gesammte Gewerbewesen des Landes auf dem Wege der Gesetzgebung zu regeln. 2. Der Arbeitertag spricht seine Ueberzeugung dahin aus, daß es eine faunt lösbare Aufgabe sein dürfte, das Gewerbewesen auf einmal durch ein umfassendes Gesetz zu ordnen. Die Aufgabe ist da­her fufzessive zu lösen, und zwar in der Weise, daß a) durch Schaf= fung von Berufsgenossenschaften mit forporativen Rechten und unter strenger Ausscheidung der Organisation der Arbeiter und der Gewerbe­Inhaber der Boden hergestellt wird, auf welchem die gegenseitige Ver­ständigung der Gewerbegenossen vor sich gehen und die Industrie- und Gesezgebung erblühen kann, b) der vorhandene Anfang der Gewerbe­gefeggebung, der in Fabrifgesetz von 1877 liegt, den Zeitverhältnissen entsprechend weitergebildet wird und c) auf dem Boden der Berufs­genossenschaften Erfahrungen und mit Rücksicht auf die sich unter un­seren Augen vollziehende Umwandlung des Kleingewerbes zur Induſtrie auch die übrigen Gewerbe einer gefeßgeberischen Regelung unterstellt werden. 3. Der Arbeitertag erklärt sich daher mit den aufgestellten Grundsäßen betr. die Organisation von Berufsgenossenschaften ( Thesen von Greulich und Cornaz) und die Erweiterung der Fabrikgesetzgebung( Anträge Decurtins und Scherrer), beson­ders auch mit der Forderung des zehnstündigen Nor= malarbeitstages einverstanden. Er beauftragt die Behörden des Arbeiterbundes, beförderlich alle geeigneten Schritte zu thun, den gewünschten Reformen zum Durchbruch zu verhelfen.'

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Ferner erneuerte der Arbeitertag den Vorstand des, seine Grundlage abgebenden Arbeiterbundes, modifizirte die Statuten desselben, sprach die Erwartung aus, daß bei künftigen Internationalen Kon­ferenzen, wo die Frage des Arbeiterschutzes behandelt werde, der Bundesrath auch Vertrauensmänner der Arbeiterschaft entsenden werde, und faßte mit Bezug auf die Demonstration1 des 1. Mai folgende Resolution:

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" Die schweizerische Arbeiterschaft der verschiedensten Parteien, am allg. Arbeitertag in Olten   vertreten, erklärt hiermit ihre volle und gauze Solidarität mit der kämpfenden Arbeiter= schaft der ganzen Welt. Sie bekundet ihre lebhafte Freude über die großen Erfolge, welche die Sache der Arbeiter in jüngster Zeit errungen und über die wachsende Erkenntniß in den sog. höheren Kreisen, daß die Arbeiterfrage eine Frage der Kultur und der Weiter­entwicklung der Menschheit ist.- Der allgemeine Arbeitertag lebt der Hoffnung, es möchten alle Arbeiter des Landes am 1. Mai 1890 ihre Gefühle und Gedanken vereint mit ihren Genossen diesseits und jenseits des Ozeans für einige Stunden auf die Zukunft lenken und ihre er­strebenswerthen im Juteresse der Völker liegenden Ziele neu und be= stimmt in's Auge fassen, um damit die Einigkeit und Festigkeit des Willens aller Menschen zu bekunden und neuen Muth und Kraft für die kommenden Kämpfe zu sammeln. Im Uebrigen betrachtet es der allg. Arbeitertag nicht als seine Aufgabe, dem Einzelnen Vorschriften zu machen, wie er dem 1. Mai seine Weihe geben wolle. Er will es der freien Entschließung jedes Arbeiters überlassen, ob er bei seiner gewohnten Arbeit, im Schooße der Familie oder im Kreise gleichge= finnter Freunde, ob er durch öffentliche Rundgebung oder stille Zurück ziehung in fich selbst, durch Geldspende zu Arbeiterzwecken oder in irgend einer Form sein inmeres Bedürfniß befriedigen oder seiner Anschauungs­weise Ausdruck verleihen will."

