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4. Jahrgang.

Serialdemokrat

Zentralorgan der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der tschechoslowakischen Republik.

Mittwoch, 21. Mai 1924.

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Nr. 119.

Wo bleiben wir? Appell an das Gewissen der deutschen   Protektion im Gesek.

In Oesterreich  , hinter dessen freiheitlichen and demokratischen Einrichtungen und Metho den wir schon jetzt meilenweit zurückstehen,

Demokratie.

Erklärungen des Präsidentschaftskandidaten Painlevé   im Berliner   Borwärts" Handlungen, die durch eine Drudſchrſt begangen Paris  

, 20.' Mai,( Eigenbericht.) Der republikanisch- sozialistische Abgeordnete und frü­here Ministerpräsident Paul Painlevé  , der als Kandidat des linken Blocks für den Posten des Präsidenten der französischen Republik gilt, gewährte heute einem Redaktionsmitglied des Berliner ,, Vorwärts" ein Interview. Darin erklärte er unter anderem folgendes:

Die französischen   Wahlen bezeugen auf das eindringlichste den Friedenswillen des franzöfifchen Bolles und sie widerlegen in den Augen aller der Schichten, die sehen wollen, die Anschuldigungen militaristischer und imperialistischer Ziele, die niemals den wirk lichen Wünschen des Landes entsprochen haben. Die neue Kammer wird auf die Rege lung der internationalen Probleme und insbesondere der Frage der Reparationen und der deutsch  - französischen Beziehungen mit außerordentlich gutem Willen für Verständi­gung und Entgegenkommen eingehen und wird sich bemühen, das Reparationspro­blem in ein wirklich reales Gebiet zu verschen und ihm auf der Grundlage des Sachverstän digengutachtens eine praktische Lösung zu geben dergestalt, daß Europa   nicht wieder ein oder das andere Mal beunruhigt wird. Damit jedoch dieser gute Wille zum Ziele führt, ist es notwendig, daß er in Deutschland   dem gleichen guten Willen begegne. Nichts wäre verhäng­nisboller, als eine Disharmonic von der Art, daß in Deutschland   eine am Ruder befindliche Regierung diese unsere entgegenkommende Haftung als Schwäche auslegen würde, die man nun ausnüßen tönne. Eine wahre Katastrophe mit unübersehbaren Folgen fönnte aus einer solchen Dissonanz zwischen den beiden Regierungen entstehen und ich habe die unbedingte Hoffnung, daß

die politischen Parteien in Deutschland   soviel psychologisches Verstärch die letzten Wah­

den, um die wirkliche Geistesverfassung Frankreichs  , wie sie durch die letzten Wah­len enthüllt wurde, zu begreifen, und genügend raft, um ihre Anschauungen den öffentli= chen und verstedten Chauvinisten anzuzivingen, also nicht nur denen, die gewaltsame Revanche predigen, sondern auch denen, die die loyale Ausführung des Sachverständigengutach­tens und überhaupt jeder friedlichen Vereinbarung jabotieren möchten.

Wenn es anders fommen sollte und wenn die äußerste Rechte wesentlichen Einfluß auf die deutsche Politik ausüben sollte, dann würde sich die französische   Demokratie nicht täuschen laffen und jede friedliche Regelung der zwischen Ländern schwebenden Fragen würde da­durch auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Das wäre eine bittere Enttäu schung für alle diejenigen, die glauben, daß eine aufrichtige Annäherung zwischen den drei großen Demokratien rantsreichs, Deutschlands   und Englands allein die Zukunft und Zivilisation Europas   zu gewährleisten vermöge.

Eine

Eine Schlacht au der polnisch litauischen Grenze.

Zu der Reform" des Preßgesetzes. Von Friedrich Austerlis(   Wien). Die Verantwortung für die strafbaren werden, war bisher, gemäß den aus dem often Desterreich übernommenen Gejegen, einfach und durchsichtig. Wer die strafbare Handlung be­vuit begangen hat, haftete für sie als Täter: er verfiel der Strafe, die das Strafgesetz bestimmt. Daneben haftete vorweg und in jedem Falle der verantwortliche Redakteur: wenn nicht als Täter, so eben dafür, daß er die Tat nicht ver­hindert, daß er jene Aufmerksamkeit vernachlässigt hatte, bei deren pflichtgemäßer Anwendung die Aufnahme des strafbaren Inhalts der Druckschrift unterblieben wäre". Das ist auch eine ganz logische Anordnung: wer die strafbare Handlung in der Presse vorsätzlich begeht, hat sie als Täter zu verantworten; darüber hinaus bedingt es dic Eigentümlichkeit der durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen, daß sie jemand

