stlMMUNg, bic sich zwischen sie geschoben hatte. Sie verstand ihn, kannte ihn und es gelang ihr, den Schleier über seinen, Blick zu zerreißen indem sie an ihn herantrat und ihn so treuherzig küßte, wie nur sie es konnte. Sie glühten beide vor Innigkeit, sahen sich nicht an, hielten sich aber einen Augenblick fest in den Armen. Wollen wir nun fahren?" fragte Madame d'Sra. Wie froh und warm ihre Augen jetzt waren, während sie an Edmund Hall hingen, und wie sonderbar sie seine Hand umfangen hielt, als ob das Bewußtsein, daß sie ihn liebte, sie vergeßlich mache! Ja, Lcontine," sagte Hall, lachte tief aus der Brust heraus wie ein glücklicher Junge und küßte sie auf beide Wangen. Er ging ans Telephon, und während er lauschte, sah er ununterbrochen zu Lcontine hinüber, die die Hand- schuhe anzog und auf mädchenhafte Weise lächelte. Kann ich mich darauf verlassen, daß Tu heute schon etwas zu essen bekommen hast?" fragte sie. Hall schüttelte den Kopf, beständig das Schallrohr am Ohr.  Tann fahren wir zu allererst zu Marti n und früh­stücken," erklärte Madame d'Ora.  Ich bin selber hungrig. Oder willst Tu mit mir hinaus und Rekord brechen? Sollen wir Lederzeug anlegen?" Nein," sagte Hall und lachte. Er sprach kurz einige Worte ins Telephon hinein.Nein, mein Kind,»vir fahren ganz vernünftig. Aber ich muß mich doch umkleiden. In zehn Minuten ist das Automobil hier." Hast Du einen Chauffeur?" Ich fahre selbst. Willst Du hier warten, während ich mich umkleide, es wird nur einige Minuten währen. Rühre aber nichts an, ich habe überall Gist und Elektrizität.. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) Oer �anäbneftrager. Skizze von Reinhold Ortmann. Heber Nacht ist der Schnee gekommen. Lang hat der Winter gezögert, dem Herbst das Regiment aus der Hand zu nehmen, und nun hat er sich ins Tal geschlichen wie ein scheuer Dieb. Am Abend fielen sacht und leis die ersten Flocken, und dann ging's die Nacht so fort, bis zugedeckt war, was am Vortage noch mit bunten Farben geprahlt hatte.. Quirin Giestl zieht sich brummelnd die schweren hohen Stiefel an, nachdem er am Morgen einen Blick aus deni Fenster getan hat. Hätt' seinetwegen noch lang' warten können, der Herr Winter. Was hilft's ihm, dem Giestl, wenn es draußen glitzert und leuchtet in silberner Schönheit, wenn die Bäume, die gestern noch ihre Zweige kahl und ärmlich gen Himmel gereckt haben, heut aus- schauen ivie Wunderwerke aus köstlichstem Kristall? Wenn er sich in die warme Stube setzen und so hie und da in aller Gemächlich- keit einen Blick hinaustun könnte da tät's ihn vielleicht freuen, das weiße Gewand von Berg und Wald. Wenn man aber ein paar Stund' lang stapfen muß durch den fußhohen Schnee, wenn Füße und Hände kalt werden und die Ohren schier wegfrieren da ist's aus, ganz aus mit der Freude. Ist eben doch eine schlechte Zeit für einen Landbriefträger, der Winter. Und besonders, seit- dem der Quirin alt geworden ist, mag er ihn nicht mehr, den kalten Herrn. Im Sommer tut sich's noch mit den Gliedern; im Winter aber wollen sie nicht mehr so recht da kommt das böse Reißen und was das Alter sonst noch an Plagen mit sich bringen mag. In dem schweren, dicken Mantel das ist der einzige Luxus, den sich ein Landbriefträger leisten