Donnerstag, 29. November 1934
14. Jahrgang
IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
Ehizelpnris 7DlWtor (einschließlich 5 Halte* iMa*
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung mag xii., fochova«. telefon swz. Administration telefon 53074. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. CHEFREDAKTEUR : WILHELM NIESSNER. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, MAG.
Kampf dem Chauvinismus!
Nationalhelden oder Börsenspieler?
notwendigen demokratischen Zusammenarbeit
Sekretär des Jndustriellenverbandes, dem tschechische und deutsche, christliche und jüdische Kapitalisten angehöre». Aus ihren Beiträgen wird dem Nationalheros das bescheidene Gehalt von rund 300.000 XL jährlich gezahlt und man wird jetzt verstehen, daß Herr Dr. Hodäc sich ausgezeichnet in die Seele eines Arbeitslosen, eines verschuldeten und bankrottierten Kleingewerbetreibenden, eines
das Einkommen von 300.000 XL(von den bescheidenen Nebeneinkünsten wollen wir nicht reden, wir können im Augenblick nicht sagen, ob sie in Prozenten oder Vielfachen des Grundgehalts leichter zu messen sind) einem Manne nicht den Luxus erlauben, die Gefühle aller Volksgenossen, auch der 99 Prozent, die ein wenig geringere Gehälter, Löhne und Arbeitseinkommen beziehen, nachzufühlen?! Aber Herr Dr. Hodäc ist auch der richtige Mann, den-.integralen", den unverfälschten tschechischen Nationalismus, und sei cs auf der. Gasse, sei's an der Spitze von Radaubrüdern, zu
Universitätsaffäre befaßten, übertrieb Dr. Luschka (d. Chr.-Soz.) maßlos deren Bedeutung für das gesamte deutsche Volk. Mit dem Erlaß des Schulministeriums sei angeblich eine schwereNiederläge der Deutschen verbunden. Er steht darin einen Schachzug gegen die tschechischen Oppositionsparteien auf Kosten der deutschen Bevölkerung. Von der Regierung verlangt er eine offizielle Stellungnahme zu den Ereignissen und den Beweis, daß sie den kulturellen Bedürfnissen der Deutschen keinen vernichtenden Schlag versetzen wollte. Ihm erwiderte Udrsal(tsch. Agr.): Wenn sich die deutschen Studenten in den von vornherein verlorenen Kampf aus eigener-Jnifiätive gestürzt haben, so zeigt das von einer Unreife der Jugend, die jeder begreifen kann. Aber wenn sie dabei anscheinend von ihren Professoren und von■ reifen Politikern verführt wurden, so ist das wirklich- bedauernswert, weil es in diesem Kamps keinen Sieg geben konnte. Für den Bund der Landwirte gibt Dr. Hodina eine Erklärung ab, in der er an die tschechischen Vertreter die Feststellung richtet, daß für den Wiederaufbau der Gesamtwirtschaft die Sicherung der innerpolitischen Stabilität die Voraussetzung sei. Es sei nicht notwendig gewesen, gerade jetzt in der Zeit der Ueberreiztyeit und Überempfindlichkeit mit
Die Verantwortlichkeit für die jüngsten nationalistischen Exzesse Eine Erklärung unserer Parlamenttfraktlon
Prag . Am ersten Tag der Budgetdebatte gab Genosse Katz im Namen unserer Parlamentsfraktion ein scharfe Erklärung zu der Universitätsaffäre und den_ anschließenden Stratzenkrawallen ab, in der jeder nationale Chauvinismus auf das schärfste verurteilt und die Beranttvortlichkrit des akademischen Senats der deutschen Universität ebenso ange- prangert wird wie die nationalistischen Ausschreitungen auf der Gegenseite. Ganz entschieden wird auch der bekannte Egerer Spracherlaß kritisiert und schließlich der — durch die vernünftigen Prcffestimmen in beiden Lagern begründeten— Hoffnung Ausdruck gegeben, daß sich namentlich die arbeitenden Schichten beider Völker durch keine noch so . hemmungslose nationalistische Hetze von der so abbringen lassen werden. Die Erklärung lautet: Die Hauptstadt unserer Republik ist in diesen Tagen der Schauplatz trauriger Ereignisse ge wesen. In einer Zeit des größten Massenelends, in der es, wie wir wiederholt ausgesprochen haben, die Pflicht aller verantwortlichen