Mnterhaltungsblatt des Vorwärts Nr. 135. Mittwoch, den 13. Juli. 1898 (Nachdruck verboten.) 311 Am die Lveiheik. Geschichtlicher Roman aus dem deutschen   Bauernkriege 1523. Von Robert Schweichs l. Die Herren sollen das Aussaugen hinfüro Wohl bleiben lassen/' rief Simon Neuffer und drückte seine geballte Rechte nachdrücklich auf den Tisch. Aber der Geyer hat recht," stimmte diesem der ehe malige Kanzler bei.Nehmen wir seinen Vorschlag an und trachten wir bei Zeiten, eine Ordnung in die Sache zu bringen, auf daß das allgemeine Gut, so doch unser Lebensblut ist, nicht vergeudet und verzettelt wird." Ein Widerspruch erfolgte nicht und er fuhr fort:Sorgen wir überhaupt, lieben Freunde, daß die evangelische Freiheit kein leeres Wort bleibe. Als Jesus   in Jerusalem   einzog, jug er zuerst die Händler, Wechsler und Wucherer aus dem Tempel. Um das Volk frei zu machen, stürzte er die jüdische Priesterreligion. Aber siehe, an stelle der jüdischen ist eine römische Priesterreligion ge- treten, die es trieb wie jene. Jetzt, wo die Reformation die Axt an ihre Wurzeln gelegt hat, schaffen wir, daß nicht eine lutherische Priesterreligion sich auf die römischen Stühle setze. Das Gelüsten darnach ist gar groß, wie mich dünket. Wann wir unseren Sieg nicht nützen, um die evaugelische Freiheit festzulegen in Gesetzen, welche die alten Mißbräuche abthun und eine neue Ordnung begründen im Reiche wie in der 5iirche, in Gewerbe, Handel und Wandel, alsdann werden wir abermals um unsere Freiheit betrogen und alle Opfer, die wir ihr mit unserin Herzblut bringen, werden vergebens ge- bracht sein." Also dran, dran, dran!" rief Florian Geyer   und stieß sein Schwert gegen den Fußboden. Die anderen thaten es mit ihren Bechern auf den Tisch, während sie den Schlachtruf wiederholten. Und Ihr sollet uns Rothenburger als ein erfahrener Kriegsmann führen," sprach Simon Neuffer.Wollet Ihr?" Ei, da kann Rath werden," versetzte Herr Florian gut gelaunt.Ich weiß, daß Ihr Rothenburger in den Waffen geübt seid. Die tüchtigsten Leute in meinem Fähnlein, das ich vor sechs Jahren gegen den Herzog Ulrich führte, waren aus Eurer Landschaft." Dann kennt Ihr wohl auch den langen Lienhart?" fragte der Dorfmeister. Den Riesen von Schwarzenbronn? Freilich!" entgegnete der Ritter, und ein Lächeln erhellte sein ernstes Gesicht.Er focht auch gegen den Erzbischof von Trier   und ich bin von damals noch in seiner Schuld. Auf dem Marsch war's und eine unendliche Hitze. Mann und Roß verschmachteten schier. Mir selbst klebte die Zunge am Gaumen. Wie wir Rast halten, kommt der Brenneken, denn so ist sein wirklicher Name, und bringt mir Wasser in seiner Sturmhaube. Aus einem Graben hatt' cr's geschöpft, schmutzig war's und auch warm. Gut that's dennoch. Zu beißen gab's auch nichts. Er hatte ein Stück Brot und eine Zwiebel, das theilte er beides mit mir und es hat mir gar köstlich geschmeckt. Ein paar Fähn- lein solcher Gesellen wie er,"die schlügen den Teufel aus der Welt, Adel und Pfaffen zu geschweigen." Nu, er wird uns auch itzo bei unserem Fürhaben nit fehlen, darauf könnet Ihr Euch verlassen," versicherte der Dorf- meister. Kann ich mir denken," nickte Herr Florian.Aber es ist Zeit, des Heimweges zu gedenken; das wichtigste wäre be- sprochcn, und es tagt bereits." Durch das ölgetränkte Papier der Fenster schimmerte der junge Morgen. Georg Metzler   löschte die Kienspäne aus und ging seinen Knecht wecken, um die Pferde seiner Gäste zu satteln. Mit einer Kanne warmem Würzwein zum Morgen- und Steigbügeltrunk kehrte er zurück. Herr Florian, der den weitesten Weg hatte, brach zuerst auf. Auf Wiedersehen denn am Sonntag Judika zu Schön- thal, wcrthe Freunde und Kampfgenossen," rief er, den Männern, die mit ihm vor die Thür getreten waren, derb die Hand schüttelnd und schwang sich in den Sattel eines prächtigen Rapphengstes von starkem Knochenbau und mit feurigen Augen. Mein Weg geht über das Cisterzicnscrkloster- soll ich Quartier bestellen?" scherzte Wendel Hivler. Ich wär's zufrieden, auf