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Der, Selbstmord' Biedermanns

Wie erinnerlich wurde dieser Tage die Leiche des sozialdemokratischen Abgeordneten und Ham­ burger   Parteisekretärs Biedermann tot auf den Schienen aufgefunden. Nach dem amtlichen deutschen   Bericht soll Selbstmord vorliegen.

Wir erfahren dazu folgendes: Biedermann fuhr von Köln   nach Hamburg  . Er hatte ein Schlafwagenabteil genommen, hatte fich ausge zogen und hingelegt. Bei der Ankunft in Ham burg war das Abteil leer. Die Leiche des Toten wurde erst am andern Morgen auf dem Schie­nenschotter gefunden.

Allein die Tatsache, daß Biedermann sich zum Schlafen ausgezogen und sein Abteil so hergerichtet hatte, wie man es tut, wenn man die Nacht darin verbringen will, genügt, um die unwahrscheinlichkeit des Selbstmordes dar zutun.

Sein Name steht nun auch auf der Mär. tyrerliste der deutschen SPD  .

Von den verhafteten deutschen Gewerkschaftern.

Der amtliche preußische Pressedienst mendet fich gegen die in der ausländischen Presse ver­öffentlichten Meldung, daß die verhafteten deutschen Gemertschaftsfunktionäre mißhandelt worden seien. Aus zuverlässiger Quelle erfahren wir folgendes:

Tatsache ist, daß weder Leipart noch Graß­mann, die Vorsitzenden des Allgemeinen Deuts schen Gewerkschaftsbundes, nach ihrer Verhaf tung fofort in das Staatsfrankenhaus über­führt worden sind. Beide Genossen sind gemein­sam mit den übrigen 50 verhafteten Gewerk­schaftsführern nach einer SA- Kaserne in Berlin  nahe der Parochial- Kirche   gebracht worden, und fie haben dort 36 Stunden verbracht. Eine Schlafgelegenheit wurde ihnen in Form von auf dem Boden gelegtem Stroh und Padpapier für die Nacht von Dienstag auf Mittwoch geboten, jedoch fonnten nur acht bis zehn Mann gleich­zeitig das Lager benüßen. Nach qualvollem Warten wurden sie dann am Mittwoch abends, ben 3. Mai, zum Polizeipräsidium geschafft, wo fie in der von der Auslandspresse geschilderten Weise behandelt wurden. Erst dann nicht wie behauptet wird sofort sind die Genossen Leipart und Graßmann als Strafgefangene in das Staatskrankenhaus überführt worden.

Die übrigen deutschen Gewerkschaftsführer befinden sich, trotzdem ihr einziges Verbrechen darin besteht, ein ganzes Leben lang für die deutsche   Arbeiterschaft ihr Bestes hergegeben zu haben, heute noch in der Strafanstalt Berlin­Blößensee, ohne daß gegen sie Strafanzeige er­stattet worden ist oder auch nur eine richterliche Vernehmung stattgefunden hat. Selbst diejenigen Gewerkschaftsführer, die Reichstagsabgeordnete find, wurden nicht zur Ausübung ihres Man dates im Reichstage, am Mittwoch, den 17. Mai, entlassen. Die Friedensrede des Volks" Ranz Volks"-Kanz lers Hitler wurde also in Abwesenheit dieser von den SA  - Banditen verhafteten und von der nationalsozialistischen Staatsmacht in Saft gehaltenen Bolksvertretern der staunenden Welt verkündet. Die schönste Friedensrede und der immer wiederkehrende Ruf nach Gleichbe­rechtigung nach außen hin kann die Weltöffent­lichkeit nicht darüber hinwegtäuschen, daß in Deutschland   außer der Mißhandlung von un­schuldigen Menschen, Arbeiter und Voltsführer eingeferkert sind, die stets für den Völkerfrieden und für die Gleichberechtigung der Arbeiterklasse cintraten. Eine Bewegung, die innerbolitisch so viel Schuld auf sich geladen hat, die die persön liche Freiheit und das persönliche Eigentum ihrer Mitmenschen, die nicht Nationalsozialisten find, aufgehoben hat und aufrecht erhält, fann niemals das Mandat erhalten für Frieden und Gleichberechtigung einzutreten.

