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mittels der Zweckmäßigkeit beweisen zu wollen; man bewegt sich da in einem Zirtel, wobei man unmöglich weiter fommen kann.
- Die österreichische Zensur des Vormärz . Herr Jähns, ein Schüler Weber's, gab in Wien ein Liederheft heraus und widmete Darwin versuchte, ob man für die Wirkung in der Natur nicht es einer hier seßhaften Gräfin, deren Bescheinigung, daß sie die ein ähnliches Prinzip anwenden könne, wie es der Züchter thut. Widmung annehme, Herr Jähns dem Zensor vorlegte. Der ge= Dieser wählt doch zur Paarung solche Individuen aus, die eine von strenge Zensor war damit aber nicht zufrieden. Sind Sie vers ihm gewünschte Eigenschaft bereits im Ansatz zeigen, und erzielt heirathet?" fragte er den Komponisten, und als dieser die Frage bei den Nachkommen dadurch ein stärkeres Hervortreten dieser Eigen bejahte, zog sich des Zensors gestrenges Gesicht in ernste Falten: schaft. Dann kann ich die Widmung nicht zur Kenntniß nehmen. Ist Aehnlich, meinte Darwin , verfahre auch die Natur. Von der Ihre Frau damit einverstanden?" Kein Zweifel. Dann großen Menge von Nachkommen, die jedes Paar erzeugen fönne, bringen Sie mir hierüber ein Attest, daß Ihre Frau gegen die tommen nur diejenigen zur Entwicklung, die auf geeignete äußere Widmung nichts einzuwenden hat." Der Liederdichter mußte abs Verhältnisse treffen, von den Millionen Nachkommen eines Austern- ziehen, und erst dann passirte sein Liederheft sammt Widmung die paares, z. B. nur die wenigen, die zufällig einen festen Anfazpunkt Benfur, als das Attest in Händen des Zensors war, der in seinem in der Bank gewinnen, während die anderen im Meeressande ver- starkentwickelten Sittlichkeitsgefühl auch darüber wachte, daß ein tommen. Wenn die äußeren Lebensbedingungen einer Art sich verheiratheter Mann ohne Einwilligung seiner Frau einer anderen ändern, so haben diejenigen Individuen die größte Aussicht, feine( musikalischen) Huldigungen darbringe.
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am Leben au bleiben, welche diesen Verhältnissen besser angepaẞt sind, als die anderen; wurde Beispiel beim Herannahen der Eiszeit das Klima tälter und fiel reichlicher Schnee, so hatten die heller gefärbten Hasen vor ihren dunkleren Geschwistern einen Vortheil. Diese blieben daher vorzugsweise übrig und gelangten zur Fortpflanzung, so daß durch diese natürliche Auslese und Zuchtwahl, wie Darwin den Borgang nennt, allmälig die schneeweißen Polarhasen aus dunkleren Borfahren entstanden.
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Musik.
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Im Dresdener Hoftheater wurde A. Bungert's Rirte", das erste Stück der viertheiligen Musiktragödie„ Die Odyssee", unter großem Beifall als Novität aufgeführt.
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Kunst.
