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ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI

IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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14. Jahrgang

HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  , CHEFREDAKTEUR: WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Donnerstag, 26. Juli 1934

Einzelpreis 70 Holter

( einschließlich 5 Heller- Porto)

Dollfuß erschossen Der Tod

Nr. 172

des Diktators

300 Nazi verüben Handstreich gegen Bundeskanzleramt   und Ravag Bom stolzen Roß der Diktatur hat gestern eine Dollfuß, Fey und Karwinsky   in ihrer Hand

Revolverfugel den Dr. Engelbert Dollfuß  , Bun­deskanzler von Oesterreich  , herabgeholt. Am Tage vorher hat er noch das von seinem Vorgän­prägte Wort Keine Mild e" gegen einen

Den Putschisten freler Abzug nach Deutschland   zugesichert, um Feys Leben zu rettenger, dem katholischen Prälaten Dr. Seipel ge

Wien  , 25. Juli. Zwei Terrorgruppen der Nationalsozialisten in der Gesamtstärke von etwa dreihundert Mann haben heute gegen 13 1hr leberfälle auf das Bundeskanzler­amt und auf das Gebäude des österreichischen Rundfunksenders verübt. Da sie in vaterlän­dische Uniformen verkleidet waren, gelang ihnen in beiden Fällen ihr Vorhaben.

Die Radiohörer vernahmen kurz nach 1 Uhr plößlich eine verworrene Meldung, daß dic Regierung Dollfuß   demissioniert habe und der frühere steirische Landeshauptmann Ninte­len, ein Nazifreund, die Kabinettsbildung übernommen habe. Dann sette der Sender ans und es begann ein blutiger Kampf um das Rundfunkhans, der nach einigen Stunden mit der Ueberwältigung der Putschisten durch die Polizei endete.

Weitans folgenschwerer waren die Ereignisse auf dem Ballhansplat. Dort faßten die Butschisten im Gebände des Bundeskanzleramtes den Bundeskanzler Dollfus, sowie den Minister Fey und Staatssekretär Karwinsky  , die sie als Geifeln behielten. Dollink wurde anscheinend bei seiner Festnahme angeschossen. Sein Befinden verschlimmerte sich bald. Er gab noch dem mitgefangenen Feh den Rat, Blutvergichen zu vermeiden, und erklärte sich zur Demission bereit. Dann wurde er mit den Sterbesakramenten verschen und starb in den Abendstunden.

Inzwischen waren die nicht verhafteten Minister als Rumpfkabinett zusammen­getreten. Minister Schuschnigg   wurde vom Bundespräsidenten  , der in Kärnten   weilt, tele­phonisch mit der Stellvertretung des Kanzlers betrant.

Die Butschisten im Bundeskanzleramt wurden von regierungstrenen Truppen uzin gelt, die aber von einem Angriff zurückschenten, weil die Eingeschloffenen drohten, daß sie die drei Minister sofort erschießen würden. Fey beschwor vom Balkon des Gebäudes vic­derholt die Truppen, nicht anzugreifen, sondern zu verhandeln.

Während das Radio aber noch stolz meldete, daß die Truppen schon zum Sturm ein­gefekt fcien, rettete Feh doch noch sein teneres Leben: Sein Heimwehrkollege Nenstädter- Stür­mer verhandelte entgegen den Anordnungen des Bundespräsidenten   doch noch mit den But­schisten und gab ihnen schließlich freien Abzug an die deutsche   Grenze, worauf sie Feh und Starwinsky auslieferten und abzogen.

Der österreichische Sender gab dann alle Viertelstunden die Meldung durch, daß das Standrecht auch auf das Verbrechen des Aufruhrs ausgedehnt sei, und versicherte immer wieder, in Desterreich sei alles in Ordnung. Offenbar haben die Behörden aber vor der hen­tigen Nacht die größte Angst...

Die Bewaffnung der Putschisten in der bereits in Lastautos Plats genommen und waren Turnhalle

Den Ausgang nahmen die Ereignisse von der Turnhalle in der Sieben- Stern- Straße, wo fich am Bormittag eine Gruppe von etwa 300 Nazi versammelte und sich Uniformen des Bundes=

heeres sowie der Polizei und der Heimwehr   anzog und mit Waffen und Munition versah. Die Bo lizeidirektion erhielt angeblich schon um 10 Uhr

Zu den Vorgängen bei der Navag wird noch jungen sozialistischen   Arbeiter durch seine Hen. gemeldet, daß bei der Schießerei drei Ber- fersknechte praktisch zur Anwendung bringen laj­foten den Tod fanden, darunter ein

Polizist. Außerdem seien viele schwer verwundet.

