Gefühl, das empfunden wird. Und es wird tüchtig draufgegangen. Der zurückgehaltene Grimm von Jahren, schreibt man uns, die ganze aufge= fammelte Empörung ob des erlittenen Unrechts und der herrschenden Niedertracht bricht mit Elementargewalt los und die Feinde sollen des Tages der Abrechnung sich nicht freuen!

Die Armee ist in vollständigster Kriegsbereitschaft, die Mobil­machung war fertig im Moment, wo der Wahltag bekannt wurde und die Streitkräfte sind schon für die Schlacht aufgestellt und geordnet. Jeder hat seinen Posten, jeder weiß, was er zu thun hat, und 20. Februar 1890 muß für die Partei des Proletariats wieder ein Tag des Sieges werden.

der

Wir sagen wieder", denn trotz alledem und alledem war auch der 21. Februar 1887 für sie ein Tag des Sieges. Für sie als einzige unter den Oppositionsparteien. Denn die Eroberung einer Viertel­million Stimmen wog hundertfach den Verlust eines Dußends von Mandaten auf.

Diesmal ist aber gegründete Aussicht vorhanden, daß der Sieg noch durchschlagender wird, und daß die Kartellparteien, oder sagen wir richtiger: die Regierungsparteten mitsammt der Regierung eine zermalmende Niederlage erleiden werden. Die Unzufriedenheit ist in die weitesten Kreise gedrungen, die Sünden und Verbrechen des modernen Raubritterthums, das sich des Staatsruders bemächtigt hat, um das Volk zu fnebeln und auszuplündern, sind den Massen offenbar geworden, und ohne sanguinisch zu sein, dürfen wir erwarten, daß der 20. Februar 1890 die Schmach des 21. Februar 1887 austilgen, und für die Urheber jenes gigantischen Voltsbetrugs der Tag des Gerichts sein wird.

Internationale Solidarität. Aus Gent   wird uns ge­

schrieben:

Daß die Sozialisten Gents den Aufruf der sozialdemokratischen Reichs­tagsfraktion zu den bevorstehenden Wahlen nicht ungehört verhallen lassen würden, war für Jeden klar, der da weiß, wie eifrig die Genter Genossen in der Bethätigung ihrer lleberzeugung sind, und wie sym­pathisch sie ihren deutschen   Brüdern gegenüberstehen. Ungeachtet der großen Opfer, die sie augenblicklich für die streikenden Kohlenarbeiter in den wallonischen Distrikten zu bringen haben, haben sie doch nicht darauf verzichten wollen, ihre internationale Zusammengehörigkeit zu befunden. Es wurde ein großes Fest im Hippodrom arrangirt, auf dem Genosse Anseele eine Rede über den zehnjährigen Bestand des Schandgesetzes und seine Opfer hielt, die tiefen Eindruck machte.

Dieses Fest hat nach Abzug aller Kosten einen Ueberschuß von 405 Franken, 57 Gentimen abgeworfen, die zur Weiterbeförderung an den Wahlfonds der deutschen Sozialdemokratie dem ,, Sozialdemokrat übersandt worden sind. Auch Antwerpen   und Brüssel wollen das an= erkennenswerthe Beispiel Gents nad..hmen."

Dies die Zuschrift. Indem wir bestätigen, daß die obige Summe bei uns eingetroffen, rufen wir unserseits den wackern Freunden in Gent   ein aufrichtiges Bravo! zu.

- Wo ist die Partei, die den Meineid verherrlicht? Wo sind die moralisch verkommenen Subjekte, die den Meineidigen in ihrer Mitte dulden, ihm die Hand drücken, ihn mit Ehren auszeichnen? An den Pranger mit ihnen, damit jeder anständige Mensch sich mit Eckel von ihnen abwende!

