Seite 8 Sozialdemokrat" SamStag, 7. Dezember 1935. Nr. 285 Wochenspielplan deS Rene« Deutschen Theaters. Samstag, halb 8: Tanzabend Trude S ch oo p, ohne Abonst.' Sonsstäg, halb 3: Kind im Kamps; halb 8: Türandot, neueinstudiert, D2. Montag, halb 8: Der keusche Lebe« m a nn, Gastspiel Otto Wallburg   mit Ensemble, Abonn. aufgehoben. Dienstag, halb 8: Der lächerliche Sir Anthony, Erstaufführung, AI. Mittwoch, halb 8: Fidelio, B 1. Donnerstag, halb 8: Wozzek Die Ge­schichte vom Soldaten, C 2. Freitag, halb 8: Der lächerliche Sir Anthony. D 1. Samstag, halb 8: Macbeth, CI. Wochrnspirlplan der Kleinen Bühne. SamS­tag, halb 8: Wozzek, neuinszeniert Die G e- schichte vom Soldaten.   Sonntag, 3: Teddy contra Teddy; 8: Anna sagt neinö Montag, 8: Jeanne, Bankbeamten I. Dienstag, 8: Wozzek Die Geschichte Deutsche sozialdemokratische Bezirksorganisation, Prag  DienStag, den 10. Dezember, acht Uhr abends, findet im großen Saal deS Odborovh düm eine Plenarversammlung mit Bortrag statt. Es spricht: Schriftsteller Stent Sonderegger-Allrich über das Thema: Offensive Demokratie Warum der Schweizer   Fascismus geschlagen wurde Sonderegger gehört zu jenen Linksdemokraten, die im Bunde mit der Schweizer   soziali­ stischen   Arbeiterschaft einen erfolgreichen Kampf gegen die fascistischen Fronten bis zu ihrer Riederringung in der letzten Wahlschlacht geführt haben. Er vertritt das Programm einer poli­tisch-sozialen Offensivpolitik der europäischen   Demokratien. Die Schweizer   Entwicklung bietet ein intereffantes Gegenstück zu den Verhältnissen im sudetendeut­ schen   Lager. Mit Rücksicht auf dieses aktuelle Thema sind von Mitgliedern eingeführte Gäste willkommen. Wir erwarten einen regen Besuch. Die Bezirksleitung vom Soldaten.   Mittwoch, 8: Fremden­verkehr, volkstümliche Vorstellung. Donners­tag. 8:Annasagtnein. Freitag, 8: Woz­zek, Kulturberbandsfreunde und freier Verkauf. Samstag, 8: Anna sagt nein. üu& lier Partei (Einen DiSkussionSabend überDie ZinSfußsen- kung und die Volkswirtschaft" veranstaltete am Don­nerstag, dem S. Dezember, im Parteiheim die Deutsche sozialdemokratische Bezirksorganisation Prag  . Der Referent Genoffe Heinz Fischer er­örterte in dreiviertelstündiger Darstellung die Frag« der Zinsfußsenkung und ihrer Wirkung auf die ver­schiedenen Zweige der Volkswirtschaft wie des Kredit­wesens. der Industrie und Landwirtschaft und be­sprach u. a. di« Frage, wie groß die Senkung des Zinsfußes sein müßte, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und das vielerörterte und umstrittene Problem der offenen Marktpolitik. In der anschlie­ßenden Debatte sprachen mehrere Redner, die sowohl die grundsätzlichen Fragen der Zinssenkung als auch eine Reihe damit im Zusammenhang stehender prak­tischer Auswirkungen behandelten. Der Abend verlief sehr anregend. Bezirksverein Arbeiterfnrsorge. Die Genossinnen werden ersucht, sich zum Ausbeffern von Kleidern und Wäsche am Nkontag, dem 9. Dözember, ab halb 9 Uhr früh im Büro der Arbeiterfürsorge, Prag   II, Füg- nerovo näm. 4, S. Stock, zur Verfügung zu stellen. Fraurnorganisation Prag  . Der Handarbeits­nachmittag-er Frauenorganisation ist dies« Woche stätr Dienstag gm Donnerstag. Die große Wette Es hat(nach Kellermanns Roman) einen Nazi-Film vomTunnel" gegeben, in dem der grausame Wahnwitz, das Opfer fürs Kapital und der Größenwahn des Führers verherrlicht wurden. Dasselbe Thema vom Tunnelbau ist in diesem amerikanischen Film ins Sportliche gewendet. Die beiden Kolonnenführer wetten miteinayder, wer ter erste sein wird, der die letzte Wand durchbricht, und um dieser ehrgeizigen Wette willen gibt es einen Kampf auf Tod und