-

986

-

Jean Philibert machte seine Aufwartung in Aufnettes und gefiel sich daselbst. Er kam wieder, wußte die Damen des Hauses für die australischen Inseln zu interessieren und allerlei von der Entartung der dortigen Frauen zu erzählen.

Er war groß gewachsen, hatte einen seidenweichen zu neuen aufstrebenden Entwicklungsbahnen zurück. Im Jahre 1876 schwarzen Bart, funkelnde Augen, die so dunkel waren, daß beruft ihn auf Goethes Betreiben der Herzog Karl August als fich die Pupille kaum von der Fris unterschied, ein sympathi- Generaljuperintendenten nach Weimar  . Und hier, in der geistigen Centrale des damaligen Deutschland  , entfaltet während des nächsten Jahrzehnts fches, leicht umflortes Organ, Bewegungen, die zugleich ge- feine Kraft sich zu dem höchsten Maße der Thätigkeit. Es erscheint bietend und schmeichelnd waren, und etwas große, aber wohl die schon früher vorbereitete, epochemachende Sammlung der Bolts­geformte Hände, deren Nägel wie Achat oder Onyx   lieder, die neben deutschen Gedichten eine Fülle fremder, von Herder  schimmerten. Er sprach fließend, doch mit Wendungen, die, mit genialer Nachempfindung übertragener Volkspoesie aus allen in Perioden verlängert, eine gewisse Monotonie hervor Beiten und Ländern bringt. Wo der Umriß zu fehlen schien, zog brachten, wie sie eine allzu regelmäßige Sagfügung und eine ich", sagt er einmal, die Freiheit und den sicheren Instinkt seines tadellose Syntar mit sich bringt. Nachbildens vorzüglich charakterisierend wie bei einer alten Zeichnung Doch retteten ihr seine erotischen Anekdoten. Er war die Linien nach" und that Flecken" hinweg, die die Eigenart der im Grunde ziemlich unbedeutend, und seine litterarischen unmittelbar die„ Lieder der Liebe aus dem Morgenlande", dann dichterischen Wirkung hätten stören können. Den Volksliedern folgen Leistungen sollten die wertlose und fabelhafte Ueberproduktion weiter die meisterhaften Psalmenübertragungen in der be­auf diesem Gebiet nur vermehren. Aber trotzdem, oder besser rühmten Schrift„ Bom Geist der hebräischen Poesie" und gesagt, eben deshalb war er dazu angethan, den Frauen zu später in den Bänden der Verstreuten Blätter" Reproduksionen gefallen. Die Natur hatte ihn zu gar keinem andren Zweck griechischer, lateinischer und orientalischer Lyrik. So hat Herders gebildet. Hinter seiner monotonen Redeweise barg sich ein Arbeit in Deutschland   den Grund gelegt zur Verwirklichung jenes sehr feuriger Instinkt. Goetheschen Jdeals einer umfassenden Aneignung der gesamten Welt­litteratur. Die Hoffnungen, die christliche Mystiker und Orthodore auf ihn gesetzt, wurden durch die" Briefe zum Studium der Theo= logie  " und viel mehr noch durch die von Goethe mit Begeisterung aufgenommenen„ Gespräche über Gott  ", in denen er sich der Lehre des verlästerten Spinoza, sie nach seinen eigenen Herzensbedürfnissen umgestaltend, annimmt, gründlich enttäuscht. Seine Religiosität ver­liert die dogmatischen Züge, das Unduldsame und die scharfe Gegen­säglichkeit zu den Tendenzen des Aufklärungszeitalters; sie durchdringt sich mit dem großen Gedanken der„ Humanitat" das Losungswort, in das Herder nun seine Menschheitsideale zusammenfaßt- und nimmt das Bedürfnis einer natürlichen entwicklungsgeschichtlichen Betrachtung aller Dinge in sich auf. Der reichste Zeuge dieses Geistes, in dem sich Herder auf der Höhe seines Lebens wiederum mit Goethe, dies­mal nicht dem Dichter, sondern dem naturwissenschaftlichen Denker begegnet, ein Werk, in das wie in einen mächtigen Hauptstrom sein ganzes Schaffen mündet, als vage Hoffnung schon angefündigt in dem Jugendtraume einer Universalgeschichte der menschlichen Kultur, Menschheit". 1784 erschienen die ersten Teile des Buches, zu ist seine Schrift: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Beginn der 90 er Jahre, nach Herders   italienischer Reise, die letzten Abschnitte. Eine Durchführung des Planes war dem Verfasser unter dem Druck zunehmender Kränklichkeit nicht mehr vergönnt, seine Darstellung bricht bei dem Mittelalter ab. Die dauernde, gewaltsame Anspannung hatte die Kräfte vor der Zeit verzehrt. Die reizbare Laune, die auch früher oft sein Verhältnis zu den Besten getrübt, treibt ihn in eine immer wachsende Erbitte­rung und verzerrt das Urteil. Er, früher einer der Träger des neuen Geistes in unsrer Litteratur, wendet in dem letzten Jahrzehnt feines Lebens, nach der Annäherung Goethes und Schillers, ver brossen übelwollend sich von der Arbeit dieser beiden Großen ab und zieht in seiner Metakritik der reinen Vernunft" mit higig- über­reizter leerer Deklamation gegen das gepanzerte System der Kant­schen Philosophie zu Felde. Am 18. Dezember 1803 erlöste ihn der Tod von langen Leiden.

