Abonnements

werden beim Verlag und dessen bekannten Agenten entgegen genommen, und zwar zum boraus zahlbaren Bierteljahrspreis von:

Mt. 4,40 für Deutschland  ( birekt per Brief- Couvert)

Bwfl. 2,75 für Oesterreich( dirett

per Brief- Goubert)

Shill. 2,- für alle übrigen Länder des Weltpoftvereins( Kreuzband).

Juferate

die dreigespaltene Petitzeile

3 Pence

= 25 Pfg.= 30 Gt.

No. 15.

Der Sozialdemokrat

Organ der Sozialdemokratie deutscher Zunge.

Briefe an die Redaktion und Erpedition des in Deutschland   und Oesterreich   verbotenen Sozialdemokrat" wolle man unter Beobachtung äußerst er Vorsicht. abgehen lassen. In der Regel schide man uns die Briefe nicht direkt, sondern an die bekannten Decadressen. In zweifelhaften Fällen eingeschrieben.

Klippen.

I.

In unserer Auseinandersetzung mit der Sächsischen Ar­

beiter- Zeitung" sagten wir in voriger Nummer, daß wir die

Frage der von der sozialdemokratischen Fraktion im neuen Reichstag zu entfaltenden Haltung für die wichtigste Frage halten, welche die Partei in diesem Moment in's Auge zu fassen hat. Indem wir das schrieben, hatten wir uns bereits vorgenommen, diese Frage und Alles, was damit zu­sammenhängt, in unserm Blatt eingehender zu behandeln, und ein Artikel in der neuesten Nummer unseres Wiener Bruderorgans ,, Arbeiter- 3tg." bestärkt uns noch in diesem

Vorhaben.

Dieser Artikel, überschrieben Deutschland   ohne Bismarck  ", beschäftigt sich eingehend mit der Frage, welche Wirkung der Abtritt Bismarcks und die von Wilhelm II.   eröffnete neue Aera" auf die Verhältnisse der verschiedenen Parteien in Deutschland   aller Voraussicht nach üben wird, sobald die Schlagworte des Wahlkampfs, die heute noch in den Ohren nachklingen, verhallt sind. Was dort über die bürgerlichen Parteien gesagt wird, müssen wir, so interessant und vielfach treffend es auch ist, hier übergehen, um Platz zu gewinnen, die unserer Partei gewidmeten Auslassungen in voller Aus­führlichkeit zum Abdruck zu bringen. Nicht nur, um an ſie anknüpfend unsern Standpunkt zu begründen, sondern auch, weil wir es für wichtig halten, auf die im Auslande über die Partei zum Ausdruck kommenden Auffassungen die Auf­merksamkeit der Genossen im Reich zu lenken.

Der betreffende Theil des Artikels lautet:

Einzig und allein die Sozialdemokraten haben Aussicht, ihre alte Stellung zu bewahren. Aber es wäre unehelich zu behaupten, daß dies unbedingt so sein müsse.

In etwas zu eingeschränkter Weise hat die deutsche Sozialdemokratie seit einem Dezennium auf zwei Forderungen das Hauptgewicht in ihrer Agitation gelegt: auf ausreichenden Arbeiterschutz einerseits, auf Auf­hebung des Ausnahmegesezes andererseits. Wohl wurden die andern Puntte unserer Forderungen und Endziele nie verleugnet, aber sicherlich viel zu wenig hervorgehoben. Nun aber scheint die deutsche Politik andere Bahnen einschlagen zu wollen! 8 wird für wahrscheinlich ge­halten, daß das Sozialistengejek fäß wird und daß eine zwar den berechtigten Wünschen der Arbeiter nie entsprechende, aber doch nicht ganz ungenügende Reform des deutschen Arbeiterschußgefeßes geplant wird! Dies könnte Verwirrung in unsere Reihen bringen. Wir be­fürchten dies zwar nicht, wir glauben aber, daß die Möglichkeit einer solchen Verwirrung nicht ausgeschloffen ist. Andererseits gibt es in der sozialdemokratischen Fraktion eine Anzahl weniger geschulter Kräfte, die meisten Abgeordneten unserer Partei sind zum ersten Mal gewählt. Vielleicht mag es einigen auch nicht an Ehrgeiz fehlen, ein­zelne gehören erst sehr kurze Zeit unserer Partei an, ihr politisches und öfönomisches Wissen muß vielleicht erst vervollständigt werden. Nun wird man einwenden, das sei in jeder Partei so. Sicherlich ist dies der Fall in den andern Parteien, dort aber kommandiren die Führer und die andern schweigen und stimmen blos. Dies geht aber glücklicherweise in der Sozialdemokratie nicht ebenso. Unsere Genossen im Reichstage, auf deren Thätigkeit die proletarische Welt Europas   und Ameritas mit gespannter Aufmerksamkeit blickt, haben eine weit ver­antwortungsvollere Aufgabe. Die deutsche Sozialdemokratie ist heute als die bestdisziplinirte proletarische Partei, als die würdigste Ver­als die würdigste Ver­treterin der Sozialdemokratie mit Recht angesehen. Ihren Erfolg am 20. Februar hat das Proletariat aller Länder als seinen Erfolg be= trachtet. Sie muß daher alles aufbieten, den Gefahren der kommenden Monate auszuweichen und sich als Vertreterin aller Forderungen unserer Partei zu erweisen. Nicht nur müssen neben den in der letzten Zeit propagirten Punkten die andern Forderungen unferes Programms in den Bordergrund der Agitation gefſtellt werden: es muß auch unbe: die Zeitungen der verschiedenen bürgerlichen Parteien Deutschlands  während der letzten 14 Tage gelesen hat, weiß, daß unsere Begner ſehnsüchtig jede kleine Differenz in unseren Reihen zu vergrößern suchen, baß sie eifrig bemüht sind, Zwist zu entdecken und vorhandenen Streit zu schüren.

