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Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH PRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG MAG XH., FOCIONE  . HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . CHEFREDAKTEUR  : WILHELM MIESSNER. VE

14. Jahrgang

CHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Sonntag, 1. Juli 1934

SA  - Revolte gegen Hitler

sfpreis

( einschließlich

Nr. 152

Zweite Revolution

blutig unterdrückt

Röhm verhaftet- Schleicher und Schleicher und sieben SA  - Führer erschossen

Prag  , 30. Juni. Die Nachrichten, die heute in den Nachmittags- und späten Abend­stunden über die Vorgänge in Deutschland   ein langten, laffen noch nicht in aller Klarheit er­tennen, wohin die Entwicklung geht. Die Berichte über die Vorgänge felbft find ziemlich un­flar. Es scheint sich aber um einen Aufstandsversuch der SA  - Leitung gegen den mit der alten Reaktion paktierenden Führer" gehandelt zu haben. Hitler   scheint seinen Widersachern in den eigenen Reihen zuvorgekommen zu sein. Er hat den Haupträdelsführer, den Stabschei Rochm, verhaften und einen Mitverschworen en, den General von Schleicher, erschießen las fen. Andere an den Putschvorbereitungen beteiligte SA  - Führer wurden, offenbar zur Abschref fung, furzerhand ins Jenseits befördert, darunter der berüchtigte Fememörder Heines  . Es ist nicht bekannt, wie sich dieser Massenmord vollzog.

Die Ermordung Schleichers, der als Vertrauensmann der Reichswehr   galt, ist offenbar darauf zurückzuführen, daß er doch andere Wege ging als die alte Reaktion wollte. Er ver­trat in der letzten Zeit ein foziales Programm, das ihn dem sozialistischen" Flügel der NSDAP  , also den Kreisen um Rochm, näherbrachte und soll sich zur Durchführung seiner Pläne ciner auswärtigen Macht haben bedienen wollen. In gewiffem Sinne fonnte er als Gegenspieler Papens gelten, deffen Anfgabe es ist, die Klasseninteressen der Schwerindu­ftric und der Junker wahrzunehmen. Das Rennen um die Gunst des Reichspräsidenten hat der eindeutig reaktionäre Papenflügel gewonnen. Schleicher   fam unter den Schlitten. Es ist die Frage, ob auch sein Gedanke einer Boltsmonarchic" schon Schiffbruch gelitten hat.

Die Reichswehr   selbst wurde bei keiner der heutigen Aktionen eingeseht. Ihre Rolle bleibt nach wie vor unflar, ihre Haltung läßt alle Möglichkeiten offen.

Hitler   hat, indem er gegen den radikalen Flügel feiner Partei vorging, den Auftrag er­füllt, den ihm Papen in seiner Marburger Nebe erteilte: er hat den Bruch mit den Rufern nach einer zweiten, einer sozialistischen" Revolution vollzogen. Es ist der offene Bruch mit den Grundsägen und Versprechungen, die ihn emportrngen. Es ist der Bruch mit den Forde­rungen und Interessen der Millionen in feiner Partei. Er mag feine eigene Position für den Augenblick gerettet und vielleicht sogar gestärkt haben: wenn er ausgeführt haben wird, wozu ihn die alte Reaktion noch benötigte, wenn er die SA   und vielleicht sogar die eigene Partei geopfert haben wird, dann werden ihn jene, deren Werkzeuge er war, beiseite werfen. Der Hitlerfascismus ist im Abstieg, wahrscheinlich sogar im Absturz. Die Folgen dieser Tatsache sind unabschbar; sie werden sich vor allem in einer Stärkung des Kraftbewustseins und des Kampfwillens der europäischen   Arbeiterschaft äußern.

Dic Absetzung Röhms Sleben SA- Führer

München  , 30. Juni. Die Reichspressestelle der NSDAP   teilt im Auftrage des Führers Adolf Hitler   mit:

Ich habe mit dem heutigen Tage den Stabdhef Rochm seiner Stellung enthoben und aus der Partei und SA   ausgestoßen.

Ich ernenne zum Chef des Stabes Ober­gruppenführer Luc.

SA- Führer und SA  - Männer, die seinen Befehlen nicht nachkommen oder zuwiderhan­deln, werden aus der Partei entfernt, bezw. berhaftet und abgeurteilt.

Gezeichnet: Adolf Hitler  , Oberster Partei- und SA- Führer."