Neue Adresse des J. G. B. Der J. G. B. schreibt uns: Die neue Adresse des Internatio­ nalen Gewerkschaftsbundes   lautet: Internatio­ naler Gewerkschaftsbund  , 9. Avenue d'Orsay, Baris VII( Telegrammadresse: Interfed, Paris  ). Zur Vermeidung von Verzögerungen bitten wir alle Sekretariate. Redaktionen und Administra tionen, diese Adreffe vorzumerken und die Zu stellung von Zuſchriften insbesondere auch der regelmäßig zum Versand gelangenden Drud sachen, Zeitungen usw. an die neue Adresse zu veranlassen."

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Vom Rundfunk Empfehlenswertes aus den Programmen. Montag:

Sonntag, 21. Mai 1933

Tagesneuigkeiten

Das Anti- Horst- Wessel- Lied.

Inger untergebrachten deutschen   Proletarier

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Hugenbergs Traum...

( D. G.) Bon einem im Konzentrations geht uns auf Unuvegen das folgende, über bie Stimmung der deutschen lassenbewuß­ten Proletarier orientierende Gedicht zu: Die Fahn hoch, die Reihen dicht geschlossen" Die Hahn hoch, die Reihen dicht geſchloſſen" So heißt das Lied, das uns Horst Wessel   sang, Der einst beim Dinnenschutz vom Nebenbuhl er schossen, Hort- Wessel- Lied, wie ist doch falsch dein Klang. Wohl herrschen heute die braunen Bataillone. Terrorisiert der Sturmabteilungsmann Das Halenkreuz dem Heer der darbenden Millionen Den Tag der Freiheit niemals bringen kann. Auch werdet ihr, beim Trommeln und beim Blasen

Das

A., bestimmt nicht auf die Dauer satt- as Weh'n der Hitlerfahnen über allen Straßen, stann sich im Sturme drehen wie ein Blatt. Drum grüßen dich die alten Kampfgenossen Troßalledem mit Freiheit" unverzagt und wird auch mancher noch vom braunen Mob Wir sind erst frei, wenns rot und leuchtend taat

erschossen,

Furchtbarer Zod eines Kindes. Von der Transmission zu Tode geschleift. Pardubiß, 20. Mai. Gestern gegen Abend wollte der 12jährige J. Vrzal, dessen Stiefvater in der Mühle in 3minny bei Dašice angestellt ist, im Mühlhause sein Messer schleifen. Hiebei wurde er von der Transmission erfaßt. Da sich im Mühlhause niemand befand, konnten die Maschinen nicht rechtzeitig zum Stillstand ge­bracht werden. Der schwache Körper des Senaben hatte feinerlei Störung in der Transmission ver­ursacht, die die Mühlenangestellten auf das Un glüd hätte aufmerksam machen können. Der Snabe wurde von dem Riemen zu Tode geschleift und seine verstümmelte Zeiche nach längerer Zeit in der Maschine aufgefunden, die ständig weiterlief.

Selbstmord am 100. Geburtstag.

Motiv: Lebensüberdruß.

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... und die Wirklichkeit

Nr. 119

anzug und beabsichtigt, wie fie erklärte, diese nene Frauenmode auch in der Pariser Music Ball zu propagieren, wo sie einige Zeit hindurch auf­treten wird.

Weil er das Vermögen der Frant verzecht hat... Ju dem Budapester Vorort Csepel hat die Taglöhnersfrau Gazdik ihrem Mann, als die fer schlief, mit einem Rasiermesser die Kehle durchschnitten. Bei Aufdedung der Tat war der Mann bereits verblutet. Die Frau wurde ver haftet und gab beim Verhör an, die Tat des wegen begangen zu haben, da ihr Mann die ihr gehörenden Grundstücke allmählich verkauft und den Erlös bis auf den letzten Heller verzecht hatte,

Boykott Defterreichs durch die Nazi. Am Freitag sprach beim Landeshauptmann von Kärn ten eine Abordnung von Hoteliers vor und legte Originalschreiben vor, aus denen festgestellt wer den konnte, daß Absagen von Gästen aus Deutsch­ land   aus rein politischen Gründen erfolgen und daß von Seiten nationalsozialistischer Parteigän­ger in Deutschland   eine fieberhafte Propaganda gegen den Besuch Desterreichs entfalten werde.

Auf einen spanischen Eisenbahnzug wurde unweit der Station Magoria furz vor einem Tunnel ein Ueberfall verübt. Vier Personen haben mit vorgehaltenem Revolver dem Zugsführer 50.000 Befeten, die für Lohnzahlungen bestimmt waren, entrissen und sind, nachdem sie die Not­bremje gezogen hatten, entkommen. Das Zugs personal suchte die Räuber zu verfolgen und gab. einige Schüsse ab, durch die ein Reisender getötet und zwei verletzt wurden.