Leben. Auch hierbei spielt der Führer, derBoß", eine erhebliche Rolle, aber er wettet nicht nur, er rettet auch, wenn es nötig ist, den eben noch gemaßregelten Kameraden vor dem Tode, und er boxt am Ende den Boß der anderen Kolonne eigenhändig nieder. Im Vergleich zu dem Nazi-Film ist also dieser amerikanische Tunnel-Film erheblich menschlicher, und da es sich nicht um einen phantastischen Ozean-Tunnel, sondern um eine Ver­bindung zwischen New Dork und Brooklyn   handelt, erscheint wenigstens die Sache vernünftig, wenn auch die Methoden unvernünftig sind. Der Hauptdar­steller Victor MacLeglen verkörpert den rauhen, aber rechtschaffenenBoß" auf sehr realistische, nicht selten erheiternde Art, und die Bilder von der unter Hochdruck vor sich gehenden Arbeit im Tunnelschacht, von den Einstürzen, Sprengungen und Bränden sind aufregend anschaulich.eis Verdfmacfcricfctea Deutsche Volksfin^eireinde Pr"" Heute, um 7 Uhr abrndS Rikolofeier derDeutschenBolkSsinggemeinde. Reichhaltiges Programm. Kommet alle! Ort: Hans Bi» B e s e d a, Prag   II., Smecky 27. Ortsgruppe Prag  . Heute Sams­tag um halb 8 Uhr Treffpunkt beim Autobus, East Westend in Smichov  . Fahrt nach Mnisek und dann zur Hütte, woN, ikolofeier stattfindet. «nd(Sonntag den 8. Dezember 1935, alle zum roten Kknvavend der Sozialistischen Jugend» KrciS Prag, um sechs Uhr im Rosensaal des Bolkshauses (Hybernska k. 7). Gäste willkommen! Kreditanstalt der Deutschen r-G.m. b. H., Prag  . Durchführung aller Geldgeschäfte. Verwaltungs-Kapital 930 MillionenKC. ' Haftungs-Kapital 92 Millionen W 81 Niederlassungen. Filme in Prager   Lichtspielhäusern Urania-Kino:Alles für die Firma." Lustspiel. Karlsweis, Bressart, Wallburg. Adria:Tanz der Liebe." A. Alfa:Der letzte Tag von Pompeji  ." A Avion:Es gab einmal zwei Schelme." Laurel  und Hardy. A. Briränrk:Vergiß mein nicht." D- Frnix:Marysa." Tsch. Flora:Kardinal Richelieu  ." George Arliß  . A. Gaumont:Die Christi von der Post." D. Hvtzda:Die Wildnis ruft." Cl. Gable. A. Julis:Dubarry." Gitta Alpar  . A. Kinema, B.-Th.: Journale, Groteske. Reportage. Ab V$2 Koruna:Die Wildnis ruft." Cl. Gable. A. Korva B 36:Der neue Gulliver." Sowjetfilm. Lacerna:Marysa". Tsch. Metro:Die ganze Welt dreht sich utit Liebe." D. Olympic:Die Götter amüsieren sich." D. Passage:Mazurka." Pola Negri  . Regie W. Forst  . D. Praha  :Der hohe Einsatz." A. Radio:Vergiß mein nicht." B. Gigli  . D. Skaut: §VivaVill a." Wallace Beery  . Weitere Woche. A. Svetozor:Mazurka." D. Alma:Strahlende ! Augen." S. Temple. A. Bajkal:Viva Villa." Wallace Beery  . A. Belvedere  :Men­schen in Weiß." A. Brsrda:Die Götter amüsie­ren sich." D. Carlton:Die Kinderlose." Tsch. Illusion:.Dränen der Liebe." A. Kapitol: .Ligeunerblut." D. Lido II.:Tränen der Liebe." A Louvre:Zigeunerb^ut." D. Maceika: Die Götter amüsieren sich." D. Roxy:Kardinal Richilieu." George Arliß  . A. Sport Smichov  : .Leutnant Bobby." D. U Bejvodu:Csibi. der Fratz." Franziska Gaal  . D. Baldek:General Vens Leidenschaft." A.Brletrhy:Vergiß mein nicht." B. Gigli  . D. H Verlanget überall Volkszünder I OPTIK u. FOTO I DEUTSCH PMkopy] J. B L 0 C H Eier und Butter en gros PRAG   XIII., CESTMiROVA 27 8185 Gefirmungstheater Zur Aufführung von HoffmeistersAnna sagt nein!" in der Kleinen Bühne. Gerade weil die Annahme naheliegt, wir wür­den antibürgerliches Gesinnungstheater und daS mutige Suchen nach neuen Formen des Dramas vorbehaltlos bejahen, ist es nötig, auf die Komödie von Adolf Hoffmeister  , die das Deutsche Theater in einer Bearbeitung von Friedrich Torberg  von Burians D 36 übernommen hat, nicht nur aus­führlich,'sondern auch so kritisch als möglich