Hauptquartier der SA  polizeilich besetzt

London  , 30. Juni.  ( Reuter.) Zu der amtli­chen Nachricht des Deutschen   Nachrichtenbüros über die Absetzung des Stabschefs der SA. Röhm erfährt das Reuter büro folgende Einzelhei ten zu den der Abseßung vorausgehenden und diese begleitenden Ereignissen in Deutschland  :

erschossen

München  , 30. Juni.  ( DNB.) Die Reichs­pressestelle der NSDAP  . gibt befannt: 3m 3u sammenhang mit dem aufgedeckten Komplott wur­den nachstehende SA.  - Führer erschossen:

Obergruppenführer   Auguft Schneidhuber München  .

Obergruppenführer Edmund Heines  , Schle­fien.

Gruppenführer Karl Ernst  , Berlin  . Gruppenführer Wilhelm Schmid  , München  . Gruppenführer Hans Hayn  , Sachsen  . Gruppenführer Hans Peter von Heyde­

bred, Bommern  . Standartenführer Hans Erwin& r af Sre ti, München  .

Eine amtliche Erklärung

München  , 30. Juni. Die Reichs presse­itelle der nationalsozialistischen Partei veröffentlicht ein ausführliches Kommu­in Berlin   und in anderen deutschen   Städten auf­niqué, in dem die Ereignisse der leßten Stunden geklärt werden. In dieser amtlichen Nachricht heißt

..Nach einem über Paris   eingelangten Tele- es u. a.: gramm besetzte die Berliner   Polizei den Bahnhof Seit vielen Monaten wurde von einzelnen und weiter das Hauptquartier der SA  . Es ver- Elementen versucht, zwischen SA   und Partei, lautet auch, daß in Berlin   eine Menge hervorra- wie zwischen SA   und Staat Keile zu treiben und gender Persönlichkeiten verhaftet wurde. Auf den Gegenfäße zu erzeugen. Der Berdacht, daß diese Straßen wurden einige Lasttraftwagen gesehen, Bersuche einer beschränkten, bestimmt eingeftell die mit Soldaten und SA.  - Leuten mit geschulter- ten, Clique zuzuschreiben find, wurde mehr und ten Gewehren und Stahlhelmen besetzt waren, mehr bestätigt. Stabschef Röhm, der vom Füh eilig irgendwohin fuhren. Die Wohnung des rer mit

preußischen Ministerpräsidenten Goering   ist von war, tretenem Bertrauen ausgestattet worden

biefen Erscheinungen nicht nur nicht

einer besonderen Polizeiabteilung geschüßt, die entgegen, fondern förderte fie unzweifelhaft. Sei­mit der Waffe in der Hand, die Menge zerstreute, welche zu dem Sis Goerings vorzubringen juchte. Die Polizei nimmt ununterbrochen neue Haus suchungen vor.

Andere Nachrichten besagen, daß gegen einige Seftionen der nationalsozialistischen Partei cin A u f ſt a n d ausgebrochen ist. Die Unruhen follen in München   ihren Ursprung, haben."

ne befannte unglüdliche Beranlagung führte all­mählich su so unerträglichen Belastungen, daß der Führer r der Bewegung und Oberster Führer der SA felbft in fchwerste Gewiffenstouflifte getrie ben wurde. Stabschef Röhm trat ohne Wiffen bes Führers mit General Schleicher in Beziehun gen: Er bebiente fich dabei neben einem anderen SA  - Führer einer von Adolf Hitler   schärfftens

-

abgelehnten in Berlin   bekannten obskuren Persönlichkeit. Da sich diese Verhandlungen end­lich · natürlich ebenfalls ohne Wiffen des Füh­rers zu einer auswärtigen Macht, bzw. deren Vertretung hin erstreckten, war sowohl vom Standpunkt der Partei wie auch vom Standpunkt des Staates ein Einschreiten nicht mehr zu um= gehen. Blanmäßig provozierte Zwischenfälle führ­ten dazu, daß der Führer heute nacht um 2 Uhr nach der Besichtigung von Arbeitslagern in West­ falen   von Bonn   aus im Flugzeug nach München  flog, um die fofortige Abschung und Berhaftung der am schwersten belasteten Führer anzuordnen. Der Führer begab sich mit wenigen Begleitern nach Wieffer um dort jeden Versuch eines Wider standes im Reime zu erstiden. Die Durchführung der Verhaftung zeigte moralisch so traurige Bil­der, daß jede Spur von Mitleid schwinden mußte. Einige bieſer SA- Führer hatten sich Luft­fnaben mitgenommen. Einer wurde in der efel­haftesten Situation aufgeschredt und verhaftet.