Auf dem

Ballhausplatz

Amtliche Nachrichtenstelle:

Ueber die Vorgänge, die zur Beschung des Bundeskanzleramtes am Ballhausplatz führten, wird bekannt, daß gegen 13 Uhr eine Gruppe von 100 bis 110 Personen auf Lastkraftwagen, ber= fleidet als Offiziere, Polizei­männer und Soldaten, in das Gebäude eingedrungen ist und sofort die Tore gefchloffen hat. Der Bundeskanzler Dollfuй, Bundesminister Fey und Staatssekretär Dr.

arwinity befinden sich in der Gewalt der Eindringlinge. Es verlautet, daß Bundeskanzler Dr. Dollfuß   verwundet sei. Die Be­amtenschaft des Bundeskanzleramtes wurde in den Sihungsfaal zusammengetrieben und unter Be­wachung gehalten.

fen, heute liegt er selber tot hingestreckt. Nicht Der Bundespräsident hat telephonisch bis die Stugel eines Marristen hat seinen Lebens­auf weiteres den Bundesminister für Unterricht lauf abgeschlossen, vielmehr ist er der Rivalität Dr. Schuschnigg mit der provisorischen einer anderen Diktatur, die ihre Machtsphäre Leitung der Regierung betraut und ihm alle Boll­machten des Kanzlers übertragen.

Nach 15 Uhr nachmittags trat im Landes verteidigungsministerium ein Ministerrat zusam men, dem n. a. zeitweise auch Bürgermeister Schmit, Polizeipräsident Dr. Seydl und Gesandter Dr. Rintelen beiwohnten. Der Ministerrat, an welchem die am Ballhausplat eingeschlossenen Mitglieder der Regierung, näm

lich Bundeskanzler Dr. Dollfus, Bundes

davon Mitteilung, unterschäkte aber die Angelegenheit und schickte lediglich vier Kriminal­beamte hin. Inzwischen hatten die Nazis aber losgefahren. Die Kriminalbeamten fahen angeb- minister ch und Staatssekretär Starwin lich einzelne diefer Autos, hielten die Infaffen fkh nicht teilnahmen und der auch in Abwesen aber wirklich für Soldaten und Heimwehren und heit des verreisten Vizekanzlers Starhemberg  glaubten, daß bereits die Exekutive gegen die Naziverfammlung eingesetzt worden fei.

Inzwischen hatten die Butschisten schon das

Bundeskanzleramt befeht, wo man fie gleichfalls für Angehörige der Erefutive hielt. Dann ging der Wirbel los.

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tagte, hat nach telephonischer Rücksprache mit dem in Velden   weilenden Bundespräsidenten Miklas beschlossen, sich nicht auf Verhandlungen mit den in das Bundeskanzleramt am Ballhausplat eingedrungenen Personen einzulassen.

Der Bundespräsident habe ausdrücklich er wehren bewaffnet. Auch vor dem Burgtheater beklärt, daß er keinerlei Gewalt anerkenne und

Der Kampf um das finden fich Maſchinengewehre. Ravag- Gebäude

Weitere Meldungen besagten:

Die 2 Wiener   Navag unterbrach am Mittwoch Zur Zeitbreiviertel 4 Uhr- dauert der gegen 1 Uhr mittags plöhlich das Schallplatten Rampf um das Gebäude der Ravag noch fort. fonzert, nachdem kurz vorher Stimmenge Eine Gruppe von Terroristen leistet nody immer wirr und Unruhe zu vernehmen waren. im Haus Widerstand und die Polizei versucht, sic Dann erfolgte um 13 Uhr 06 durch Radio die mit Gas zu vertreiben. Wie weiter berichtet wird, furze Mitteilung, die Bundesregierung befindet sich unter den Toten das Direktionsmit­habe demiffioniert; Dr. Rintelen über- slied der Ravag old. nehme die Geschäfte des Bundeskanzlers.