Wir sind die Allerlegten, welche berechtigte Differenzen innerhalb unferer Partei unterdrücken wollten. Nichts liegt uns ferner! E

gibt auch in der deutschen   Partei und für absehbare Zeiten nicht wesent liche Meinungsverschiedenheiten, wohl aber ist Anlaß für persönliche

Reibereien, für Differenzen nebensächlicher Art, welche aber absolut nicht bon prinziplefler Bedeutung sind, vorhanden.

In solchen Fällen heißt es, Nebensächliches nicht aufzubauschen, sich unterzuordnen und gemeinsam zu arbeiten. Niemals aber war dies wichtiger als jetzt, wo ein Berfeßungsprozeß von unberechenbarer Trag weite alle politischen Parteien im Deutschen   Reiche zu erfassen beginnt. Mögen unsere Genossen auch in den nächsten Jahren mit oder ohne Sozialistengesetz dieselbe eiserne Disziplin zeigen, wie seit 1875. Diese hat sie von Sieg zu Sieg geführt! Möge fie auch weiter die Partei innerlich start, nach außen imponirend erhalten. Möge es unserer Partei gelingen, daß die Weltgeschichte einst fage: Die Persönlichkeit Bismarc's hat während seiner Amtsthätigkeit die politischen Parteien zu Spielbällen seiner Politit gemacht, sein Rücktritt hat eine Bersetzung aller Parteien zur Folge gehabt, einzig und allein die sozialdemokratische blieb unberührt von seiner Persönlichkeit. Das

deutsche Proletariat hat sich während des letzten Drittels des 19. Jahr­

hunderts als die einzige politisch- felbstständige Klasse gezeigt!"

Das deutsche Proletariat hat es in seiner Macht, sich diesen Ruhmes­titel zu erhalten, möge Niemand so leichtfertig sein, aus nichtigen Gründen den Anspruch hierauf ihr zu gefährden. Noch mehr als ein Sieg, würde eine Niederlage der deutschen   Partei die Entwickelung der Sozialdemokratie in andern Ländern beeinflussen. Sei sich jeder in Deutschland   dieser Verantwortung bewußt!"

Soweit der Artikel der Arbeiter- 3tg."

Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß die Schlußsäge desselben in Hinblick auf die Polemit geschrieben find, die sich gegenwärtig in der deutschen Arbeiter und Parteipresse über die Frage der Achtstundendemonstration ab­spielt. An sich wird natürlich Niemand in dieser Polemik eine Gefahr für die Partei erblicken, und so find denn auch wir weit davon entfernt, sie tragisch zu rehmen. Die Partei

hat dergleichen Meinungskämpfe in ihren Reihen schon oft gehabt und immer siegreich überwunden. Troßdem halten wir jedoch die Ermahnung nicht für unzeitgemäß. Sie gilt

nicht für den Augenblick, sie gilt für die ganze kommende

Zeit, der wir entgegengehen.