In der Thüringer Tribüne" vom 19. Dezember lesen wir:

Pößnect. Auf der Anklagebant des hiesigen Schöffengerichts nahm am 13. Dezember morgens 9 Uhr der Friseur und Barbier Paul Seige von hier Plaz. Derselbe war der Beamtenbeleidigung angeklagt. In der Nacht vom 11. Sept. ds. Js. hatte der Angeklagte vor der hiesigen Polizeiwache den Nachtwächtern die Worte zugerufen: Seid Ihr alle da? Nun fehlt bloß noch Euer meineidiger Wachtmeister! Ein Wachtmeister, der falsch geschworen hat, kann nicht mehr Wachtmeister sein!" Auf Grund dieser Aeußerung hatte die Staatsanwaltschaft zu Nudolstadt das Strafverfahren gegen genannten Seige eingeleitet und auf Grund des G.-V.-G. die Sache dem Herzogl. Schöffengericht zu Pößneck   überwiesen. Die Anklage vertrat der Anits­anwalt, Bürgermeister I., Hezer. Die Vertheidignng lag in den Händen des Rechtsanwalts Heigl aus Bamberg  , Verfasser der Broschüre Spazier. Seige hatte den Wahrheit angetreten und seine

gänge eines eweie fadweiser zur Erkenntniß der Wahrheit"=

8 Zeugen unmittelbar, das heißt für sein Geld, auf Grund des§ 219 der Strafprozeßordnung durch den Gerichtsvollzieher laden lassen. Nach­dem sechs der geladenen Zeugen den Wahrheitsbeweis erbracht und sowohl der Amtsanwalt als auch der Gerichtshof die feste Ueberzeugung gewonnen, daß der Wachtmeister C. Sänger und der Wize wachtmeister och am 8. Januar 1883 in der Strafsache gegen den Dekonomen und Geschirrhalter Ferdinand Fischer und Genossen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Beamtenbeleidigung wiffentlich falsch geschworen, so wurde Seige von der Auflage der verleumderischen Beleidigung freigesprochen, wegen Verlegung der Form und wegen der öffentlichen Beleidigung je­doch zu 6 Mark Geldstrafe ev. 2 Tagen Haft und in die Kosten des Verfahrens verurtheilt. Von Rechts wegen. Die Amtsanwaltschaft hatte 30 Mart Geldstrafe beantragt. Der Vertheidiger legte in längerer zu Herzen sprechender Nede dar, daß der Angeflagte zu diesem Schritte gedrängt worden, wäre, dieweil die Staats- und Oberstaats= anwaltschaft stets abweisende Bescheide betr. der Straf­verfolgung des genannten S. zum Theil in schroffer Former= theilt und das Bewußtsein der Wahrheit im Herzen des Angeklagten

Feuilleton.

Bücherschau sozialistischer Dichterwerke.

Es ist uns von befreundeter Seite jüngst die Frage vorgelegt wor­den, warum der Sozialdemokrat" der neueren sozialistischen  Poesie so geringe Beachtung schenke, und dabei die Vermuthung aus­gedrückt worden, daß dies vielleicht grundsätzlich geschehe. Das Letztere ist nun feineswegs der Fall- wir verfolgen vielmehr auch diese Seite der großen Kulturbewegung des Sozialismus mit großem Interesse, und find weit entfernt, ihre Bedeutung zu unterschäßen. Wenn wir bisher im Sozialdemokrat" wenig davon gesprochen, so geschah dies aus Gründen die mit der Sache selbst wenig zu thun hatten. Jedenfalls sind sie nicht solcher Natur, daß sie uns abhalten könnten, das Versäumte nachzuholen. Im Begriff, dies zu thun, wollen wir zunächst einer Gedicht sammlung gedenken, die zu besprechen um so mehr unsre Pflicht war, als dieselbe schon vor etlichen Jahren in dritter Auflage er­schienen ist. Wir meinen das Buch: ,, Es werde Licht", Poesien von Leopold Jacoby  .

Ein Werk, das in zwei Auflagen vergriffen ist, das auf dem langen Juder der auf Grund des Sozialistengesezes verbotenen Druckschriften 3uerst figurirte, bedarf das überhaupt noch einer Empfehlung? Eigentlich kaum. Und doch glauben wir, hier noch einmal darauf hinweisen zu sollen. Denn wenn auch Leopold Jacoby   heute als Dichter bereits einen Namen befißt, wenn auch seine Poesien Würdigung und Anerkennung gefunden haben, so müssen wir doch hinzufügen, daß sie immer noch nicht genug gewürdigt werden. Es werde Licht" ist ein Buch, das keinem Arbeiter unbekannt sein sollte. Leopold Jacoby   ist kein Dichter, der nach Stoffen sucht, um zu reimen oder sich in metrischer Form aus­zudrücken, sondern die metrische Form ist bei ihm wirklich nur das Mittel, seine Gedanken in eindrucksvoller Form wiederzugeben. Da ist nichts Ueberflüssiges, nichts Gemachtes Gedanke reiht sich an Ge­danke. Nie ist uns das klarer geworden, als da wir es versuchten, Bruchstücke auszuwählen, die wir den Lesern des Sozialdemokrat" als Proben der Jacoby'schen Poesie vorzuführen gedachten. Alles ist da aus einem Guß. Es läßt sich nichts in Stücken" geben, wir mußten ein Ganzes Stück herausgreifen. So höre man denn folgende Stelle aus dem Hohelied auf die deutsche Sprache":

