-Seife 6„Sozialdemokrat"Di-nswg, 87. August 1935. Nr. 199Die sonntäglicheUnterhaltungsbeilageVon Jaroslav Hasek.Ich wurde mit der Aufgabe betraut, diesonntägliche Unterhaltungsbeilage einer Zeitungzu redigieren, was mir Gelegenheit bot, zu erkennen, wie unerschöpflich groß die menschliche Opferfähigkeit ist. Es gibt eine Unzahl Menschen, diesich aus ganzem Herzen wünschen, daß sich anihren Geschichten tausende beim sonntägigen Frühstück oder nach dem Mittagessen ergötzen.Ich sitze in der Schriftleitung und rauche,nichts Böses ahnewd, meine Zigarre. Jemandklopft.„Herein!" sage ich grob und fordere dieBesucherin mit einer Handbewegung auf, Platzzu nehmen. Der Sessel ist derart aufgestellt, daßder Besucher entweder auf mich oder auf den Papierkorb, blicken mutz. Ich sehe mir die Besucherinan. Es ist eine Dame in mittleren Jahren, anscheinend sehr lebhaft, da sie unruhig hin und herfährt und noch ehe ich: Sie wünschen? sagenkann, loslegt:„Meiner Ansicht nach müssen unsere jungenMädchen vor allem sich selbst schätzen lernen; dasist weder Selbstsucht noch Eigendünkel, HerrSchriftleiter. Die Mädchen sollen Ehrfurcht vorihrer Seele haben, die weiß und rein ist, Ehrfurcht vor ihrem eigenen Willen, der gut ist, Ehrfurcht vor ihrem eigenen Körper, der zum Schrankder Mädchentugenden werden soll. Ein Mädchen,das andern mehr..„Mer erlauben Sie, bitte!"Ohne darauf zu achten, fährt sie fort:, kglaubt, als sich selbst, das sich durch ein fremdesGewissen leiten läßt und seinen Gefühlen gegenüber gleichgültig ist, ja sich ihrer schämt, ist keinMädchen, wie es das Vaterland und die Nationbraucht. Ein solches Mädchen, Herr Schriftleiter,ist wie ein Schilf, das im Sturme hin und herschwankt, bis es endlich bricht und in den Sumpffällt. Ich wünsche mir, die Mädchen könnten öfterdiese meine Worte lesen, weshalb ich Ihnen, HerrSchriftleiter, hier eine Geschichte für die Sonntagsbeilage Ihres Blattes bringe. Ich habe darinmeine Worte der Heldin des kleinen Romans, diedas.Leben kennengelernt hat, in den Mundgelegt."Sie zieht ein umfangreiches Manuskript ausder Tasche und fährt fort:„Meine Worte entspringen dem auftichtigen Willen, die Leser glücklich zu machen, denn das gedruckte Wort hat einengroßen Einfluß auf den Charakter, Herr Schriftleiter." Worauf sie sich erhebt und fragt:„Wohinsoll ich um's Honorar gehen, Herr Schriftleiter?"Ich stehe gleichfalls auf und sage, daß ich mir dieSache erst einmal durchlesen werde und wenn sieEntspricht, dann... Sie unterbricht mich:„Siebrauchen es nicht zu lesen, Herr(Achristleiter,geben Sie es nur in die Druckerei, und bitte jetztum eine Anweisung auf das Honorar; zahlen Siees vielleicht selbst aus, oder an wen soll ich michwenden?" Sie zieht den Sessel zum Tisch, setzt sichund öffnet die Tasche.Ob Sie es glauben oder nicht, zwei Redaktionsdiener hatten zu tun, sie aus der Redaktionzu führen.Es dauert keine fünf Minuten, da erscheintein junger Mann. Das Haar trägt er wie einBrüßler Zwergpintscher nach hinten gekämmt; erverneigt sich tief und sagt, daß er so ftei sei, mitder Bitte zu kommen, ob ich nicht die Liebenswürdigkeit hätte, ihm bei seiner Schriftstellerlaufbahnbehilflich zu sein und ihm mit Rat beizustehen.Ob ich weiter nicht aus den Geschichten, die ermitzubringen sich erlaubt habe, einige auSwäh-len, umarbeiten und ausfeilen wollte? Er habeBegabung, doch wäre er noch unbekannt, da ihmbisher die Gelegenheit gefehlt habe, etwas abdruk-ken zu lassen. Er seht ssch, breitet eine ganzeMenge Papiere vor sich aus und fährt fort, daßer sich die Freiheit nehme, den Anfang einer Geschichte vorzulesen, vorher aber sich erlaube, einigeBemerkungen über die Art und