Nr. 95.

Sonntag, 20. April 1930.

Seite 5.

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Ofterspaziergang 1580. Ein Scherenschnitt von Paul Ronewka

Ostern!

Wieder läuten die Osterglocken. Den Gläu bigen der Kirche verkünden sie den alten Mythos von der Auferstehung des Heilands und Millio nen armer und ausgebeutete Proletarier jezen auch heute noch ihre ganze Hoffnung auf die Erlösungsbotschaft, die ihnen die Kirche bringt, die sie im Lauten der Ostergloden zu hören ver­meinen. Aber das Osterfest selbst war vor der Kirche da und wird nach der Kirche da sein als das große Auferstehungsfest der Natur, die Frühlingsfeier der Menschheit, die nach den Entbehrungen und Mühsalen des Winters, das Wiedererwachen des Lebens jubelnd begrüßt.

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als Illustration zu Goethes..Faust".

Dfterspaziergang.

Goethe verewigt in Klassischer Form die freudige Osterstimmung der vom Frühling befreiten Stadtmenschen, indem er seinen Doktor Faust an dessen Famulus Wagner beim Osterspaziergang diese Anrede halten läßt:

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blid; im Tale grünet Hoffnungsglüd; der alte Winter in seiner Schläche zog sich in rauhe Berge zurüd. Von dorther sendet er, fliehend, nur ohumächtige Schauer förnigen Eises in Streifen über die grünende Flur; aber die Sonne duldet kein Weißes, überall regt fich Bildung und Streben, alles will fie mit Farben beleben; doch an Blumen fehlt's im Revier, fie nimmt gepunte Menschen dafür. Kehre dich um, von diesen Höhen nach der Stadt zurückzuſchen. Aus dem hohlen, finstern Tor, bringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so geru, fie feiern die Auferstehung des Herrn,

Der Anblid des ersten jungen Grüns, der tausend und abertausend Knospen, in denen junges Leben mit Urgewalt durchbricht, erfüllen alle, erfüllen auch uns, die wir nicht in dumpfen Kirchen feiern, nicht in Weihrauch  wolken die Vision des Auferstandenen suchen, mit neuer Lebensfreude, mit dem Mut zu neuen Kämpfen, mit der Glut der Begeisterung. Freude und Lebensmut find die Grundafforde der Osterstimmung aller Menschen. Ob die frühlingstrunkenen Menschen in Tanz und Spiel, innig der Natur verbunden, das Fest des erivachenden Lebens feiern, ob sie in den Sym­bolen der Kirche die größere Idee der ewigen Erneuerung berehren, ob sie in gemessener Freude und ernster Selbstbesinnung ihr Oster­feft begehen, immer werden es die gleichen Kräfte sein, die sie bewegen, immer wird sich in der hoffenden, freudigen, gläubigen Oster­stimmung der Lebenswille der Natur offenbaren, ins Zimmer. an deren ewigen Kreislauf, an deren ewiger Junge Burschen in feldgrauen Uniformen Verjüngung der sterbliche Mensch sich aufrichtet. marschieren vorbei.

Christus am Kreuz. Von Max Ed- Troll. Trommelflang dringt von der Straße her

Für den Klassenbewußten Proletarier, für Eine Flagge mit einem großen schwarzen den Sozialisten wird auch dieses Fest einen fie- Halenkreuz auf weißem Felde weht dem fleinen feren Sinn erhalten. Es wird uns zum Sinn Zug voran.

bild der Menschheitserneuerung, die wir nicht Ich öffne das Fenster meines Arbeits­

von den Wundern der Kirche, sondern von simmers. Da beginnen die jugendlichen Hakenkreutzler unserer eigenen Straft erhoffen, es wird uns Sum Sinnbild der sich ewig erneuernden Kraft zu singen. Der aufstrebenden Klassen, die über alle Hinder- Siegreich wo II'n wir Frankreich nisse hinweg ihrem erhabenen Ziele, dem großen schlagen, sterben als deutscher Held!" Menschheitsfrühling zustreben. So läuten uns Ich weiß nicht, ob ich dieses Lied des Haffes die Osterglocken nicht zu Dentut und Verzicht, richtig sitieze. sondern zu Kampf und Sturm, fie läuten uns

die Botschaft der neuen Zeit, sie fünden uns aus alten Legenden den neuen Sinn des Lebens. Die Armen und Getretenen, die Jahrtausende auf den Heiland gewartet haben, die von Ostern zu Ostern vergebens ihre Auferstehung aus Not und Elend erhofft haben, sie hören die neue Botschaft der eigenen Kraft und sie werden sich an ihr aufrichten, aus ihr die Straft und den Mut holen, die sie ans Ziel führen werden. Ein­mal wird dann das Osterfest nicht ein Fest der Sehnsucht, sondern ein Fest der sieghaften und befreiten Menschheit sein, einmal wird die Osterbotschaft nicht ein fernes Ziel, sondern eine Erfüllung bedeuten.

