Fülle einer riesigen, nie empfundenen Tatkruft schwellte ihm dieBrust. Mit blitzenden Augen blickte er herum. Hier saß der Alte,stumpf und zusammengekauert, dort wieder sah er das grell-beleuchtete Skelett. Ganz in der Ferne aber glaubte er die Wasserrauschen zu hören, die unter der morschen Brücke Hindurchsausten,alles vernichtend, was in ihren Weg kann Hei, heil Wie ihm dasin den Lhren klang, so wild und schaurig, dasj er gern hell auf-gejubelt hätte vor Freude und Erwartung. Heute gab's noch'was,so was Rechtes und Festes, daß alle Berge im gangen Umkreisauf drei Stunden weiter vom Dorf rückten. Wie es tobte, wie eszischte dort drüben am Bach, alS ob es ans Ende der Welt ginge.So liebte es der Friedl.„Gib a Gitarr' her, Wirt," schrie er.„G'schwind, g'schwind."Alle drehten überrascht die Köpfe zu ihm. Hast net g'hört, Godin-ger?" ichrie der Friedl.„A Gitarr' will i haben. I mccht Enka Musik machen."Immer erstaunter blickten die Anwesenden auf ihn. DerTotengräber zum Tanz aufspielen— das war noch nicht dagewesein..Was spielst denn?" schrie einer.„Werst's scho sehn."jjDj kannst nix," höhnte der Michl.Mit eigentümlichem Lächeln schielte der Friedl zu ihnen hin-über. Er ergriff das verstaubte Instrument, das der Wirt von derWand genommen hatte.„Müssen wir'S halt amal probiern, ob i'3 no kann, nach deKrehindzwcmzig Jahr, wo i nimmer g'spielt Hab."Und nun stimmte er die übriggebliebenen drei Saiten. Esffang schrill und unharmonisch durch die Stube. Fried! riß undzog immer heftiger, während er aufgeregt nach der Türe blickte.Den anderen dauerte es zu lang.„Auf wen wartst D' denn noch?" fragte einer der Holzknechte.„Auf mein' Buben," lachte der Friedl.„dem möcht i heut aamab was aufspieln."„Nun, der wird scho' kommen," schrie der Michl.„Hoffen wir's" sagte der Totengräber und sah fest auf denGroßvater.Dann fetzte er sich kerzengerade und schlug eine eintönigeMelodie an, die sich im holprigen Tanztalt immer wiederholte.Sein Gesicht war nachdenklich geworden, und manchmal zuckte eshöhnisch in den Mundwinkeln.„Das soll wohl gar Schnadahüpfln gebn?" rief einer spöttisch.„Jawohl," antwortete der Totengräber,„richtige Schnada-hüpfln. So lustig, wie's es no keine g'hört habt's."Und und hob er die Gitarre auf, öffnete den Mund und sangmit einer harten, tonlosen Stimme:„Die Nacht is da,lind der Tod, der is nah,Und die heutige FeierArrangiert der Herr Meier."Schallendes Gelächter von allen Seiten unterbrach ihn. Allelogen sich hin und her.„Saudumm!" schrie der Michl und lachte, als ob es ihn zerreißen wollte.Der Totengräber verzog keine Miene und grisf wieder in dieSaiten. Langsam und wohlüberlegt kam sein Bortrag heraus,Zeite sür Feile:„O, Freund', geht's net'naus.Denn drauß, vor'm Haus,Da geht t« jetzt'tumAnd schaut nach Euch uml"lForisetzung folgt, sjJ�undxner JVIaler bei GurUttSie alle, die Feldbaucr, Erler. Münzer, WeiSgerber— sie findonS Fit Jähren durch die„Jugend" stärker als je eine Künstler-grupp?, im ganzen Unisange ihres Schaffens zugänglich gemacht—,sie sind uns so geläufig geworden, daß selbst das größere Formaiihrer Originale gegen die verkleinerten Reproduktionen wenig denLorstellungen hinzuzufügen hat, die wir UNS längst von ihnenmachten.Sir sind, eben durch ihr Publikationsniittrl, mit ihren Arbeitenin einer vorher nicht gekannten Weise als lebende Künstler zurhi retten und nachhaltigen Wirkung gekommen, alles was sie be-taßen, ist gleichsam Allgemeingut geworden, und dacher rührt viel-lmcht unsere Erschöpfung dieser.immer gleichbleibenden jugendlichenKunst gegenüber. Ihre historischen Verdienste, die Götzen trockenerKonvention zertrümmert, die Schulperückcn zu den nun breit gc-öffneten, Licht und Luft einlassenden Feilstem hinausgeworfen zuhoben— die befreiende Entfesselung der unterdrückten natürlichenInstinkte, die'Entfaltung freudigen Lebens in Form und Farbe.das schien ihre Mission— sie ist erfüllt und ihr Werk vorerst damitabgeschlossen.Sahen wir von dicsor ihrer popularisierenden Erziehertätigkcitdurch die„Jugend" ab, hätten wir nur diese Ausstellungen ihrerWerke zu-'betrachten, wir kämen nicht mehr zu einem unein-geschrär.kien Beifall.Noch immer freilich spüren wir ihre Blutfülle, ihre GestaltungS-kraft, ihren wundervoll abgerichteten Farbensinn und ihre unvcr-wüstliche naive Hingabe an den sinnfälligen Genuß. Sie sind durch-weg Maler ersten Ranges, wenn man mit Meier-Grase den ursprünglichen Zweck der