Sonntags- Rüdfahrkarten mit erweiterter Gültigkeitsdauer werden im Anschluß an Feier tage in den nächsten Monaten für folgende Tage ausgegeben: 1. 24. bis 28. Mai( Rüdfahrt 24. bis 29. Mai); 2. 3. bis 5. Juni( Rüdfahrt 3. bis 7. Juni); 3. 14. bis 18. Juni( Rüdfahrt 14. bis 19. Juni); 4. 28. Juni bis 9. Jult ( Rückfahrt 28. Juni bis 10. Juli). Die Rück. fahrt muß am letzten Tag bis spätestens 12 Uhr mittags angetreten werden. An den übrigen Sonntagen gelten die Rückfahrkarten wie sonst, d. i. zur Sinfahrt Samstag und Sonntag, zur Rückfahrt bis Montag mittags.

werden.

Selbstmordversuch cines Pilsner Advokaten. Samstag morgens wurde bei einem Gasthaus in der Nähe des Zentralfriedhofs in Pilsen   der Advokat Dr. Baye: schwer verletzt aufgefunden. Es wurde Verfolgten ein wenig Hilfe zu bringen, so ge- festgestellt, daß er viele Stich- und Schnit hässig verfolgt und die Hilfsbedürftigen so wunden aufwies, die er sich mit einem Messer verleundet, wie Horpynka es in einer dring- verursacht hatte, und daß er versucht hatte, sich aus lichen Interpellation getan. Er einem Jagdgewehr zu erscheßen, denn sein Hut verlangte die Auflösung der Liga für war durchschossen. Dr. Bayer wurde in das Pilsner Menschenrechte", weil sie in einem Auf- Strankenhaus geschafft, wo konstatiert wurd, daß rufe zu Sammlungen für die deutschen Flücht eine Verlegungen tödlich sind. Die Ursache des Selbstmordversuches konnte noch nicht ermittelt linge aufrief, und die Emigranten bezeichnete er als Menschen, die entweder gemeine Von der Uro. Eine Woche Pfingst politische Verbrechen durch Brand­legung oder durch politische Morde begangen urlaub für K 180.- in einem Kleinen, idyl lischen Kurort im Bäderdreied; 2 billige haben oder die in früheren Zeiten unter dem Rom   Italienreisen, 11 Tage für 1440 K Einfluß eines gestürzten Regimes durch Aus- Bologna- Rom- Neapel- Pompeji- Capri- Flo nüßung politischer Korruption renz- Benedig) vom 1. bis 11. Juli und vom 2. in ungefeßlicher Weise große Vermögen bis 12. September. Auf der Donau   zum erschlichen haben". Unter den deutschen   Schwarzen Meer, 17 Tage K 1580.-( eine Emigranten ist unseres Wissens nicht einer, Woche Aufenthalt in Varna  ), vom 1. bis 17. Juli. der einen politischen Mord begangen hat. Die Ständige Erholungsaufenthalte in politischen Mörder, wie etwa die Helden von Abbazia  , Grado  , und Riccione   an der Adria, Vel­Potempa, wie der berüchtigte Fememörder den am Wörthersee  , Bled   am Veldessec, Fran Heines, die Mörder Erzbergers, sind im Dritzensbad, Marienbad  , Konstantinsbad, Hirschberg ten Reich in Freiheit und in Macht und Verlangen Sic Prospekte! am Sec, durch Würden. Die zu uns gekommen sind das sind Menschen, deren Körper noch die blutigen Striemen nationalsozialistischer Mäßigung zei­gen, sind Menschen, die schon an Grenze sich das Fahrgeld nach Prag   erbitten mußten, die nicht mehr Wohnung und Nah­rung bezahlen können, die zwar der Hölle ent ronnen sind, aber vor dem Nichts stehen und diesen Opfern der braunen Mordbanden gönnt Horpynka, gönnen seine Parteigenossen, gönnt dieses deutschnationale Bürgertum nicht einmal mehr jene Hilfe, die sie vor dem Ver­hungern schützen soll! Wo man selbst von einem politischen Gegner, der die einfachste menschliche Anständigkeit sich bewahrt hat, wenigstens ein gewisses menschliches Verstehen zu erwarten geneigt ist. findet man statt des Menschen bloß einen Deutschnationalen.

