1. Jahrgang. Nr. 70.

Dienstag, 22. November 1921.

Sozialdemokrat

Bentralorgan der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republik.

Rebaftion und Verwaltung: Brag II., Havličkovo nám. 32.| Einzelpreis 70 Seller. Beangsbedingungen: Bei Auſtellung ins Haus oder bei Bezug durch die Poft monatlich 16- Telefon 6795, nachts 6797. Telegramm- Abreffe: Sozialdemokrat Preg. vierteljährlich 48, halbjährig 96-, ganzjährig 192. fir Deutschösterreich monatlich 120- OK, für Deutschland   16- Mk. Postspartassatonto 57544. Erscheint mit Ausnahme des Montag täglich früly.

Der Prozeß Rudnay.rischen Staatsangehörigen zu werben, ließ

rischen Staatsangehörigen zu werben, ließ Der Prozeß hat Abgründe aufgezeigt, oder höchstens noch irgendwo bei wilden man die Polizeigemalt gegen fie los und aus denen derart pestilenzartige Düfte auf- Bölfern bestehen. Die m Prozeß vorge Der Prozek vor dem Brünner Ge- was das in der Slowakei   bedeutet, die steigen, daß die höchsten Stellen im Staate tragene Anlage ist verschwindend Klein schworenengericht gegen die des Hochver- noch immer ein dunkler Erdteil ist, hat unverzüglich die Notwendigkeit erkennen und unwesentlich gegenüber der furchtbaren rates angeklagten magharischen tschechoslo- man in diesem Prozeß schaudernd erlebt. müssen, daß alles aufgeboten werden muß, Anklage, die dem Prozeß in Wahrheit zu­wakischen Staatsbürger Bela Rudnay und Die Anklageschrift stützt sich auf drei Buständen ein rasches Ende zu bereiten, grunde liegt und die sich gegen das System Imre Osztas hat, wie schon berichtet, am Dokumente, die der Polizei in der Woh von denen man glaubte, daß sie nur zu der Gewalt und des Unrechtes richtet. zweiten Verhandlungstag, furz nach Er- nung Rudnays in die Hände fielen. Aber Beiten der Inquisition möglich waren, öffnung der Verhandlung, ein jähes Ende was Rudnay in seiner Verantwortung genommen. Es war der Staatsanwalt über diese Schriftstücke und über die Art, selber, der sich nach den Ergebnissen des wie sie die Polizei entdeckte, sagte, wirkte ersten Berhandlungstages veranlaßt sah, gerade sensationell. Die Schriftstücke ließ die Vertagung des Prozesses zu beantra- ein gewisser Györy Topercu, Sekretär der

Enthüllungen über Karls Butsch.

Tommission in Dedenburg.

gen. Die Bertagung erfolgte mit der Be- christlichsozialen Partei, der auch Rudnay Dr. Gret beschuldigt Horty, Bethlen und die Entente­gründung, es sei notwendig, das Beweis- angehörte, bevor er dauernd nach Ungarn  material gegen die Angeklagten zu ergän- abreiſte, in geschlossenen Briefumschlägen zen und ihre Angaben über die Zeugen und auf einem Blumentisch in der Wohnung die von ihnen bestrittene Echtheit gewisser Rudnays liegen, ohne daß dieser etwas Wien  , 21. November.  ( Eigenbericht des den ganzen Tag mit der Ententekommission Gerichtsdokumente zu ergänzen. Aber da- davon gewußt haben will. Und nun gerade Sozialdemokrat'). Aus Budapest   wird gemel- über nichts anderes als über die unmittelbar zu batten die staatlichen Behörden ein erschien die Polizei und mit verblüffender det, daß die Budapester Staatsanwaltschaft bevorstehende Reise Karls verhandelt. Nie volles Jahr Zeit, denn die beiden Ange- Sicherheit gingen die erschienenen Agen­

flagten schmachteten vorerst neun Monate ten auf die Stelle los, wo die Briefe la- heute die gerichtliche Aussage des Dr. Grab an mand wollte anscheinend recht davan glauben. in verschiedenen slowakischen Rertern und gen. Diese Agenten waren die Geheim- den Immunitätsausschuß der ungarischen Na- Graf Bethlen hat den ganzen Plan gekannt weitere drei Monate warteten sie auf die polizisten Duke 3, Südi und Pikal, tionalversammlung übersendet hat. Dr. Graz und in einem Privatgespräch mit Dr. Grak Verhandlung in der Haft des Brünner die sich unter dem Vorwande, ung a- erklärt darin, Horthy   und Bethlen seien für den hat er diesen beauftragt, falls Karl wirklich Straflandesgerichtes, sodaß dem Staats- rische Offiziere zu sein, bei Rudnay