In der Diterhalenfabrit.

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In der Schokoladenfabrik. Von der Nalao­bohue zum Schokolade- Osterhasen.

In diesem Augenblid sehe ich ein Bild vor meinen Augen, das die Erinnerung immer vor mich stellt, wenn ich an die Folgen des Krieges, jedes Krieges denke.

Es war im Frühjahre 1917. Im Feldiazarett des 13.( würthembergischen) Armeekorps in Flandern  .

In Menin!

denn sie sind selber auferstanden aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbesbanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht.

Sich nur, sich! Wie behend sich die Menge durch die Gärten und Felder zerschlägt, wie der Fluß in Breit' und Länge fo manchen luftigen Nachen belegt, und bis zum Sinken überladen entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges fernen Pfaden blinken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfes Getümmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel, zufrieden jauchzet groß und flein: Hier bin ich Menschen, hier darf ich's sein!"

Da ich eines Zages mich vom Bett erheben fonnte, ging ich über den langen Gang, um mir das Lazarett zu beschauen.

Eine Türe zu einem Raum stand offen. Ich schauderte, hielt die Hand vor meine Augen.

In dem Raume standen Badewannen. Die waren bis obenhin mit Wasser gefüllt. Das Wasser war aber rot von

Blut. Ein nackter Männerkörper lag in der Wanne.

Leinenbänder waren am Rande der Wanne

wicht des übriggebliebenen Rörvers zu sehr schmerzen würden. Wasser aber trägt. Da spürt der Arme nicht so sehr die Schmerzen." Wie lange liegt er nun schon im

Bad?"

,, An die drei Wochen!"

Salt läuft es mir über den Rüden. Frost schüttelt mich.

,, Das Wasser wird immer auf gute Körper­temperatur gehalten. Das ist nicht der einzige Fall dieser Art. Solche Verlegte find nicht trans portfähig. Oft liegen derart Verwundete mehrere Monate im warmen Bad."

,, Das ist ja fürchterlich. Das ist ja schlimm stes Verbrechen! Ist der Mann verheiratet?"

" Ja, und vier unmündige Kinder werden den Vater wohl nicht wiedersehen. Ich gebe mir alle Mühe mit dem Verlegten und mit mir meine Assistenten. Ich fürchte aber, es wird ver gebens fein!"

Der Herr Oberstabsarzt ging weiter. Jch blickte durch den Türspalt nach dem Ver­stümmelten im Bad.

Der Aermste wandte seinen Kopf um ein paar Zentimeter.

Seine Augen aber bliebent fest geschlossen. Die Lippen bewegten sich wie zum Gebet. Oder sprach er im Fieber mit feiner Frau?

Oder mit seinen vier kleinen Rindern?

Nahmer Abschied von ihnen? Aus seinen gram- und schmerzdurchfurchten Zügen fonnte ich nichts lesen.

Sie blieben gleich, unveränderlich gleich. Sein Antlig war von einem Hellblonden Bollbart umrahmt.

Ich dachte unwillkürlich: Christus am Kreuz.

Jefus fonnte faum größere Schmerzen ge Titten haben wie dieses Opfer des fluchwürdigen Krieges.

Dornentrönung? Geißelung?

Gang nach Golgatha? Kreuzigung?

Hat solche Leiden nicht viel größer dieser

Die Augen des Mannes waren geschlossen. Wäre das Wasser in der Wanne nicht rot vor frischem Blut gewesen, ich hätte ihn fir tot gehalten. befestigt. Auf ihnen rubten der Kopf, der Körper ewig blutende Krieger aus Zwang erlitten? und die Füße des Unglüdlichen. Die Leinen­und die Füße des Unglüdlichen. Die Leinen­bänder waren gerade so tief im Waffer, daß der Körper immer im Waffer war, der Kopf aber zum Atmen über der Wasserfläche blieb. Der Oberstabsarzt des Lazaretts kam den Gang ent- zu lang. Ich trat auf ihn zu und frug nach der Art der Verlegung des Mannes in der Blut­gefärbten Wanne.

Und leidet sie noch?

Ich bin drei Wochen lang im Felblazarett Menin   in Flandern   gewesen.