allen Umständen, also auch dann, wenn ein Täter nicht erforschbar, zu verantworten hat. Und praktisch war die Sache nicht minder einfach. Da Artikel mit strafbarem Inhalt in einer Drud­schrift in der Regel ohne Namensnennung er scheinen, muß sich der Ankläger, ein privater oder der Staatsanwalt, an den verantwortlichen Re­dakteur halten. Und dieser hat wieder die Wahl, entweder die strafgesetzliche Verantwortung zu übernehmen, also selbst befennen, daß er den Artikel verfaßt und zum Drucke befördert habe, oder zu erklären, daß die Veröffentlichung ohne fein Wissen geidah: in ersterem alle fonnte er als Täter beim Geschworenengericht, int weiten Falle wegen Vernachlässigung der pflichtgemäßen,? Aufmerksamkeit beim Bezirksgerichte belangt werden. Dieser Zustand mag nicht der idealste sein, und ich bin durchaus bereit, zuzugeben, daß er durch die Zulassung des Wahrheitsbeweises bei der Vernachlässigung der pflichytgemäßen Auf­

werden zwei Waßnahmen geplant und schon in nächster Zeit zur Durchführung gelangen, an die der verknöcherte Sinn unserer Herrschen­den noch immer nicht denken will. Es wird dort für alle Einreisen in das Staatsgebiet der Visumzwang aufgehoben und statt seiner das Recht der Einreise an die einfache Lösung einer Wertmarke gebunden, ferner wird einer der foffilen Ueberreste aus der finstersten nbsolutistischen Zeit, das ist die faiserliche Berordnung vom Jahre 1854, vom Rolfsmund das Prügelpatent" ge­nannt, beseitigt werden. Die Erfahrung, baß Geseze zähe und langlebig sind, hier findet fie eine besonders drastische und eindringliche Bestätigung. Goethes Wort vom Gesetz und Recht, die sich wie eine ewige Krankheit fort­erben, erweist stets aufs neue seine Wahrheit. Bängst schon wird der Visum- und Paßzwang als eine finn- und zwecklose Plackerei empfun­ben, dennoch besteht er zwischen den meisten Staaten noch fort. Aus einer verwirrten, kopf­Losen Zeit geboren, in der die Regierungen nichts besseres zu tun wußten, als um die Staaten herum chinesische Mauern zu errichten, Lebt er fort, obwohl längst erkannt wurde, daß er nicht einmal die eingebildeten Zwede zu er füllen vermag, denen er dienen sollte. Noch finnfälliger ist es beim Prügelpatent, wie schwerfällig das paragraphierte Recht der Ent­micklung des Rechtsempfindens nachhumpelt. Eine Maßregel des nach der Achtundvierziger Revolution zur Herrschaft gelangten Absolutis­  mus, bestimmt, diese Herrschaft durch Ausdeh­nung der polizeilichen Willtür zu sichern, hat den Wechsel aller österreichischen Regierungen mehrere wurden schwer verwundet. merksamkeit, die ein Widerspruch in ſich ist, zum ebenso heil überdauert, wie den Weltkrieg, den Die Angreifer plünderten das Städtchen Nachteil des Privatanflägers ungebührlich ver schärft worden ist. Aber die Unterscheidung Umsturz und die Zertrümmerung des Kaiser­aus und zogen sich sodann unter Kämpfen mit zwischen vorfäßlicher oder fahrlässiger Begehung Staates. Das alte Desterreich ist tot, das Kaiser-| Viele Tote und Schwerverwundete. Viele Tote und Schwerverwundete. inzwischen eingetroffenen berittenen polnischen der strafbaren Handlung durch die Presse ist doch ium abgeschafft, aber Altösterreichs Gejezze, sein Warschau  , 20. Mai. Aus Wilna   wird Grenzpolizeiabteilungen auf das sowjetrussische die Unterscheidung, die sich aus dem Wesen der Man könnte also unschwer die Bolizeigeist, seine reaktionäre Tradition, fie paar Nachteile und Unbilligkeiten der gegenwär ben fort; die Dynastie ist verjagt, aber die gemeldet, daß in der vergangenen Nacht starte Gebiet zurück. Auf Seiten der Litauer gab es auch Bresse ergibt. tigen Ordnung beseitigen, ohne deshalb der