Um 15 Uhr 40 wurde die Nuhe in der Um­

Die Nachricht bewirkte in Wien   große gebung des Ravag- Gebäudes wieder hergestellt. Sensation. Nach dieser Meldung unterbrach Das Haus befindet sich in den Händen der Bo­

lizei und die Terroristen, die überwältigt wurden, werben eben, zum Teil verwundet, zu den Ueber­fallsautos geführt oder getragen und abtranspor­fiert. Die Ravag seht ihre Arbeiten in gewöhn= lichem Umfang fort.

die Rundfunkstation in Wien   ihre Sendungen und ist seit dieser Zeit nicht in Betrieb. Die Hörer ver­nahmen jedoch I a ute Geräusche, die wie ein Krachen klangen. Das schien darauf hinzudeuten, als ob sich im Senderaum etwas ungewöhnliches Amtlicher Nachrichtendienst, 16 Uhr 25: creigne. Bei der amtlichen Nachrichtenstelle wurde Die Säuberungsaktion im Gebäude der erklärt, daß von einer Demiffion des Bundeskanz- Ravag wurde von der Polizei und Abteilungen lers nichts bekannt sei. Es scheine sich bei der Ber  - des Schustorps um 15 Uhr 45 beendet. Die ein­lautbarung durch die Ravag um eine Myft i= fitation zu handeln.

gedrungenen Terroristen wurden verhaftet und ab­geführt. Das Gebäude der Navag ist wieder in Die Straßen, in der sich die Rundfunkge Betrieb genommen worden. Den Organen der sellschaft befindet und ihre Umgebung waren mit Exekutive wurden in der Kärtnerstraße und in der bewaffneter Polizei überfüllt. Auf den Häusern inneren Stadt von Paffanten spontane Loyalitäts­gegenüber der Ravas find Maschinengewehre fundgebungen bereitet. poftiert, aus denen bereits geschoffen worden sein In ganz Desterreich herrscht vollkommene foll. Die gesamte Wiener   Polizei wurde mit Ge- Ruhe.

( Fortschung auf Seite 2.)

Rintelen verhaftet

Kurz vor Blattschluß erfahren wir, daß Rintelen, dessen Ernennung zum Bundes­Janzler von den Putschisten gefordert worden war, von der Polizei in Haft genommen wurde.

auch auf Desterreich zu erstrecken sucht, zum Opfer gefallen. Aus einer weiteren Perspektive betrachtet hat Dollfuß   aber seinen frühzeitigen Tod darum gefunden, weil er sich aumaßte, in einem Lande, dessen Großteil der Bevölkerung ihm und seinem Regime in offener Feindschaft gegenüber stand, bei brutalster Unterdrückung aller Meinungs- und Gesinnungsfreiheit den un umschränkten Despoten spielen zu wollen. Nur

gestützt auf die Kommandogewalt über das Mi­litär, die Polizei und die Heimwehr. In den Febertagen hat Dollfus in wahnwißiger Ver­blendung, verführt durch Hitlers   Beispiel, dem Wunsche der Bourgeoisie Rechnung getragen und hat unter Bruch der beschworenen Verfassung mit seinen Kanonen den Warrismus niederfar. tätschen lassen, ohne zu bedenken, daß er durch die Vernichtung der äußeren Formen der So­zialdemokratie die stärkste Abwehrfront gegen den braunen Fascismus zerstöre. Er glaubte sich und sein Regime mächtig genug, nach) zwei Fronten regieren zu können. Er hat gestern diesen Wahn mit seinem Leben bezahlt und hat nach kurzer Diktatorherrlichkeit Desterreich in vorläufig noch unabsehbare Gefahren gestürzt. Es ist ein wenig ruhm und ehrenvolles Ende, das der Vertei diger der Unabhängigkeit Desterreichs" gefunden hat. Wenn Desterreichs und damit der Welt Friede schwer bedroht erscheint denn noch ist nicht zu übersehen, welche Folgen sich aus den gestrigen Wiener   Geschehnissen ergeben können so ist dies das Ergebnis der Politik des Doll. fuß, dem wichtiger noch als seine ihm übertra­gene Miffion, die Unabhängigkeit des von ihm geleiteten Staates zu bewahren, die Aufgabe er­schien, Werkzeug der österreichischen Ausbeuter zu sein und den Staat zu ihrem Unterdrückungs­instrument gegen die Arbeiter zu machen..

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Vom ersten Tage nach der Niedermeßzelung der Schutzbundabwehr war es klar, daß die As. tion der Dollfußregierung gegen die Sozialde. mofratic nur mit einer Stärkung der Angriffsluſt der mit Sprengstoffattentaten für den Anschluß; arbeitenden Nazis enden könne. In der Tat ver­ging seither kein Tag, an dem nicht Terrorafte verübt wurden und in zahllosen Fällen waren die Täter nicht auszuspüren, was b bei dem Um. stande, daß die übergroße Mehrheit der Bevöl