Der Sag von der stillen Zurückziehung in sich selbst" ist recht un­glücklich gewähit. Mit Recht bemerkt in Bezug auf ihn der Basler " Arbeiterfreund";" Mit stiller Zurückziehung imponirt man in Fragen des öffentlichen Lebens feinem Menschen." Indeß in einer aus so ver= schiedenartigen Elementen zusammengefeßten Versammlung muß man auf solche Verstöße schon gefaßt sein. Im Großen und Ganzen aber darf man auch als Sozialdemokrat mit dem Oltener Arbeitertag wohl zufrieden sein. Verschiedene seiner Beschlüsse sind wirklich gut, und als zusammenfassender Bund der Arbeiterschaft des Landes hat er jedenfalls der Sache des Fortschritts der Arbeiterbewegung Nuzen ge= bracht, wenn er auch nicht so schnell vorwärts marschirt, als wir So­zialisten es wünschen möchten. Nach wie vor werden die Genossen tüchtig am Aufklärungswerk zu arbeiten haben, aber sie dürfen aus dem Ver­lauf des Oltener Arbeitertages die ermunternde Gewißheit schöpfen, daß ihre bisherige Arbeit feine vergebliche war.

Ueber den Kongreß des Gewerkschaftsbundes 2c. in nächster Nummer.

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Die Reaktionäre haben sich von der zerschmetternden Niederlage des 20. Februar noch immer nicht erholt. Staat, Gesellschaft, Himmel und Erde Alles ist verloren, wenn nicht rechtzeitig ein Retter er­steht, der die Hydra der Sozialdemokratie mit den Buttkamer'schen Sanonen todtschießt, oder nach Schmoller'schem Rezept in die Fieber­natürlich folonien auf die trockene Guillotine schickt, und das all­gemeine Wahlrecht, diese Quelle alles Uebels, aus dem Weg räumt. Wir fagen: nach dent Schmoller'schen Rezept; eigentlich ist das Rezept ja schon ziemlich alt, aber fein anständiger Mensch wollte die Vaterschaft des ruppigen Dings übernehmen sogar das edle Bruder= paar Bismarck- Buttkamer hatte beim Expatriirungsgeseß einen diskreten Schleier über die Fieberkolonien gebreitet. Einem deutschen   Prosessor ( H, Sänger und Professoren kann man immer für Geld haben, fagte der alte Ernst August von Hannover) war es vorbehalten, seinen Namen unter das Schmuß- Rezept zu setzen. Und der Professor ist der bekannte Ex- Kathedersozialist Schmoller. In seinem Jahrbuch" sagt er: Entweder muß man auf sie die Ausweisungsbefugniß- zichten, oder fie in eine Internirung oder Verbannung nach bestimmten Orten, etwa na ch einer deutschen stolonie, verwandeln. Wir sollten doch nicht vergessen, daß alle freien Staaten des Alterthums nicht ohne ein solches Verbannungsrecht ausfamen. Wer dem heutigen Staate als Todfeind gegenübersteht und das be­thätigt durch eine revolutionäre, an die Gewalt appellirende Agitation, dem braucht er dazu nicht die freie Bahn und Gelegenheit einzuräumen; er wird ihn nicht wie einen gemeinen Verbrecher ins Zuchthaus stecken dürfen, er wird die Verbannung in eine Kolonie nur unter ganz be= stimmten Rechtstautelen, in ganz seltenen Fällen eintreten lassen dürfen, er wird für die wirthschaftliche Existenz des Betreffenden und seiner Familie sorgen müssen; aber es ist nicht einzusehen, warum eine solche Verbannung nicht in jeder Beziehung der Ausweisung borgezogen wrd; sie ist kaum härter, viel wirksamer und vermeidet alle die Einwürfe, welche von der Majorität des Reichs­tags gegen diese geltend gemacht wurden."

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Herr Schmoller ist, kaum daß dieser Artikel die Presse verlassen, von Herrn Pobjedonoszew als Strafpreuße nach St. Petersburg  berufen worden.

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In Wien   haben während der Oster Feiertage in den Vor­orten Neulerchenfeld   und Ottakring   Tumulte stattgefunden, die schließlich zur Demolirung von Läden und Mißhandlung der Laden­befizer, soweit dieselben Juden waren oder von den Tumultuanten dafür gehalten wurden, führten. Das Charakteristische an diesen Erzessen, über welche die Tagespresse ausführlich berichtet hat, ist, daß sie ihren Aus­gang nahmen in einem Konflikt zwischen streitenden Arbeitern ( Maurern) und der Polizei, die die Ersteren in der Ausübung des Rechtes der friedlichen Besprechung in jeder Weise chikanirt und sie mit ausgesuchter Brutalität auseinander zu treiben gesucht hatte. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß auch in den Adern der Pro­letarier das Blut zu kochen begann und sie den Polizisten, die sich als Hezhunde ihrer Ausbeuter geberdeten, Widerstand entgegensetzten. Bei ruhiger Ueberlegung hätten sie vielleicht anders gehandelt.