Und jeden Tag mußte ich an dem Zimmer mit dem Gekreuzigten vorbei.

Drei Wochen noch das gleiche Bild: Der Ein schwerer Fall. Es geschah in den blonde Manneskopf, das vom ew i- Stellungen beim Kemmelberg. Eine Granate hat gen Bluten rotgefärbte Bad. Dieses Felblazarett war in einer früheren dem Aermsten das ganze Gesän den Ge Wie oft habe ich geweint, da ich dieses Bild Jesuitenschule untergebracht, die an einer Seiten- ich I e chtsteil und ganze Muskelfeben menschlichen Fammers sah! front des großen Marktplayes lag. des Rüdens und der Oberschenfel Aber jedesmal habe ich gelobt: Eine schwere Nierenentzündung hatte mich weggerissen. In ein Bett fönnen wir ihn Schaffe, schreibe gegen den in das Lazarett gebracht. nicht legen, da die Verletzungen durch das Ge- Serieg, gegen Uniform, gegen Kaser

Kugel oder Zylinderröster, je nach den herzu- dann durch Walzstühle, die sie bei zwei bis drei-| Reliefs sich in das Mehl einprägen. In diesen stellenden Erzeugnissen bei einer Temperatur maliger Durcharbeitung feinreiben. Die gewöhn- Vertiefungen läßt man die Füllungsmasse 24 vischen 70 und 100 Grad Celsius gebrannt und liche Stochschokolade wäre damit bis auf die For Stunden lang stehen, bis sie sich verhärtet und bekommen dadurch ihr Aroma. Der Bohnenkern men fertig, feinere Speisenschokoladenarten, be- Form bekommt, um sie nachher mit dem Schoko­ist schwarzbraun geworden, er ist mürb und sonders die Schmelzschokoladen, müssen dagegen ladenguß zu überziehen. Kandierte Früchte, schmedt angenehm bitter. In den Brechanlagen mehrere Tage lang in Längs- oder Rundreibe Mandeln, Nüsse mit Schokoladenüberzug werden Als ich mich vom Hafen her durch eine werden die gerösteten Bohnen fleingetrümmert, maschinen unter Hiße, manchmal bis zu 90 Grad durch Handarbeit angefertigt. schmale menschenleere Gasse der Fabrik näherte, wobei sich die dünne Schale leicht ablöst und Celsius, dauernd in Bewegung gehalten werden, Von Saal zu Saal. roch es schon von weitem start herbsäuerlich. Ich durch Luftgebläse entfernt wird, so daß sich in bis sie leichtflüssig sind.( Conchierung.) In die hielt eine Frau an, erfundigte mich meines We- den Säden auf der einen Seite der Anlage der fem Zustand gelangt die Schokoladenmasse in die Wir wandern schon seit etwa drei Stunden ges und fragte, ob sie wüßte, was das für ein reine Bohnenkern, auf der anderen Seite die Füllmaschinen. In den Sälen, wo diese Appa- durch Treppen und winkelige Flure in dem Fa merkwürdiger Geruch wäre. Schokolade", sagte Schale ansammelt. Das feingebrochene Marf rate arbeiten, herrscht ein ohrenzerreißender brikgebäude herum. Ich habe bisher mehr als fie und lächelte mild, wie man Fremde belächelt, wird durch Trommelfiebe geleitet, wodurch die Lärm. Die metallenen Formen kriechen auf zwanzig Arbeitsräume gesehen, ſtille, lärmige, verbindlich belehrend. Doch erst, als ich etwas etwa stednadellopfgroßen, für die Fabrikation Laufbändern heran und werden unter den Appa- falte, überhiste, ich hörte die Walzstühle furren, später in dem in dem oberen Stockwerk der Fabrit ungeeigneten Reime herausgezogen werden. Hier raten automatisch gefüllt. Dann gleiten sie über die Reibmaschinen nattern, und atmete indeffen stand, erfuhr ich, daß es in der Umgebung nicht trennt sich die Zubereitung je nachdem Kalao- ein Trommelband und verschwinden in dem Schokolade. Ja, ich atmete sie und begriff wohl nach Scholade, sondern nach den Stakaobohnen pulver oder Schokolade hergestellt werden soll. Schlunde der Kühlanlage. Durch das Schütteln die Antwort, die mein Führer mir auf die roch. Da lagen aufgestapelt didleibige Säde, ge- Für Kalaopulver werden die Bohnen feinge- der Trommelbänder zerteilt sich die flüssige Frage gab, ob die niedlichen Arbeiterinnen von füllt mit den