Das Alte ist vergangen,

Und es ist Alles neu geworden.

Die Schönheit, auf Unrecht aufgebaut, ist keine Schönheit! Es ist ein häßlicher Flecken an ihr,

feste Wurzel gefaßt habe und daß er der Stadt Pößneck   einen Dienst erweise, wenn er auch erst nach Jahren der Wahrheit zum Siege ver­helfe. Was die Verlegung der Form anbelange, so liege fein verlegen­der Ausdruck in den Worten. Meineid sei erwiesen und somit dem Zuruf der Charakter der Beleidigung genommen. Was die Oeffentlich­feit der Beleidigung anbelange, so habe der Angeklagte dies thun müssen, wenn er verklagt sein wollte, um ein Unrecht zu fühnen, und beantrage er Freisprechung und Uebernahme der sämmtlichen Kosten, auch die Kosten der Vertheidigung auf die Staatskasse. Der Gerichts­hof erkannte wie oben. Die Verhandlung währte drei Stunden und vermochte der Schöffengerichtssaal mehr Menschen nicht zu fassen. Seige ist verurtheilt, die beiden andern sind gerichtet!"

Jawohl, sie sind gerichtet, aber mit ihnen die Staatsanwalt= schaft und Oberstaatsanwaltschaft, die durch Ablehnung der Verfolgung sich zu Mitschuldigen, zu ehlern der Meineids­polizisten gemacht. Sie sind gerichtet, aber mit ihnen ihre Vorge­sezten, die von ihrem Meineid wußten, und sie jahrelang in Amt und Würden, als Vertreter des Gesezes einherlaufen ließen.

Sie sind gerichtet, die Wächter des Gesezes und der Moral, die Staats­behörden, die meineidigen Schurken jahrelang die Hand drückten und sie Ehrenstellungen einnehmen, Ehrenamter bekleiden ließen. Staatsbehörden, Wächter des Rechts und Gesezes, deckten den Meineid, und nur dadurch konnte er festgestellt werden, daß ein Sozialdemokrat seine eigene Haut dabei zu Markte trug. Unter der erdrückenden Wucht des Beweises für die Richtigkeit seiner Behauptung hat das Gericht ihn nur der Form nach verurtheilt, aber doch trifft die Verurtheilung ihn schwer er hat die Kosten des Prozesses zu tragen.

Und die Meineidspolizisten? Am 13. Dezember ward vom Staatsbehörde war gezwungen, sie vom Amt zu

Gericht anerkannt, daß sie wissentlich fauspendiren, en, die

aber noch am 10. Januar liefen sie in Pößneck   in der Amtsuniform frei herum. Hierher, ihr Pinoffs, hierher, ihr Ankläger der Sozialdemo= fratie, und dann wagt es noch einmal, uns vorzuwerfen, wir seien es, die den Meineid verherrlichen!

-

Folgende sehr treffende Notiz entnehmen wir der Wiener  " Arbeiter- Zeitung  ":

Eine opfermuthige" Partei nennt der Berliner Kor= respondent der Deutschen Zeitg." die Nationalliberalen. Er nennt sie so, weil sie bereit sind, auch diesmal das Sozia= listen gesetz zu bewilligen, wenn auch unter allerlei Faren und liberalthuenden Kapriolen. Der erwähnte Korrespondent ist Herr Karl Pröll, ein Schriftsteller von Nuf, jedenfalls ein Mann, der Lesen und Schreiben kann, kein Analphabet wie die Mehrzahl der Tinten­Kulis. Wir erwähnen das ausdrücklich. Und nun sehe man zu, wie weit die tiefe Kluft schon gähnt zwischen Herren und Knechten, zwischen den Unterdrückern und den Unterdrückten. Der Eine versteht nicht mehr die Sprache des Andern; sie ist ihm so fremd, als redete er chinesisch.