biserlichen Verordungen und die Hofdekrete litauische Freischürlerabteilungen das dicht an der mehrere Tote und Verwunde te. Presse das Ungetüm von einem Gesetz zu be aben bis jetzt Straft behalten, in dem verklei- polnisch- litauischen Grenze liegende Städtchen scheren, das im Abgeordnetenhaus der National­rten Oesterreich sowohl wie in den Nachfolge Krzywice umzingelten und nach einem Warschau  , 20. Mai. Die Poln. Tel. Aq. mel- versammlung zum Beschlusse erhoben worden ist. aaten, allwo die befreiten" Völfer angeblich scharfen Feuergefecht mit einer schwachen Abtei­Denn dieses Gesetz ist schon deshalb zu ver­emokratisch. in Wahrheit immer noch nach lung der polnischen Grenzpolizei in das Städt det: Mit Rücksicht auf das in der letzten Zeit in werfen, weil es aus dem Recht eine Lotterie en vergilbten Hoffanzleidekreten und den an chen eingedrungen sind. Zwei Soldaten den Grenzbezirken von Wilna   und Bialystof über macht. Welche Möglichkeiten stehen jest vor dem teren Hilfsmitteln des kaiserlichen Absolutis- der polnischen Grenzpolizei wurden getötet. Handnehmende Bandenunwesen wurde das mili- verantwortlichen Redakteur? Folgende: 1. Er bekennt sich nicht zu dem Begehen der mus regiert werden. Es wirkt nicht gerade be- die übrigen verwundet. In den Straßen der tärische Kommando dieser Bezirke vom zeichnend, wenn das neue Desterreich erst jetzt Stadt fam es zum Kampie zwischen der Ortsbe- Ministerrat beauftragt, Hand in Hand mit den Tat, also nicht, daß er die Veröffentlichung ver den Visumzwang abschafft und das Prügel-- fann ihm also nicht zugerechnet werden, er fann patent auf den Misthausen wirft, aber was soll bölkerung und den Angreifern. Etwa 20 Bür Zivilverwaltungsbehörden wirkjame Maßregeln anlaßt hat. Die strafgesetzliche Berantwortlichkeit da nur wegen der Vernachlässigung der pflicht­man erst zu den neuen Staaten jagen, die mit der der Stadt janden in den Kämpfen den Tod, zum Schuße der Grenzbewohner zu treffen. gemäßen Aufmerksamkeit bestraft werden(§ 6). den österreichischen Methoden und dem reaftio- E nären Bürokratismus zu brechen gelobten, die gerade die Passtationen, sondern wissen auf lizeiarreststrafen und in gewissen Fällen mit Die Strafe wäre( das Verbrechen der Ver leumdung fann beiseite gelassen werden) Arrest aber doch bis heute an der Absperrung durch anderen Wegen über die Grenze zu gelangen. der Prügelstrafe. Geprügelt wird von der Po- von acht Tagen bis drei Monaten. den Vijumzwang gegenüber den Nachbarstaaten So wurden die Paßformalitäten, der Zwang lizei wohl nicht mehr, wenigstens nicht im und trop Republik an den kaiserlichen Patenten zur Erlangung eines Visums, nur zu einer Namen dieser kaiserlichen Verordnung, denn sich zu der strafgesetzlichen Verantwortung. Die mit einer Treue festhalten, die wahrlich besseren zwecklojen, hirnverbrannten Belästigung des die Bestimmung über die Prügelstrafe wurde Strafe, die ihn, wenn er die Wahrheit seiner An­Strebens würdig wäre?! reijenden Publikums. Daß Oesterreich nun end- schon früher ausgemerzt, aber es gilt dieses gaben nicht zu beweisen vermag, dann droht, ist Der Vijum- und Paßzwang ist das lleber lich den Visumzwang abschafft, ist vernünftig, faiserliche Patent noch immer. Auch in der die Strafe für die Ehrenbeleidigung durch die Bleibiel aus einer Periode, welche in unbegreif- wenn auch feine vollständige Maßnahme, denn demokratischen Republik fann man, ohne vor Presse, also Arrest von sechs Monaten bis licher Sturzsichtigkeit die verkehrspolitische Zer- durch die Einführung einer Wertmarke soll auch den Richter gestellt zu werden, auf Grund zu einem Jahre. eißung der Beziehungen zwischen den Staaten