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Wie dem nun aber auch sei, die Polizei requirirte Militär, es kam zu blutigen Zusammenstößen und im Verlauf derselben zu den oben er­wähnten Exzessen. Das Charakteristische freilich für uns durchaus nicht leberraschende ist nun Folgendes: Den Kampf gegen die Polizei hatten die Arbeiter man fann nicht sagen eröffnet, aber doch auf­genommen, dagegen sind diesesmal alle Berichte darüber einig, daß an den Demolirungen 2c. die Arbeiter absolut keinen Antheil hatten, daß hier plößlich ein neues Element in Aktion getreten war: halb­wüchsige Burschen, geführt von dem verkommenen Abhub der Großstadt. Diese setzten in ihrer Weise den Kampf fort, was zur Wirkung hatte, daß sich die Arbeiter nunmehr fast ganz von ihm fernhielten. Natürlich wurden Polizei und Militär der rohen Gesellen schnell Meister.

Verschiedene Wiener   Volksblätter benutzten diesen Anlaß, gegen die Mai Demonstration der Arbeiter Stimmung zu machen. Sie loben die Arbeiter, daß sie an fenen Stravallen nicht theilnahmen, fürchten" aber, daß die Arbeiter nicht im Stande sein werden, jene

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Elemente fernzuhalten," welche in den erwähnten Vororten, plünder­ten, raubten und Fener legten".

Ihnen antwortet die Wiener Arbeiter 3eitung", und diese Antwort trifft auch nachträglich die Regierung, die, wie der Tele­graph" meldet, die Abhaltung aller Demonstrationen am 1. Mat ver­boten hat:

Wir müssen doch die Herren recht dringend bitten, sich nicht unsern Kopf zu zerbrechen.... Wir verbürgen uns aber auch, wenn sie es wünschten, daß wir allein recht gut im Stande sein werden, fene Elemente" fernzuhalten, welchen Unruhen ein Lebensbedürfniß" sind; nicht das fleinste Fäßchen Fusel soll gestürzt werden und nicht eine Fensterscheibe zertrümmert werden, wenn

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Ja, ein Wenn" gibt es allerdings! Und wir fleiden dieses in die Form einer Bitte, einer recht inständigen Bitte an die Behörden, vor allem an die Polizei, uns unseren Sicherheitsdienst an jenem Tage selbst besorgen lassen zu wollen und den ohnehin so schlecht gezahlten Wachmännern vielleicht einen Tag Ruhe zu gönnen.

Wir wagen zu behaupten, daß auch bei den Erzessen dieser Tage so Manches hätte vermieden werden können. Beruhigend haben die zum Einschreiten gezwungenen Autoritäten auf keinen Fall gewirkt. L'an trieb Sonntags friedlich von der Versammlung beim Schwender über die Schmelz   heimkehrende Arbeiter mit unnöthiger Kraft­anstrengung auseinander und gab damit den halbwüchsigen Straßen­jungen Anlaß zum Halloh, das erst jene Glemente weckte, welche jezt den Zeitungen als Mittel zum Hervorbringen von Gruseln bei den Spießern dienen."

Und weiter schreibt die Arbeiter- Zeitung  ":

Für die Arbeiter können die Erzesse in den westlichen Vor­orten aber in jedem Falle eine Lehre sein. Sie zeigen ihnen, welche Klippen sie in den nächsten Wochen zu umschiffen haben. Wir brauchen fie nicht zu erinnern, keine Ausschreitungen zu begehen, da sie, wie alle Berichte übereinstimmend erzählen, an denselben nicht betheiligt sind, oder, wie wir annehmen, nur in ganz verschwindendem Maße. Die Erzesse dieser zwei Tage haben uns aber wohl gezeigt, was zu vermeiden ist. Jeder Arbeiter wir am 1. Mai sozusagen feinen Poli­zisten in der Brust tragen müssen. Und wir sind davon überzeugt: das Zielbewußtsein und die Begeisterung unserer Genossen werden die beste Sicherheitsbehörde bilden und die andere überflüssig machen. Diese beiden Dinge werden den Genossen die Macht geben, alles zu verhindern, was auch nur den Schein einer Aus­schreitung auf sich laden könne; sie werden auf Provokationen, von welcher Seite sie auch fommen mögen, nie und nimmer eingehen, und so den 1. Mat zu einem würdigen historischen Gedenktage formen." Wir können das nur unterschreiben.