muß trottet Quirin Giestl zur Posthaltcrei. Natürlich! hat er sich's nicht gedacht? Grad' heut sind's akkurat vier Pakete mehr als sonst heut, wo einem die Finger so hübsch erfrieren können. Daß doch! Aber alles innerliche Wüten und äußerliche Knurren hilft nichts er muß den Postsack auf den Rücken laden, auf den noch ein paar Pakete gepackt werhen, und das andere müssen die Hände tragen. Der Herr Posthalter schüttelt ein bißchen mitleidig den Kopf, wie er dem Alten nachsieht.Wird's aa nimmer lang tun, der Giestl," meint er zum Adjunkten, der gerade eine halbe Maß un- schädlich-macht. Und der Herr Adjunkt brummt zurück: Hat seine Siebz'g mit z'trag'n, der Giestl. Na, i gönn's eahm, wenn er amal sei Ruh' kriagt." Quirin ist inzwischen schön stad die Landstraße hinunter- gestapft. Pressieren tut's ihm nicht beileibe nicht. Und ob's den Empfängern der Briefe pressiert, danach fragt er nicht lang. Wenn er kommt, nachher ist er da früher nicht. Das müssen die Leute doch einsehen. Die Briefe für's Dorf hat er in einer Extratasche. Um- ständlich packt er seine Pakete auf einen Arm, und mit der frei gewordenen Hand kxamt er die Briefe hervor. Da ist einer für Georg BrandhoferPortopflichtige Dienstsache". Der Giestl weiß, was das zu bedeuten hat vom Gerichtsvollzieher kommt's halt. Ja, ja, der Brandhofer! Ganz heruntergewirtschaftet hat er den schönen Hof. Seit die Bäurin tot ist, tut er nimmer gut. Und ist kein seltner Gast da, der Mann mit den hübschen blauen Wapperln. Des Brandhofcrs Nachbar, der Matthäus Partenhauser, bc- kommt auch einen Brief. Wie doch Leid und Freud so nah bei- einander wohnen! Der Matthäus ist hinaufgekommen, der Georg hinunter. Matthes hat sein Anwesen gehoben, sein Sohn ist gar Beamter geworden bei der Eisenbahn  . Allewege ist es ihm auch nicht gut gegangen, zwei Kinder sind gestorben, aber nun ist er obenauf. Der Aelteste hat den Hof, und er, der Vater, lebt im Ausgeding bequem und angenehm. Ein ganz klein wenig ist ihm der Quirin neidig nur ein wenig, wie's einem Christcumcnschcn zur Not erlaubt ist. Die beiden Briese hat er abgegeben bei dem einen bekommt er nur ein Brummen zum Tank, beim anderen einen Kirsch. Der Kirsch ist besser, und der Quirin beschließt, nicht mehr neidig zu sein. Nun kommt die Joscpha Lautenbachcr. Das ist die Tochter vom Bürgermeister, aber recht ein armes Ding. Auf der Brust hat sie's lebt nimmer laug, meint der Doktor. Und dabei würde die Josepha so viel Geld bekommen, und ist doch so ein armes Ding. Wunderlich, wunderlich! Quirin schüttelt den Kopf. Und er macht sein freundlichstes Gesicht, das freilich immer noch wie Regenwetter ausschaut, wie er der Josepha den Brief gibt. Ein Zehncrl schenkt sie ihm dafür, und Quirin trottet weiter. Mei der Fichtner kriegt gleich drei Schreiben! Ja so der will seinen Hof verkaufen. In der Stadt will er eine Wirt- schaft ausmachen die Stadt, die lockt sie halt alle, alle. Sind schon viele hineingegangen, die der Quirin gekannt hat und haben nicht alle Glück gehabt. So mancher ist im Elend gestorben, der auskömmlich hätte leben können, wär' er nur daheim geblieben. Daß sie nur gar so arg gern fortmögcn, denkt der Quirin, und weiß die Zeit doch noch, wo er sich selbst hinausgesehnt hat in die