Einzelbild herunterladen
 
vis KlmsimarkShaüe. Die Becsimpelung des Familienlebens hat in Deutschland  immer freundlichen Schutz gefunden. Das preusziiche Pflichtbewußt­sein ist sozusagen auswattiert mit einer Behaglichkeil, die wesent- lich don Plüschsesseln, Sofaschoncrn und glasierten Nippes er- zeugt wird. Die Knnstindustrie blüht unter diesem Sonnenregen aufl Was Demschland anHouSgreucln'' hervorbringt, ruft verzweifelte Wünsche »ach einer Erdhöhle im Zululande wach, wo eS keine Haussegen, keincum« poli" und keine bunten Schäferinnen gibt. Eriatzmittel unterliegen jetzt einer scharfen Kontrolle. Warum warnt keine Be- Hörde vor diesen Kunstersatzmitteln, die es schon zuHeidenkissen' und.Hausurnen' für das Eiserne Kreuz   gebracht hat. Das Furcht- bare, Verbildende liegt nicht in dem Vorhandensein dieses Kitsches, sondern, daß er als Sinnbild des Schönen in die Seele eingeimpft wird. ES bedeutet eine radikale Vergiftung des geistigen Lebens, wenn die Wirinngen der Kunst von Dresdener   Japanwaren und bronzenen Landsknechten geliefert werden müssen. Rücksichtslose Geschäftsleute wuchern mit Stumpfsinn, indem sie mit Oeldrucken in goldenen GipSrahmen waggonweise die häusliche Atmosphäre vergiften. Die Regierung fleht mit wohlwollendem Lächeln zu. Wenn es einem braven Beamten gelingt, den höchsten seiner Kunstträume zu verwirklichen und die Familie auf Beamtenbilletts ins Schauspielheus zu führen, so wird er mit einer vergilbten Posse gefüttert, die glatt und provinziell heruntergespielt wird. Die Kunstgegenstände, mit denen der Staat ihn umgibt, sind von der Brieimarke und den Reichskassenscheinen bis zu den Feldherrenbildern in den Bureaus aus dem gleichen Geist geboren. Die Schulerziehung ist durch Lehr- plane festgelegt: da? Wesentliche ist die gute Gesinnung und die künstlerische Gestaltung erhält von ihr aus seineu Wert. Und da? bleibt so bis in die späteren Jahre, in denen der Familienvater im Plüschsessel und vermutlich handgestickten Pantoffeln sein illustriertes Blättchen liest, da? seine Seele mit Religion und Vaterlandsliebe nährt und das künstlerische Bedürfnis in fettglänzenden Oeldrucken spazieren führt, etwa in einem himbeerfarbigen Alpenglüben oder in einem pausbäckigen Jungen mit Käppchen und Brille und langer Pfeife: Großväterchens Liebling I In dieser Atmosphäre sprießt der Kitsch. Da öffnen sich Markt- hallen, in deren Auslagen es bunt glänzt, in goldenen und ebenholz- farbenen Rahmen prunkend. Flirrend toben die Greuel vor den entsetzten Augen. Aus einem blaugestrichenen Hintergrund lacht schalkhaft die Zigeunerin, ihre Wangen leuchten zinnoberrot, in den grevweiß gepinselten Zähnen eine purpurfarbene Leuchtkirsche haltend. In kleidsamer Lodentracht kommt der.Jagersmann' und wirft dem .Deandl' den geschossenen Gemsbock hin im Hinlergrund die lila überspülten kreidigen Zuckerfelsen der Alpen  . Stilleben mit Pappslüchten türmen sich, mit Farben beschmiert, so glänzend, daß man an giftige Pilze momentan erinnert wird. Und für sinnige Gemüter paradiert das berühmte Gemälde mit dem treuen Pferde» köpf, an den sich ein unwahrscheinlich blondlockiges Mägdelein lehnt, süß wie eine Modezeichnung, mit einem roten Kirschenmäulchen und so dunklen Märchenaugen, daß ein weniger ruhiges Gemüt sofort zur Raierei getrieben wird. Und dann rücken die Heimats» greuel des Krieges an:.Der letzte Gruß', in dem eine feldgraue