Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Str. 187.

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Die Fanfare.

Donnerstag, den 27. September.

( Machbruc verboten.)

Roman von Frit Mauthner.

Achim that beleidigt und versicherte, daß er sich nicht so behandeln lassen werde; er sei kein Kadett mehr. Und furz und gut, was sie gegen Herrn Haffner- von- Herne einzuwenden habe? Warum sie der armen alten Mutter das Opfer nicht bringe, wenn es schon ein Opfer sei?

Johanna war sehr traurig geworden, aber unterivürfig flang es nicht, als sie erwiderte:

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und leidenschaftlich stürzte er ihr zu Füßen, füßte ihr die Finger, einen nach dem andern, und schämte sich nicht, daß seine Augen feucht wurden.

,, Aber, Achim," sagte die Mutter heftig, sei doch nicht so leichtgläubig; wir haben doch eben das Bild gesehen!" Achim hob sich empor, und seine feuchten Augen strahlten vor Glück, lachend rief er:

" Johanna von Havenow- Trieni lügt nicht! Du kennst sie nicht, Mama, wir werden ihr alle noch Abbitte leisten müssen! Das Bild soll sie sehen und uns alles erklären; zu verteidigen braucht sie sich nicht."

Und rasch holte er aus dem dunklen Raum das Bild herbei; atemlos vor Erwartung stellte er es den Lampen gegenüber auf.

Johanna brauchte eine Weile, bevor sie ihre Züge wieder erkannte; plöglich schlug ihr die Schamröte ins Ge­sicht, und sie fuhr zurück, zornig erhob sie die geballte Faust, und sie sah kriegerischer aus als ihr Bruder, als sie rief: Wer hat es gewagt, dieses Bild zu malen?" " Disselhof!" erwiderte Achim.

Du bist ein guter Junge, Achim, aber Du bist noch zu jung, um mich zu verstehen. Wohl fühle ich die Pflicht, mich und mein Leben dem Bruder zu weihen, dem eine große und schöne Zukunft bevorsteht, wohl weiß ich, daß ich mein Leben lang kein andres Glück kennen werde, als auf Dich stolz sein zu können, denn Du bist ein wackerer Bursche. Du machst zu viel Wesen von dem bißchen Arbeit, woniit ich mein Taschengeld verdiene; aber Du denkst zu gering von dem Opfer, das Du mir zumutest. Wenn ein braver, tüchtiger Mann um meine Hand werben würde, den ,, So hat er mein Gesicht gestohlen, hinterlistiger, bibischer ich achten könnte, und Du sprächeft zu mir: Johanna, thu's als ein verkommener Dieb hat er sich in mein Vertrauen ge­um meinetwillen!" vielleicht würde ich es thun, aber dieser schlichen, und während ich in seinem Lohn am Fenster faß Haffner flößt mir Widerwillen ein. Dit kennst ihn nur und Statuen bemalte, hat er mich bestohlen, bestohlen! Jetzt nicht genug. Du würdest sonst auf meiner Seite stehen, erkenne ich die Wand des Ateliers und das kleine Fenster. und Du wirst einsehen, daß ich mit solchen Gefühlen Pfui, und Ihr konntet glauben, daß ich mich zum Modell her­dem Manne meine Hand nicht reichen kann; ich behandle gab? Schämt Euch! Bin ich denn die einzige hier im Hause, Dich wie einen Mann, wie Du hörst, und spreche offen welche Adel besikt!?" mit Dir."

Achim fühlte sich zwar von den Schlußworten ein wenig gekränkt, aber im übrigen sah er alles ein und stand schon ganz auf Johannas Seite, er faßte sie zärtlich um den Leib und fragte recht eindringlich:

" Du bist verliebt, fleine Schwester? Erzähle mir nur alles, ich werde Dich nicht zwingen lassen!"

" Ja, großer Bruder, ich war verliebt, und es ist mir recht schlecht dabei gegangen; ich danke Dir für Deine Hilfe, ich werde Dich unterstützen, denn ich werde mich allein nicht zwingen lassen!"

Jetzt trat die verwitwete Kriegsrätin hochaufgerichtet aus dem dunklen Salon herein.

Sie hatte von ihrem Rechte Gebrauch gemacht und das Gespräch der Geschwister belauscht; Achim mochte ihr noch nicht ganz reif als Haupt der Familie erscheinen, denn sie stellte sich würdevoll vor Johanna hiu und sagte:

,, Achim   ist zu gutmütig und läßt sich von Dir beschwatzen. Ich sehe, ich muß Ernst machen; nach dem, was Du begangen hast, darfst Du nicht wählerisch sein. Sei froh, daß Herr von Herne   Dich noch will."

