Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 225.

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Donnerstag, den 16. November.

( Nachdruck verboten.)

Bwischen zwei Scherzen.

Erzählung von 2. Verni  .

1899

fiel gleich über sie her: Wie schade, daß sie schon gegangen ist! Wie schön sie ist und wie lieb! Nicht wahr, Mutter?" Elise schwieg, das Herz war ihr bedrückt von unsäglicher Angst und einem Gemisch bitterer Empfindungen. Ueber allem anderen aber stand das Bewußtsein, daß sie sich besiegen, daß sie die schwere Bitte thun mußte. Sie hatte nicht den Weg Bianca fuchte aus ihrer Erinnerung das Excentrischte, zu finden gewußt, es mündlich zu thun; nun wohl, so würde Ofte fammen, uit, wie je meinte, fie schreiben! Jawohl, schreiben, denn Bianca hatte ein gutes etwas Farbe und Leben in die Düſterheit dieses Totenzimmers zu Herz und sie hatte das Kind wirklich gern. Wäre sie nicht bringen. Und die Kleine belebte sich wirklich, wollte ihre Freundin so betäubt, so abwesend durch den Wirbel von Zer­immer näher bei sich haben, blickte sie mit großen, noch streuungen...! Aber es genügte, ein einziges Wort zu leuchtenden Augen an; mit erweiterten Pupillen fagen, man brauchte nur auf die Taste zu greifen und die und einer Röte auf den sonst wächsernen Wangen, Saite würde vibrieren und dann würde ja alles gut! die dem Unerfahrenen den Eindruc der Gesund- Obwohl sie keinerlei Redegewandtheit, teine Leichtig heit machen konnte. Die Mutter bemerkte das alles, nichts keit des mündlichen Ausdrucks besaß, tamen ihr entging ihr, und das fieberhafte Glänzen der Augen, die ner- beim Schreiben die Worte mit ungewönlicher Schnellig­böse Röte der Wangen ängstigte sie, je mehr die kleine Kranke feit. Sie war die Tochter eines Sicilianers und in ihrer Ueberreiztheit aufzublühen schien, um so mehr wuchs einer Engländerin, sie war immer von entgegengesetzten Ten­das Angstgefühl, das sie kaum zu verbergen vermochte, und denzen hin und her gezerrt worden: von der spontanen sie sah streng und vorivurfsvoll auf Bianca. Wenn sie sie doch Leidenschaftlichkeit des Vaters und der Selbstzucht und Ver­unterbrechen könnte! Wenn sie aber die Kleine jezt reizte, so schlossenheit der Mutter. war das Schlimmste zu befürchten!

Die anmutige junge Frau, durch Elises Wesens auf das äußerste gekränkt- die Lieblinge der Menschen und des Schicksals vertragen es nicht, wenn ihnen etwas nicht nach Wunsch geht, wenn jemand nicht von ihnen entzückt ist- widmete schließ lich die ganzen zwanzig Minuten ihres Besuches der kleinen Mary, die wenigstens in ihrer Nähe denselben zufrieden glück lichen Ausdruck hatte, wie alle anderen. Als sie beim Ab­schied sich mühte, um wie immer die Kleine auf die Stirne zu küssen, nahm diese vorsichtig einen ihrer Ohrringe zwischen die Finger.

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Es war ein seltsamer Kontrast zwischen dem welten Händchen und dem übermütigen Gefunkel der Brillanten. Wie hübsch er ist", sagte das Kind, es ist Blau darin und Rosa, jetzt auch Grün" und sie drehte ihn langsam nach allen Seiten, während Bianca sich abmühte, in der gebückten Stellung zu verharren, damit die Kranke ihre Freude an dem Schmucke haben könnte, er sieht so lustig aus!" ind ..er

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In den entscheidenden Stunden ihres Lebens hatte dieser Zwiespalt ihr qualvolle Kämpfe gebracht. Heute aber quollen ihr die Worte leicht aus den übervollen Herzen: Seite auf Seite, alles, was sie durchlebt hatte, all die Marter, die sie noch durchlebte. Die Ehe, die sie voll der reichsten Hoffnungen auf inneres Glück geschlossen hatte, Hoffnungen, die dann Lag für Tag abgebröckelt waren, so daß schließlich nichts blieb, weder Liebe, noch Ehre, noch Frieden! Und das geliebte Kind, das zuerst so viel versprach, um dann in dem beständigen Mangel und Elend zu verdorren... Oskar verdiente freilich recht gut, aber ihnen kam nichts davon zu, und einmal, als sie von ihm gefordert hatte wie bitter hatte sie es nicht entgelten müssen!... sie und die arme kleine Mary, die da­mals sechs Jahre alt war. Und wie lebte sie jezt? Jetzt hatte er ihren Lebensunterhalt wesentlich vereinfacht. Wochenlang ließ er sich nicht sehen und schickte nur periodisch Brot und Polenta. Er schien einen Kontrakt mit einem Krämer ab­geschlossen zu haben. Den würde er natürlich eines Tages nicht mehr bezahlen was dann?