Uniform einer blauen Küchenschürze und einem grünlichen Gehrock eine Uhr und eine Börse in die Hand drückt: so grotesk in der starren Photographiepose, so niederträchlig in der Gesinnung, die mit dem Heiligsten im Menschen ihre Geschäfte macht. Ganz zu schweigen von dem abrückenden und wiederlehrenden Feldgrauen von dem ich fest überzeugt bin, daß er in allen Uniformen vor- rätig ist, und der auf Wunsch sogleich mit dem passenden Geficht versehen wird. Es ist der Stumpfsinn, die Banalität, die Harmlosigkeit, von der dieser wüste Ersatzkitsch lebt. Schlimmer als Schamloflgieit verwüstet diese Seelenverzuckerung das Volk, entwertet feine besten Gefühle, indem sie sie mit dieser Maschinenarbeit nährt. Diese hemmungslose Geschästemacherei legt um die leckere» Farben- aufläufe prunkvolle Goldrahmen mit entarteten Stuckornamenten, lockt mit breiten ponerten Holzrabmen, die, wenn möglich, auch noch bildnerischen.Schmuck' tragen. Dann liest man groß: Ge- mälde toter und lebender Meisterl Nur Gelegenheitskäufe!! Be- sonders zu empfehlen: Schulze-Berlin  , Müller-Leipzig. Huber- München. Als wenn diese armseligen, miserabel bezahlten Mal- vroletarier Träger weltberühmter Namen seien. Und wie in einem Traumzustand siebt man in einer anderen i Auslage kunstvoll gerahmte Bretter mit Brandmalerei, die sich als beliebter Hausschmuck' anpreisen. Der peinliche Dilettantismus feiert hier ungeahnte, maschinell betriebene Orgien. Man prallt zurück und denkt: daS ist das Volk, aus dem eine wundervolle Kunst, eine tiefe Philosophie, eine große Geschichte gewachsen ist und es deckt seinen häuslichen Bedarf an Schönheit mit dem Abhub der Gosse, mit sinnlosen Massenkitsch, der unter dem Schlachtruf Schmücke Dein Heim' die Volksseele vergiftet. Dort schlängeln sich die hineingebrannten Ornamente, stumpf und geistlos. Lerie tauchen auf, die in ihrer gottverlassenen Geistlossgkeit ein Kommers- buch schänden würden. Und das hängt an der Wand von Räumen, in denen erwachsene Menschen leben: nicht aus Notdurft, sondern um seelischer Erhebung willen! Das gräbt sich in die Seele der Kinder, aus denen sich ein großes Volk nen aufbaut! Und wie passend ist das für jeglichen Beruf eingerichict! Eine große Prunktafel ist sogar bemalt und zeigt den braven Förster mit Stutz und Gewehr, zwischen unwahrscheinlich spitzen Bergen springt unversehends eine Gemse. Man weiß sofort: das ist für einen Jäger bestimmt! Und wie wohl muß sich der Mann in seinem Berufe fühlen, wenn er lesen darf: Der Wald ein Segen Wie Gott   ihn auch schuf, Den Wald zu pflegen Ein schöner Beruf! Die Wahrheit des Gesagten hält dem poetischen Schwung des Ausdrucks das Gleichgewicht. Die lallende Kindlichkeit, die ganze Horizontlosigkeit dieses gereimten Unfugs läßt einem kaum zum herzhaften Lachen kommen. Nicht weniger ergiebig ist das Lager an passenden Sinnsprüchen für Neuvermählte. Sie sind überhaupt die bequemste Abladestelle für allen Gehirnschutt der Kunstfabrikation. Eigener Herd ist GoldeS wert. Gewiß. Oder: So tretet ein ins neue Heim MLz' Euch viel Glück bsfchieden fein! Auch daS. Der Bräutigam, die junge Braut find nun vor Gott   und Welt getraut l' Das hängt nun an der Wand, sagt täglich dasselbe, ist wie für die Ewigkeit in Holz gebrannt und martert das'widerstands- fähigste Gehirn mit seiner Weisheit. Die beliebte Trinkfteudigkeit der Deutschen  , eine Legende, die un§ in der Welt