weiter als Grenzzoll eine Gebühr eingehoben dieses Patentes aus grauer Vorzeit mit dem ls ein Mittel des Heils und der Wohlfahrt werden, für die jede sittliche Rechtfertigung Polizeiarrest Bekanntschaft machen oder Geld­anjah. Dieser Zwang, cin reaktionäres Requisit fehlt. Es ist aber doch ein Fortschritt, der bei buße zahlen. Das berüchtigte Prügelpatent spielt nicht mehr in der Polizeipraxis die Rolle aus der Zeit der Postfutsche, sollte wirtschaft- uns rajchest Nachahmung finden müßte. Die bürgerliche Demokratie hat uns nir wie ehedem, es kommen aber heute noch in lichen und polizeilichen Zwecken dienen. Noch find die Schrecken und Qualen in lebhafter Er gends verwöhnt und so muß die endliche Ab seinem Namen Aburteilungen vor, besonders innerung, von denen jede Reise ins Ausland schaffung des Prügelpatents immerhin als ein dann, wenn die Befürchtung besteht, daß zu und Inland begleitet war. Der Paß- und Zeichen der demokratischen Selbstbesinnung ge- einer gerichtlichen Abstrafung die richtige Hand Bisumzwang hat durch Erschwerung des Ver- bucht werden. Sie sollte längst zur Selbstver- habe fehlt. Deutschösterreich hält also Sehraus mit lehrs zur Lockerung und Schädigung alter wirt- ständlichkeit geworden sein, doch daß sie dies chaftlicher Beziehungen geführt, die später nod) immer nicht ist, beweist die Tschechoslo- den Absperrungsmaßnahmen und mit dem ver- usprechen, wenn er beweist, daß Umstände mühselig und oft schon vergeblid) wieder anzu- wakei. Nicht nur, daß hier durch Verschärfung moderten Plunder aus der Aera des monarchi nüpfen unternommen werden mußte. Auch die der österreichischen Gesetze, durch Terrorgeses, stischen und bürokratischen Absolutismus. Wann andere Absicht, als Schuß gegen das Eindrin- Schutzgesek, Immunitätsgesetz und Preßgefeß gedenkt man bei uns diesem Beiſpiel zu fol­gen ungenehner politischer Bewegungen zu novelle der Reaktion gefährliche Waffen ge- gen? Die immer sichtbarer werdenden Unter­bienen, hat Ser Bazzwang nicht im geringsten geben wurden, sind auch noch sogar die allerschiede in der demokratischen Entwicklung zwi- denen der verantwortliche Redakteur zu wählen faiserlichen den Grenzbehörden mit der Bitte um Einlaß Prügelpatent belegte jeben, der Amtshandlun- das Schlagwort Ent öſterreichern wir uns" haftigkeit rauben. Der verantwortliche Redakteur werde, wie der Seftionschef Dr. Polat meint,& borstellig zu werden und Personen, die etwas gen der Behörden und ihrer Organe nicht mit als unzeitgemäß erscheinen. Heute müßte es ist straffrei, wenn er den Urheber nennt, Damit au scheuen haben, wählen als Eingangstor nicht Ächtung" begegnete, mit Geldstrafen, mit Po- heißen: Berösterreichern wir uns!"

Polnische Abwehrmaßnahmen.

2. Der verantwortliche Redakteur befennt

3. Der verantwortliche Redafteur ist über haupt straffrei, wenn er den oder einen Ur­beber nennt und seinen Aufenthalt richtig angibt. Vorausgesetzt, daß dieser gleich verfolgt werden und vor ein inländisches Gericht gestellt werden kann, werden kann, und wenn der verantwortliche

Redakteur darint, daß ihm die Diensientlassung oder ein empfindlicher materieller Schaden ge­droht habe, falls er die Nachricht nicht veröffent

licht hätte.

4. Der verantwortliche Redakteur ist frei vorlagen, nach denen die veröffentlichte Tatsache und die Veröffentlichung die Absicht verfolgte mit Grund als wahr angenommen werden konnte die öffentlichen Intereffen zu wahren,

Es ist klar, daß diese Möglichkeiten, unter

erreicht, denn Gedanken pflegen nicht erst bei ältesteniente in Kraft. Das schen Oesterreich   und der Tschechoslowakei   lassen haben wird, dem Rechte jede Festigkeit und Wahr­