Achim sprang entrüstet auf.

,, Mama," rief er erregt," Dit scheinst zu vergessen, daß Johanna es für Dich und für mich begangen hat, und daß wir beiden die letzten sind, welche das Recht haben, ihr Vor­würfe zu machen! Ich habe versprochen, sie zu schützen, und ich halte mein Wort!"

Die Kriegsrätin wandte sich gegen ihren Sohn. ,, Bedenke, daß Du ein Offizier bist; die Schande muß um jeden Preis wieder ausgelöscht werden!"

Johanna war starr sigen geblieben; verwundert, ja bei­nahe belustigt, blickte sie bald auf die Mutter, bald auf den Bruder.

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" Ja, was habe ich denn so Entsetzliches begangen?" sagte sie ruhig. Darf eine adelige Dame teine Noten abschreiben, wenn sie Hunger hat? Darf sie keine Thonfiguren bemalen, wenn sie sich zum Winter ein warmes Wollenkleid faufen will?"

,, Sprich nicht davon," rief die Kriegsrätin heftig. Ich habe es geduldet, aber ich will nicht davon sprechen hören; es mag ja durchgehen, aber Du hast Dich vergessen, als Du Dich zum Malermodell hergabst!""

Bornglühend sprang Johanna jäh empor.

" Ich ein Malermodell?" rief fie, weiter kein Wort. Achim aber umschlang jubelnd seine Schwester und rief, daß es durch die Wohnung schallte:

" So ist es Verleumdung! Du grime, gute Johanna!"

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Achim faltete flehend die Hände um ihre Faust. ,, Du mußt uns verzeihen, Johanna," rief er, das Bild war ja da und sprach gegen Dich! Mir schwindelt der Kopf vor der Bosheit des Zufalls oder der Menschen, die Dich verfolgt haben. Ja, Du sollst jekt alles wissen, damit Du selbst entscheiden kannst. Das Bild war nicht immer so wie jekt; in unanständiger Kleidung war es auf der Ausstellung und hat aller Augen auf sich gezogen."

"

Mein Gesicht, mein Bild!?" Johanna rang nach Atem.

Sei gut, Johanna; ein braver Mann, ein Herr, den ich hochschäze, hat das Bild gleich am ersten Tag an sich ge­bracht und hat den Maler gezwungen, es so umzugestalten, wie Du es siehst."

Da leuchtete es wieder in Johannas Blicken auf, sie trat auf ihren Bruder zu, legte ihm zuversichtlich die Hände auf die Schultern und sagte zuversichtlich:

,, Nicht wahr, Richard Mettmann?"

Achim wußte jetzt, welches Geheimnis die Schwester ihm nicht anvertrauen wollte, und er fühlte sich so schuldbewußt und war so verblüfft von der Lösung, daß er geneigt war, der Schwester in allem beizustehen. Die Kriegsrätin aber fühlte sich in allen ihren Wünschen zugleich verletzt und rief dazwischen, während sie mit der Schleppe ihres Seiden­kleides die Stube fegte:

Mir machst Du das nicht weiß, daß Du zu dem Bilde nicht freiwillig gesessen hast; das werden wir auch der Welt niemals einreden!"

Johanna lügt nicht!" rief Achim noch einmal mit kraft­voller Stimme. Disselhof ist von hier nach Italien   entflohen, aber auch dort werde ich ihn zu einer genügenden Erklärung zu zwingen wissen."

Johanna wandte sich ruhig der Mutter zu:

" Ich kann mich auf das Zeugnis eines Menschen berufen, dem Du vielleicht mehr Glauben schenkst als mir; Herr b. Haffner hat den Maler bei der Arbeit gesehen. Er sah in der Malerei Disselhofs vielleicht nur eine unschuldige Skizze, jedenfalls wird er mir das Zeugnis nicht versagen können, daß Disselhofs Werk vor mir geheim gehalten wurde. Er wirbt um meine Hand; das geringste, was er mir schuldig ist, ist die Rettung meiner Ehre!"

Achim war dunkelrot geworden, mühsam faßte er sich und sagte zur Mutter:

Du hast mich oft gelehrt, ich sei das Haupt des Hauses; ich wünsche jetzt von dieser Stellung Gebrauch zu machen. Es handelt sich um unsre Ehre, und ich verlange Gehorsam. Dich, liebe Mama, ersuche ich, Johanna mit feinem