den Ruf von un- heilbaren Bierbäuchen eingetragen hat, findet in der trostvollen Ver- heißung seinen Ausdruck: Seligkeit und Lieb« Treue, Mut und Kraft, Alle edlen Triebs Ruh'n im Gerstensatt I Die erschütternde Komik dieser Klapphornphilosophie liegt nicht nur in der Wahrheit dieses Ausspruchs, sondern auch in der schönen Dreistigkeit, mit der der alle Reim von Liebe und Triebe seine Holzbrondverewigung gefunden hat. Und nicht minder beruhigend in seiner klassischen Einfachheit wirkt ein anderer Lebensspruch, der von rotem Klatschmohn umrahmt tröstlich ins Holz gebrannt ist: Wenn Du verlierst, Laß keine Träne rinnen, Zwei Menschen können nicht gewinnen! Nachdem man sich mit einem ernstenWie wahr l' von diesem Tieffinn befreit hat, merkt man, daß hier vielleicht ein ironischer Kopf eine Mahnung für Kriegsgewinnler in Holz gebrannt hat. Aber die große Kunst- und Herzensschalmei wird von einer großen Platte geblasen, die in heftigen Farben daS Völkerschlachtdenkmal  wiedergibt diese geistloseste Verwirklichung stillosen Monumental- willens und man lieft mit tiefem Behagen die Zeilen, m dem das Pathos dieser falschen Heldenseele seinen erschöpfenden Ausdruck gefunden hat: Wird je das Vaterland bedroht In Stürmen und Gefahren, Wir find getreu bis in den Tod Wie unsere Väter waren! Der Siuinpssinn, die Roheit des GedmtkenS, die Banalität des Ausdrucks steht durchaus auf der Höhe der finnlosen Ornamentik, die sich Mühe gibt, die schreckliche Holzbrandftaktur der Buchstaben unleserlich zu machen. Man saßt es nicht, daß Menschen für schwer erworbenes Geld das Recht kaufen sollten, diesen Schrecken in ihren eigenen vier Pfählen täglich lesen, zu müsie«! Die Rettung ist sckiwer. Der Staat soll mit allen Mitteln der inneren Propaganda Wanderausstellungen veranstalten, in denen diese Gräuel dem Gelächter preisgegeben werden. Sehr verdienst- liche private Bestrebungen geben sich leider zu sehr als gemütvolle Schulmeister, blasen eine so deutschvölkische Melodie, daß von dieser Seite das Mißtrauen geweckt wird. Aber diese Kunstindustrie kann nur abgebaut werden, wenn die Käufer sich schämen, den Unfug zu kaufen. Diese Säuberung der Seele von geistigen Stickstoffen wird allerdings das freundlich behütete Idyll mancher Volksschichten stören. Es gibt immer noch Menschen, die eine gewisse muifige Romantik für das Bolksgemüt für förderlich halten: es sind die gleichen, die am liebsten die Volksbildung durch Spinnstuben und MissionSversammlungen bewirken würden: aus dumpfer Gebunden- heit ringt sich der Mensch in geistigere Lustschichten und lernt er­kennen, was seine Seele in dem Moder einer vergilbten Zeit ein- schläfert und was sie aufreizt zu neuer Begierde und reinerer, geistigerer Erfüllung. Id. X. Rollenwechsel. So nach und nach findet man alle seine russische» Bekannt- schatten aus dem Stockholmer Sommer in den innerrusstichen Kriegs- berichten wieder ober in ganz veränderten Rollen. Vrjö Sirola ist jetzt Finnlands   Außenminister. Ob er das schon geahnt hat. als wir eines heißen Nachmittags im Garten deS ZentralbadeS an der Drottninggatan Kaffee mit Waffeln, verzehrten? EinenMörder' iiennt.SvenSka Daabladet', das große konservative Blatt, jetzt den stillen Sirola, dessen ruhige Heiterkeit einem der zahllosen Seen seiner Heimat gleichen mochte. Weder des Fanatismus noch irgend einer zornigen Erregung schien dieser Naturfreund je fähig