anwalt die Angaben der Angeklagten nicht einschlichen. Und nun sehen wir uns die Putschversuch Karls verantwortlich. Er( Dr. ankommen sollte, den Vermittler zu spielen. unbekannt geblieben sein dürften. Wenn es Qualität dieser Hüter der Ordnung an! Grab) sei am Tage vor der Abreise Karls aus Noch am selben Abend wurde Bethlen von der sich daher auch formell nur um Vertagung Es wurde ihnen, ohne daß sie zu wider- der Schweiz   in Wien   gewesen und hier hat je Ankunft Karls verständigt, habe aber bis zum handelt, so ist füglich, ohne daß eine Er sprechen vermögen, in der Verhandlung dermann, der mit den Monarchisten in Berüh- Samstag nichts unternommen, nur so sei es örterung der Beweismittel zu erfolgen von den Angeklagten vorgeworfen, daß sic

braucht, daran zu zweifeln, daß der Pro- über 2000 Kronen, wertvolle Ringe, rung ftand, gewußt, daß Karl in den nächsten zu der Schlacht bei Buda- Orsz gekommen. zeß noch eine Fortsetzung finden wird. Der Ehrenzeichen und eine goldene Uhr aus Tagen eintreffen werde. Am Donnerstag, an Wären Horthy   und Bethlen sofort energisch eine Tag des Prozesses schon enthüllte so der Wohnung Rudnays mitnahmen", dem Karl seine Fahrt unternahm, sei Dr. aufgetreten, so wäre Karl in Dedenburg ge­furchtbare Dinge, daß die staatliche Macht ohne daß von diesen beschlagnahmten" Graz in Dedenburg gewesen und habe dort blieben. nun das dringendste Bedürfnis empfinden Sachen eine Spur vorhanden wäre! Der Gratz in Dedenburg gewesen und habe dort blieben.

Die Budgeldebaffe.

Fortseßung Der Spezialdebatte.

muß, einer weiteren Bloßstellung auszu- Führer dieser Geheimpolizistenabteilung weichen und sich wie auch ihre untergeord- ist der Detektiv Imre Dukes, der, wic neten Vollzugsorgane von den schweren, er zugibt, während der kommuni­gegen sie erhobenen Beschuldigungen zu stischen Herrschaft in Ungarn  rechtfertigen. Das Zeugenverhör war noch einer Terrorabteilung ange= lange nicht abgeschlossen, die Aktenver- hörte und dort wohl die bestialische lesung nicht beendet, aber schon war die Rohheit erwarb, die er nunmehr als De­Szene zum Tribunal geworden, zum Tri- teftiv in tschechoslowakischen Diensten be­In der gestern fortgeführten Debatte über daß hier ein getreues Konterfet des franzöft bunal über die slowakischen mittelalter- tätigen zu müssen glaubte. Bon Dukes den Staatsvoranschlag befaßten sich die Redner schen Militarismus geschaffen wird. lichen Rechts- und Sicherheitszustände erzählt unwidersprochen der Angeklagte mit den Kapiteln der Justiz, der Innenpolitik und gegen das aus bleicher besinnungs- Osztas, daß er einmal den an Händen und mit dem womöglich noch traurigeren Ka­loser Irredentafurcht geborene Spitelun- und Füßen gefesselten Lehrer pitel der Slowakei  . Es schimmerte so wie ein Minuten die Sitzung. Der erste Redner, Abg. Präsident Tomaschek eröffnet um 1 Uhr 20 wesen, dessen Verderbtheit und Verrucht- Mitolovic so lange geschlagen Lichtblick, als der slowakische Sozialdemokrat Schubert( Bund der Landwirte) spricht über heit nur mit dem altzaristischen Spiteltum habe, bis er ein Geständnis" Bender auch der deutschen Minderheiten in der die Ungleichheit und Unsicherheit der Jufti

verglichen werden kann.