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Entfallender Ministerempfang. Minister für soziale Fürsorge Genosse Dr. Czech empfängt am Dienstag, den 23. ds. M., teine Besuche.

Keine Fahrplanreduktion. Ein Prager   Abend Prag  : 6.00 Gymnastik, 11.00 Schallplatten, blatt brachte unter dem Titel Entscheidende Bes 17.00 Kinderstunde, 18.25 Deutsche Sendung: Weber: Reisen eines nordböhmischen Glashändlers. ratung im Eisenbahnministerium" die Nachricht, daß eine große Reduktion des Personenverkehrs 19.25 Volkslieder, 21.00 Orchesterkonzert.- Brünn: vorbereitet werde, da die Personenfrequenz gegen= 18.25 Deutsche Sendung: Französisch, 19.25 In einer Gemeinde in der Nähe von Nyi- über dem Jahre 1929 um wenigstens 50 bis 60 Saxophonvorträge. M.- Ostrau  : 12.30 Orchester­tonzert, 18.30 Deutsche   Sendung: lar: Wie regyháza( Ungarn  ) verübte ein alter Land- Prozent gesunken ist. Tatsächlich ist, wie amtlich kommen wir zum Verständnis der neuen Musit? wirt an dem Tage, an dem er sein hundertstes mitgeteilt wird, die Personenfrequenz zwischen 19.25 3itherfonzert. München  : 14.45 3itherfonzert, Lebensjahr vollendete, Selbstmord durch Erhän- dem Jahre 1929 und 1932 bloß um 20 Prozent 22.45 Nachtmusik. Berlin  : 20.10 Richard Wagner  . Langenberg: 21.00 Bruckner, 3. Sinfonic. Wien  : 17.25 Konzert.

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Dienstag:

dic Uro- Bodenbach a. E.

gen. Der greise Mann, der feinen unmittelbaren gesunken, d. i. wesentlich weniger, als der Güter­Grund, wie materielle Not oder Krankheit, zu sei berkehr sowie auch weniger, als in den Nachbar­Ein neuartiger Tiefseetaucher. ner Berzweiflungstat hatte, gab in einem hinter- staaten( in Deutschland   z. B. um 35 Prozent). laffenen Schreiben als Motiv Lebensüber- Dieser verhältnismäßig günstige Stand ist haupt- Die englische Marineleitung führt gegenwärtig im sächlich der Motorisierung zu verdanken, mit Stanal mit einem neuartigen Tauchapparat Berjud druß an. deren Silfe es gelang, den Fahrplan der tschecho- durch. Der Tauchanzug, der aus einem Stahlzylinder Es ist gewiß eine Ehrung der deutschen ten und zu verbilligen. An eine Reduktion des besteht, hat auf dem Rüden einen Apparat, der selbst flowatischen Staatsbahnen gleichzeitig zu verdich mit Helm sowie beweglichen Arm- und Beinhüllen Emigranten, vom deutschnationalen Abgeord- gegenwärtigen Fahrplanes, der eben am 15. ds. tätig Luft erzeugt, so daß der Taucher ohne Zuf neten Dr. Hor pynta beschimpft zu werden, in Geltung trat, wird nicht gedacht. Orchesterkonzert, 18.25 Deutsche   Sendung: zufuhr vom Schiff aus arbeiten kann. Man hoff, München  : 20.00 Schumann, 21.30 Sinfoniekonzert. es ist aber auch zugleich ein beschämendes Sorgen der Marlene Dietrich  . Am Freitag daß mit diesem Apparat der Taucher länger unter Leipzig  : 16.00 Aus deutschen Opern.  - Breslau  : Dokument des moralischen Verfalles des ist, aus" Amerita fommend, die bekannte Film Wasser arbeiten fann und daß er auch größere Tiefen 21.00 Bolfslieder.- Wien  : 17.25 Die Liebe im sudetendeutschen   Bürgertums, menn einer sei- hauspielerin Marlene Dietrich   in Baris cinge- wird erreichen können. Auf unserer Aufnahme sich! ner Wortführer die Bemühungen, mittellosen iroffen. Sie trug einen lichten Männer- man, mic der Taucher gerade ins Wasser gelassen wird.

Prag  : 6.00 Gymnastif, 10.00 Deutscher  Schulfunt, 18.25 Deutsche Sendung: Volts­tümliches in der Romantif, 18.50 Zum 120. Be

Lied, 21.00 Mahler: VI. Sinfonic.