Aus der rheinisch- westfälischen Bergarbeiterbewegung. Am 7. April tagte in Bochum   ein von 48 Delegirten besuchter Bergarbeiter Verbands- Delegirtentag, um zu den auf verschiedenen Gruben ausgebrochenen Streifs Stellung zu nehmen. " Fast sämmtliche Redner", heißt es im Bericht der Frankfurter 3tg.", sprachen sich für sofortige Wiederaufnahme der Arbeit aus, weil solche partielle Ausstände nichts nüßen und ein allgemeiner Streit noch nicht genügend vorbereitet sei. Wennemann- Ueckendorf theilt u. A. mit, daß fast allen Delegirten Ostern die Abkehr durch die Polizei ins Haus gebracht worden sei. Voß- Hannover II. ist, nach seiner Angabe, seit 28 Jahren Bergmann   und seit 11 Jahren auf dieser Zeche, als Delegirter entlassen und mit 3 Gensdarmen von der Zeche weggebracht worden. Der Direktor habe erklärt, nur mit jedem einzelnen Arbeiter verhandeln zu wollen. Sie, die Dele­girten, hätten am Freitag die Belegschaft zur Aufnahme der Arbeit angehalten, was am Samstag auch erfolgt sei. Trozdem seien sie ohne Weiteres entlassen worden. Kruse- leckendorf bezeichnet die nächste Zeit als turzen Waffenstillstand.( Lebhafter Beifall.) We t= terau( Unser Frig", seit 30 Jahren Bergmann  ) ist gemaßregelt, weil er das Deputirtenamt nicht niederlegen wollte; er warnt die Berglente vor der Presse. Wenn irgendwo etwa 100 Mann wieder aufahren, so machten die Zeitungen immer schon 300 oder 400 darans. Bockenroth- Zeche Dannenbaum" rühmt seine Verwaltung als human und entgegenkommend. Während der Sperre habe dieselbe Ge= maßregelte gerne aufgenommen. Hartmann( Fröhliche Morgen­sonn") bemerkt, daß ihr Direktor im Gegensaße zu demjenigen der Zeche Hannover, nur mit den von der Belegschaft bezeichneten Delegir­ten unterhandeln wolle und als sehr entgegenkommend sich erweise. Klobes New- Jserlohn erklärte, daß die jest streikenden und so im Stiche gelassenen Kameraden in Zukunft nicht mehr folgen würden. Brodam Gelsenkirchen klagte über die Willkür der Direktoren, welche sich jetzt nicht nur auf die Delegirten, sondern auch auf die intelligen­teren Arbeiter überhaupt ausdehne. Es sei traurig, daß das Gelsen= firchener Revier im Stich gelassen werde. Wenn man die nöthige Verbindung mit den übrigen Bezirken gehabt hätte, so wäre der all­gemeine Streit auf einem bestimmten Tag( 5. April?) bereits ausge­brochen. So aber müsse der Ausstand jetzt wirklich als verfrüht gelten. Er verlange einen bestimmten Zeitpunft festgesetzt und daß die Beleg­schaften sich selbst gegenseitig informiren und nicht durch die falsche Presse. Die Spize" müsse stets brieflich oder telegraphisch von allen Seiten her auf dem Laufenden gehalten werden. Die Sache dränge immer mehr zur Entscheidung. Auf Zeche Wilhelmine Viktoria" z. B. habe man den Lohn, statt zu erhöhen, abgebrochen( verkürzt). Schröder warnte vor einem festen Termin, weil man damit nur die Macht aus der Hand gebe. Mit Bitterfeit im Herzen füge man sich jetzt der Macht der Umstände, hoffe aber auf baldige Aenderung." Folgende Resolution wurde einstimmig angenommen:

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Die heute im Schüßenhofe zu Bochum   tagende Delegirtenversamm­lung beschließt, den im Ausstande befindlichen Belegschaften zu em­pfehlen, die Arbeit wieder aufzunehmen, die bis jetzt gewählten Bechen­belegirten für die Folge beizubehalten, gleichviel ob sie auf der Beche noch weiter arbeiten oder nicht( bezw. gemaßregelt find), sodann eine Spitze zu bilden, bestehend aus einem Vorfizenden und einem Schrift­führer, an welche sämmtliche Berichte einzusenden sind. Diese Spize hat anzuordnen, daß Kreisausschüsse gewählt werden, außer­dem die Forderungen durch die Zechendelegirten neu stellen zu lassen, sowie die Direktionen aufzufordern, sämmtliche durch die Lohnbewegung entlassenen Delegirten und Arbeiter sofort wieder aufzunehmen." Wir bezweifeln nicht, daß dieser Beschluß unter den obwaltenden Umständen das Vernünftigste war. Aber daß er- wir meinen den zeit­weiligen Berzicht auf Durchführung der Lohnbewegung nothwendig wurde, ist die Folge der schändlichen Wühlerei der Ultramon= tanen, die fich nicht gescheut haben, im Partei- Interesse die Spaltung in die Bewegung hineinzutragen, und alle Mittel der Bearbeitung daran zu setzen, dem unabhängigen Verband der Bergleute einen am Lenkseil der Kirche trabenden entgegenzufeßen. Wir kommen auf dieses Thema gelegentlich noch zurück und registriren heut nur noch folgende weitere Beschlüsse der Konferenz:

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Als Siz der Spize" wurde Gelsenkirchen   gewählt, zum Borfißenden Schröder Dortmund( der befannte Kaiserbelegirte) und zum Schriftführer Hünninghaus- Gelsenkirchen. Der scherzhafte Borschlag, schließt der Bericht, den christlich- sozialen Weber zu wählen, verursachte großes Gelächter."

Wir schließen hieran noch folgende charakterische Meldungen der " Frankfurter 3tg.":

" Dortmund  , 7. April. Heute sollte hier eine große Berg­arbeiter Versammlung stattfinden, in welcher der Bergmann 2. Schröder, der ehemalige Kaiserdelegirte, sprechen wollte. Es sollte fich namentlich um Forderungen handeln, welche die Belegschaft der Zechen Kaiserstuhl   und Westphalia   an die Verwaltung stellen wollten. Die Polizei hat diese Versammlung jedoch ohne Angabe von Gründen verboten. Das gleiche war mit einer Versammlung des Vereins für volksthümliche Wahlen der Fall und einer solchen, in der über den Achtstunden- Arbeitstag berathen werden sollte. Seit 14 Ta­gen sind hier überhaupt Versammlungen, in denen es sich um die Lohnfrage handelte, ohne Weiteres verboten worden."

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Dortmund  , 8. April. Der Ausstand der Bergleute ist zu Ende, es zuckt zwar noch hier und da, aber die Sache hat nichts mehr auf fich. Heute haben die Berglente, dem gestern in Bochum   gefaßten Be schluffe folgend, im ganzen Gelsenkirchener   Nevlere die Arbeit wieder aufgenommen. Im Dortmunder   Reviere feierten heute theilweise noch die Zechen Neu- Iserlohn und Hamburg  . Der größte Theil der Feh­

lenden war nämlich zwar zur Grube gekommen, mußte sich jedoch vorher bei dem Betriebsführer melden, und, weil er willkürlich" gefeiert hatte, einen weiteren Tag feiern. Morgen werden die Leute anfahren."

Nun, die Bergleute werden sich hoffentlich die gemachten Erfahrungen zur Lehre dienen lassen und zunächst alles aufbieten, die Einheitlichkeit der Bewegung wiederherzustellen. Je eher dies geschieht, um so cher werden sie in der Lage sein, dem Unternehmerthum ihre Bedingungen zu diktiren.

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Ein recht verständiges Urtheil hat neulich ein Gerichts­hof in Erfurt   gefällt. Wegen Verübung groben Unfugs durch die Presse" waren daselbst der Schneidermeister Walther und Genossen angeklagt. Sie hatten in der Thüringer Tribüne" auf­gefordert, Restaurationen zu meiden, wo Schneidigsches und Teich­mann'sches Bier verschenkt würde. Der Gerichtshof sprach die Ange­flagten frei, indem er in der Urtheilsbegründung ausführte, daß der § 360 zwar sehr dehnbar, aber auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Die öffentliche Ordnung sei nicht ge= fährdet gewesen, auch sei Niemand ungebührlich belästigt, weder eine bestimmte Person, noch be= stimmte Kreise der Gesellschaft.