Weise des Schreibens zu machen, die, wie er glaube, die richtigesei. Als Anfänger suche er Zuflucht bei den modernen und bereits bewährten Autoren; an eine selbständige Arbeit habe er sich bisher noch nicht gewagt, nämlich an eine ganz selbständige, da ersich hierfür noch nicht genügend stark und fähigfühle. Sein Liebling sei d'Annunzio neben einerganzen Reihe anderer älterer und jüngerer Autoren von Weltruf. Er übernehme nämlich Sätze ausden Werken der berühmtesten Dichter aller Zeitenin seine Geschichten. Er greife selbst auf Sätze vonTacitus, Plawn und andere zurück. Freilich seidies eine recht schwierige Arbeit. Der Anfang einerGeschichte laute zum Beispiel:„Der Nachmittagsdienst in der sechsten Kompanie war beendet"—dies sei von Tolstoi.„Da lag hingestreckt vor demHause, den zottigen Kopf zwischen den Pfoten"— die von d'Annunzio.„Ein in der Nähe stehender Junge räkelte sich und ließ den halbzerbrochenen Topf beim Brunnen vollaufen"— dies vonBalzac.„Der junge Student der Rechte sah zumHimmel empor, der wolkenlos war." Dies sei vonMaupaffant, aber„der wolkenlos war" sei bereitseine eigene Zutat.„Das zweite Kapitel", fährter fort,„fängt zum Beispiel mit einem Satz vonRousseau aus seinem Buch: Der Gesellschaftsver-trag an:„Ich will nachprüfen, ob in der bürgerlichen Verfassung irgendeine berechtigte undsichere Regel..."Ich trug den jungen Mann auf den Ganghinaus. Nach einer Weil; kehrte er zurück undsagte frech:„Ich habe meinen Hut vergessen. Darsich vielleicht auf Antwort im„Briefkasten derSchriftleitung" warten?" Wieder mußte ich ihnauf den Gang hinausschleifen.Wasserleitung aus Käräny geplatzt. Sonntag um 17.40 Uhr platzte die 1110 Millimeterstarke Wasserleitung von Käräny nach Prag. DieZuleitung von Wasser, aus Käräny wurde deshalbeingestellt und es stand während der Reparaturbloß das Wasser aus der Station Podoli zur Verfügung.Vom Motorrad in den Graben. Gestern frübfuhr der Chauffeur Franz Hudälek aus Nusle zurTankstation in der Podöbrader Straße in Hloubetin,als ihm in der Richtung nach Prag der 31jährigeElektrotechniker Viktor Capek aus Kyf auf feinemMoforrad entgegenfuhr und so heftig gegen denvorderen Teil des Autos stieß, daß er im Vogenaus dem Sitz in den Straßengraben flog. Hier blieber mit einem gebrochenen Fuß und einigen Rißwunden an Kopf und Armen liegen.Einbrecher am Tatort eingesperrt. In derNacht auf Sonntag hört« ein Beamter der Konsumgenossenschaft Vdela in Prag-Holleschowitz, Nr.1401, ein verdächtiges Geräusch und erblickte, alser näher kam, durch den Türspalt den 32jährigenpolizeibekannten Einbrecher Jaroslav Zaväsal ausMnisek bei Königssaal im Verkaufsraum an derArbeit. ES gelang ihm, vom Einbrecher unbemerkt,diesen im Verkaufsraum, einzusperren, bis er Hilfegeholt hatte.Xunst unä MssenSommerfpielzrit Kleine Bühne. 27. bis 31.August:„Die Pfeffermühle". Das Gast-Nach etwa einer Viertelstunde kam ein neuerBesuch: Ein älterer Herr mit einem abgetragenenZylinder auf den Kopf. Er sah sehr würdig aus.„Ich erlaube mir", sagte er mit Nachdruck,„bei Ihnen vorzusprechen. Ich weiß, die HerrenSchriftleiter lieben nicht lange Unterhaltungen mitBesuchern, darum will ich mich kurz fassen. IhrBestreben ist, den Lesern Ihrer sonntäglichen Unterhaltungsbeilage Schönes zu bieten, da die Gemüter vieler Leser dem Eindruck des Schönen unterliegen und sich von ihm forttragen lassen in derRichtung zu den Pfaden hin, die hinaussühren ausder nüchternen, vernunftsmäßigen Abschätzung derDinge. Ich will ganz und gar nicht behaupten,Herr Schriftleiter, daß sich aus einem derartigenGeisteszustand etwa eine kritische Beurteilung undAnalyse des Schönen ergeben könnte..." DerMann, der