" Opfermuthig" nennen wir Männer, die sich opfern, die ihre eigenen Intereffen, wenn es sein muß, ihre Heimath, ja ihr eigenes Leben hingeben, um ihrer Ueberzeugung, um ihres Gewissens willen, ,, opfermuthig" nennen wir die deutschen Sozialdemokraten, die sich wehren, wie Männer.

,, Opfermuthig" nennen fie Leute, welche ihre eigene Ueberzeugung, ihr Gewissen verleugnen, welche Andere opfern, welche gegen ihre eigene Ueberzeugung mithelfen, Andere in den Kerker zu werfen, Andere auszuweisen und in die Fremde zu jagen, Andern ihre bürgerlichen Rechte zu verkümmern, und das Alles dem Kaiser und Kanzler zu Liebe, um die Macht mit ihnen zu theilen und die goldenen Früchte, welche sie einträgt. Opfermuthig" nennen sie die deutschen Nationalliberalen, welche über den Stock springen, wie abgerichtete Pudel."

Nein, wir verstehen einander nicht mehr. Nicht einmal die Sprache ist uns noch gemeinsam. Zwischen uns sind alle Bande zerrissen, und Nichts mehr gilt als der Kampf, der entscheiden soll zwischen Opfer= muth und Hundegesinnung.

a. Eine würdige Neujahrsfeier. Aus Berlin   schreibt man uns: Wer sie einmal gesehen, diese nach Tausenden zählende Menschen­menge, die sich in der Sylvesternacht in der Haupt- und Residenzstadt des deutschen Reiches, und zwar Unter den Linden  ", hin- und her wälzte, oder wie sie stundenlang nach den Fenstern des Schlosses blick= ten, die hell erleuchtet davon Zeugniß ablegten, daß dahinter Er" und Sie" und die ganze Gefolgschaft sich gegenseitig anhochten oder anhurrahten, der mußte sich unwillkürlich fragen: Ist dies dasselbe Berlin   mit seiner so intelligenten Arbeiterschaft, die sonst so rege und tapfer schafft in der Agitation zu Gunsten der Menschenrechte? Ein flüchtiger Blick belehrte ihn jedoch, daß diese Arbeiter hier nicht zu finden waren, daß sie jene Stätten der Gemeinheit meiden und auch hierin sind die Berliner   Arbeiter konsequent. Wohin wir sehen, wohin wir auch schauen mochten, immer fam uns der behandschuhte Geck oder die tief im weißen Schleier gehüllte" Dame" entgegen, und Arm in Arm durchwanderte die gute Gesellschaft" die Straße unter den Linden  . Man höre nur:

So mochte es 12 Uhr geworden sein, in dichten geschlossenen Massen drängten sich die ungeheuren Menschenschaaren in den freigegebenen Theilen der Friedrich- und Leipzigerstraße heulend, brüllend, fohlend,

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Der sie zu Grunde richtet.

Darum ist die Schönheit Griechenlands   untergegangen,

Denn sie war gebaut auf Sklaverei.

Die Schönheit, die wir aufrichten wollen,

Soll gebaut sein auf Menschenliebe.

Und darum wird sie leben bleiben.

Viele sollen nicht treu sein Ginem,

Aber Giner soll treu sein Vielen. diet and sol Viele sollen nicht dankbar sein Einem, Aber Einer soll dankbar sein Vielen. Jeder, der gequält ist,

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Soll auf seine gequälten Brüder sehent, in the file Daß er ihnen helfe,

So wird Einer treu sein Vielen.

Jeder, der minder gequält ist, de a

Soll auf seine Brüder sehen, die mehr gequält sind, del Daß er ihnen helfe,

So wird Einer dankbar sein Vielen.

Alles, was den Menschen niedrig macht,

Ist in der Treue gegen Einen;

Alles, was den Menschen hoch erhebt, Ist in der Treue gegen Viele. Wer Vielen treu ist,

Der muß frei werden;

Wer Einem treu ist, der muß ein Sklave sein Und er wird es bleiben.

Und ihr sollt vorwärts dankbar sein.