Dieses freisprechende Erkenntniß ist zugleich eine entschiedene Verurtheilung der in Sachsen   gegenwärtig üblichen Praxis, nicht nur die Aufforderung zum Boykott, sondern auch die bloße Mit­theilung der Thatsache, daß der oder jener Gastwirth der Sozialdemo fraten seine Lokalität verweigert, als groben Unfug zu bestra= fen, und zwar in der Regel gleich mit Gefängniß. Die sächsische Justiz" steht eben unerreicht da in Deutschland  , was Klein= lichkeit und Gehässigkeit anbetrifft.

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Noch ist die Arbeiterfreundlichkeit der neuen Aera" nicht über das Stadium der Versprechungen und was für be= scheidener Versprechungen obendrein hinaus, und schon wimmert und jammert und zetert es in den Neihen des Ausbeuter­thums, als ob ihm wirklich die Lebensadern unterbunden werden sollen, als ob bereits der ganze herrliche Gesellschaftsbau, dessen Festig­keit dieselben ehedem nicht genug rühmen konnten, unterwählt set. Man höre z. B. folgenden Jammerruf der Konservativen Korrespondenz": Man gewinnt jetzt bisweilen den Eindruck, als ob unsere Reform= thätigkeit einen etwas einseitigen 3ug zu tragen beginnt und über allen Bemühungen um das Wohl des Arbeiters die Sorge uni die Erhaltung der Kräfte, die wir als zuverlässige Stüßen des Staats­und Gesellschaftsorganismus besitzen, insbesondere um den Bauern- und Handwerkerstand und ihre Bewahrung vor Verfall, ein wenig in dent Hintergrund tritt... es wäre verhängnißvoll, wenn der ruhige und staatstreue Bürger und Bauer, auf den ohne ausgleichende Er­leichterung, infolge der Versicherungsgesetzgebung, der durch die Streits herbeigeführten Preiserhöhungen 2c. Last auf Last sinkt, sich als Stief= kind, hinter den unruhigen Elementen zurückgesetztes Stieskind zu fühlen anfinge. Und vergessen wir nicht, daß die Gunst, welche jetzt die Interessen der Arbeiter trägt und eine Verstärkung des Zuges nach der Stadt veranlassen muß, wofern wir nicht ernstlich vorben= gen, die Landwirthschaft mit einem starken Rückschlage treffent wird."

O ja, was sollte aus unserer Heiligen Staats- und Gesellschafts­ordnung, was sollte aus ihrer herrlichsten Blüthe, dem Landprozenthum werden, wenn der Arbeiter nicht mehr zwischen Ueberarbeit und Arbeits­losigkeit als wehrloser Spielball hin- und hergeworfen würde? Entsetz­lich, es wäre der Weltuntergang!

Der Humor hat auch sein Recht, und so können wir denn nicht nihin, nachträglich von einem prächtigen Wiz Notiz zu nehmen, den Bismarck's Leib- Pindter am 1. April, demt Geburtstag seines Herrn, verübt nein, feien wir gerecht, in seinem Blatt zum Abdruck gebracht hat. In einem, dem, ach, so ungern gegangenen Kanzler ge= widmeten Leidartikel wird mit Leichenbittermiene ausgeführt, wenn es in der Weltgeschichte einen Mann gebe, mit dem Bismarck   verglichen werden könne thatsächlich kommt IHM natürlich keiner gleich- so set das am ehesten noch Stilicho gewesen, der berühmte Staatsmann des weströmischen Reiches. Und augendrehend heißt es weiter: Wir flehen zu Gott, daß wir den Verlust unseres getreuen Ekkehard nicht so theuer bezahlen müssen, wie einst Rom   den Fall seines Erretters."

