Schritten der stolzen Don Ouichotte-Haltung des Abziehenden eindrolliges Relief verlieh, aber die Figur erhielt so doch einen auSdem Stile der Komödie herausfallenden, allzu operettenhafte«Anstrich.Die Dekorationen gingen in keiner Weise über den Rahmendes Gewohnten hinaus. Das Publikum zeigte sich äußerst beifalls-'ustig. dtMnsik.Gerne folgen wir dem Bestreben, nicht bloß leichte Spielopern,sondern auch gewichtige ernste Opern in volkstümlichem Rahmenzu bringen. Unser Lortzing-Theater hat am Freitag diesesBestreben durch eine Neueinstudierung von Beethovens„Fidelio" bestätigt. Es kann in der Tat nie genug geschehen,um auch weitesten Kreisen dieses musikdramatische Hohelied derGattentreue so gut wie niöglich vorzuführen. Allerdings müssenwir in unserer Zeit einer„Klassikerdämmerung", in der einShakespeare ganz klein gemacht wird, damit rechnen, daß nächstensauch etwa ein Beethoven-Sturm losbrechen werde. Wir quittierengleich im vorhinein die Rechnung über die„Fehler" jener Oper.Nicht bald etwas leichter, als den allergrößten Kunstwerken ihreUnVollkommenheiten nachzurechnen! Auch„Fidelio" ist, an demMaß einer wahrhaft musikdramatischcn Schöpfung gemessen, vollVon„Schwächen". Dazu gehört schon die Einteilung in Nummernmit zwischenliegendem Dialog, sodann das nicht immer durch denZusammenhang geforderte Aricnhafte, sodann der matte Abfall gegenSchluß und dcrgl. mehr. Selbst der„Vortrag", die„Deklamation",die musikalische Gestaltung des Tentes gemäß seinem Sinn ist nichtüberall auf die einem Beethoven mögliche Höhe gebracht. Innerhalbdieses Rahmens wird es nun freilich kaum wieder ein Werk geben,das die Skala von der packendsten Hochdramatik bis zur feinstenKleinarbeit der Idylle in einer so überwältigenden Weise be-herrscht, wie eben der„Fidelio". Dadurch wird auch bei primitive-rcn Bühnenvcrhälwissen die packende Wirkung des ganzen nochermöglicht und andererseits doch an die Ausführenden eine solcheFülle von Ansprüchen gestellt, daß der mit der Materie vertrauteHörer meistens aus einer Enttäuschung in die andere fällt. Sollman nun solche Aufführungen mit unzureichenden Kräften geradeim Interesse der Kunstpopularisierung verwerfen, da für das Volknur das Beste gut genug sei, oder soll man auch Minderes hin-nehmen und sich sogar freuen, daß die Künstler Gelegenheit finden.selber etwa? zu lernen? Schließlich möchte man doch für das zweitestimmen.Auch bei der jetzigen Aufführung war es immerhin möglich,über mancherlei Enttäuschungen hinauszukommen. Um soenergischer darf man wenigstens das verlangen, was sich ohne Auf,wand vieler Mittel erreichen läßt. So beispielsweise eine Regie,welche nicht wieder die sinnigsten Ensemblesätze in Paradehaltungdem Publikum vortragen und die entscheidende Szene(„Töt' erstfein Weib!") lahm herauskommen läßt. Die Sängerin der Titel-rolle, Kamilla Götz!, kennen wir seit längerem als eine tüchtigstrebende Künstlerin. Man mußte sich bald überzeugen, daß diegewaltige Größe nicht eben ihre Stärke ist, und daß der schrilleKlang ihrer hohen Töne im Forte viel verdirbt. Trotzdem kam einealles in allem sehr anerkennenswerte Leistung zustande. J�>-Hanna Martin als Marzelline verstand es, günstig zu wirken,trotz ihrer unzureichenden Stimmbildung und einer anscheinendmit Heroismus überwundenen Indisposition. Unter den Sängernragt« Curt Schade als Florestan(Tenor) hervor; R e i m a rPoppe als Rocco(Baß) sang feinsinnig, schadete sich aber durchunbeholfenes Gebaren; der Bariton Theo Görger kam diesmalhauptsächlich deshalb nicht recht zur Geltung, weil ihn gerade anfeinen entscheidenden Stellen das Orchester oft übertönte. Diese?selber hielt sich unter Arthur Bodanzky für einfache An-spräche recht annehmbar. Relativ ain besten waren vielleicht derChor und die zwei Chorsolistcn. O t to Schäfer und RudolfNathfelder.Daß unser Lortzing-Theater wirklich eine Volksoper sei, daranhindert noch manches, nicht zuletzt die etwas hohen Eintrittspreise,mit denen allerdings jegliches private Opernunternehmen rechnenmuß. Nachdem wir vor einiger Zeit die Einrichtung der kleinenelektrischen Lämpchen an den Sitzen anerkannt haben(sie solltennur besser in Stand gehalten werden), möchten wir noch ein Wortüber den schlichten, gemütlichen und besonders gut akustischen?>nnenbau sagen. Beispielsweise hört man im rückwärtigen Teiledes Parterres trotz ziemlicher Entfernung vorzüglich. sz,Humoristisches.Mein Lebenslauf ist bald erzählt—In stiller Ewigkeit verlorenSchlief ich, und nichts hat mir gefehlt,Bis daß ich sichtbar ward geboren.Was aber nun?