Fak toren ist, alle Anstrengungen auf den Kampf gegen die verheerenden Wirkungen der Wirt schaftskrise zu konzentrieren, hat die Anf- peitschung nationalistischer Leidenschaften eine Beunruhigung geschaffen, die vom Standpunkte des freundschaftlichen Zusammenlebens der , Nationen dieses Staates im höchsten Grade bedauerlich ist. Unser Standpunkt zu diesen Borgängen kann kein anderer sein, als die s ch ä r f st e Ver urteilung des nationalen Chauvinismus. Wir erklären offen, daß wir mit den Me thoden, mit denen der Kampf um die Insignien dec Universität geführt wurde, nichts gemein haben. Wir stellen fest, daß die Deutsche Universität in Prag vielfach Anlaß zu ernsten sachlichen Beschwerden und Forderungen hat. Der Zustand ihrer Hörsäle und Institute und ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen erfordert in vielen Richtungen Abhilfe und Verbesserungen. Für diese sachlichen Interessen der deut schen Hochschule haben wir uns immer mit aller Kraft eingesetzt und wollen uns weiter dafür ein setzen, nicht aber für Prestigefragen, die bereits durch das Universitätsgesetz vom Jahre 1920 ent schieden worden sind. Wir übersehen dabei durchaus nicht, daß die Art, wie der vorjährige Rektor der tschechischen Universität die sich aus diesem Gesetz ergebenden Fragen betrieben hat, keineswegs sach lichen Motiven entsprungen ist. Wir finden es daher begreiflich, daß der akademi sche Senat der Deutschen Universität, der sich mit der Tatsache der Uebergabe der Insignien bereits abgefimden hatte, nach einer Form suchte, welche für die Deutsche Universität tragbar ist. Darum haben auch wir alle Bemühungen um einen geeigneten Ausweg unterstützt. Die Verhandlungen über die Form der Uebergabe waren bereits eingeleitet, die verantwortlichen Organe der Deutschen Univer sität wußten, daß sie im Gange waren. Es wäre daher ihre Pflicht gewesen, An sammlungen der Studentenschaft und die Auf forderung zum Studentenstreik nicht zu zulassen. Die Professoren der Deutschen, Universität haben aber durch ihr ganzes Bor-• gehen und insbesondere ihre„P e r m a n e n z- e r k l ä r u n g" alle diese Bemühungen aufs schwerste gefährdet und tragen daher hie für die Verantwortung. Indem wir dies feststellen, können wir den deutschen Professoren den Vorwurf nicht ersparen, daß sie dem Geist der, Na tionalistischen Unduldsam- k e i t unter dem akademischen Nachwuchs, der ihrer Erziehung anvertraut ist, nicht nur niemals entgegeNgetteteN sind,, sondern ihn noch geför-? bett haben. Wir haben gegelt diesen'Geist, 1 Unter dem nicht in letzter Linie die fortschrittlich: gesinnte Studentenschaft und vor allem die soziä- listischen Studenten oft genug zu leiden hatten,■ gegen diesen Geist, welcher der wissenschaftlichen Ausbildung und der wissenschaftlichen Forschung, sehr wenig förderlich ist, immer angekämpft und, werden nicht aufhören, ihn zu bekämpfen.> I
nur einige Worte sagen. Die Untersuchung des Falles ist eingeleitet und wir haben nicht die Absicht, ihrem Ergebnis vorzugreifen. Wir müssen aber feststellen, daß nicht nur der Erlaß selbst aufreizend ist, sondern daß vor allem die Methode, eine kurzfristige Abwesenheit des Kreisgerichtspräsidenten auszunützen, um hinter seinem Rücken eine Verfügung zu treffen, die infolge ihrer Grundsätzlichkeit nicht ohne Wissen des zuständigen Ressortministers hätte getroffen werden dürfen, schon vom Standpunkte der Staatsautorität aus unbedingt zu ver- w e r f e n ist. Wenn wir alle diese Vorgänge aufS tiefste beklagen, so geben wir uns doch zugleich der festen Hoffnung hin, daß die große Mehrheit der Bevölkerung auf beiden Seiten in ihrer Verurteilung mit uns einig ist. Wir sind überzeugt, daß sich vor allem die arbeitenden Schichten des tschechischen wie des deut- schen Volke- durch künstlich inszenierte Streifigkeiten um sachlich bereits entschiedene Fragen von ihre» wahre» Interessen