ES hatte schon längst„geschummert". Die alte verrostete Uhrder Dorfkirche stotterte Stunde um Stunde heraus, aber FrauBollenkamp wartete noch immer vergeblich auf den Gatten. Draußenhatte ein heftiger Schneefall eingesetzt: die Nacht war finster undLaternen gab's nicht. Es schlug zwölf, eins,— endlich hörte dieWartende, wie die Hunde im Dorfe anschlugen. Und aus dem.Geheul klangen zwei bässige Männerstimmen:„O Tannebaum,o Tannebaum, wie grü— ün sind deine Blät— ter."Bald darauf trat einer wie der leibhaftige Weihnachtsmann indie Stube:„Du grü— nst nicht nur zur Sommerszeit—"„Recht niedlich!"„Nein, auch im Winter, wenn es schneit."„Nu sei still, ja?",.O Tannebaum,— o—"Frau Bollenkamp hielt dem Sänger die Hand auf den Mundund nahm ihm die Pakete ab.„Was ist denn das hier? Die reineButter."Bollenkamp schmunzelte vergnügt:„Pfefferkuchen, �Mutter. Legihm man in die Ofenröhre. Es is bloß'n bißchen Schnee mang."uno er oegann, a-ge imytüt., vw-».lamtuufcn„Und was stellt das hier vor?" Frau Bollenkämp yieu ociuGatten ein breitgedrücktes Stück Wachs unter die Rase.Er besah es sich eingehend:„Das is ein Engelchen, Mutter."„Ein Engelchen? Sieht so ein Engelchen aus?— Und hier,"sie hatte eine andere Tüte geöffnet und schüttete einen Haufenklirrender Scherben heraus,„was is das?"„Herrjeh, die Kugelchen I Wie geht das zu, Mutter?"„Drauf geseffcn hast Dul"„Siehste," über Bollenkamp kam's wie eine Erleuchtung,„darumpiekte mir das auch immerzu da hinten."„Geschieht Dir recht, Du Dummerjahn l— Nu soll mir bloßwundern, was für'n Tier von Puppe Du gebracht hast."„O," Bollenkämp sagte es stolz,„zwei lange, blonde Zöpfe hatsie und'n Wachskopf: sie klappert mit die Augen und wenn Duihr auf den Bauch drückst—"„WaS?" schrie Frau Bollenkamp, starrte entsetzt in den Puppen-karton und riß einen buntgekleideten Harlekin heraus, daß seineHände mit den Metalltellcrchen klingend zusammensprangcn.„was?Zöpfe hat sie? Sie? Ist das'ne Sie?'n Er ist es und Du bistder größte Schafs—"„Halt I Das stimmt nich, Mutter. Hier is Zauberei dabei.Ich Hab'n Mädchen gekauft— das schwör ich Dir zu— ich Habselber bci's Einpacken gestanden— und unterwegs ist'n Jungedraus geworden." Er schüttelte tiefsinnig den Kopf über demHarlekin:„Es ist Zauberei."„Fauler Zauber! Na, wir reden morgen zusammen.Wo hast Du das andere Geld?"Bollenkamp begann verzweifelnd in den Taschen zu angeln,aber nur wenige Nickel kamen zum Vorschein.„Das ist alles?"„Die Preise sind dies Jahr furchtbar teuer, Mutter."„Der Grog auch, was? Wieviel Glas?" Sie stand drohendvor ihm.„Gezählt Hab' ich sie nicht. Aber so'n Stücker drei odervier—"„Lüg' Du doch anderen Leuten den Buckel voll, ja? Na, wirreden morgen zusammen!"„Warum? Wo wir einmal bei sind, Mutter—"Er erhielt keine Antwort mehr.—Am anderen Morgen in aller Frühe kam Frau Klaßen undbrachte die richtige Puppe, um dagegen den Harlekin einzutauschen,der für ihr Söhnchen bestimmt war. Das sänftiAe Frau Bollen-kamps rauhe Absichten— der blonde Wachskopf gefiel ihr sehr—und ihr Mann kam mit einer gelinden Predigt davon. Klaßen undBollenkamp hatten die Kartons vertauscht, ohne es zu bemerken.Die beiden Männer trafen sich am Vormittag wie auf Verab-redung im„Gelben Löwen".