zu sein. In eigenartig singendem Tonsall sprach er deutsch   recht gut. er schrieb es noch viel besser, und manchen einflußreichen Artikel über Finnland   sandte ich nach Deutschland   für die Parteiprcsie. Nein. den Vrjö Sirola wird niemand, der ihn kennt, sür einen blut- dürstigen Jakobiner halten. Und Wladimir R o s a n o f f ist von den Bolsch-wiks verhaftet I War das eine Freude, als er endlich von Petersburg   der ankam. eines Morgens mit dem stets verspäteten Tkg trän Hapaxantla, dem Zug von der 30 Stunden entfernten Grenzstation am Tornca- fluß. Tag für Tag hatte man die angesagten Boten deS Sowjet erwartet, endlich kam Rosanoff als der erste an. Er war für die meisten von uns der erst« richtige, aus Rußland kommende Zivil« russe seit Kriegsbeginn, und er kam ftöhlich lachend an und sprach deutsch   wie einer. Baumlang und einen drennrolen Haarbusch über der Stirn, ein origineller Kerl. Dem machte es gar nichts aus, als wir drei Mann hoch eines Nachts noch nach 2 Uhr bei ihm ein- brachen, frisch vom Telegraphenamt weg, um irgendeine Zweifeliroge auizuklären. Er lag zwar schon im Bett, aber gleich zur Hand die Zigarettendose und bald hatten wir den schönsten Oualm, die schönste russische Diskussion, bis da unten in Deutschland   wohl schon der Morgen graute. Und jetzt sitzt Rosanoff hinter Schloß und Riegel, wie einst, als er den Zarismus noch zu bekämpfen hatte. Na ja und jetzt wird er als Menschewik verfolgt, und Oberbolschewik ist derselbe Rädel, mit dem Rosanoff am selben Eafstisch im Grand Hotel beiGlace ok Bakkelse�, bei Eis und Kuchen gesesien hat. n. Notizen. Vorträge. I m Institut für Meereskunde spricht am DienStag Prof. LaaS   über: Amerikas Schiffbau im Frieden und Krieg. Freitag: Leutnant z. S. Herberz über: Kriegserlebnis ie deutscher Seeleute im Auslande. In der Urania   spricht am DienSrag und Donnerstag Prof. Keßner über:Die Weltmacht des EisenS'. Mittwoch und Sonnabend Direktor Goerke über: .Jerusalem  '. Freitag Prof. Jäckhin über:Deutschland  im Orient'. In der Tr e p t o w- S te rn w a r t e spricht Dienstag 7 Ubr Dir. Archenhold über:Mars, seine Kanäle und Eisfelder'. Unser Leitg cdich t ist Wilhelm Klemm  « gesammelten Versen.Aufforderung'(Verlag der Aktion, Wilmersdorf  ) em« nommcn. Eine Frau für hundert Rinder, diese köstliche afrikanische Geschichte, die wir im letzten.Sonntag' brachten, stehr ursprünglich in denLiedern und Gedichten der Suaheli' von C. G. Bültner(Verlag Emil Felber, Berlin  ). Die Leser finden dorr noch mehr. Fliegen als Melker von Blattläusen. Die Blattläuie find nicht nur die Milchkühe der Ameisen, auch die Fliegen wifien die zuckerhaltige Flüssigkeit zu schätzen, die die Tierchen in Tröpfchensorm ausscheiden, und suchen sie sich durch das sogenannte.Melken' der Läuse zu verschaffen. Eine solche Tätig- keit der Fliegenart lTannia mannafcica wurde von sachkundiger Seite einwandfrei festgestellt. Der Gewährsmann konnte bei Betrachtung eurer auf einem Hollunderbusch fitzenden Fliege durch die Lupe er» kennen, daß die Fliege genau wie die Ameise bei dem G-kchäsl ver- fuhr rmd rasch den Hinterleib der Blattlaus mit streichenden Be- wegungen bearbeitete. Ach, nein, das ist es nichr,' sagte das zuckende Herz und hüpfte betrübt die Kellertreppe wieder hinan. Rechnend sah ihm der Händler nach: Fünf Mark dreißig fünf Mark fünfunddreißig hm, merk- würdig, mir ist, als wenn ich was vergeffen hätte was war eS zzok?