sich kurz fassen wollte, setzte sich undfuhr fort:„Eine schöne Geschichte vermag mit geradezu elementarem Eindruck zu fesseln, und ichweiß, daß wir den Leser beglücken, wenn wir ihmeine schöne Geschichte bieten. Ich habe daheimwirklich gute Sachen für Ihr Blatt vorbereitet.Ich nahm sie nicht mst,, da ich nicht wußte, ob ichbei Ihnen vorbeikomme. Ein Zufall führt michhier vorüber, und da nahm ich mir vor. Ihnenmeinen Entschluß, die Sachen in Ihrem Blatt zuveröffentlichen» mitzuteilen. Damit wir zumSchluß kommen, geben Sie mir hundert Kronena Konto des Honorars."Das überstieg alle Grenzen. Ich wurde grobzu dem unverschämten Kerl, was er mit seinemSwck beantwortete. Natürlich habe ich ihn mitHilfe des Redaktionsdieners auch ordentlich zugerichtet. Seither aber bin ich der Meinung, daß esbesser ist, Portier in einem gutbeleunweten Hotelzu sein, als eine Unterhaltungsbeilage zu redigieren.Deutsch von Julius Mader.spiel Erika Manns und ihres Ensembles ist nachdem großen Erfolg der ersten Spielwoche um weitere acht Tage verlängert worden. In das Programm der„Pfeffermühle" wurden nachträglich dreiweitere Nummern ausgenommen, u. a. bringt TheresGiehse„Die Schönheitskönigin". Beginn 8 Uhr.Preise: 5 bis 45 Kd. Vorverkauf: Deutsches Haus,N. D. Theater, M. Truhläk.DeeMnrDer erste KutzTa man diesen tschechischen Film im Zeichendes fünfundzwanzigjährigen Jubiläums der heimischen Filmproduktion herausgebracht hat, befindetsich der Kritiker, der vom Herzen gern gratulierenmöchte, in einiger Verlegenheit. Denn um derWahr-heit willen kann er sich angesichts dieses Produkts zukeinem Glückwunsch aufraffen, sondern nur wieder-l'ölen, was den heimischen Filmherstellern schon sooft gesagt worden ist— und beim nächsten Jubiläum hoffentlich überholt sein wird: daß auf demWege, auf dem sich die Mehrzahl der tschechischenFilme(und so auch dieser) befindet, keine Hoffnungist. Es lohnt nicht, auf die Einzelheiten dieser(nacheinem Manuskript des übrigens deutsch schreibendenKriminalschriftstellers Kurt Jühn) stillos zusammengeflickten Tragikomödie einzugehen, die mitihrem Wechsel von sentimentalen und unecht dramatischen Szenchen keinen Eindruck machen kann. Dennes handelt sich um grundsätzliche Fehler. Der erste istJarmila Rovotntin dem Wiener Film„Der Kosak und die Nachtigall"der mangelnde künstlerische Ehrgeiz, das Kleben ander angeblich populären Schablone, das auf einerfatalen Unterschätzung des Publikums beruht(wiecS der Erfolg der nicht-tschechischen Filme bei dentschechischen Zuschauern immer von neuem beweist).Der zweite und fast noch ärgere Fehler ist die Verkennung der eigenen Kräfte. Denn solange die heimischen Filmproduzenten den in plumpen Rührseligkeiten schwelgenden und auf überdeutliche Effekteschwörenden Regisseur Slavinskh für ihren bestenMann halten, solange sie daran festhalten, eineSchauspielerin wie die NedosinskL zu ewigenTelbstwiederholungen zu zwingen und einen achtbaren Episodendarsteller wie Theodor Pistök inCharakterrollen vorzuführen/— solange ist denjubilierenden Herren nicht zu helfen.Man hätte statt dieses arsten, aber gar nicht fti-schen Kusses zur Jubiläumsfeier einen Film Herstellen sollen, der Regisseure wie Machath oder Frid aniWerte zeigt und die besten der schon bekanntenFilmschauspieler(wie Burian, Haas, die Redosinssä,Boskovec und Werich) mit den hoffnungsvollsten derjüngeren Talente(wie Hanka Vitovä oder LadislavPeSek) in einem Ensemble vereint. Oder man hättedie besten Filme der Vergangenheit als Beweis fürdas schon Erreichte zeigen sollen:„Ekstase",„HejRup", die„Singende Erde" und die verfilmte„Verkaufte Äraut".