Das phänomenale Wachsthum, dessen sich die deutsche Sozialdemokratie seit einer Reihe von Jahren erfreut, hat ihr eine Masse von Anhängern zugeführt, die zwar den sozia­ listischen   Gedanken im Allgemeinen erfaßt haben, aber von dem eigentlichen Wesen der Sozialdemokratie nur erst theil­weise durchdrungen sind. Das ist an sich gewiß kein Fehler, denn zu allen Zeiten sind die Wenigsten als durchgebildete Sozialisten in die Bewegung eingetreten. Nur dürfen wir uns nicht verhehlen, daß sich das Zahlenverhältniß zwischen den Alten und Neuen jetzt ganz erheblich nach der Seite der Neuen zu verschoben hat. Diese Neuen sind aber sehr ver­schiedener Gattung. Da sind die herangewachsenen Söhne der älteren Genossen, die in die Bewegung zunächst nichts hineinbringen, als ihr frisches Blut, ihre ungebändigte Kampfes lust, mit einem Wört  , den ganzen Enthusiasmus der Jugend. Da sind diejenigen Proletariermassen, die erst mit der wach­senden industriellen Entwicklung Deutschlands   in den modernen Klassenkampf zwischen Kapital und Arbeit hineingeworfen wor den sind, weiter diejenigen Arbeiter, die früher mißtrauisch der Sozialdemokratie gegenüberstanden, sich aber im Laufe der Jahre überzeugt haben, wie unberechtigt ihr Mißtrauen war. in die bürgerlichen Parteien Da sind weiter diejenigen Arbeiter, die das Vertrauen in die bürgerlichen Parteien eine nach der andern- verloren haben und sich noch halb skeptisch der Sozialdemo­fratie zuwenden, und schließlich die Menge der Kleinbürger und Kleinbauern, die das gleiche Gefühl in die Armee der Partei getrieben hat, die das herrschende System am Entschiedensten bekämpft.

Aber noch andere Elemente sind der Partei zugeströmt. Die Zersegung der bürgerlichen Klassen, der Gegensatz gegen das herrschende Streberthum, der steigende Ueberschuß, den Deutschland   an sogenannter Intelligenz erzeugt, hat der Sozial­demokratie seit Jahren eine wachsende Anzahl von Angehörigen der bürgerlichen Klasse, von Leuten mit Gymnasial 2c. Bil­dung, von Vertretern der akademischen Berufe zugeführt. Der Student, der Literat, und was damit zusammenhängt, findet sich, seit die Schrecken des Sozialistengesetzes überwun­den, wieder bei der Partei ein. Fern sei es von uns, über dieselben generell aburtheilen oder gar absprechen zu wollen. Es sind viele Leute darunter, die der Partei mit ganzer Hin­gebung ihrer Person zu dienen suchen, viele, deren Mitwir­kung sich für dieselbe von großem Werth bewiesen hat und noch beweist. Wir stellen das ausdrücklich fest einmal, um einem weit verbreiteten Vorurtheil entgegenzutreten, dann aber, um mißverständlicher Auffassung der nachstehenden Dar­legung vorzubeugen.

Der einzelne Arbeiter ist für uns durchaus kein Jdeal mensch. Er ist als Produkt der Existenzbedingungen seiner Klasse, wie der mangelhaften gesellschaftlichen Einrichtungen, vielfach mit allerhand Vorurtheilen behaftet, er hat seine Leiden­schaften, oder, wenn man will, Laster, wie andre auch, wenn auch in andrer Richtung, furz, ist nichts weniger als voll­kommen. Aber da der Arbeiter in der Bewegung nicht sein Ginzelintereſſe, ſondern ſein Klaſſenintereſſe vertritt, jo spielen auch seine persönlichen Leidenschaften, Vorurtheile 2c. in der felben keine Rolle. Anders beim Sozialist aus den Kreisen der Bourgeoisie. Sein Sozialismus ist das Produkt seines in­dividuellen Empfindens, er bricht mit seinem Klasseninteresse, wenn er sich der Partei anschließt, sein Beitritt ist seine per­sönliche Angelegenheit. Im guten wie im schlechten Sinne spielt bei ihm das persönliche Moment eine größere Rolle. Hier steckt die Gefahr einer unverhältnißmäßig starken Ver­tretung dieses Elements in der Bewegung. Verzicht auf das Klasseninteresse heißt noch nicht Verzicht auf das persön liche Interesse. Je stärker nun die Bewegung, um so mehr führt neben dem Idealismus im bessern Sinne auch das rein mechanische Gewicht der Anziehungskraft uns Angehörige der bürgerlichen Klassen zu. Ehedem mußte ein solcher, wenn er sich der Sozialdemokratie anschloß, gewärtig sein, in seinen Kreisen entweder als Narr verachtet oder gradezu verfehmit zu werden. Heute ist das anders geworden. Nicht daß die Partei, was man so nennt, salonfähig geworden wäre, aber selbst in den Salons imponiren die 1/2 Millionen Wähler so ungeeignet zu diesem Titel sein, ein gewisses Relief. und geben ihrem Repräsentanten", mag er sonst auch noch