— Auf schwachen Krücken.Ein leichtes Bündel auf dem Rücken,Bin ich getrost dahin geholpert,Bin über manchen Stein gestolpert,Mitunter grab, mitunter krumm,Und schließlich mußt ich mich verschnaufe«.Bedenklich rieb ich meine GlatzeUnd sah mich in der Gegend um.O weh 1 Ich war im Kreis gelaufen,Stand wiederum am alten Platze,Und vor mir dehnt sich lang und breit.Wie ehedem, die Ewigkeit.Wilhelm Busch.— Entschuldigungsbrief. Entschuldigen Sie, bitte,daß meine Tichter gestern nicht gekomnien war, aber meine Fraukam in Wochen, und Fräulein wissen ja, wie das ist.— HochachtungsvollKarl Tauber.— Wahres Geschichtchen. Leutnant(in der Ein-jährigen-Jnstruklionsstnnde, einige Tage vor der Besichtigung durchden Oberst):„Na, was wissen Sie mir über die Regierung Friedrich Wil-Helms IV. zu sagen?"Volksschullehrer Maier:„In seine RegiemngSzeit fieldie Revolution in den Märztagen des JahreS--"„Um Gotteswillen, sagen Sie bloß so was nich, sagen Selieber: während seiner Regierung ist nichts Besonderes passiertoder-- er führte die Arbeit-., i seines Borgängers weiter oder sowas Aehnliches,— die Revolution kann nämlich der Herr Oberstnich leiden."(„Jugend".)Notizen.— Die Truppe des Lessingtheaters ist von ihrem erfolg»reichen Gastspiel in Amsterdam zurückgekehrt und nimmt amDienStag wieder die„Stützen der Gesellschaft" auf.—„Sulamith", lyrische Oper von Sandro Blumen«thal, einem in Deutschland lebenden italienischen Komponisten,wurde im Nürnberger Stadttheater mit Erfolg aufgeführtDaS Textbuch lehnt sich eng an das Hohe Lied Salomonis an.Die Vertonung ist melodisch reich.— Eine neue Oper von HansSommer:„Riquet mit dem Schopf", ein Märchenspiel,fand im Braunschweiger Hoftheater beifällige Aufnahme.— Richard Strauß arbeitet an einer neuen Oper, derals Text Hugo von Hoffmannsthals Drama„Elektro" fastwörtlich zugrunde gelegt ist.— Otto von Leisner, ein deutsch-österreichischer Schriftsteller. ist in Groß-Lrchterfeld«•gestorben. Er war am24. April 1847 zu Saar in Mähren geboren, aber seit den70er Jähren in Deutschland tätig. Er gehörte zu den ehrlicherenVertretern des aus der Mode gekommenen deutsch-sittlichen JdcaliS-mus, der im kapitalistischen Zeitalter zur Chimäre werden mußte.L. redigierte die„Deutsche Romanzeitung". Eine deutscheLiteraturgeschichte sowie zahlreiche kritische und polemische Schriftengegen die„Unsittlichkeit",.die Dekadenz und das Aesthetentum habenseinen Namen bekannt gemacht— Die fromme Helene, Wilhelm BuschenS Lieblings-tochter, ist zu dem 7S. Geburtstage ihres Vaters in neuem Gewändeerschienen. Sie zählt jetzt das 176. bis 181. Tausend und hat außereinem schmucken Einband ein neues Konterfei des resigniertbeschaulich dreinblickenden Zeugers aufzuweisen.(Verlag FriedrichBassermann in München.) Buich selber hat noch einmal die Leyergeslinimt und niit einem einigermaßen pessimistischen Humor sichund Helenen angesungen:„Ein junger Nachwuchs kam, dem jene SachenZu ernsthaft sind man möchte lieber lachen,Und kindlich harmlos hascht man nach GenüssenIn Wort und Bild, als gäb' es kein Gewissen.Man denkt sich halt: Es ist ja Phantasie,Ein Puppenspiet Wir täten so was nie.Die Frommen aber, die vorüber radeln,Die uns vermutlich in die Gosse rennten,Wenn sie vor Lacken und Entrüstung könnten,Sie sind mal so. wir wollen sie nicht tadeln,Ersuche sie vielmehr, fich zu getrösten:Die Narren sterben, auch die allergrößten.Sobald nur 100 Jahre erst verflossen,Wo. unter anderen, sind dann unsere Possen?Die Lampe fällt. Was bleibt noch auf der Szene?Ein Häufchen Asche, wie von Dir, Helene.Drauf kommt die Zeit mit ihrem ReiserbesenUnd fegt es weg, als Wär' es nie gewesen.Mir selbst ist so. als müßt' ich bald verreisen—Die Backenzähne sHenkt ich schon den Mäusen—Als müßt' ich endlich mal den Ort verändernUnd weiter zieh'n nach unbekannten Ländern.Mein Bündel ist geschnürt. Ich geh' zur See.Und somit. Lenchen, lag' ich Dir adel"— In der Stadt der Lola Montez gepriesenen Andenkenshat man allem Anschein nach sehr viel Furcht vor Tänzerinnen.Einer Amerikanerin, die nach bekannten Mustern von München auSdie Tanzwelt durch einen entblößten Oberkörper refonnieren wollte— als Salome drapiert— wurde das öffentliche Austreten untersagt. Ludwig L ist doch lange totverantworll. Redakteur: Hau« Weber, Berlin.— Druck u. Verlag: VorwärtSBuchdruckerei u.Verl-g»mstaltPaul Singer LlCo..BerlinS�.