wurden. Es waren Kandidaten für munizipale Aemter." wie aus einigen Wahlinschriften zu ersehen, dazu Lebemänner von gutem Geschmack, sehr frei von Sitten und Anschauungen, freigebig und lustig, dazu selbstverständlich furchtbar abergläubisch, denn in ihrer Abwehr gegen denbösen Blick" konnten sie sich kaum genug thun und ließen sich einen ganz unverschämten Paris   über ihre Hausthüre setzen. Der Bauherr war kein Pedant, das beweist die ganz sonderbare Abweichung von dem traditionellen Plane des römischen Hauses, der ein Atrium, ein Tablinum und ein Peristylinm erheischte: das Tablinum, das Geschäftslokal des Hausherrn und Familien- archiv, neben dem ein oder zweiFauces"(Korridor) nach dem Peristyl, dem inneren Hofe, führten, fehlt ganz in dem Hause der Bettier, das nachweislich aber ein zweites Stockwerk trug. Und da stehen wir am Eingange in den Peristylhof und über­schauen zunächst den breiten wohlgepflegten Garten, den achtzehn Säulen, in Mauerwerk, das mit Stuck bekleidet ist, umgeben. Diesen Garten beleben eine Menge kleiner Marmorbildungen, nicht ersten Ranges, aber zierlich und hübsch, meist Brunnenfiguren, ein Paris  , zwei Satyrn, ein junger Bacchus, ententragende Knaben und andere Piltten, von denen das Wasser in die zahlreich angebrachte» Marmorbecken sprang. Mitten in den Blumenbeeten erheben sich zwei Marmorsäulen, von Palmenblättern umrankt, die zwei Doppel- Hermen tragen: Bacchus und Ariadne   die eine, einen Silen und eine Bacchantin die andere. Als Meisterwerk ist ein sehr schöner Marmortisch anzusehen. Andere Werthstücke, wie gesagt, wurden nicht gefunden, doch ist in diesem Hause das überhaupt Köstlichste und Bewundernswürdigste die Wandmalerei, die gegen zweihundert fast durchgängig gut be- wahrte Einzelbilder ausweist, darunter kleine Meisterstücke. Sie solle» aus zwei verschiedenen Epochen stammen: ei» Theil, und zwar der künstlerisch werthvollste, aus der Zeit vor dein Erdbeben von 63, ans dem sie unbeschädigt hervorgingen, ein anderer Theil aus der Zeit nach diesem Ereignisse. Der Herr des Hauses hat viel Geld auf diesen Schmuck verwendet und hat Meisterhände arbeiten lassen. Die Malereien beginnen schon im Hausflur: den oberen Theil der Wände zieren auf glänzendrothem Grund reichgearbeitete Kandelaber, darunter aus Schwarz   kleine Bilder, bizare Szenen von Amorinen, darunter sodann halbe dekorative Figuren auf blauem Grunde. Wie blendend waren diese Farben am ersten Tage, da sie in's neue Licht traten! Im ander» Zimmer ist der Sockel dunkelroth, die Mittelfläche tiefgelb; überall tritt die Farben« freude zu tage, aber auch die Freude an der Form, an der Ge- staltung. Hier sind es die größeren Wandgemälde, die unser höchstes Juteresse erregen. Reizend ist die Darstellung eines Kampfes zwischen den als Kinder dargestellten Amor und Pan  , dem Bacchus und Ariadne   präsidiren. Ein heiterer Humor belebt das Ganze. Biel   bewundert wird sodann die Bestrafung des thebanischen Königs Pentheus   durch die entfesselten Mänaden aus dem Kithärongebirge. Dieser Stoff ist bisher als gemalte Darstellung »och nirgends aufgefunden worden und aus diesem Grunde be- sonders bemerkenswerlh. Eine andere Wand trägt den Herkules als Schlangen würger, mit den Figuren des Amphitryon und der Alkmene  . Diesem Bilde gegenüber sehen wir die Bestrafung der Dirke, die durch das Brüderpaar Zethus und Amphion an die Hörner des wülhenden Stieres gebunden wird. Die berühmte Darstellung dieses Vorganges in Marmor steht bekanntlich unter dem Namen des farnesischen Stiers im neapolitanischen Museum, und an