weg!" Mit einer vom Wiesenzaun geriffenen Latte geht es sich einigermaßen besser, besonders im Walde. Franz denkt noch immer an feine Gefahr, wohl aber daran, wie gut jezt ein Schluck Bice schmecken würde. Doch für diese Nacht ist nichts mehr zu wollen; in spätestens einer Stunde wird Franz daheim, die Leute werden längst im Bette und das Wirtshaus geschlossen sein. " Ohal  " Der Ruf kam zu spät, Franz fist bereits auf der Eis­fruste, die wie ein Panzer über die Waldblöße gezogen ist. Der Finsternis wegen ist es nicht ratsam, den total vereisten Steig zu verlassen, eine Verirrung zu leicht möglich, und dann beginnt ja in allernächster Nähe das Gefälle. Bei Tageslicht würde Franz nicht um das ganze Königreich auf den Knien aufwärts rutschen, wie er es jetzt, der Not gehorchend, thut und dabei lästerlich über das Glatt eis flucht und mit den Händen tastend sich überzeugt, daß er auch wirklich auf dem Gangsteig fich befindet.

Endlich wird der Kulminationspunkt erreicht, schwarz steigt das Gemäuer einer Waldkapelle auf. Von hier fällt der Pfad in jäher Steigung und mehrfachen Windungen zu Thal, hart an Sturzwänden vorüberziehend.

"

Franz überkommt eine Ahnung von der drohenden Gefahr, als er sich an der Wegscheide aufrichten will und sofort ins Rutschen tommt. Auf den Füßen geht es nicht, also setzt er sich breit nieder, benützt die Hände als Forbewegungsmittel und vertraut der Wider­standsfähigkeit seiner Ledernen  ", deren Reibfläche bremsend wirken muß. Sie bremst aber zu stark, die Lederne  "; Franz tommt nicht schnell genug vorwärts, zieht die Füße ein und wagt, auf den Beinen Hockend, ein Abfahren", die Hände griffbereit geöffnet, um durch Anklammerung an Baumstämmchen der Fahrt ein Ende zu sehen. Sausend geht es über die erste vereiste Steilfläche hinab, knirschend und pfeifend gleiten die genagelten Schuhe über das Eis, Franz fährt wie ein zusammengebundener Gnom in die Tiefe.

Ter Griff nach dem Fichtenbäumchen am Wegrande mißlingt, der Bursch gleitet sausend vorbei, über den Wegrand hinaus, in den schwarzen Abgrund. Ein gellender Schrei des Entsetzens

Es dämmert, bitter kalt bricht der Morgen an, Nebel verhüllt das eisutrustete Gelände. Glitzernden Reifschmud trägt der Wald. Ein hungriger Fuchs, der rote Näuber, hat den schützenden Bau verlassen und zicht beutegierig durch die dünne Fichtenstockung, die Standarte mit der Blume gesenkt nachschleifend, windend, scharf äugend. Reineke kommt auf behaarten Sohlen leicht über die glatte Eisdecke hinweg und schnürt aufwärts. Blöblich sichert und windet der Fuchs, der stechende Blick ist dem nahen Latschengeftrüpp zu getpendet, die Standarte schnellt nahezu senkrecht auf, senkt sich wieder zu wagrechter Lage, und nun trabt Reinete in vorsichtiger Surve herum, schleicht höher, um von oben herab den fremden Körper im Bergföhrengestrüpp lange zu beäugen. Dann rüdt der Räuber näher, immer sichernd und windend, bis er vor dem bewegungslosen Körper steht. Blutgeruch macht den hungrigen Fuchs zittern vor Gier, dennoch wagt Reinete es noch nicht, den seltenen, überraschenden Fund anzuschneiden. Eine leicht gefrorene Blutlache umgiebt das Haupt des Abgestürzten, sie lodt unwiderstehlich. Hier beginnt der Fuchs mit den Branten zu scharren, gierig fährt der Leder darüber. Gieriger wird der Räuber, er will noch mehr zur Befriedigung des Hungers haben, verlockend genug hängt bewegungslos eine Hand vor feinem Rachen. Plötzlich wagt der Fuchs den kräftigen Biß. Ein Zuden der Hand jagt den erschreckten Räuber hinweg. Das Leben kehrt wieder, der heftige Schmerz löst die Ohnmacht. Franz ver mag sich nicht weiter zu rühren, doch ist er sich darüber klar, was mit ihm geschehen. Der Versuch, den Kopf zu erheben, mißlingt und verursacht Schmerzen. Warm träufelt es vom Haupte, Blut aus einer frischgerissenen Bunde. Eine Hand brennt wie Feuer und blutet. In den Augen flimmert es, und schwarze Ringe tanzen einen wilden Reigen. Fühllos find Beine und Füße, starr bor   Stälte, vielleicht gar gebrochen.