—cis—.Indianer und GangsterZwei amerikanische SensafionSfilme„Der weißeWler" und„Polizeiwagen 99" sind Wildwestfilm«in alter und modernisierter Fassung. Den alten Stilzeigt der„weiße Adler", eine Jndianergeschichtr, inder ein Häuptling heroisch darum kämpft, seinenStamm von falschem Verdacht zu reinigen, bis sicham Ende herausstellt, daß der Held gar kein echterIndianer ist und insofern bedenkenlos das weißeMädchen heiraten kann, ohne mit der Rassentheoriein Konflikt zu geraten, die also auch schon in derWildwestabteilung von Hollywood ihren Einzug gehalten hat.Modernisiertes Wildwest zeigt der andere Filmvom„Polizeiwagen 99", der uns an einem unerheblichen Kriminalfall dieWirlsamkcit gut ausgerüsteterVerbrecher und besser ausgerüsteter Polizeitruppenzeigt, die in vielen atemlosen Jagden vor und hiß-!tereinander her sind. In diesem Film wirkt wenigstens die Ausstattung echt..—eis.Es rvar einmal ♦..Die merkwürdigsten Märchen sind die, welchesich ereignet haben. Die Menschen vergessen nurgar zu schnell, wie es einmal war, und verschließen sich damit ihr interessantestes Märchenbuch. Der große dänische Märchendichter Andersen wußte das und schilderte in einer seinerschönsten Dichtungen, wie ein Mensch seiner Zeitin vergangene Jahrhunderte zurückversetzt wirdund was er da erlebt. Auch der große englischesozialistische Schriftsteller, Wells hat sich mit solchen phantastischen Möglichkeiten ausführlich beschäftigt, um der Gegenwart die Entwicklung vonder Barbarei trotz allen Rückschlägen bewußt zumachen und sie zu weiteren kulturellen und zivilisatorischen Leistungen anzuspornen.Doch selbst ohne so hohe Ziele bleibt eSimmer unterhaltsam, in die Vergangenheit unterzutauchen und Zustände zu beleuchten, die voreinigen Jahrhunderten als selbstverständlichempfunden wurden, uns aber unerwartet sonderbar anmuten.Es sind uns Briefe des großen HumanistenEraSmus von Rotterdam erhalten, indenen er, der halb Europa bereist hatte,, einendeutschen Gasthof zu Beginn des 16.Jahrhunderts, also vor vierhundert Jahren,schildert.„Bei der Ankunft in einem Gasthofe grüßtniemand, damit es nicht scheine, daß sie viel nachGästen fragten. Die Frage nach dem Stall wirdmit einer Handbewegung beantwortet. Ist dasPferd besorgt, begibt man sich, wie man ist, indie Stube, mit Stiefeln, Gepäck und Schmutz.Dieser geheizte Raum ist allen Gästen gemeinsam. Hier zieht man die Sfiefel aus, bequemeSchuhe an und kann auch das Hemd wechseln. Dievom Regen durchnäßten Kleider hängt man amOfen auf und geht auch selbst an ihn, um sich zutrocknen. Auch Wasser zum Händewaschen ist bereit, aber es ist meist so sauber, daß man sichnach einem andern Wasser umsehen muß, um dieeben vorgenommene Waschung abzuspülen.Kommt man um vier Uhr nachmittags an, sokann man nicht vor 9 Uhr essen, nicht selten erstum 10 Uhr, denn es wird nicht eher aufgetragen.Es kommen in demselben geheizten Raume häufig80 oder 90 Gäste zusammen, Futzreisende, Reiter, Kaufleute, Schiffer, Fuhrleute, Bauern,Knaben» Frauen, Gesunde, Kranke. Hier kämmtsich der eine das Haar, dort wischt sich einer denSchweiß ab, ein anderer reinigt seine Schuheoder Reitstiefel... Jedem stößt der Knoblauchauf... Sobald sich alle an den Tisch gesetzthaben, stellt der Wirt vor jeden einzelnen einenhölzernen Teller, einen Holzlöffel und nachherein Trinkglas. Der allgemeine Wein ist sehvsauer, besseren gibt es auch für gutes Geld nicht.Dann kommen mit großem Aufwand die Schüsseln. Wünscht ein von der Reise Ermüdeter gleichnach dem Essdn zu Bette gehen, so heißt es, er! solle warten, bis die übrigen sich niederlegen.Dann wird jedem sein Nest gezeigt und das istweiter nichts als ein Bett, denn es ist außer denBetten nichts vorhanden, was man brauchenkönnte. Die Leintücher sind vielleicht vor sechsMonaten zuletzt gewaschen worden."