diesen hat sich der pompejanische Maler ziemlich genau gehalten. Andere Stoffe, wie die von Theseus   verlassene Ariadne, die Königin Pasiphae  in der Werkstatt des Dädalus, der auf's Rad gepflochtene Jxion u. a. sind später z» tage gefördert worden. An Pracht und Gediegenheit der Wanddekorationen ist dem vorletzten Hinteren Zimmer in ganz Pompeji   kein zweites zu ver- gleichen. Von dieser meisterhaften Herrlichkeit kann die Feder keine Vorstellung geben, aber auch die Photographie nicht, den» der Farben- zauber muß bei den entzückenden Zeichnungen sein. Erwähnt seien nur die mannigfachen durch Erotcnknaben und Psychemädchen in den Friesen dargestellten Lebensbilder, die sammt und sonders mit Watteauscher Grazie gemalt sind. Da giebt es blumenpflückende Psychen, Eroten in einer Goldarbeiterwerlstatt, wieder andere in einer Tuchwalkerei thätig, da wird die Behandlung des Oels und sein Verkauf dargestellt, ein Wagenrennen.... Alles wie zu einem Farbenfeste, zu einem Feste der Grazien, in unbeschreiblicher Be? wegung von kindlichem Frohsinn..... Die helle Sonne scheint, ein sanfter Wind trägt einen Hauch von Beilchenduft aus der Campagna herüber.... uns dehnt sich die Seele und wir möchten hingehen, Rose» brechen und die Stirnen uns schmücke» zum Feste der Venus.... Bringt uns Falerner!-- Kleines Feuillekon t. Eine Gesetzgebung gegen die Zigarette. Wie einige in New-Dorl erscheinende medizinische Zeilschristen berichten, liegt der Behörde des Staates New-Iork ein Gcsetzesvorfchlag vor, der den Verkauf von Zigaretten an minorenne Personen gänzlich verbietet und außerdem festsetzt, daß Verkäufer von Zigaretten«ine Abgabe von jährlich 200 M. zahlen sollen. Eine Zufatzbestimnmug verbietet den Verkauf von Zigaretten in einem Umkreise von 2S0 Fuß um eine Schule oder eine Kirche. Eine in New-Aork bestehende Gesell- schaft für öffentliche Gesundheitspflege hat nicht unterlassen, an zu- ständiger Stelle für die Annahme dieser Bill zu petitioniren. Uebrigens ist diese Maßnahme keine Erfindung der New-Dorker Staats- oder Stadtväter, sondern die Nachahmung einer in Chicago  bereits in Kraft getretenen Verordnung. Dort hat jeder Verkäufer von Zigarette» sogar jährlich 400 M. an den Staatssäckel abzu- tragen, die Waaren werden dauernd unter Aufsicht gehalten, um den Verkauf von Zigaretten zu verhindern, welche Opium, Morphin oder andere giftige Bestandtheile enthalten. Uebertrctungen werden sehr streng bestraft: mit 200 bis 800 M., außerdem ist für jeden Tag, an dem ein ungesetzlicher Verkauf sortgesetzt wird, eine weitere Buße von 100 M. zu zahle». Theater. Im S ch i kl e r- T h e a t e r ist am Sonnabend M o l i ö r e in einem seiner amüsantesten Stücke, demEingebildete» Kranken", zu Wort gekomnien. In vollendet schöner Darstellung wurde diese derbe Satire auf den ärztlichen Zops neuerdings vom Deutschen  Theater gegeben, das sich bekanntlich im vorigen Jahre auch mit der Aufführung des ungleich seiner geschliffenen Misanthropen ein Ver- dienst erworben hat. Es wäre unbillig, an das Schiller- Theater den Maßstab dieser ersten Bühne Berlins   anzulegen; aber uns will doch scheinen, als ob auch in der Wallnertheaterstraße eine plastischere Ausprägung der vom Dichter ausdrucksvoll hingeworfenen Gestalten des Stückes möglich gewesen wäre. Einige Shakespeare'sche Lustspiele sind hier um manches besser gegeben worden, als Moliöre's Komödie. An zwei Fehlern litt die Darstellung; den Künstlern steckte zum theit der jauste Moser noch bedenklich in den Knoche»; wer aber einmal aus sich herausging, schlug gemeinhin gleich ins