Steckt aber in vielen dieser Ueberläufer nicht in allen der Drang, ihre Persönlichkeit in der Partei zur Geltung zu bringen, so fehlt ihnen dagegen meist das Gefühl der Verantwortlichkeit gegenüber der Partei, oder ist doch sehr schwach bei ihnen entwickelt. Das ist eine so erklärliche Erscheinung, daß wir ihnen nicht einmal einen großen Vorwurf daraus machen. Wem die Partei selbst noch etwas Neues ist, von dem kann man nicht erwarten, daß er sie mit den selben Augen betrachtet wie Derjenige, der seit langen Jahren in ihren Reihen kämpft. Aber was erklärlich ist, ist darum noch nicht gut und nüßlich. Jedenfalls wäre es thöricht, sich zu verschweigen, daß der starke Zuwachs von solchen Neulingen leicht zu allerhand Unzuträglichkeiten führen kann, wenn nicht

Erscheint wöchentlich einmal

in

London  .

Verlag

der

German Cooperative Publishing Co. E. Bernstein& Co., London   N. W. 114 Kentish Town Road,

Poßfendungen

franto gegen franto. Gewöhnliche Briese

nach England tosten Doppelporio.

12. April 1890.

mehr wie je dafür gesorgt wird, Klarheit über das Wesen und die Aufgaben der Partei zu verbreiten und dem Thaten­drang der jüngeren Elemente die richtigen Bahnen anzuweisen. Im Artikel der Wiener   Arbeiter- 3tg." heißt es, es muß

unbedingt vermieden werden, daß tiefergehende Gegensäge playgreifen. Wie kann das geschehen? Nach unserer Ansicht mir dadurch, daß gesucht wird, allen Ansprüchen gerecht zu werden, die vernünftigerweise an die Partei gestellt werden dürfen. Für thörichte Projekte, Spielereien und Abenteuer wird nie ein nennenswerther Theil der Genossen, auch der jüngeren nicht, zu haben sein, solange die Partei ihre Pflicht thut, und ebensowenig werden die etwaigen persönlichen Gegen­fäße Bedeutung erlangen, solange diese Voraussetzung zutrifft. Hier liegt das Geheimniß unsrer inneren Kraft, unserer an­gestaunten Disziplin. Die einzige Sezession, die die Partei zu verzeichnen hat, seit sie ihre Kinderschuhe abgelegt, war die Most'sche, und so gering auch in ihrer besten Zeit ihr Anhang in Deutschland   war, selbst diesen hätte sie nicht ge­funden, sie wäre absolut isolirt geblieben, wenn es nicht da­mals eine Zeit lang wirklich den Anschein gehabt hätte, als ob die Partei, bezw. ihre berufene Vertretung, ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen sei.

Von diesem Gesichtspunkt aus haben wir, wenn wir die Frage der von unserer Reichstagsvertretung einzuschlagenden Haltung uns vorlegen, zunächst die Frage zu beantworten: sind die Aufgaben der Fraktion im neuen Reichstag dieselben wie in den früheren Reichstagen? Und wenn nicht, worin haben sie sich modifizirt, bezw. erweitert?

Zur Erinnerung an Wilhelm Bracke  .

In wenigen Wochen werden es zehn Jahre, daß einer der bravsten Streiter, welche die deutsche Sozialdemokratie aufzuweisen hat, aus dem Leben geschieden ist. Am 27. April 1880 wurde Wilhelm Bracke   durch den Tod aus unsrer Mitte geriffen.

Es kann nicht unsere Aufgabe sein, hier noch einmal dem zu früh dahingeschiedenen Freunde und Kampfgenossen einen ausführlichen Nach­ruf zu widmen. Was Wilhelm Bracke   für die Sache der Emanzipation des Proletariats gethan, was er geopfert und was er geleistet, das steht mit unvergänglichen Lettern in der Geschichte unserer Partei eingetragen; so lange es eine solche gibt, so lange wird auch der Name Wilh. Bracke's einen ehrenvollen Plaz in derselben einnehmen, werden seine Verdienste unvergessen bleiben.