gräulich- braunen, großen Bohnen mahlen, dann mit alfalisch reagierenden Mine Schokoladenmasse gleichmäßig in den Formen, den Süßigkeiten wohl gerne naschen: Sie tun aus Ceylon,   Trinidad,   Venezuela,   Westafrika, die ralstoffen behandelt, die den starken Säureinhalt und wenn diese etiva nach 6 bis 7 Meter Bauf das vielleicht in der ersten Zeit, aber nachher fich nach dem erzeugenden Land in Qualität und der Bohnen mildern, sie leicht löslich und die Kühlanlagen verlassen, kann die bereits nicht mehr." Wirklich, als ich vielleicht zum vier Geschmad genau so unterscheiden wie Kaffee schmackhaft machen. Die so zubereitete, warm- starrgewordene Tafel- oder Formschokolade aus- ten Male aufgefordert wurde, wieder eine beson oder Getreidesorten. Die Fabrit ist riesengroß. flüssige Salaomasse wird jetzt in die Töpfe der geschlagen und gleich verpackt werden. Die Herdere Praline zu kosten, schmeckte sie mir nicht Man könnte sagen, sie ist ein Automatenkoloß, geheizten hydraulichen Breffen gefüllt und stellung von Schokoladefiguren,   Osterhasen, mehr. Hier vergeht einem der Appetit nach in den man oben die Rohmaterialien hinein- einem Drud von 300 bis 500 Atmosphären aus Ostereiern usw. geschieht auf dieselbe Weise, nur Schokolade. wirft und unten die fertige Ware herausbe- gefeßt, bis die angemessene Menge Kakaobutter gleiten die Formen mit den innen hohlen Figu- Wie flinke Bienen- ihre gleichmäßige Be lommt doch dazwischen liegt die Arbeit von abfließt. Der Brefferüdstand, ein warmer, trol- ten topfstehend über das Trommellaufband, fleidung verstärkt nur diese Borstellung omplizierten Maschinen und über tausend fener Suchen, ist, nachdem er in den Brechern wobei die überflüssige Masse in einen Behälter schaffen die Arbeiterinnen. Auf einem langen Händen. oder Kollergängen zerkleinert, in Schlagkreuz zurücktröpfelt. Tisch stehen Hunderte von Figuren, schon ge Herstellung der Schokolade. mühlen feingepulvert wird, gebrauchsfertig. Die Pralinen. staltet, aber noch ohne Züge. Ihr Marzipanant Der Hergang der Fabritation beginnt hier übriggebliebene Kakaobutter verwendet man zur oben und ist so für Kalaopulver wie für Scho- Herstellung feiner Schokoladenmassen, eine ge- Füllung und Ueberzug fertiggestellt werden, ist chen sorgt für den Teint. Striche, Pünktchen, Bis jene schmackhaften Kombinationen aus lib ist ausdrudslos, weiß, aber eine Reihe Mäd­folade zuerst der gleiche. Die Bohnen werden in ringe Menge wird für pharmazeutische und los- cine Menge umständlicher Arbeit zu leisten. Es rote Tupfen und aus unscheinbaren Marzipan die Borreinigungsanlagen geschüttet, wo durch metische Zwede verbraucht. find zwei Pralinengattungen zu unterscheiden; stüdchen werden Brotlaibe, Würste, Gänsebraten, Siebe und Windgebläsevorrichtungen fremde Die Schokoladenherstellung ist wesentlich die durch Maschinen und Handarbeit hergestell- Schweineschnitzel. Beimengungen entfernt werden. Die so gereinig lomplizierter. Die zermahlene Ralaomasse wird ten feinen und die ausschließlich maschinell her- Aber hier in dieser Fabrik ist das Zeitliche ten Bohnen gleiten auf laufenden Bändern in in Mischmaschinen( Melangeuren) bearbeitet und gestellten Ronsumpralinen. Nachdem die Fül- gedrängt. Man arbeitete an dem nächsten Tisch die Säde zurüd und werden dabei von Arbei- je nach der Art, mehr oder weniger Zucker, lung zubereitet ist, werden einige Zentimeter für Ostern, terinnen nochmals ausgelesen. Die nächste Sta- Milch( meist Trockenmilch), Nüsse oder Mandeln hohe Holztaften mit Maizenamehl gefüllt, ge- Ostereier. 2. Rozsa. tion ist die Rösterei. Da werden die Bohnen in beigemengt. Die noch groblörnige Maffe läuft glättet, dann eine Platte daraufgepreßt, deren

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Häschen und bunte