Jeder Erwachsene soll den Kindern dankbar sein. Der Lehrer soll den Schülern dankbar sein. Der Gegenwärtige soll den kommenden dankbar sein. Durch den Dank nach rückwärts ist die Knechtschaft gekommen, Durch den Dank nach vorwärts

Müssen die Sklaven freie Menschen werden

Und muß alles Elend ein Ende haben.

Ihr sollt nicht Mährchen für Wahrheit halten.

Denn wenn ihr das thuet,

So mordet ihr euch selbst

Und mordet eure Kinder.

Stehe auf, du Sprache. und gehe dorthin,

Wo der Jammer wohnet,

Profit Neujahr rufend und nach den Linden vorwärts drängend. Ueberall, wo sich Personen mit Zylinderhüten sehen ließen, wurden dieselben den Befigern kunstgerecht" eingetrieben, und selbst die Schutz­mannschaft war faum im Stande, die unglücklichen Besitzer derartiger Kopfbedeckungen zu schützen."

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" 1

" Leider", bemerkt die Freisinnige Zeitung", der wir diese Notiz entnehmen, best and das skandalirende Publi= fum zum größten Theil aus Angehörigen gebildeter Stände, während die Now dies und Strolche, die bis zum vorigen Jahre Unter den Linden   in der Neujahrsnacht Unfug getrieben, Dank der scharfen polizeilichen Maßregeln, so gut wie gar nicht in den fashionableren Stadttheilen zu sehen waren, da gegen in den Vor­städten ihr Unwesen trieben. In der Friedrichstraße fam es häufig zu Renkontres mit der Polizei, welche zum großen Theil durch Personen provozirt wurden, welche allen möglichen Unfug trieben und daraufhin verhaftet wurden."

Nicht wahr, lieber Leser, ein anheimelndes Bild von den feinen Sitten" der guten Gesellschaft"? Sie ist es, die weder Recht noch Gefez achtet, wenn es gilt, einmal ihre auf der Universität gelernten Studentenstreiche" zur Geltung zu bringen.

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Während sich dies auf den Straßen zutrug, begrüßten sich am an­dern Morgen die Kaiser und Könige, Fürsten   und Minister telegraphisch  mit der Versicherung, daß 1890 Alles im Frieden bleiben werde. Der Dreibund sei die Bürgschaft des Friedens, und Handel und Wandel sollen blühen. Die Völker werden nicht gefragt denn was versteht die Kanaille von Politik, die hat zu gehorchen, wenn es die Fürsten   wollen; zu kommen und sich erschießen zu lassen. Und eine speichel­leckrige Masse sieht diesem Treiben mit Wonne zu, und ist begeistert, entzückt von der Güte und der Prachtliebe ihrer Herrscher, allen voran des Reiseonkels Wilhelm II.   Da hatten man muß es lesen, um es zu glauben zum Neujahrsempfange Mannschaften der Gardes du Corps in ihren rothen Suprawesten und die Krongardisten der Schloßgarde- Kompanie Aufstellung genommen. An den Thüren standen Ehrenposten der Gardes du Corps und dem Throne gegenüber die Schloßgarde Kompagnie in zwei Gliedern zu 20 Rotten. Als das Kaiserpaar den weißen Saal betrat, ertönte das Kommando des Kom­mandeurs der Schloßgarde- Kompagnie, Oberstlieutenant v. Lippe: Ge­wehr auf Achtung! Präsentirt das Gewehr!" Zum ersten Mal trugen in diesen Räumen die Offiziere der Schloßgarde= Kom­pagnie die neue Uniform, zum ersten Mal senkten sich die Spon­tons, und salutirten die Offiziere durch Entblößen des Haup tes von dem Dreimaster! Zum ersten Mal führte die Kompagnie den neuen Griff" Präsentirt das Gewehr" mit Seitwärtsstellen des linken Beines unter präsentirtem Gewehr aus. Und zum hun dertsten, tausendsten Male wird die Gesellschaft, der alles Streben nach idealen Zielen abhanden gekommen, begierig den allerhöchsten Speichel lecken wenn Er" es will. Fürwahr, die Geschichtschreiber haben ,, klassisches" Material.