„Meine Ollsche," sagte Klaßen,„hat mir noch'n schönen Tanzgemacht heute Nacht. Aber es schad't nich, Bollenkamp, schön warder Einkauf doch."„Ja," Bollenkamp kratzte sich den Kopf,„schön war er. Aberich geh' nicht wieder. Die verfluchten Glaskugeln! Ich glaub, ichHab noch'n Splitter drin."—Aus dem Tierleben.tg. Ueberwinternde Stare. Der Star ist im Früh-jähr der erste Zugvogel, der aus dem Süden zurückkehrt. Er istwohl noch früher da als Lerche und Kiebitz, die sich auch nicht vieldaraus machen, wenn ihnen noch einmal ein verspätetes Schnee-Wetter auf den Leib kommt. Oft im Februar erscheint der Starschon, und er zieht nach gewöhnlicher Angabe Oktober oder Novemberweg. Allein es werden sich wohl viele Naturfreunde finden, die ganzeStarscharen noch im November lustig umherschwirren gesehen undin den Banmästen lärmen gehört haben. In dem milden SpätjahrtSWV waren z. B. bis zum letzten Dezember große Mengen von Starenin den Rüdersdorfer Kalkbergcn zu bemerken; in diesem Jahresollen sie noch eben jetzt in den„Kameruner Gärten" bei Berlin ihrePfeifmusik veranstalten. Der Star ist also sehr abgehärtet, er ziehtwohl überhaupt weniger der Kälte, als des Futtermangels wegennach dem Süden. Es ist aber schon wiederholt beobachtet worden,daß einzelne Stare auch den ganzen Winter über bei uns verbleiben.Es geschieht dies namentlich in großen Städten, wo der Vogel Ge-legenheit findet, seinen Hunger auf der Straße zu stillen. An Ab-fällen aller Art fehlt es dort jr nicht. Möglicherweise gewöhnt sichder Star mehr und mehr daran, auch während der kalten Jahreszeitbei uns zu bleiben. Im Brehm steht zwar nur, daß sich einzelneder Tiere an Orten, wo sie von Menschen Nahrung erhalten, neuer-dings daran gewöhnen, zu überwintern. Dagegen berichtete voreinigen Jahren ein Vogelfreund in der„Gefiederten Welt"(Jahr-gang XXIV, Nr. 13), daß er schon seit längerer Zeit zu der Ueber-zeugung gelangt sei, daß in Westdeutschland, in den Rheinlanden,der Star nicht als Zugvogel betrachtet werden kann. Dort bleibendie Tiere zum allergrößten Teile den Winter über im Lande. Giesammeln sich zu großen Schwärmen und ziehen meist gemeinschaftlichauf die Nahrungssuche. Einzelne gehen allerdings auch in der Ge-sellschaft von Krähen und Dohlen auf Nahrung aus.„Die Staremeines Hauses, schreibt der betreffende Westdeutsche, verschwandenbei strengster Kälte einige Zage,»»->»>" Mnrt wieder da, wenngelindere Witterung eintrat. Ein star kam zeden'•am.m,--f-—«�ach zu schlafen»im 90 Smu«« bevbachtete ich über hundert Stare«.Im?yui»Nipp in der Aachener Sörs."In Frankfurt a. M. trafen am 20. Dezember 1000, wie einanderer Vogelfreund mitteilt, tausende und abertausende von Starenein, die in einem Parke im Norden der Stadt nächtigten. Vielleichtsind das Vögel aus nördlichen oder kühlen Gegenden, welchen fürden Winteraufenthalt die milde Lage Frankfurts vollständig genügte.Die Stare zogen den ganzen Winter hindurch bei Tagesanbruch in dieumliegenden Dörfer und Felder hinaus und kehrten gegen 4 Uhrnachmittags nach dem Parke zurück. Sie bezogen indes noch nichtihre Nachtquartiere, sondern kreisten hoch in der Luft umher, bis dieletzten