Der Führer gab den Befehl zur rücksichts­lofen Ausrottung dieser Beſt beule. Er will in

Stabschef Röhm

SA

Bufunft nicht mehr dulden, daß Millionen anftän- der Dienst in der fei, für den

diger Menschen durch einzelne franthaft veran lagte Wesen belaftet und kompromittiert werden. Der Führer gab dem preußischen Ministerpräfi­denten Goering   den Befehl, in Berlin   eine ähnli­che Aktion durchzuführen und droht insbesondere, die Aftionen der Verbündeten jedes politischen Komplottes aufzuheben.

Mittag 12 Uhr hielt Hitler   vor den in Mün­ chen   zusammengekommenen höheren SA  - Führern eine Ansprache, in der er seine unerschütterliche Berbundenheit mit der SA   betonte, zugleich je= doch den Entschluß verkündete, disziplinlose und ungehorsame Subjefte sowie asoziale oder krant­hafte Elemente von jetzt ab unbarmherzig auszu­rotten und zu vernichten. Er wies darauf hin, daß

Sehntausende brave die schwersten Opfer gebracht hätten. Er erwarte von dem Füh­rer jeder SA- Einheit, daß er sich dieser Opfer felber würdig erweise und in seinem Verbande als Borbild lebe. Er wies weiter darauf hin, daß er jahrelang Stabschef Röhm vor schwersten An­griffen gebedt habe, daß aber die letzte Entwid­lung ihn zwinge, über jedes persönliche Empfin=. den das Wohl der Bewegung und damit das des Staates zu stellen,

daß er vor allem jeden Verfuch, in lächerlichen Zirfeln ehrgeiziger Naturen eine neue Umwäl zung zu propagieren, im Reime erstiden und ausrotten werde.

SA  - Putsch in München  

..Neld" Hitler   macht Ordnung

München  , 30. Juni. Ueber die Aktion des[ nen, wurde der Plan, eine gründliche Säuberung Führers vom 30. Juni d. J. erhält die NSK von vorzunehmen, in allen Einzelheiten festgelegt. Ale einem Augenzeugen folgende, durch die ekelhafte Lobhudelung Hitlers   besonders auffallende Schil­derung dec Ereignisse:

" Sobald dem Reichskanzler Hitler   durch die Ereignisse und die Nachrichten der letzten Tage über das gegen ihn und die Bewegung geschmie­dete Komplott Gewißheit geworden war, faßte er den Entschluß, zu handeln und mit aller Schärfe

burchzugreifen. Während er in Eſſen   weilte, und

in den westdeutschen Gauen die Arbeitsdienstlager besichtigte, um nach außen den Eindruck absoluter Ruhe zu erwecken und die Verräter nicht zu war­

General Schleicher

Hitler mit seinen Begleitern gegen vier Uhr mor gens auf dem Münchener   Flugplaß landete, erhielt er die Nachricht, daß die Münchener SA während der Nacht von ihrer Obersten Führung alarmiert worden war, unter der gemeinen und lügenhaften Parole:

"

Der Führer ist gegen uns, die Reichswehi ift gegen uns, SA  - heraus auf die Straße!" Der barrische Innenminister Wagner hatte in­swischen aus eigenem Entschluß Obergruppen­führer Schneidhuber und Gruppenführet Schmidt den Befehl über die SA  - Formationen entzogen und diese wieder nach Hause geschickt. Während Hitler   vom Flugzeug in das Innen­ministerium fuhr, waren nur noch die letzten Reste der schmählich getäuschten und wieder ab­ziehenden SA- Formationen zu fchen. Im bay­rischen Innenministerium wurden Schneidhuber und Schmidt in Gegenwart Hitlers   verhaftet. Mit wenigen Begleitern fuhr Hitler   dann unverzüglich um halb sechs Uhr nach Bad Wiessee  , wo sich Rochm aufhielt.

In dem Landhaus, das Rochm bewohnte. verbrachte auch Heines die Nacht. Der Führer be­trat mit seinen Begleitern das Haus. Rochm wurde in seinem Schlafzimmer von Hitler   persön= lich verhaftet.

In dem unmittelbar gegenüberliegenden. Bimmer von eines bot sich den Eintretenden ein schamloses Bild. Heines lag mit einem homo­feruellen Jingling im Bett. Die widerliche Szene. die sich dann bei der Verhaftung bei Heines und feinen Genoffen abspielte, ist nicht zu beschreiben. Sic wirfi schlagartig ein Licht auf die Zustände in der Umgebung des bisherigen Stabchefs, deren