einzu­gehen. Zweierlei weckt Zweifel auch in dem Betrach­ter, der zu der borgetragenen Gesinnung Ja, also mit Anna zu dem Spiel der bürgerlichen Jugend Nein sagt: das Thema(wenn man will, der Stoff), weil es sich fragt, ob es der Gestaltung lohnt, und die Form, weil man sich fragt, ob sie der Propaganda der Idee wirklich dient oder diese nicht durch die Unzulänglichkeit der Gestaltung kom- promittiert. Es geht in dem Stück, das gar nicht komödien­haft wirkt und in besten peinigend dumpfer Atmo­sphäre lediglich ein paar kleine Regiescherze den an« spruchs- und boraussetzungslosen Teil des Publi­kums zur Unzeit zum Lachen bringen, um die junge Generation der Nachkriegsbourgeoisie. Die jungen Leute stehen in geschloffener Front gegen ihre Eltern und Tanten, sie finden deren Leben stnnlis, liebe­leer, ja abgründig schlecht. Sie haben die Hebe» zeugung, daß ihre Eltern selbst nur eine große Lüge leben und sich in ihrem Reichtum nicht wohlfühlen. Indem die im Stück auftretenden Repräsentanten der jrmgen Bourgeoisie dem Proletariermädchen Anna in improvisierten Szenen das Leben der Ellern Vorspielen, lehnen sie es mit radikaler Entschieden­heit ab. Sie wissen aber auch, daß sie selbst mit dem Reichtum auch die Gesinnung, Haltung und den Stil der Eltern erben, daß sie im Grunde schon an­gefault sind und mitten drin stecken im Sumpf, aus dem sie nicht herauskönnen, weil sie den Reichtum nicht opfern wollen. Auch diese Selbsterkenntnis demonstrieren sie dem Mädchen Anna. DaS Mäd­chen Anna sagt, was nicht weiter verwunderlich ist, zu all dem Nein. In einem Nachspiel wird, was man ohnehin wußte, szenisch verdeutlicht: daß die revolutionäre jeunssoe dorie nach fünfzehn Jah­ren genau so geworden ist, wie die Väter und Müt­ter waren. Nur bei zwei Figuren stellt der Be­sitzer des Modesalons, in dem die Puppen uns vor­geführt werden, gewisse Abweichungen von der Norm bürgerlicher Geisteshaltung fest. Ist das nun eigentlich ein Gegenstand, würdig deS revolutionären Gesinnungstheaters? Muß Anna nicht a m Ans angschonNeinsagen?! Vielleicht geht der Autor von der Fiktion aus, man könne die Jugend, die er porträtiert/ zur Selbst­erkenntnis und Wandlung bewegen, durch Mitleid und Furchtdie Reinigung dieser und dergleichen Leidenschaften" ganz im aristotelisch-Lessing'schen Sinne des Dramas erzielen. Aber er verneint doch diese Möglichkeit. Er führt uns eine Jugend vor, die sich im Laufe des Dramas nicht entwickell, nichts lernt und nichts vergißt und am Anfang so gut wie am Ende über ihre Fragwürdigkeit Bescheid, aber mit diesem Bescheid nichts anzufangen weiß (woran der Ensemble-Chor am Schluß mit seinen frischfröhlichen Wandervogelparolen nichts ändert). Es hat also keinen Sinn, der bürgerlichen Jugend diese Jugend zu zeigen. Der proletarischen und pro- letarisierenden Jugend aber diesen Seftor vorzufüh­ren, scheint ebensowenig Sinn zu haben, denn sie | könnte sich höchstens an einer satirischen, pamphle- , tistischen Entlarvung des Gegners grimmig er­freuen, sie kann aber doch mit der Darbietung einer larmoyanten Beichte vorsätzlicher Sünder nichts an« I fangen, als eben mit Anna Rein zu sagen. Das Jugendproblem, das Generationen­problem der Nachkriegszeit ist doch sozial und geistig ganz anders gelagert. Krise, Arbeitslosigkeit, Kriegsgefahr, geistige Entwurzelung, Deklassierung, leidenschaftliche Polittsierung her proletarischen und kleinbürgerlichen Jugend, das sind die brennenden Zeitfragen, sie hat ein revolutionäres Gesinnungs­theater aufzugreifen. Ich möchte nicht mißverstan­den werden, aber ich glaube doch sagen zu können, daß die Quellen der Jugendnot und aller Jugend­probleme unserer