Stare aus der Umgebung eingetroffen waren. Gegen drei-viertel Stunden flogen sie so in der Lust umher, und der Bericht-erstatter sieht darin mit Recht ein Zeichen, daß sich die Tiere sattgegessen hatten und behaglich fühlten. Nach dem Flugspiel ließen siesich auf den Bäumen nieder, und nun hörte man mitunter ein leb-Haftes Geschwätz, während sie beim Fliegen keinen Laut von sichgegeben hatten. Der Anblick dieser Vogelmassen soll geradezu über-wältigend gewesen sein. Noch nie wurden in der Stadt oder in derUmgebung so große Scharen von Staren beobachtet. Von weitemsollen die Flüge mehr Heuschreckenschwärmen als Vogelscharen ähnlichgesehen haben. Bemerkenswert ist, daß in Frankfurt im Sommerkein Star zu sehen ist, obwohl sie hier genug Gelegenheit zum Nistenhaben würden.—Humoristisches.— Der Schlangenbändiger.„Wie sind Sie dennneulich nach unserem Stiftungsfeste auf die Idee verfallen, micheinstweilen zu Ihrer Frau mit der Meldung vorauszuschicken, Siekämen bald nach?.. Die hat mich schön behandelt! Ich dank'l"„Wissen S', mir hat einmal ein indischer Schlangenbändigerverraten, man solle, bevor man sich solch' lieblichen Geschöpfen nähert,sie erst in einen Lappen beißen lassen!"—— Ländlicher Monolog..,D' Liab'— sagt m'— is's S ch ö n st' auf der Welt!— Racha komma aber glei': Speck-knödel mit Sauerkraut!"—(„Fliegende Blätter.")'Notizen.— D i e Herkunft der Runen. Bisher glaubte man,die Runen stammten vom lateinischen Abc. Jetzt hat DozentFriesen in Upsala nachgewiesen, daß sie vom griechischenSchreib st il stammen. Von diesem erhielten die Goten Kenntnisaus den griechischen Siedlungen am Schwarzen Meer. Einige Runenstammen jedoch ersichtlich vom lateinischen Abc, das die Gotenwahrscheinlich in den lateinischen Niederlassungen in Dacien(demheutigen Rumänien und Siebenbürgen) kennen gelernt haben. NachAnsicht Friesens rühren von den 24 Runen mit Sicherheit 1b, sowieanscheinend noch weitere b vom griechischen Abc, aber nur 4 vomlateinischen Abc her.—— H o l g e r Drachmanns Schauspiel„W hhnand derSchmied" ist vom Burgtheater erworben worden.—— Das Nationaltheater hat eine neue Oper des WienerKomponisten Josef Förster angenommen. Das Werk führt denTitel„Der Großmeister".—— Der Seeadler ist, nach der„Köln. Volksztg.", in diesemHerbste ungemein häufig auf der Kurischen Nehrungvorgekommen. Unfern der Vogelwarte Nossiten wurden drei dieserVögel in Krähcnnctzen gefangen.—— In den Weingegenden an der M o s e l haben die Flaschen-weine durch Einwirkung der diesjährigen Sommerhitze eine der-artige Menge Kohlensäure gezogen, daß sie beim Umgießenwie Sekt schäumen und wie„trockener" Sekt schmecken.—— Die Wetterwarte auf Samoa.die bis lOOb diekönigliche Gesellschaft zu Göttingen zu unterstützen hat, wird wegenihrer Wichtigkeit für Erdbcbenbeobachtungen bis 1009 vom Reich undvon Preußen zu gleichen Teilen weiter unterhalten.—— Das älteste Gasthaus in Deutschland stehtnicht in Adorf. Das Wirtshaus zum„Riesen" in Milien-be r g a. M. besteht schon seit dem 12. Jahrhundert.—Verantwortl. Redakteur: Paul Büttner, Berlin.— Druck und Verlag:Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstaltPaul Singer 6cCo.. Berlin LW.