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Exempla docent. Auf Deutsch  : ein Reichsgericht macht viele Gesetzeskünstler. Aus Hannover   wird der Frfft. 3tg." geschrieben:

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Für findige Staatsanwälte ist der§ 110 des deutschen Strafgesegbuchs eine sehr schäßbare Fundgrube. Noch bevor das Reichs­gericht dem Paragraphen eine neue Auslegung in Bezug auf die Auf­forderung zum Kontraftbruch gegeben hat, machte die Göttinger Staatsanwaltschaft den Versuch, bei einer Kommunalwahl in Northeim  die Göttinger- Gubenhagener Zeitung" strafrechtlich zu verfolgen, weil sie zur Wahlenthaltung aufgefordert hatte. Nach der hannover  'schen Städteordnung sei jeder Bürger zur Wahl verpflichtet, folglich sei eine Aufforderung zur Wahlenthaltung eine Aufforderung 3 um strafbaren Ungehorsam gegen die Geseze. Beim Gericht scheint indessen der Staatsanwalt mit dieser Auslegung nicht durchgedrungen zu sein, denn am Neujahrstag wurde den Beschuldigten mitgetheilt, daß das eingeleitete Strafverfahren gegen sie eingestellt worden."

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Nun, noch gibt es ein Reichsgericht, und wenn der findige Staats­anwalt weiter geht, wer weiß, ob er nicht in Leipzig   Recht behält. Also nur zu mit dem Rekurs. Schaden kann es ja auf keinen Fall, denn für die Kosten sind die Steuerzahler da.

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-Die Reichs- Beschwerdekommission mit ihrem wahren Namen die Reichs g algentommission hat, wie bereits ge= meldet, in den letzten Wochen eine Anzahl auffallend liberaler Ent scheidungen getroffen und fast ein Dugend polizeilicher Verbote auf= gehoben.

Wenn unsre Feinde anständig sind", schreibt uns ein Freund ,,, dann hat ihr Gebahren immer den Schalk hinter ihm".

Der Schalk will in diesem Falle, daß die Krallen des Sozialisten­gesetzes nicht gesehen werden. Die milde Praxis" soll die Durch­setzung des verewigten Schandgesezes erleichtern- ist es unter Dach und Fach, dann folgt wieder die schärfere" Praxis. Milde Willkür, scharfe Willfür immer Willkür.

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zur größeren Sicherheit des Berliner   Schloffes beziehen, so: berichten deutsche Blätter seit dem 1. des neuen Jahres die Schloßwache täglich anstatt früher 1 Lieutenant mit 32 Mann jest 1 Hauptmann, 2 Lieutenants, 6 Unteroffiziere, 4 Spielleute und 80 Gemeine."

Fürchtet Wilhelm, er könne seinem getreuen Volf gestohlen werden?

Wo das Elend zu Tische sizzt,

Und der Hunger in den Eingeweiden wühlet.

Wen du dort finden wirst, 01 sid

thur Mache feinen zerschlagenen Arm stark Und seinen stumpfen Blick helle.

Laß nicht ab von ihm, Wenn er sich hinlegt vom Glend Und wenn er aufsteht zum Glend. Trommle, zischle, ramme ihm zu: Du sollst dich nicht treten lassen.

Du sollst dich nicht unterdrücken lassen.

Du sollst den Stlavensinn von dir thun.

Du sollst die Knechtseligkeit von dir thun.

Du sollst dich nicht bücken vor einem lebendigen Menschen,

Denn er ist nicht mehr als du.

Wirst du dies befolgen,

So wird das Elend abfallen von dir, Wie ein Reif von der Erde schwindet, Wenn das Frühlicht kommt

Und die Sonne am Himmel pranget.

Denn weil du dich treten läßt, Darum heulest du.

Weil du dich unterdrücken läßt, Darum bist du elend.

Und weil du dich aussaugen läßt,

Darum mußt du Hunger leiden.

Wer aber seinen Nebenmenschen zwingt,

P

Der unterdrückt seinen Bruder,

Weniger zu wissen als er selber weiß,

Der tritt auf ihn

Und der saugt ihn aus.

Und wer seinen Nebenmenschen zwingt,

Mehr zu arbeiten, als er selber arbeitet,

ORD Der unterdrückt seinen Bruder,

Der tritt auf ihn

Und der saugt ihn aus.

Und du Sprache,

Nimm eine Leuchte in deine Hand Und gehe dorthin, wo es finster ist, Wo es ganz finster ist.