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Wahrhaft rührend, nicht wahr? Aber nun kommt das Beste. Wa­rum gerade Stilicho? fragt der Lefer. Die Kreuzzeitung  ", die trotz der Abrüffelung ihres Hammerstein jegt ihren Weizen blühen sieht, bekam es sofort heraus und legte, wie folgt, los:

" Was für eine Aehnlichkeit zwischen dem heutigen deutschen Reich und seiner politischen Lage und der des in den letzten Todeszuckungen liegenden weströmischen Neiches vom Jahre 408 bestehen soll, ist uns freilich ebenso unfaßbar, wie der ganze Vergleich zwischen dem Fürsten Bismarck und Stilicho  . Hat sich der Erfinder desselben dabei nichts gedacht, weil er von dem, was Stilicho war und wie er endete, nichts wußte, fo mag seine Unkenntniß die fast frevelhafte Thorheit seines Vergleichs zur Noth entschuldigen. Stennt er aber wirklich die Geschichte Stilichos und seines Endes er wurde bekanntlich auf Be= fehl des jungen Kaisers Honorius  , der ihn im Vera bacht hatte, er strebe für seinen Sohn Eucherius  nach der Kaiserkrone, ermordet so haben wir für die Frechheit dieses an den Haaren herangezogenen Vergleiches gar keine Bezeichnung."

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Ist das nicht köstlich? Schade, daß wir noch nicht so weit sind, daß sich ein Staatsanwalt daran macht, den Verfasser der frevelhaften Notiz mit Anwendung von Zeugnißzwang, Haussuchung und ähnlichen Bismarckischen Mitteln auszufundschaften und zur Rechenschaft zu ziehen. Der arme, unschuldige Bismarck  - nein, Stilicho. Es ist ihm nicht im Traum eingefallen, eine Dynastie zu gründen, sein Söhnchen Her­bert nicht doch, Eucherius, zum faktischen Herrscher zu machen. Und trotzdem diese unhonorige Behandlung von Seiten des jungen- Honorius! Den Mann, den der alte Kaiser   zum Vormund über den unerfahrenen Thronfolger eingeseßt, kaum daß er sich im Sattel fühlt, lauenburgern damals nannte man es morden zu lassen. Da sollen doch wirklich gleich hunderttausend Vandalen heute nennt man es Nep­tilien Breinfahren!

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Ein erfreuliches Wachsthum hatte die Organisation der deutschen Metallarbeiter Ende des verflossenen Jahres aufzuweisen. Nach einer durch die Arbeiterpresse gehenden Statistik gab es Ende 1888, zur Zeit des Weimarer Metallarbeiter Kongresses 20 Former- Fachvereine mit zirka 2700 Mitgliedern; 13 Klempner­Fachvereine mit zirka 1400 Mitgliedern; 31 allgemeine Metallarbeiter­Bereine mit zirka 2700 Witgliedern; 9 Schlosser- und Maschinenbauer Fachvereine mit zirka 1600 Mitgliedern; 18 Feilenhauer- Vereine mit zirfa 600 Mitgliedern, und zirfa 1000 Mitgliedern in diversen Ver­einen. Zusammen also zirka 9700 Mitglieder. Heute sind zu ver= zeichnen 40 Former- Fachvereine, 31 Klempner- Fachvereine, 72 allge­meine Metallarbeiter- Vereine, 17 Schlosser- und Maschinenbauer­Vereine, 34 Feilenhauer- Vereine, 14 diverse Vereine. Die Gesammitzahl der an 116 Orten in 208 Vereinen organisirten Genossen beträgt über 35,000.

Bravo! Möge das Organisationswerk der Arbeiter überall und stetig gleiche Fortschritte machen.

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Und das nennt sich auch Justiz. Aus Würzburg   be­richten deutsche Blätter:

Weil der Gemeine der 1. Eskadron des tgl. 1. Ulanenregiments in Bamberg  , Philipp Schwab, beim Pußen seines Pferdes, um die vor­geschriebenen 7 Striegelstreifen hervorzubringen, sich des verbotenen Gebrauches eines Pubiteines bedient hatte, versetzte ihm der mit der Aufsicht über das Puzen der Pferde betraute Vize wachtmeister Ph. Held aus Neuth, BA. Forchheim, ein paar derartige Ohrfeigen, daß das Trommelfell des linten Ohres plagte. Dem Mißhandelten, welcher sich anderen Tages beim Arzt meldete, muthete Held zu, weder dem Arzt noch dem Nittmeister Etwas von dem Vor­fall zu sagen. Wegen Verbrechens des Mißbrauchs der Dienst= gewalt durch förperliche Mißhandlung eines Untergebenen und wegen Anleitung zu einer unrichtigen Meldung unter Auflage gestellt, erhielt nun Held lediglich 2 Tage Mittel­