daß sie bis dahin ihre Weißen Kutten fein säuberlich waschen," gab Florian Geyer   ebenso zurück und drückte seinem Rappen die Sporen in die Weichen. Er ritt über den Wald in den Schüpfgrund, ein flaches, grasreiches Thal, von sanften Rebenhügeln in seinem unteren Theile eingefaßt. Hier und dort waren schon die Winzer be- schästigt, die Reben an die Stöcke zu binden und von den vertrockneten Ranken zu befreien. Das Wetter war so mild, als ob man in der Mitte des April wäre, und die Lerchen jubilirten über dem Thale  , das sich auf die hier breit und rasch fließende Tauber öffnete. An dem jenseitigen Ufer zog sich hinter festen Mauern das Städtchen Königshofen die waldbekränzten Berge hinan. Von halber Höhe grüßte eine weiße Kapelle den einsamen Reiter, der seinen feurigen Rappen gemächlich schreiten ließ. Das Licht der Morgensonne badete in ihrem warmen Golde die Berge, das Städtlein, den rauschenden Fluß, das sanfte Thal, und Florian von Geyer   gedachte, daß der Tag nahe wäre, an dem die Sonne der Freiheit Berg und Thal verklären würde. Hm, was meinet Ihr, ob der wohl je seine goldenen Sporen vergißt?" wandte sich der Brettheimer, der mit den anderen Florian Geyer   nachschaute, an Wendel Hipler  . Dieser krauste unwillig die hohe klare Stirn und versetzte: Eines wird er nimmer vergessen, des bin ich gewiß: den Adel seines Herzens. Sein Wahlspruch lautet: Nulla crux, nulla corona, das heißet zu deutsch  : Ohne Kreuz keine Krone. Die Krone aber, für die er kein Opfer scheut, das ist die Freiheit der Unterdrückten, des Volkes Freiheit." Nu, Ihr dürfet mir mein Mißtrauen nicht verübeln, Herr," antwortete Leonhard Metzler.Ihr wisset, wie wir von den Herren geschunden werden, und was nicht mit Gewalt geht, da betrügen sie uns mit glatten Worten und Ver- sprechungen, so daß unsereins keinem Edelmann nit trauen mag." Ja, trau' einer dem Teufel," rief hier eine weibliche Stimme. Von den Männern unbemerkt, war eine Frau um die Hausecke gekommen und hatte Metzler's Stimme gehört. Sie war dürftig gekleidet, von hagerer Gestalt und über weibliche Mittelgröße. Eisgraues, vom Winde zerzaustes Haar quoll unter einem schwarzen Kopftuch hervor. Ihr mageres Gesicht war voller Runzeln und Falten. Die dunkeln Augen aber, die sie, auf einen langen Stab gestützt, auf die Männer richtete, straften ihr Alter Lügen. Ein unruhig Feuer brannte in ihnen. Gesicht und Hände erschienen stark gebräunt. Ihr seid's?" rief Wendel Hipler   erstaunt.Und der Jäcklein Rohrbach  , warum ist er ausgeblieben? Aber kommt ins Haus l" Er schritt voraus. Der von ihm genannte Namen durch- blitzte Simon mit einer Ahnung, und Georg Metzler   machte sie zur Gewißheit. Denn er begrüßte, nicht minder er- staunt wie Hipler  , die Greisin als schwarze Hofmännin. Es war Hans Lautner's Großmutter.Der Jäcklein hat nit abkommen können," erklärte sie, nachdem sie dem Wirthen die Hand gereicht und den Becher Weines, den er ihr bot, mit sichtlichem Durste geleert hatte. Kein Wunder, daß sie durstig war, hatte sie doch den weiten Weg von Böckingen   herauf während der Nacht ohne Erquickung zurück- gelegt. Eine Ermüdung war ihr nicht anzumerken.Die Löwensteiner," fuhr sie fort,hatten sich just für diese Nacht zusammengethan und ihn beschickt, daß er ihnen den Artikel- brief auslegen sollte. Da ist er denn über den Neckar ge- gangen. Wir wollten aber nimmer warten, bis daß der Herr Kanzler Zeit hätt', uns zu verständigen, was beschlossen ist. Nu?" Habet Ihr in Eurem langen Leben so wenig Geduld gelernt, Frau?" scherzte Herr Wendel. Sie richtete ihre dunkeln Augen fest auf ihn und ant- wortete:Ich Hab' halt mehr Geduld gehabt als Ihr, trotz- dem mein Herz all die Jahre lang nach Rache geschrien hat wie der Hu�ch nach Wasser. Itzo bricht der Stab meines Wartens wie ein dürres Reis. Zudem ziehen uns die Heil- bronner an den Haaren zu sich." So saget dem Rohrbach, daß wir am Sonntag Judika Heerschau halten bei dem Kloster Schönthal an der Jaxt," erwiderte Wendel Hipler   mit langsamer Bestimmtheit.