Eines Mittags, als Jean Philibert Donzagues über den Rajen daherkam, begegnete er Marguerite Dufrêne. Das junge Mädchen stand vor einem Strauch jener fabelhaften Päonien, die die schönsten gefälteten Seidenkleider tragen, die es auf Erden geben kann. Jean Philibert warf einen langen Blick auf die Lustwandelnde, einen Blick, den viele unvorher gesehene Abenteuer im Urwald, den Dschungeln und zwischen den Klippen fühn gemacht hatten.

Und sofort entschied er, daß er dem schönsten Mädchen begegnet war, das je in seinen Gesichtskreis gekommen. Dieser Eindruck wurde im Laufe der Woche noch erhöht. Donzagues richtete es so ein, daß er dem jungen Mädchen einigemal be­

gegnete.

( Fortsetzung folgt.)

Johann Gottfried Herder  .

( Schluß.)

Die Zeit der Freiheit war kurz bemessen: Ein paar Monate in Nantes  , ein paar Wochen in Paris   im Umgang mit den Encyklopädisten. Als Reisebegleiter für den Sohn des Lübecker  Fürst- Bischofs engagiert, ging Herder   nach Deutschland   zurück. Aber schon auf einer der ersten Stationen in Straßburg   zerschlug sich das Verhältnis; Herder  , durch den dummer Hochmut des Hofmeisters verlegt, verlangte den Abschied. Eine langwierige und schließlich resultatlose Augenoperation hielt ihn Monate hindurch in Straß burg   fest.

"