Womit wir heute den Todten am würdigsten zu ehren glauben, das ist, wenn wir ihn geistig noch einmal auferstehen lassen, wenn wir ihn noch einmal zu den Genossen sprechen lassen: zu denen, die oft seinen Worten gelauscht, zu denen, die erst nach seinem Tode in die Partei

-

eingetreten, die von Wilhelm Bracke   nichts kennen als den Namen und seine Propagandaschrift Nieder mit den Sozialdemokraten"! Diese Schrift aber, so groß ihre Vorzüge auch find, gibt doch nur ein unvoll­kommenes Bild von ihrem Verfasser ein Abc- Buch für Neulinge läßt sie den Sozialisten Bracke nicht in seiner vollen Bedeuung vor den Leser treten. Wir greifen daher aus dem geistigen Nachlaß des ver­storbenen Mitstreiters eine Schrift heraus, die noch verhältnißmäßig wenig gekannt ist und die ihrem Verfasser zur Zeit, als sie erschien, viele Angriffe, auch aus Parteikreisen, zugezogen hat, weniger zwar ihres fachlichen Inhalts willen, als weil sie die Gefühle eines großen Theils der sozialistischen   Arbeiterschaft verlegte, weil sie sich gegen ein Postulat wendete, das aufgestellt war von dem Manne, der die deutsche Arbeiter­bewegung, wenn auch nicht geschaffen, so doch mit seinem mächtigen Wort in die Bahnen des Sozialismus geleitet hat. Wir meinen die 1873 erschienene Schrift Der Lassalle  'sche Vorschlag". Diese erste, sozialistischer= feits erfolgte direkte Bekämpfung einer Forderung, auf die gaffalle jo großes Gewicht gelegt hatte, wurde von denjenigen, für die der Begriff des Sozialismus zusammenfiel mit Dem, was Lassalle   gelehrt, geradezu als ein Verrath betrachtet, und als 1875 die Vereinigung der bisher feindlichen Parteien stattfand, herrschte diese Auffassung unter den Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins  " noch so stark, daß die Zurückziehung der genannten Schrift aus dem Vertrieb der Parteibroschüren als ein Pfand der Verbrüderung gefordert und gewähr= leistet wurde. Es tennzeichnet auch hier wieder unsern verstorbenen Freund, daß er keineswegs ob dieses Opfers sich schmollend zurück­80g, sondern mit gleichem Eifer, wie bisher für die Eisenacher, nun fi die geeinigte Partei wirkte. Er sah in der Einigung zunächst wichtigste Erforderniß, und vertraute für den Durchbruch seiner Ueber­zeugung auf die Zukunft.

Darüber sind nun viele Jahre, ein halbes Menschenalter, in's Land

gegangen. Die Bereinigung der beiden Fraktionen iſt ſo ſehr Thatsache geworden, daß eine Spaltung in die alten Lager gar nicht mehr denkbar ist. Wenn seitdem Streitfragen in der Partei aufgetaucht sind, die zeit­weilige Gegenfäße schufen, so hat es nie geheißen und wird es nie mehr heißen: hie Eisenacher, dort Lassalleaner, diese Unterscheidung ist fehlt bereits das Verständniß dafür. Die Fragen, die heut die Partei be­längst verschwunden, die Alten haben sie vergessen, und den Jungen schäftigen, liegen außerhalb des Gebiets der Fragen, die damals die Gemüther erhigten. Eine ruhigere Auffaffung in Bezug auf diese hat Blaz gegriffen. Wir streiten nicht mehr über die Vortrefflichkeit der von Bassalle nicht verfaßten, aber empfohlenen Statuten. Die Bewegung ist über dieselben hinausgewachsen. Aber darunter, daß seine Statuten über Bord geworfen wurden, hat der Ruhm Lassalle's  , die allseitige Anerkennung seiner Bedeutung, nicht im Mindesten gelitten. Wir suchen diefelbe nicht mehr in so äußerlichen Dingen, wir fuchen sie überhaupt nicht in Einzelheiten, wir erblicken sie in dem Gesammtbild seiner großartigen Thätigkeit.

So können wir denn heute ohne Furcht, jemand zu verlegen oder das Andenken eines Ferdinand Lassalle   zu beeinträchtigen, die Bracke'sche Schrift der Schrift der sicherlich unverdienten Bergessenheit entreißen. Denn auch Wilhelm Bracke   lag es durchaus fern, Lassalle verkleinern zu wollen. Er hatte sich nur vorgesetzt, nachzuweisen, daß der von Vielen zum Dogma erhobene Vorschlag der Produktiv- Genossenschaften mit Staatskredit als Befreiungsmittel der Arbeiterklasse ökonomisch unzu­länglich, politisch aber, unter den gegebenen Verhältnissen, sogar bedeutlich fet. Für Lassalle selbst war der Vorschlag, darüber kann wohl jest Mittel zum Zweck, die Arbeiter für die selbstständige politische Aktion zur Wahrung ihrer Klasseninteressen zu erwärmen, ein Hebel der Agi

dinigo dit