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g. b. Ginen erfreulichen Eindruck macht die Ausstellung des Kunstsalons von Gurlitt; das mag wohl daran Ueber die Rolle, welche der natürlichen Auslese und Züchtung bei liegen, daß uns nicht an 50-60 Namen in Fehen ihrer Kunstfertigder Abänderung der Arten und der Hervorbringung der zweckmäßig feit aufgetischt werden, sondern, daß wir durch eine ganze Reihe von funktionirenden Organe zukommt, sind die Forscher durchaus Werken Einzelner starke und bleibende Eindrücke von Persönlich= nicht einerlei Meinung; in vielen Einzelheiten ist das Be- teiten erhalten. Josef Rößl aus München bietet Fächer- und obachtungsmaterial reichhaltiger geworden, und manche früheren Tapetenentwürfe, Wandfüllungen, keramische Arbeiten, holzgeschnitte Schlüsse sind als Irrthümer erkannt worden. Selbst in manchen flachornamentirte Truhen. Er ist nicht eigenartig in der Farbe, grundlegenden Fragen, z. B. wie weit eine Möglichkeit vorliegt, im besitzt nur geringes Stilgefühl, wirkt oft schwer und derb in der späteren Leben erworbene Eigenschaften auf die Nachkommen zu ver- Linie und doch nimmt er sofort für sich gefangen; es fteckt in erben, ist die Diskussion noch lange nicht abgeschlossen. Die ihm soviel Kraft, Freude und Humor, so ein einfaches, reines Darwin 'sche fog. Selektionstheorie*) ist weit davon entfernt, alle Naturgefühl, daß man bei seinen Arbeiten unwillkürlich an pompeRäthsel zu lösen; aber sie ist doch der erste grundlegende und groß- janische Fresken erinnert wird. Eine Dekoration für ein Badeartige Versuch, eine natürliche Erklärung für die bunte Mannig- zimmer: die Karpfenhochzeit. Auf einem Blatt der Wasserpflanzen, faltigkeit zweckmäßiger Formen zu finden. Dadurch hat Darwin die welche sich über dem Spiegel erheben, sitzt der Frosch Wissenschaften, die sich mit dem Leben der Thiere und Pflanzen be- als Standesbeamter und und spreizt feine grünen Finger über schäftigen, aus blos beschreibenden zu wirklich denkenden gemacht das glückliche Brautpaar. Braut und Bräutigam er trägt und der tünftigen Forschung die Wege gewiesen. B. sein farbiges Hochzeitsgewand- schmiegen fich innig an einander. Rundmänlige Welse, Goldfische und Barsche wohnen als Zeugen mit mehr oder weniger Antheil der feierlichen Handlung bei, aber auch wüthende Nebenbuhler und gefräßige Hechte kommen mit offenen Erwerbsleben. Ueber zwei friedliche, glatte Karpfen fällt eine ganze Rachen angeschwommen. Ein Zweites ist eine Satyre auf das Horde unheimlicher Gesellen her. Halb Fische, halb strebswesen mit Zähnen, Krallen und Scheeren zwicken und beißen sie, die Fetten, hier und dort, und jeder sucht sich ein Stück der Beute zu sichern. Schwere durch Linien und Formen, als durch Flächen wirken, bevorzugt pflanzliche Motive wie Mohn, Lilie, Rododendron, welche weniger Rößl, nur einmal in der Stilifirung des zierlichen Farns Frauenhaar" zeigt sich ein wirklich feinsinniges und graziöses Linienspiel. weniger bedeutend sind die trübfarbigen, teramischen Arbeiten mit Von sehr vornehmer Wirkung sind die holzgeschnitzten Truhen. oft etwas gesuchten Formen, gesucht naiver Ornamentirung.
Kleines Feuilleton.
h. d. Das erwachende Berlin . Bahnhof Warschauer straße. Auf dem schmalen Bahnsteig ballen sich die Gruppen immer enger zusammen. Fortwährend kommen von der Brücke, die fich über die Geleise spannt, neue Trupps hinzu. Trotz der vielen elektrischen Kugeln ist wenig von ihr zu sehen. schmutziger Nebel verhüllt sie. Das Licht kommt von den hohen Ein dichter, Masten gedämpft auf die Erde; nur die nächsten Gruppen find deutlich zu erkennen. Es find Maurer und Bauarbeiter, die in ihrem Arbeitsfittel auf den ersten Zug harren, der sie zum Bau führen soll. Ihre zerknitterten Hüte, die Hofen, die Röcke, alles ist mit Kalf bespritzt. Einzelne schmanchen schon kurze Holzpfeifen. Alle starren stumm die Geleise entlang. Wird der Zug bald tommen?
Unter der Brücke tauchen zwei Lichtaugen auf, verschleiert und röthlich. Hastend nähern sie sich. Der Boden zittert. Sie werden greller und greller. Dann schießt jenseits des Stacketenzauns, der die Stadtbahn von der Fern- und Güterbahn abschließt, ein aufleuchtender Bug vorbei. Gleich darauf kommen von der entgegengesetzten Seite zwei flackernde Lichter näher. Ein flüchtiges Leuchten durch den Nebel wie von einer vorbeirasenden, glühenden Schlange: Der Eilaug jagt in die Stadt hinein. Hier und da blinken kleine Lichter auf, die hin und her taumeln; Pfeifen und Pfauchen, Stöhnen und Buffen aneinanderprallender Wagen: Güterzüge werden rangirt. Der Nebel verdeckt sie, nur ab und zu blasen die Lokomotiven Dampf und Rauch aus, der sich um die elektrischen Monde legt, die dann für einige Zeit gänzlich verschwinden, bis sich der Qualm in den Nebel aufgelöst und ihn mit Ruß durchtränkt hat.