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" Ja, auch ich finde, daß sie etwas Lustiges haben," gab Bianca zurück, indem sie sich endlich aufrichtete, Alberto hat Als sie fertig war, las sie alles noch einmal durch, indem fie mir zu meinem Namenstage geschenkt; eigentlich wollte sie gewissenhaft Wort für Wort abwog: ja es war alles reine ich sie gar nicht, sie sind zu teuer, zehntausend Lire, es schien Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Und sie fing an, sich die mir fast eine Schande. Aber schließlich habe ich meine Freude Wirkung vorzustellen, die dieser Brief auf ihre Freundin haben daran und er auch. Vielleicht wirst Du auch solche würde. Arme Bianca! wie ergriffen, wie schmerzlich über­haben, wenn Du groß bist," fügte sie gedankenlos hinzu, um rascht sie sein würde, wie schnell sie zu ihr eilen würde!... ihr etwas Angenehmes zu sagen. Und das Gesichtchen der Wirklich? Sie sah Bianca in Gedanken vor sich und Kranken leuchtete auf, aber die Mutter fühlte einen Stich im blickte auf den Brief, ohne ihn zu lesen: er war wirklich sehr, Herzen. Arme Elife! Immer schwerer wurde es ihr, die sehr lang. Und Bianca? Sie sah sie in ihrer lächelnden, Worte auszusprechen, die ihr auf der Zunge schwebten, die liebenswürdigen Bielgeschäftigkeit: hierhin und dorthin ge­sie aussprechen mußte: einen Bissen Brot, einen Bissen rufen, hier ein neues Kleid, ein Besuch, ein Billet. Und die Fleisch für mein Kind! Es war, als erwürgten Zweifel begannen. Wann konnte Bianca Zeit finden, all das sie diese Worte und sie konnte sie doch nicht los werden. Wie zu lesen? Sie würde nie dazu kommen. Mißtrauen und immer war ihr, die seelisch und körperlich so herunter war Entmutigung gewannen die Oberhand; noch einen Augen­und unter dem Aeußeren einer starken Seele eine frankhafte blick grübelte sie, dann lächelte sie bitter und... die Empfindsamkeit verbarg, schwindlig geworden bei all der welt- dicht beschriebenen Seiten wurden in tausend Stücke zer­lichen Lustigkeit; sie befremdete sie und trieb sie in ihre herbe rissen. An ihre Stelle trat eine kurze Seite, die nur folgendes Verschlossenheit zurück. Und dennoch, nein, um jeden Preis sagte: mußten diese Worte gesagt werden, jetzt, sobald sie im Flur waren, würde sie es sagen. Und sie stand auf, um Bianca zu begleiten.

,, Liebe Bianca, verzeihe, aber Mary möchte so sehr gern etivas Festes essen. Du bist immer so gut zu ihr, daß ich mir erlaube, Dich um ein wenig von Deinem Mittagessen zu bitten. Ein Stück, so groß wie eine Nuß, ist hinreichend. Verzeihe. Deine Elise."

Aber diese hatte, sowie sie aus den Armen des Kindes entschlüpft war, die Uhr herausgezogen und ausgerufen:" Ach Gott, wie ist es spät geworden!" Dann wandte sie sich zu Welch dürftiger Ausdruck dessen, was sie im Herzen Elise: Adieu, ich muß schnell fort," sagte sie lächelnd, auf trug! Aber in dieser Form konnte sie doch wenigstens hoffen, baldiges Wiedersehen! Ich habe eine Welt von Besorgungen! daß der Brief gelesen werde; und Bianca war ja tein Kind, Ein halbes Dutzend Abendhandschuhe kaufen, einen Fächer... sie würde, sie mußte verstehen. denke Dir, ich habe meinen gestern abend zerbrochen Bonbons bei Giacosa... Und kann ich nichts für Dich thun, Elise?.." fügte sie leichthin hinzu, wie sie es zu jedem anderen Menschen gesagt hätte.

Elife antwortete taum. Die eiserne Spange um die Kehle schnürte sie zu sehr und was dahinter hervorwollte, war ein allzuzitternder Schrei der Qual!

Als sie wieder in die Stube trat, sah sie nicht deutlich; sie stieß gegen den Tisch, dann gegen einen Stuhl. Die Kleine

VI.

Am nächsten Morgen, einem flaren Februarmorgen mit ungewöhnlich milder Luft, war in der Villa Sassonuovo ein großes Durcheinander. Man rief, man suchte nach Bindfaden und Papier, machte Pakete fertig, schlug allerhand Süßigkeiten in Seidenpapier ein.

Als wäre es noch nicht genug an den Täftigen Strapazen, hatte man ein großartiges Picnic in Vincigliata geplant, und die Villa sollte der Versammlungs- und Aufbruchspunkt sein.