Franz vermag sich nur mühsam zu orientieren; er ist über den vereisten Grenzstein hinausgekommen und eine Wand herunter in das Latschengestrüpp gestürzt. Hierher wird niemand kommen, hier hat kein Mensch etwas zu suchen, nichts zu holen.

Verloren das Leben, so nahe der Heimat!

Durch die Nebelschivaden gloßt trüb die Sonne. Die wirren Ballen, steigen und umziehen die Felstöpfe, das Gelände steckt in einem weißen, falten Chaos.

Kein Lebewesen ringsum als oben der keckernde Fuchs, der auf den Tod des Opfers lauert und eifrig windet.

Mit heiserer, schier erlöschender Stimme ruft Franz durch den dichten Nebel um Hilfe. Ber aber soll in diese Wildnis, weit ab vom Gangſteig kommen, und zur Zeit ist der Gangsteig unpassierbar wegen Glatteis!

Stunde um Stunde verrinnt

War das nicht ein Sinirschen, wie wenn scharfes Eisen sich in den Harst bohrt? Wieder ruft Franz, diesmal mit dem letzten Auf­gebot der schivindenden Lebenskraft, um Hilfe, und lauscht dann in das Nebelchaos hinein.

"

Wer da?" flingt es von oben herab

Im Abgrund! Abgestürzt!" ruft Franz, dent die Kräfte wachsen durch die Hoffnung auf Rettung. Die Antwort blieb aus. Oder hat sie der nun kräftig ein­fehende Bergivind verschlungen.

Eine Stunde vergeht langsam, für den Abgestürzten einer Ewigkeit gleich. Der Wind wächst und treibt die Nebelschwaden höher, die Thalung wird sichtbar und das Sträßlein tief unten, das zum Heimatdorfe führt, und auf dem schweres Fuhrivert langsam

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sicht. Doch von einem hilfebringenden Menschen ist nichts zu sehen; Franz kann sich freilich richt erheben, er muß liegen bleiben, wie er eben liegt. Bon unten aber steigt mit eisenbeschwerten Füßen im Bidzad ein Grenzaufseher den Steilhang herauf, scharf aufblickend, forgjam das Gelände absuchend und vorsichtig steigend, denn ein Ausgleiten würde hier einen bösen Sturz zur Folge haben. Ein gefährlicher, außerdienstlicher Anstieg, bethätigt durch ein Gefühl der Nächstenliebe, strafbar freilich, weil der Grenz­aufseher durch diese Exkursion sicher die festgesetzte Treffung mit dene Stollegen oben im Hochgebirge an der Landesgrenze verjäumen wird. Doch es gilt ein Menschenleben zu retten, sei's drum, den Kopf wird die versäumte Treffung nicht kosten, und vielleicht hat der vorgesetzte Cberkontrolleur ein Herz und Einsehen.

Immer höher steigt der Grenzer in selbstgewählten Serpens tinen, bis er in einem Latschengestrüpp des Abgestürzten ansichtig wird. Langsam, doch sicher steuert der Wachmann dem Aermften 3u, und untvillkürlich richtet er das Auge zur Prallwand empor, die Tiefe des Sturges bemessend.

"

.Hast was' brochen?"

Franz ächst, daß er das nicht wisse, und bittet, es möge ihn der Grüne" hinuntertragen.

Hast Du ein Glück! Fallt der Mensch von der Höh' runter, und ich muß grad' daherkommen und den Hilfruf hören! Freunderl: wenn ich mit Geld wegen der versäumten Treffung g'straft werd'. die Geldstraf' mußt fein Du zahlen! So, jetzt nimm ich Dich auf'n Buckel und trag' Dich' runter!"

Es tostete schwere Mühe, den Burschen auf den Grenzerrüden zu bringen, und traftlos hing Franz daran, unfähig, mit den Armen den Hals des Retters zu umflammern, daher der Aufseher den Berg­stock wegwarf und mit beiden Händen die Arme Franzens festhielt.