Zeit dort entspringen, wo eine Jugend, die vomHohemneihner" kam, in eine: Selbstaufopferung ohne Sinn und Ziel ihr Blut ver­strömen ließ: bei Langemarck  (wobei ich unter­stelle, daß jede europäische Natton ihr Langemarck  hat oder haben wird). Das Drama dieser Jugend ist noch nicht gedichtet, aber da es fehlt, wirft der Ersatz, der die Problematik auf der falschen Ebene sucht, nämlich auf der ganz unproblematischen der bürgerlichen Fäulnis, doppelt peinlich. Und dann die Form! Sprech-Chor, Chansons, Rezitativ, Dialog, teilweise mit Musik(von K r a s a), die beziehungslos, sich originell gebär­dend nebenherläuft, Theater im Theater, Revue­szenen, es ist ein Durcheinander, dem man wohl an­merkt, daß der Autor die chaotische Zeit wieder­geben möchte und von Brecht ein weniges profi- tiert hat(insbesondere der Uebersetzer, der oben­drein auch allzudeutlich Anlehnung an Karl Kraus  sucht),«in PslemSle aber, das nirgends Ge­stalt hat. Eine Summe von Versen ist noch kein Gedicht, viele Töne noch keine Melodie, viele Worte noch keine Rede und eine wirre Folge von Bildern und Gesprächen ist noch kein Drama. Es charak­terisiert den Expressionismus den die Tschechen noch immer nicht recht überwunden haben, während z. B. die Russen jetzt über ihn hinaus find daß er keinen Sinn fürGestalt" hat, daß er den Aus­bruch deS Ungeformten für Kunst hält. So ist es auch hier. Ein Mensch hat einen Angsttraum und ruft um Hilfe, aber der Bettnachbar hört den Schla- senden nur unartikuliert gurgeln und stöhnen. So hat man zu dem Gefühl, ein Zeitproblem an verfehltem Beispiel erörtert zu sehen, das an­dere, daß die Form des.Lehrstückes", das einen kalt läßt, auch wenn man dem Autor recht gibt, doch nur handwerkliche Poeter ei, keine Dichtung ist. Man hat gleich leiden­schaftliche Gesellschaftskritik viel witziger, schärfer» aber vor allem dramatisch gestaltet bei Ibsen, Wilde, Strindberg, Wedekind, Hauptmann, Georg Kaiser  gesehen. Jeder Vergleich fällt zu Ungunsten einer angeblich revoluttonären, in Wahrheit nur unauS« gereisten, unzulänglichen neuen Form aus(nur bei Shaw, der mich nie packt, habe ich ein ähnliches Ge­fühl, freilich noch immer das der geschickteren Mache). Das kitzelt den Jntelleft, aber jeder Be­sucher wird wohl den Eindruck haben, daß ein fixer Journalist derlei Stücke auf Bestellung und nach Maß anfertigen kann. DaS Publikum war recht beffallsfreudig. Ein Beweis für das Stück? Das Publikum gehört do<b zu vier Fünfteln den Schichten an, deren überflüssige Sorgen auf der Bühne erörtert wurden. Es emp' ftndet das tu» res agitur und freut sich am mei­sten, daß alles sich im Kreise dreht und zum Schluß der Bürger bleibt, was er vor der Pubertätsroman­tik war. Gespielt wurde von meist jüngeren Darstellern unter Leitung KurtBehrS in der Inszenierung Walter Taubs, dessen bühnenftmdige Hand in der Ordnung des ChaoS zum Theater oft zu spüren war, mit Hingabe an die schwere Aufgabe und viel­fach auch an die Gesinnung, der das Stück Ausdruck geben will und die vor lauter Gerede doch nicht zu Worte kommt. Es sei darauf verzichtet, auS dem guten Zusammenspiel einzelne Leistungen hervor­zuheben. E. Franzel. Bezugsbedingungen; Bei Zustellung ins HauS oder bei Bezug durch die Post monatlich fti 16.. vierteljährig 48.. halbjährig Kd 96.. ganzjährig 192.. Inserate werden laut Tarif billigst berechnet. Böi öfteren Einschaltungen Preisnachlaß.   Rückstellung von Manuskripten erfolgt nur bei Einsendung der Retourmarken. Die Zeitungsfrankatur wurde von der Post- und Tele- graphendirektion mit Erlaß Nr. 13.800/VII/1930 bewilligt. Druckerei:.Orbis". Druck-. Verlags- und Zeitungs-A.-G.. Prag  .