fremde Welt. Aber wenn nia» in den Siebzigern ist, dann ver- steht man's halt nicht mehr, wie die Jungen fühlen, und will's nicht loahr haben, daß man's auch so oder noch ärger getrieben. Er denkt ja auch nicht eben oft nach über das Leben nur heut ist's ihm gar so wunderlich. Heut fallen ihm all die alten Geschichten wieder ein man sieht ja viel in einem langen Leben, auch wenn sich dieö Leben auf der Landstraße zwischen wenigen stillen Dörfern abspielt. Er kennt jeden Hof am Weg, kennt jeden Bauern, er hat die Großväter, die Urgroßväter der Kinder noch gekannt, die»eckend hinter ihm dreinrufen. Er hat die Not des Vaters gesehen, dessen Sohn heut im Glücke sitzt, er weiß um die Seligkeiten der Großeltern, deren Enkel im Elend verkommen. Gehen und Kommen hat er steigen und fallen gesehen nur er ist immer seine Straße weiter gegangen, immer den gleichen Weg, Tag für Tag, einmal hin. einmal zurück, unbekümmert darum, was das Schicksal denen an Leid und Freud gebracht hat, die am Wege wohnten. Der hat ihm wohlgetan und jener ihn geärgert der eine wie der andere ruht im Grabe, und den einen wie den anderen hat er vergessen. Hier hat ein Mädel ihn am Zaun er- wartet, den Brief vom Liebsten aus seiner Hand zu nehmen und wie er keine Briefe mehr gebracht hat, da hat sie ihr Leid im Mühlbach zur Ruh' gebracht. Dort hat sich ein Taglöhner gemüht um sein täglich Brot, und den Enkel hat ein Lotterielos reich gemacht da hat sich ein Bauer erhängt, den ein unheilbares Leiden in den Tod getrieben, und der Sohn ist der reichste Wirt im Dorf. Und nun geht er über die einsame Landstraße da erzählen ihm die Marterln am Wege, wie den und jenen Freund ein Baum erschlagen hat, wie hier eine rollende Muhre blühendes Leben vernichtete, dort Blitzschlag einen Besitz zerstörte. Vergessen, vergessen! Das Leben ist weiter gegangen, und in die Lücken an» Wege sind Andere getreten. Kalt ist's heute, bitter kalt. Der Atem friert, und er kann nicht einmal die Hände reiben, die die Pakete tragen. Nach und nach erst, bei einzelnen Gehöften wird er sie los; und wo er so einen Packen bringt, da gibt's wenigstens ein Fünferl zum Lohn. Die Leute wissen, wie schwer dem Alten sein Beruf wird. Sie nehmen ihm auch seine Grilligkeit nicht übel; nein, wenn man so jahraus, jahrein allein seinen Weg geht, keinen Menschen hat, mit dem man reden kann da muß eins ja so werden! Und weiter geht der Quirin. Er hat sich seinen Weg, den er fünfzig Jahre lang tagtäglich gegangen ist, hübsch in Stationen eingeteilt; bei dem schiefen Baun» eine beim Förster die zweite beim Hansenbauer die dritte beim Waldanfang die vierte und so fort. Nun zählt er gewissenhaft; und jedesmal, wenn er wieder eine Station hinter sich hat, schnauft er befriedigt ein bißchen aus. Heut dauert das Ausschnaufen arg lang, und bei jeder Station ein bißchen länger. Die Füße die Füße! Da reißt's und zwickt's, als säße die Langerbäurin selig in Person drin die ist auch so'n Drache gewesen, die ihren Mann zu Tode gequält hat. Auf der nächsten Station, da steht eine Bank. Zwar, das Niedersetzen macht nur müder; aber er- fühlt, daß er's nötig hat. Und so stapft er weiter, brummelnd und knurrend und den Winter verwünschend, bis er sich auf die Bank setzen kann.