: Die Sozialdemokratte hat in diese» Spitzelenthüllungen noch lange nicht die letzte Karte ausgespielt; ein« ganz neue, bisher noch völlig unbekannte Sette des Spitzelwesens wird zur gegebenen Stunde enthüllt«erden, und auch da wird es so wenig zu leugnen geben al» an diesen Enthüllungen. Nur nebenbei gesagt: Der„Hamb . Korresp." geräth ganz unnöthig in sittliche Entrüstung über den Bührer. Sein Kollege und Schützling Lockspitzel Schröder war es gerade, der bei jenem mythischen„Er- pressungS-Versuche" eine Hauptrolle spielte! — Bismarck '»„Mitarbeiter". Als vor einigen Wochen de« preußisch« Professor S y b« l seinen 70st«n Geburtstag feierte, schriet ihm Bismarck eine Karte, in welcher er ihn alS seinen„Mitarbeiter bezeichnete. Der Ausdruck ist nicht ganz glücklich gewählt, denn solang« eS Geschichtsschreiber giebt, hat eS keinen gegeben, der das Lüge» und Fälschen so systematisch und so frech betrieben hätte, wie gerad« dieser Sybel, der die Geschichte der französischen Revolution nur zu dem Zweck geschrieben hat, den PatriottSmuS und die deutsch « Mission deS Hauses der Hohen, ollern zu beweisen— das i» Wirklichkeit zu Zeiten der stanzöstschen Revolution wie zu allen Zeit«» bloß eine dynastische HauSpolitik gehabt und die Interesse» Deutschlands aus daS Schamloseste verrathen hat. Wir wollen nur a» den BaSler Frieden erinnern» in welchem Deutschland von de» Hohenzollern ohne Gewiffenibisse der französischen Diplomatte überliefert ward. Daß Fürst Bismarck , der seiner Politik selber daS Zeugniß onf gestellt hat» ste verstage da« Tageslicht nicht, in dem größten GeschichtSlügner und Geschichtsfälscher und zugleich Byzantinischsten der Byzantiner einen„Mitarbeiter" erblickt, freilich kaum zum verwundern. Wir wünschen beiden Herren zu „Mitarbeiterschast" Glück. *) Der Zürcher Bombenkünstler Kaufmann, der bekanntlich auf imvolde der Berliner Polizei stand, ist„Mechaniker un» - Elektriker" und lebt«tt seinem Freund« Piurert,dem Genossen des „Richt-Gentleman" R« u ß— ebenfalls im„Norden London »".