machte. Aus einer Reihe von in der

die sich in den Dienst der jeweils herrschendess

werden. Die Justizadministrative möge ihre

Rudnay und Osztas   ſtehen unter der Berhandlung verlesenen Protokollen geht Slowakei   gedachte, dabei aber jede etwaige politischen Strömung, ſtellt. Er forbert die Be Anklage, in Verbindung mit Agenten des hervor, daß Dukes und andere Detektivs Einflußnahme der Deutschnationalen zurückseitigung der Militärjuftia, Breßfreiheit und ungarischen Generalstabs eine irredenti- in Breßburg Berhaftete in ähn- wies, im Bewußtsein, daß nur die deutsche sich über die sich immer und immer wieder stische Organisation in der Slowakei   zum richer Weise mißhandelten. Sozialdemokratie Beruf hat, sich der holenden Denkmalsturze und verlangt die Zwecke der gewaltsamen Lostrennung der Einer der Mitverhafteten Rudnays, Dr. Leidenden arbeitenden deutschen Bevölkerung volle Einlösung der Striegsanleihe. Slowakei   und Wiederangliederung an Un- Gyapay, garn gegründet zu haben. Inwieweit diese Shapah, wurde auf dem Transporte un­Abg. Dr. Patejdl( tschech. Nat.- Sos.) wehrt menschlich mit der Beitsche und in der Slowakei   anzunehmen und daß nur sie sich entschieden dagegen, daß die Republik   zur Behauptungen der Anklage richtig sind, muß dahingestellt bleiben, da das Gefet mit vorgehaltenem Revolver soziale Uebelstände nicht zum Deckmantel natio- mitbezahlung der Hofhaltung der Habsburger  eine Erörterung und kritische Prüfung der bedroht. Aber damit ist die Aufzählung nalistischer Zwecke mißbrauchen wird. Von den herangezogen werde. Ein großer Teil seiner Beweismittel vor abgeschlossener Berhand- der Talente des Dukes und feiner Amts- Rednern unserer Fraktion wurde mit rüd. Ausführungen ist den Verhältnissen in Rar lung nicht gestattet. Die bisherige Ver- genoffen" nicht erschöpft. Zu den Mitteln, sichtsloser Schärfe aufgezeigt, wie reaktionär, Wahlen in die Gemeinden und die ergänzenden pathorußland gewidmet. Dort mögen bie handlung hat jebenfalls noch keine An- Geständnisse zu expreſſen und wohl auch wie ganz österreichisch die Rechtspflege und die Wahlen ins Parlament ehestens burchgeführt haltspunkte dafür gegeben. Aber man zur Befriedigung bestialischer Luft, zählte tann, schon glauben, paß bie Angeflagten folgende Methode: Verhaftete und Zeu- innerpolitische Verwaltung in diesem Staate Aufmerksamkeit auf den ungenügenden Rich ala Magyaren und frühere Volkszugehögen(!) wurden von Dukes und seinen gehandhabt wird. Für Polizei und Gendar- ternachwuchs lenten. Die Rebe flingt in eine rige des ungarischen Staates bislang Kollegen so lange am Fenster- merie werden Millionen hinausgeworfen, hun- Fürsprache für die Interessen der Legionäre noch keine begeisterten tschechoslowakischen kreuz des Amtsraumes auf ge- derte werden zu Verbrechern gestempelt, für Staatsbürger geworden sind und mensch hängt, bis sie sich zu einer Rud­lich begreiflich ist es auch, daß sie die Los- nah belastenden Aussage be- die aber, die aus sozialem Elend wirklich Ver­trennung von ihren mugnarijchen Stam- quemten. Als dem Dutes in der brecher geworden sind, hat der Staat nur einen mesgenossen, besonders angesichts der Ver- Berhandlung borgehalten wird, daß Bettel übrig, dort, wo es gilt, aus ihnen wie­hältnisse in der Slowakei  , schmerzhaft er den verhafteten Lehrer Mikolovic der müßliche Glieder der Gesellschaft zu wer­empfinden. In dieser Stimmung werden mißhandelt habe, erklärt er aynisch: Wenn den. Sonst aber ist in der tschechoslowakischen Abgeordnete Genoffin Blatny: fich wohl auch die übrigen neun magha- ich gewußt hätte, daß das Gericht ihn frei­Das Justizbudget ist im Staatsvoranschlag rischen Tschechoslowaken befinden, denn sie lassen und er nach Ungarn   flüchten wird, Republik   alles in bester Ordnung. Minister sehr schlecht weggekommen. Dies kann biret? mit ihrer neuen Heimat zu verföhnen, bann hätte ich ihn auf der Ubrzal stellte gleich zu Anfang feiner Rede feft, dazu führen, daß die ganze Justizmaschine murde bisher noch herzlich wenig getan. Stelle niedergeschossen!" Alles daß wir keinen Militarismus hierzulande ken zum Stillstand kommt. Wenn das verhindert werden soll, muß der Zuftrom zum Richter Diese auch der tschechischen Bürokratie Angeführte stüßt sich auf Ergebnisse der men. Denn daß er dann mit dem Bedürfnis amt dadurch erleichtert und verstärkt werden, nicht unbekannt gebliebene Stimmung hat Verhandlung, in ber auch festgestellt fie aber die denkbar unsinnigften und ver- wurde, daß unter den belastenden Schrift- nach hunderttausenden Sabres endete, ft fa daß die Richter materiell besser gestellt unb Ueberstunden  - Bezahlungen, mit kehrtesten Maßnahmen treffen laffen. An- ftüden sich eine Reihe plumper Fäl nur eine feine Intonsequenz, die nur jene voulommen unabhängig gemacht werden. Di tatt um Bertrauen bei den neuen magpa- lichungen befinden! nicht begreifen tönnen, die sich glücklich preisen, denen es die Regierung versucht hat, sind

aus.

Justiz im alten Geist. Neber die stiefmütterliche Behandlung bes Rechtspflege, über die ganz unzulängliche Würdigung des Justizbudgets im Staatsbor anschlag spricht dann