Prilschenhafte über. Leute von gar zu matter Richtung waren Herr Bach als Cleanthe ein Künstler, der sich sonst als Liebhaber gar oft zu viel leistet, Herr Froböse als Argan's Bruder, und Frau Wilke, welche die Madame Belinde darzustellen hatte. Die Herren Schmasow, Reimann und Laurence tollten sich als Vertreter der Medikasterei derbe aus. Mit rechtem Eifer hatten sich Herr Walde» und Frau Levermann der Hauptrolle an- genommen; letztere spielte die Trinette mit soviel Ausgelassenheit, als nur zulässig ist. Die gehorsame Tochter Angelique war bei Fräulein Heinsdors gut aufgehoben, ein hübsches Charakterbildchen schuf Herr Dahlen   in seiner Rolle des Notars. Endlich sei noch erwähnt, daß die Episodenrolle der Louison ausgezeichnet von der kleinen Bottstein gegeben wurde. Dem großen Moliöre ging der Italiener Giovanni Berga mit seiner sattsam bekanntenSizilia- nischen Bam.nehre" voran. Viel hohles Blech kam da zum Klappern. Im Lessintz-Theater wurde am Sonnabend von dein Ferenczy-Ensemble und Herrn Franz Teivele zum ersten Male Toledad", Baudeville von Carre, Musik von Edmond Audran  gegeben. Weit besser als ins Lessing-Theater hätten Truppe, Stück und Aufführung für ein Varists-Theater nicht allerersten Ranges gepaßt. Auch der vielgerühmte Tewele kann an diesem Urtheil nichts ändern. Den Witzen fehlte jeder Esprit. Auch die Musik verdient kein besonderes Lob. Das ehrliche, starke Zischen am Schluß konnte durch das bezahlte Händeklatscheu nicht unterdrückt werden. Unsere jungen Dramatiker laufen schrecklich viel ins Theater. Im allgemeinen besitzen sie ein breites, rechnisches Können; selten findet man bei einem Anfänger jenes rührende Ungeschick, das gerne mit überschwenglicher Empfindung verbunden ist. Geschickt, mitunter erstaunlich findig sind unsere Jüngsten geworden; an Spezialtalenten ist kein Mangel. Aber arm sind sie geblieben an Schwung und Jugendfeuer und arm an neuen Ideen. Selbst wo sie gegen bourgeoisen Druck sich auflehnen, fehlt's ihrer Satire an vernichten- dem Ingrimm; es reicht zum Gespött, zur cynischen Posse; aber in brennenden Farben zu malen bleibt den meisten versagt. Auch der neueste Autor, Gottfried L u t t e r, dessen Erstlings- werk, eine Tragikomödie F r ü h l i n g s r e i f" die Dramatische Gesellschaft am Ostersonnlag vorführte, weiß nichts Besonderes zu sagen. Eine Tragikomödie ist dieser Frühlingsreif nicht; dazu ist das Stück in seinem Ernst zu spielerisch, in seiner Satire zu poffen- Haft- parodistisch. Der Werth der Komödie liegt allenfalls im Kleine», in der Detailbeobachtung, die sich mit cynischer Offenherzigkeit gieb und in ihrer derben, drastischen Naivetät mitunter erquicklich wirkt. Vom Mädchenschacher handelt die Komödie. Lieschen Abel wird von einerAngelmutter"(einer Kuppelmutter) an den fetten, ekligen Fabrikanten Dernburg  , der ein Vierteljahr- hundert älter ist als seine Braut, verhandelt. Dagegen empört sich Willi Berends, ein armer Student, der Lieschen liebt. Die knabenhafte Empörung hilft nicht viel; Lieschen muß eben ihr Glück" machen; und die frischen Lebenskeime des Studenten werden verdorre». Sie hat der Frühlingsreif überrascht. Dies Thema ist ohne volle leidenschaftliche Gewalt be» handelt und das macht das Jugenddrama Lutter's so unjugendlich; so sehr es im einzelneu erheitert, durch Witz, durch zutreffende scharfe Ausfassung von Einzelzügen über- rascht, im Gesammteindruck verspürt mau etwas Frostiges. DaS Publikum hielt sich an die Possenmotive des Stückes. Im Possenstil gab Frau C a r l s e n die Angelmutter. Eine sorgsame, kluge Studie