_ wie? der Näherin im vierten Stock einen Sack Kartoffeln umsonst vor die Türe stellen? nein, was einem doch manchmal für blödsinniges Zeug einfällt fünf Mark und fünf Mark und? zum Donner auch, wo bin ich in der Rechnung stehen geblieben? das dumme Herz hat mich ganz aus dem Gleise ge- bracht...' DaS Herz aber suchte weiter und kam an ein Tor. in das viele Menschen strömten. Unbemerkt von diesen ward eS mitgerissen. ES kam in einen großen Saal. Dort hielt einer einen Vortrag. Be, jedem dritten Satze donnerte er mit der geballten' Faust auf die Kathederleiste. Aber auf einmal überschlug sich die Hand mitten im Donnern und schaute schreckgeöffnet in den Saal. Dort war in der drillen Reihe ein leerer Stuhl. Nein, leer war er nicht. Etwas Länglich-rundes lag darauf, und eine Flamme brannte still und steil hinauf. Und er erkannte, daß es ein Herz war. Er machte in seinem Donnervortrag eine Pause und fragte den Saaldicner: Wie kommt da? Herz in meinen Vortrag?' Ich weiß nicht, Herr Profesior,' stotterte der Diener. Hat eS überhaupt Eintritt bezahlt? Fragen Sie einmal.' Da drängte sich der Saaldiener in die dritte Reihe mid fragte daS Herz, ob es eine Eintrittskarte bezahlt habe. Nein, ich habe nichts bezahlt.' sagte das Herz. Darauf rückten sie links und rechts vom Herzen ab. Es saß ganz allein und brannte weiter, still und steil. Was wollen Sie dann überhaupt in diesem Vortrag?' flüsterte der Saaldiener, während der Professor vorzutragen anhub. Ich habe etwas vergessen,' flüsterte das Herz zurück,etwas Liebes war eS, und ich dachte, der Professor könnte-S in seinem Vortrag erwähnen hören Sie, hören Sir, ich glaube, jetzt eben sagt er'S.' .Ach, wie ver vernagelt wären wir,' donnerte der Professor am Katheder,wenn uns dieser Krieg.. Ach nein,' flüsterte das suchende Herz traurig,ach nein. daS war eS nicht ich habe mich geirrt nein, nein. Sie brauchen mich nicht hinauszuwerfen, ich schlüpfe schon von selbst hinaus'. Und unter den Bänken hinweg, zwischen harten Stiefeln hin- durch huschte es hinaus auf die Straße.' Unterm donnernden Katheder aber saßen noch eine Stunde lang die Leute. Und während tza droben nach jedem dritten Satz die Fäuste weiter trommelten, mußten fie immer denken:Was war es doch, waS war es doch, »MS wir vergessen habe».. Aber daS Herz suchte weiter und kam in eine Stube. Ein Mädchen saß darin und weinte, weil ihr Liebster gestern mit dem Regiment hinausgezogen war. Warum weinst du?' ftagte das zuckende Herz. Ach, wie ver lassen bin ich!' schluchzte daS Mädchen. Nein, das ist es nicht', sagte daS Herz. Doch, doch, das ist eSZ' rief das Mädchen fast ärgerlich.Ich werde doch noch wissen, warum ich mich gräme.' Hast du auch etwas verloren?' Ja, meinen zweiten Teil. Aber ich sehe schon, i« hast ihn nicht, gehab' dich wohl!' AIS   das Herz hinausgegangen war, trocknete daS Mädchen plötzlich seine Tränen. Tapfer ging'S an seine Arbeit. Nur von ferne schimmerte ihr Leid herüber:Mir ist, als habe ich ver- gessen...' Das Herz aber wanderte weiter, immer an den Ufern deS ver- lornen Satzes. Weidenzweige schleiften halb im dunklen Wasser, daß man sie nicht sehen konnte. Und das nimmermüde Herz ging um, ging weiter um. Es kam in ein Kinderzimmer. Junge« Zappelvolk um- wimmelte die Mutter. Sie brachte Kartoffeln, Brot und Waffer. Milch bekam ich leider keine mehr, Kinder.' Schon gut, Mutter, wir