nicht ablenke» lassen. Wir worden uns jedenfalls in uaserem Kampfe um die Herstellung eines Herzfichen Einvernehmens zwischen den Völkern im Staate durch nichts beirren lassen. Denn wir sind überzeugt, daß nur durch die Zusammenfassung aller demokratischen Kräfte des Staates der soziale Aufstieg und die Milderung des Krisenleidens gesichert werden kann. Im Dienste dieser Bestrebungen wollen wir nach wie vor unsere Kräfte einsetzen. Wir unter- stteichen die schönen Worte eines angesehenen tschechischen Blattes: „Der vernünftige und gewissenhafte Bürger, Tscheche oder Deutscher, wird heute in dieser Republik im Dienste der nationalen Verständigung auf dem Felde der ehrlichen Arbeit zur Sicherstellung von Brot und Frieden für die breitesten Schichten der Bevölkerung tätig sein. Eine Sünde gegen die Republik ist heute jede Kleinlichkeit, Gewissenlosigkeit, Oberflächlichkeit in na- tionalen Dingen, jede nationale Aufgeblasenheit und Herausforderung, die nichts gemein hat mit nationalem Seldstbewußffein und insbesondere jede gewinnsüchtige Spekulafion mit den nationalistischen Stimmungen, dott, wo Gefühle und Leidenschaften von gewissenhafter Vernunft beherrscht sein müssen." In diesem Geiste zu arbeiten, find auch wir gewillt und wir wollen alles daransetzen, daß im ffchechischen wie im deutsche« Volke dieser Geist den Sieg davonttagen wird.
Vie Hintermänner des tschechoslowakischen Fascismus
Aber diese Tatsachen rechtfertigen in gar keiner Weise die nationalistischen Ausschreitun gen von der anderen Seite. Wir können uns zur Charakterisierung die ser Vorgänge auf die Worte berufen, die der jetzige Rektor der Karls -Universität, Professor D ra ch 0 v s k h, dessen vornehme Haltung im Laufe der beklagenswerten Ereignisse wir durchaus an erkennen, den tschechischen Studenten zugerufen hat: „Kann uns eine Demonstarfion, insbesondere wenn sie mit Erscheinungen verbunden ist, die sich mit der geltenden Rechtsordnung und mit der öffentlichen Ordnung nicht vereinbaren~ läßt, schneller und besser zum Ziele führen, als das ge setzmäßige Vorgehen?" Jene Kreise, die den Patriotismus jederzeit im Munde führen, haben mit der Schürung von Straßenkrawallen, bei denen charakteristischer weise vor allem die Fensterscheiben von kulturellen Institutionen, und zwar auch von tschechischen, zu Schaden gekommen sind, ihrer Nation und-—! wie die nationalistischen Wiener Studenten- krawalle und die Exzesse der reichsdeutschen na- fionalisfischen Bresse aufzeigen— den Staats interessen wahrhaftig keinen guten Dienst er wiesen. Wir richten unsere Anklage nicht so sehr gegen jene jungen Leute, die von gewissenlosen Drahtziehern irregeführt wurden, sondern vor allem gegen diese selbst, die aus der Auf- peitschung nationalistischer Leidenschaften poli- fischen Profit zu ziehen verstehen und zu die sem Zwecke auch selbst von der Verbreitung von erfundrnenAlarmmeldnn- gen, wie etwa, daß auf der Universität ge schossen wnrde, nicht zurückgeschreckt find. Wir anerkennen, daß die Regierung diesem Treiben entschieden entgegengrtteten ist und erwarten zuversichtlich, daß sie entschlossen ist, den Frie den unter den Völkern dieses Staates gegen solche gewissenlose Störnngsversuche zu schütze«. Wir wollen in diesem Zusammenhänge zu dem bekannten Sprachenerlaß des *•» Von den sonstigen Rednern, die sich mit der I der Durchführung des Universitätsgesetzes emzusetzen. ’■»vG+Ä+S/vffrtvo fr««in 1T n n T t» rf a^tvesen in hip hpihpts