Ju ihm verlor die Zeit einen der bedeutendsten Repräsentanten ihres universalistischen Bildungsstrebens. Der höchste und dauernste Ruhm dieses wunderbar vielseitigen Geistes aber In wenigen Wochen im Winter 1770 entstand dort die„ Ab- wird es sein, daß er mit Lessing   und Kant zusammen in Deutsch  handlung über den Ursprung der Sprache", eine Arbeit, die nach dem land Bahnbrecher des geschichtsphilosophischen, Vernunft und Auf Urteil Hayms, des bedeutendsten philosophisch geschulten Herder wärtsentwicklung in der unendlichen Mannigfaltigkeit der historischen Biographen, ohne breite empirische Grundlage durch die bloße Kraft Erscheinungen suchenden Geistes gewefen. Es wäre eine lohnende genialer Anschauung und lebendiger Kombination die wesentlichen Aufgabe, unter diesem Gesichtspunkt die Drei und die Anregungen, Elemente der Erklärung, auf welche auch die spätere Sprachwissen die von ihnen ausgegangen, zu vergleichen. In Lessings tiefsinniger schaft immer zurückgegriffen hat, errät und feststellt. Der Studiosus„ Erziehung des Menschengeschlechts" zeigt der Entwicklungsgedanke Johann Wolfgang Goethe   war damals ein regelmäßiger Gast im noch durchans theologische Färbung. Nicht nur, daß der Fortschritt Hause des Patienten. Was der Verkehr mit dem Kranten gerade einseitig als Fortschritt des religiösen Bewußtseins und sittlichen in dieser ersten Entwicklungsperiode für Goethe gewesen, hat er selbst Handelns gefaßt wird, die Bewegung selbst erscheint als eine durch ein in Wahrheit und Dichtung" erzählt. Herders ganze Auffassungsübernatürliches Mirakel, die Offenbarung Gottes vermittelte. Ganz anders weise, sein Drängen auf Natur, sinnliche Bildlichkeit, auf Leidenschaft in Kants   scharfsinniger Sfizze über die Jdee einer Philosophic der und Handlung in der Poesie, traf hier einen Geist, dem mit der Geschichte in weltbürgerlicher Absicht"! Hier weht ein konsequent Empfänglichkeit zugleich die Kraft des Vollbringens gegeben war. naturalistischer Geist. Ausgehend von dem Sazze, daß, wenn die In der Goethischen Lyrik, die mit leicht tändelnden Liedern im Zeit- Geschichte der Gattung überhaupt einen die menschliche Vernunft geschmack begonnen hatte, und nun in ihrem ganzen Ton sich wandelt, befriedigenden Sinn haben soll, dieser nur darin gesucht werden läßt sich unmittelbar der Einfluß dieser neuen Jdeale spüren. Die könne, daß die Entwicklung auf einen Zustand der Staaten und Shakespeare- und Ossian- Verehrung Herders, seine Verherrlichung Gesellschaften hinstrebe, in dem die freieste Entfaltung aller mensch­des Volksliedes wecken begeisternden Nachhall in der Jugendseele des lichen Anlagen möglich sei, stellt Slant dem philosophischen Geschichts­größten deutschen Dichters. schreiber die Aufgabe, nachzuspüren, wie in dem Widerstreit der Von Straßburg   tvendet Herder   sich nach Bückeburg  , wo ihm ein egoistisch interessierten Individuen, in dem raftlosen Kriege der Staaten Amt als Hofprediger und Konsistorialrat angetragen war. Er gegen einander die Menschheit rein durch den Zwang und Druck der Ver­jammelt Volkslieder, giebt mit Goethe zusammen ein Heft von hältnisse, also mit natürlicher Notwendigkeit, jenem Ziele eines voll­deutscher Art und Kunit" heraus; im ganzen aber treten in diesen fommenen Staates und weltbürgerlichen Zustandes zugeführt werde. Bückeburger   Jahren die litterarisch- historischen Interessen hinter den Es sind Gedanken, die, so flüchtig sie das eigentliche Jimere der theologischen zurück. Es ist die Zeit, in der Herder, ganz im Fahr- bürgerlichen Gesellschaftsverfassungen, die Dekonomie streifen, doch wasser Hamannscher und Lavaterscher Mystik, sich in eine wild- in gewissen allgemeinen Grundzügen, so in der Art, wie sie den schwärmende, gegenüber der Vernunft auf Wunder und Offenbarung Fortschritt aus dem Kampf der Egoismen herleiten, an das, was trozig pochende Gläubigkeit hineinarbeitet. In aufgeregtem, an wir heute materialistische Geschichtsauffassung nennen, anklingen. maßendem Prophetenton zieht er los wider die Philosophie des Herder steht zwischen beiden. Er überrascht an vielen Stellen durch Jahrhunderts, durch welche Religion wie Sittlichkeit unterhöhlt den Naturalismus der Denkart. Die Betrachtung des Erdballs als würden, er preist das Mittelalter und knüpft in seiner ältesten Werkstätte zur Organisation sehr verschiedener Wesen", in deren Urkunde des Menschengeschlechts" phantastisch- wirre Spefulationen Stufenreihe auch der Mensch, ein Speisekanal wie seine niederen an den biblischen Schöpfungsbericht. Doch rasch führt ihn der Weg Brüder", sich eingeordnet findet, eröffnet das Buch. Und so ent­

"