Bedeutend eigenartiger und phantasievoller als Rößl ist Friz blättern, Entwürfen, Ex libris, Bucheinbänden und Vorsakpapieren Erler aus München , der mit Bildern und Bildnissen, Studienreichlich vertreten ist. Leider lernen wir auch hiermit nicht seine ganze Bielseitigkeit kennen, denn verhältnißmäßig wenige feiner ornamentalen Entwürfe sind ausgestellt, und seine prächtigen Töpferarbeiten mit den originellen Formen und den geschmackvollen Motiven fehlen gänzlich. Erler's Bildnisse zeichnen sich durch kühne Auffassung aus, vorruft. Nur das Charakteristische ist großzügig betont, alles Kleinwelche schon an sich das Gefühl von unbedingter Aehnlichkeit herliche ängstlich vermieden. Das feinsinnigste Wert stellt eine spanische Guitarrenspielerin dar und ist von dezentem Reiz einer fühlen, grünlichen Farbenstimmung. Die in Röthel und Kreide ausgeführten stellen, sie sind vornehmer, strenger und wirken nicht durch Ueber weiblichen Studienköpfe möchte man noch über diejenigen Stuct's treibung. Erler's Phantasie ist außergewöhnlich reich, doch hat besonders im Ornament und in den Motiven die alte isländische, überhaupt die nordische Kunst befruchtend auf sie gewirkt, denn die bizarre Härte der Linien, der räthselhafte Ernst haftet auch ihr al. Von den beiden Vorfahpapieren man glauben, daß Ausläufer jenes Stils, den Norweger Munthe zum Urheber hätten. fie den heutigen Das reichste und beste, das die Ausstellung bietet, sind die Landschaften des in Philadelphia ansässigen Künstlers Louis Herzog. Schweigende Dorfstraßen niemals ist es die grelle Sonne, die ihn Regen und Schneewetter, Dämmerstunden, herbstliche Wege, feffelt, stets nur der Abschied, die weichen stimmungsvollen Uebergänge. Jeder starte Effekt ist vermieden, nirgends prallen die Farben aufeinander, alles wird von einem einheitlichen Ton zusammengehalten. Mit einer Sicherheit, einem poetischen Gefühl ist das ers Der Zug rückt schon an, auf mehreren Trittbrettern stehen noch nirten und doch wie selbstverständlichen Mitteln die Tiefe erreicht, faßt, so zielbewußt und so anspruchslos vorgetragen, mit so raffi Fahrgäste, die in den Wagen drängen. Thürenschlagen die drei daß man meint, vor der Natur selbst zu stehen. rothen Schlußlichter tauchen in dem Nebel unter.
Durch das Bahnhofsgebäude am Ende der Treppe, die von der Brücke herbführt, strömen fortwährend Arbeiter auf den Bahnsteig, der sie kaum noch fassen kann. Sie begrüßen einander meist stumm durch ein Kopfnicken. Ihre rothen, schwieligen Hände nehmen sie selten aus den Hosen- oder Rocktaschen. Es wird fast gar nicht gesprochen; in den meisten Gesichtern liegt noch die nicht gänzlich überwundene Müdigkeit des vorhergegangenen Tages.:
Zurücktreten! Zurücktreten!" Die Bahnbeamten gehen an der Bordschwelle entlang. Der Mann mit der rothen Müze tritt, die fleine Blendlaterne in der Hand schwingend, aus dem Diensthäuschen. Zwei Lichtscheine zittern durch den Nebel- der Zug fährt ein. Hinter seinen schwitzenden Scheiben fizzen schon viele Männer, doch die Harrenden drängen noch alle hinein. Hier ist's voll!"
Ach wat, sei man nich so gnietschig!"
Selektion bedeutet Auswahl.
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tönnte