Vorsichtig die Eisen gebrauchend und immer Zidzad gehend, stieg der wadere Grenzer den Steilhang hinunter, mit der Menschenlast auf dem Rücken. Wie da die Eisen durch das Doppelgewicht im Harst Inirschten!

Der

Der schivere, gefährliche Abstieg gelang. Am nächstgelegenen Anwesen, eine Mühle, lieferte der Grenzer den geretteten Burschen ab mit der Bitte, Franz auf einem Wagen heimzufahren. nächste Blid aber galt der Uhr, dem Dienst. Vielleicht geht's doch noch mit der Treffung! Es ist ja Glatteis, da kann der Stamerad bon drüben auch nicht so flink hinauf!" sprach der Grenzer, padte feinen Bergstock und eilte bergan, pfadlos hinauf, dem Dienstrayon

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Arthur Achleitner  .

Kleines feuilleton.

k. Bon den Diamantfeldern Südafrikas   handelt ein kürzlich in London   erschienenes Buch des Generaldirektors der De Beers- Minen, Gardner F. Williams. Bon besonderem Interesse sind die Kapitel, die von der Auffindung der Diamanten und der ersten Zeit der Arbeit auf den Diamantfeldern erzählen. Bekannt ist, daß die Ent Deckung von Diamanten im Jahre 1867 zufällig von den Kindern des Voertrekkers Jacobs gemacht wurde. Sehr anschaulich schilderi der Verfasser das Drängen nach den unentdeckten Diamantfeldern zu Anfang der siebziger Jahre: Groß waren die Mühjale der Diamantensucher in dieser eisenbahnlosen Zeit; aber dafür gab es Entschädigungen in der grandiosen Natur. Sogar beim Streuzen der Karoos gab es merkwürdige erhabene Anblicke, um einen Reifenden anzuziehen, der zum erstenmal diese öden über Südafrika  gebreiteten Büften erblickte. Tag für Tag, wenn die Diamanten­sucher von Kapstadt   mit ihren knarrenden Wagen dahinzogen, breitete fich vor ihnen dieselbe purpurbraune Fläche aus mit den ver fimmerten blühenden Sträuchern, die der Wüste ihren Namen gegeben haben, mit Flecken heißen roten Sandes oder rissigen Lehms. Die Schotten erinnerte dieser Strauch an die Heide ihres Hochlandes, und an Heimweh erkrankte Engländer streiften weit durch den Stechginster und pflückten die gelben Blüten der Pflanze, die fie an den Ginster ihrer heimischen Insel erinnerte. Diese taum einen Fuß hohen Büsche und der dide, verkümmerte Giraffenbaum waren fast die einzigen Pflanzen der Wüste." Im erften Fieber des Suchens wurde nicht viel Stunft im Betriebe ent­widelt. Der Plan des Bergwerksbetriebes mit der Reservierung der Straßendämme, die von den Inspektoren des Freistaates be­stimmt wurden, erties fich nur als Notbehelf. Die Besizer der Grenzclaims untergruben die Dämme, so daß sie bald für die Wagen sehr gefährlich wurden. Es war sicherlich bequem, daß man zu jedem Teil der Oberfläche der Mine Zutritt hatte; aber es war ein jämmerliches Schauspiel, als die Fahrdämme krachten und ab­brödelten, die Spalten mit Blanken ausgefüllt wurden und Maultierwagen und Menschen stolperten und in in Abgründe glitten. Trotz aller dieser Unfälle wurden die die Wege fo erhalten, bis nichts nichts ihren Verfall mehr aufhalten konnte. Bereits vor dem Ende des Jahres 1872 waren alle in dem großen Abgrund verschwunden." Es war unvermeidlich, daß das offene System des Grabens in den Stratern erloschener Bullane,- denn das sind die Kimberley- und De Beers- Minen, zu einem Ende tommen und durch unterirdischen Betrieb ersetzt werden mußte. Die offene Grube ter am Schluß des Jahres 1882 über 400 Fuß ge­funten, und die Unkosten wurden durch das Vertiefen der Mine ver­mehrt. Als sie dann regelrecht organisiert wurden, entstand die Ge­fahr, den Markt mit Diamanten zu überschwemmen und dadurch ihren Wert zu verringern; deshalb wurde die Ausbeute beschränkt.

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