trinken Waffer.' Die Henne hat kein Ei für uns gelegt. Kinder.' Dann wollen wir wenigstens gackern,' lärmten die Kinder durcheinander und neckten sich. Und Butter hat es keine mehr gegeben. Kinder.' Wir haben solchen Hunger, Mutter, daß uns das Brot auch so schmeckt.' Daß ihr mlr'S so tapfer trage« helft, Kinder, ach, wie ach, wie' Mutter, Mutter, dort hüpft ein Herz!' Ja, ja.' sagte die Mutter lächelnd, e» wird da? meinige sein, denn ach. wie wie fteu' ich«ich, daß ihr so fröhlich und zu- frieden bleibt in diesem Krieg!' Draußen auf dem Gang murmelte da« hmauSgeschlüpste Herz: Schön war es. aber noch nicht ganz wonach ich suche, suche.. Drinnen aber in der Küche saß die Mutter finnend.Mir ist. als ob ich was vergeffen hätte,' murmelte fie. Und zum erstenmal, seitdem ihr Mann gefallen war, ging fie ein wenig unbeschwerter durch den ArbeilStag. Das Herz aber wanderte weiter und kam in ein« Kirche. So feierlich war'S ihm zumute, daß es durch die Kirche schwebte. Jetzt hielt eS senkrecht über einem marmorroten Tausstein.. Flamme schlug zur Flamme, Blut und Stein rannen ineinander Mutter,' sagte ein Kind im Kirchengestühl.Mutter, steh, dort über Idem Taufstein schwebt etwas, das steht säst wie wie eis Herz aus." Es ist ein Herz, Kind.' Aber Herzen sind doch glatt und schön und glänzend, Mutter während jenes dort bekümmert aussieht und voll Falten ist.' Ein Herz ist, was ein Mensch ist, Kind: bekümmert und zcr- pflügt vom Leben. Du mußt jetzt still sein, die Musik beginnt.' Spitzbogig wölbte eZ sich über der erwartenden Menge. Die alte Orgel löste sich aus dem Kirchendüster. Ein altes Männche» griff in die dünnen, gelben Tasten. Die Kinder traten an zu einem Choral. Aber aus der Orgel kamen keine Töne. Verwirrt war das alte Orgelmännchen zu dem Dirigenten hin- übergetrippelt. Er wisie nicht, was mit der Orgel sei, brachte cS heraus, sie gebe keinen Ton von sich. Dann wollen wir ohne Orgel mit dem kleinen Lied von Bach beginnen,' sagte der Dirigent,vielleicht geht'S später doch. Bscht Kinder:.Bist du bei mir'...' Ans hundert Kehlen und K-hlchen stieg'S hinauf, was der alte Bach seiner getreuen Bachin zu Lob und Preis in die Musik hineingedichtet hatte: Bist du bei mir, Geh' ich mit Freuden Zmn Sterben und zu meiner Ruh', Ach, wie vergnügt War' so mein Ende: Es drückten deine lieben Hände Mir die getreuen Auge» zu. Mutter,' flüsterte das Kind im Kirchengestühl.Mutter, da« Herz fliegt auf die Orgel zu jetzt ist cS bei der großen Pfeij« hineingeschlüpft schau, schau, Mutter, die Flamme lodert noch heraus ganz still und steil!' DaS alte Orgelmännchen flog zum Dirigenten:.Die Orgel zittert wie ach. wie vergnügt ich glaub', jetzt geht fie bitte, bitte,'noch einmal da« Lied von Back,!' Die alte Orgel brauste auf wie ei» ferner Echlachtgofang. Unsagbar rührend rang sich da» filbersarbige Sied aus ihrem Innern. Bist du bei mir Hub eS klingend an. .Mutter, das Herz ist dri« Sei ihr", flüsterte eS im Gestühle unten. «ch. wie vergnügt War' so mein Ende... strömte eS in sieghaften Wellen durcki die Menschen von dieser Orgel, in deren Herzgrube sich ein erlöstes Soldatenherz zur Ruhe niederließ. Seitdem ist diese Orgel berühmt. Von weither ströme» sie, die voller Schmerzet, find, bekümmert und zerpflügt vom Leben, hören dieser Orgel zu voll Andacht, stehen auf und gehen ferner durch ei» Lebe  « voller Schmerz und Arbeit ach. wie vergnügt.