Noch in jedem Land, in dem eine fascistische Egerer Kr eis g e ri chts Prä si denk en'Bewegung entstanden ist, stand hinter ihr das ! Finanzkapital. Manchmal ist es einheimisches, manchmal ftemdes. Mussolini ist nicht so sehr der Sachwalter italienischer Fabrikanten und Bankiers als amerikanischer Geldmänner. Hervorgegangen ist seine Bewegung allerdings aus typisch italienischen,„nationalen" Verhältnissen, aus dem Kampf der schmarotzenden Großgrundbesitzer gegen ihre Pächter und Land-, arbeiten. H j t l e r kann sich rühmen, in d e m Punkte nationaler als Mussolini zu sein, daß er vorwiegend deutsche Kapitalisten zu schützen und zu fördern hat. Der Austr 0 fa sei s- m u s ist wiederum nur das Vollzugsorgan ausländischer Kapitalsmächte und der würdige Erbe der Politik Seipels, die seit 1922 Stück um Stück Oesterreichs den Pariser , Amsterdamer, Londoner und transatlantischen Bankiers, vor allem aber dem„Haus Rothschild" auslieferte. Aber in keinem Lande ist der Zusam- m e n h a n g von Fascismus und Finanzkapital vom ersten Augenblick der Allianz an so deutlich zu erkennen gewesen, wie in der Tschechoslowakei. Hier liegt vielleicht >-r. wir hätten allen Grund, eS zu. begrüßen,-77. ein schwerer Fehler des tschechoslowakischen Fascismus vor. Er hat sich zu zeitig demaskiert. Im Gegensatz zu dem sudetendeutschen Fascismus, der im Jahre 1933 eine erste Häutung durchgemacht, sich seiner kompromittierten und anrüchig gelben Vorkämpfer entledigt hat, um mit neuen Persönlichkeiten zu bluffen, und der es noch heute sehr geschickt versteht, seine Auftraggeber und Finanziers im Hintergrund zu halten, während vorn „Volksgemeinschaft" simuliert wird, hat der tschechische Fascismus den ftagwürdigen Ganovenstolz, das auch zu scheinen, was er wirklich ist. Bei den Demonstrationen der Faseisten in Prager Gaffen sind zwei Männer sichtbar hervorgetreten, in denen sich der tschechische Fascismus weit sinnfälliger als in Sttibrnh oder Gajda verkörpert: der Sekretär des Jndustriellenverban- des Dr. H 0 d ä k, und der Generaldirektor der Zivnostenftä Banka, Dr. P r e i ß. Der eine marschierte an der Spitze eines Demonstrationszuges und hielt eine Ansprache an die„nationale Jugend", die nachher tschechischen Geschäftsleuten die Schaufenster zertrümmerte, der andere wurde Montag abend beobachtet, wie er sichtlich nervös und um den Erfolg der Sache besorgt, vom Sockel des Wenzels-Monuments die Radaumacher inspizierte. In diesen beiden Herren haben wir tatsächlich die Arrangeure und wahren Führer der Nationalen Front, also des tschechischen Fascismus— der es, wie jeder richtige Fascismus, WW empört ablehnt, so zu heißen— die Interessenten Es sei ein Unglück gewesen, daß in die beider-! und Hintermänner der nationalen Opposttion vor seifigen Beziehungen der Völker zueinander ein Ein-!uns. Sie repräsentteren das Großkapital griff von außen erfolgte und zu den ttauttgen Er-, und vor allem die Z i v n 0 b a n k. H 0 d ä k ist der eigniffen der letzten Tage geführt hat. Die Univer-——•-- sität habe sich nicht geweigett, das Gesetz zu erfüllen. Der B. d. L. versichere die Verantwortlichen Fafioren Ser Universität seiner voll st en Sympathie; es sei das gute Recht< i) der studentischen Jugend, alten Symbolen ihre besondere Bedeutung beizumessen. Er ziehe aber einen großen Trennungs strich zwischen der Mehrheit des tschechischen Volkes und jenem Teile, der sich von parteipolitischen Dema gogen verleiten ließ, Ruhe und Sicherheit zu ge- vom Exekuwr bedrohten Bauern hineindenken fährden.| kann, daß er also ein' würdiger Vertreter und Endlich erklärte Stenzl(d. Gew.-P.), es wäre Vorkämpfer der Volksgemeinschaft ist. Oder sollte hoch an der Zeit, das Wort„Gleiche unter Gleichen"‘" zu achten. Die letzten Tage hätten leider etwas anderes aufgezeigt. Es wäre in der Macht der Regie rung gewesen, die Demonstrationen gegen»die Deut schen zu verhindern,, da von deutscher Seite das'Gesetz geachtet wird. Rajman(tschech. Gew.-P.) fängt sein groben Ausfälle gegen die Deutschen und die Regierung Wege» der Universitätsaffäre mit- Wenzel IV? an und t wirft sich gar zum Beschützer der' wahrhaften Demokratie auf, was bei jedem, der Herrn Najman und seine Umgangsformen nur halbwegs kennt, nur ein herzliches Lachen auslösen kann.