-Dieser Bericht ist nicht gerade verlockend unddoch wie herrlich war so ein deutscher Gasthofvon 1520 im Vergleich zu einem polnischenLandwirtshaus der gleichen Zeit, wobeinicht Spelunken, sondern die jeweils besten Näch-tigungsmöglichkeiten miteinander verglichen werden. Auch darüber haben wir zeitgenössische Berichte aus der Gegend von Warschau.„Da war Haus, Stuben, Kammern, Küchen,Kuh-, Pferde-, Sau«, Hühner-, Tauben- undGänsestall alles ein Ding. Das Dach war obenoffen, damit der Rauch hinaus konnte. Nach demNachtessen legte sich ein jeder in diesem Raume,wohin er wollte, es wurde an einer LängswandStreu ausgebreitet, oben lag der Hausherr,neben ihm seine Frau, dann die Kinder, dieKnechte und die Mägde und schließlich kamen dieGäste. An der gegenüberliegenden Wand standendie Pferde mit ihren Schellen und die Kühe,Kälber, Schafe und Ziegen, die zu dem Schellenklang ihren eigenen Gesang fügten. Die Säuemit ihrem Grunzen rannten in diesem Palast fastdie ganze Nacht umher und suchten in den Säckender Reisenden nach Brot, weshalb man sich oftwehren mußte. Sie suchten um die Wette mitden zahllosen Ratten und Mäusen. Die Gänsewill ich nicht vergessen, bie in die Musik der anderen Tiere mit ihrem Geschnatter einstimmten. Ambravsten waren noch die Hühner und Tauben;sie saßen über uns hier und dort auf einer Stangeund taten niemanden etwas zu Leide. Manmutzte sich bloß das Angesicht etwas zudecken,damit einem die Eier nicht ins Maul flogen. AnLäusen und Flöhen war Ueberfluß. Glücklicherweise war die Sommernacht kurz, der Hahn er-freute uns, als er den Tag ankündigte. Da hießes, schnell aufstehen, daß einem, wenn die Toregeöffnet wurden, das Vieh nicht über den Leiblief."Auch manche Speise vergangener Tagewürde uns merkwürdig anmuten. Eiersuppe mitSafran, Pfefferkörnern und Honig darin würdeuns wahrscheinlich genau so wenig munden wieStockfisch mit Oel und Rosinen. Oder wie würden wir einen Gastgeber ansehen, der nach demEssen ein Abführmittel anbietet, damit uns dasMahl gut bekommt? Oder unsere jungfräulicheTischnachbarin, wenn sie uns versichern würde,sie wolle zum Zeichen ihrer Zuneigung an allenFreitagen und Samstagen, die wir abwesendsein würden, keine Wäsche an ihrem Leibe tragen? Oder wenn sie uns anbieten würde, alsLiebesunterpfand die Hemden zu wechseln? DennMänner- und Frauenhemden waren im Mittelalter gleich. Selbverständlich wären wir einverstanden und dürften dann die Jungfrau in ihtSchlafzimmer begleiten und ihr beim Auskleidenund dem Hemdwechsel behilflich sein, ohne daßjemand daran Anstoß nehmen würde.Für Langschläfer wären die vergangene»Jahrhunderte nichts gewesen. Man stand imWinter um 5 Uhr, im Sommer um 4 Uhr auf,ging aber dafür auch schon zwischen 8 und 9 llbkabends schlafen. Die äußerste Polizeistunde sükdie Schanfftätten war 9 Uhr. Der frühere Arbeitsbeginn hatte trotz, einer langen Arbeitszeiteinen früheren Arbeitsschluß zur Folge, so daßnicht wundernehmen darf, ivenn in den Ge-sellenvorschriften zu lesen ist, daß der Gesellenicht vor 3 Uhr nachmittags zum Bier gehe»darf. T.Bezugsbedingungen: Bet Zustellung tnS Hau» oder bei Bezug durch Vie Post monatlich Kö 16.—. vierteljährig Kd 48.—, halbjährig Kd 96.—. ganzjährig Kd 192.—.— Inserate werden lautTarif billigst berechnet. Bei öfteren Einschaltungen Preisnachlaß.— Rückstellung von Manuskripten erfolgt nur bei Einsendung der Retourmarken.— Die Zeitungskrankatur wurde von der Post- und Test-graphendirektion mst Erlaß Nr. 13.800/VII/1930 bewilligt.— Druckerei:„Orbis". Druck«. Verlags« und ZeitungS-A.-G.. Prag.