Malerei darin sieht, durch Farben Lust-gefühle im Beobachter zu erwecken. Aber wir können uns ja nichtenthalten, von den Malern, die wir„Künstler" nennen, auch„Kunst"zu verlangen und Kunstwerke.Und da wird es uns vor diesen schönen Bildern, so starke Lust-gesühle sie erwecken, recht klar, Kunst im eigentlichen, reinen Sinneist dieses nicht— allenfalls recht schönes Handwerk.Zunächst spürt man in sich den Wunsch, wenn man all diefarbigen Leckereien gesehen, daß man doch einmal bei ihnen etwas„Größe" finden möchte, und nicht nur im Format, Bösen, Ernst,Zorn, eine Leidenschast, die nicht um Hüften und Waden eines„Gespusi" geht.Bilder von der Oberfläche könnte man sie nennen, für Fasching-feste schnell hingeworfene Dekorationen. Wie schön und stark wirkendiese„Akte" von Putz in ihrer breiten, eindringlichen Flächigkeit,ihnen fehlt aber dadurch die Tiefe; so schnell wie der Eindruck ge-Wonnen, zerrinnt er. Wir dürfen uns nun, da der Widerstandgegen die Bewegungsfreiheit der Kunst nicht mehr geschlossene Ab-wehr verlangt— uns endlich zum Bewußtsein bringen, daß dashier nicht„Kunst" ist, wie sie uns allen mehr oder minder deutlichvorschwebt: ein Vereinen aller Kräfte auf Bewältigen der Auf-gäbe, ein letztes Können, ein Erschöpfen aller Möglichkeiten. Dieshier aber sind unS erst geschickte, talentvolle Fingergriffe, schöne,reine Akkorde— die wohl zusammengefügt und sinnvoll bearbeitet,den Anfang eines Kunstwerkes bilden könnten.Wir beraubten uns eines wertvollen Zielpunktes, wenn wirdie Zwecke der Malerei einfach auf die Kunst übertragen würden.Man kann einige Ziegelsteine malen rmd es kann uns ein Kunst-werk sein— nicht also die Stoffe schreiben wir vor, aber den Ernstdes Willens zum Kunstwerk.Die Zollern und anderen Begönner der Künste sahen denZweck der Kunst im Stärken ihrer Dynastie; wir verlangen nichtvon der Kunst, daß sie derart Partei nähme, wohl aber verlange:»wir von ihr, wenn wir sie ehren sollen: Strenge gegen sich, einKämpfen und Ringen um die Vollendimg, ein hohes Ziel. Führerund Lorkämpfer sollen sie in ihrer Art sein.Diese aber find anscheinend hoch befriedigt, wenn sie sich wiedereine lustvolle Fata morgana vorgegaukelt haben. Ist das großeBild von Leo Putz„Hinter den Kulissen" nicht jene Scheinkunst,die wir unter dem Schlagwort„Gartenlaubekunst" eben zumTempel hinausscheuchtcn? Auch jene Künstler hatten eine sehrtüchtige Technik, und weniger gegen diese, al? gegen den ober-flächlichen Geist kämpfte man an.Betrachten wir gegen diese pompösen Dekorationsblldcr, derenBreite und Ausdehnung eben zu ihrem Gehalt in schreiendem Miß-Verhältnis ssteht, den kleinen T rüchner. Ein recht stilles, an-spruchsloses Stückchen Natur. Ein Nichts gegen die lyrischen Land-schatten Eichlers. Eine graue Straße, ein Zaun, eine parallelkaufende Seeoberfläche und warme Luft. Warum macht diesesBildchen so ernst zur Betrachtung, lockt zur Vertiefung, wo manbei Eichler sich hütet, die erzielte Illusion durch scharfes Hinblickenzu zerstören? Ist es der Mangel an jener banalen Schmissigkeit,ist es nicht seine fühlbare Schwere im Eindringen und Erfassen derStattrr. gegen die gar zu mühelos geschickten Arrangements derMünchener? Es mag freilich auch sein, daß das Uebermaß an ge-fälligen, gar zu primitiven Wirkungen, an Polksliedton und Poesir.gleichsam im Fabrikbetrieb bei Eichlrr den Genuß fast aufhebtund ins Gegenteil verkehrt.Trübner ist verhaltener, er hat nicht so viel Phantasie undläuft dem Poetischen in der-Natur nicht so nach wie Eichler, undmerkwürdig genug entströmt seinen nur sehr ernst gesehenen Land-schuften.ein viel feinerer Duft von Poesie.Man betrachte dann Adolph MünzerS„Blumen undFedern". Schon diese Bezeichnung sür die'Porträts einer Mutterund Tochter sagt alles. Welcher Aufwand an Geschmack, Farben-kultur um ein Strumpfband, und welche Armut im Gestalten einesMensche iigestchts, als wäre es-ein Stück Hutband! Man kann sehrwohl Modedamen und banale, oberflächliche Menschen wie dieseproträtieren, und sie sind sicher so interessant zur Charakterisierungwie andere. Vielleicht dürfte sich der.Künstler auch damit recht-fertigen, daß er sagt, gerade diese oberflächliche Behandlung ent-spräche chrem inneren Wert; wir-werden doch sagen,.wer so-im-ermüdlich dem schönen«chein nachgeht, so ausschließlich da- ele-gante„Nichts" darstellt— identifiziert er sich nicht mit ihm?W e i sAc r b c r s Wäldgesellschaft mit dem Akt gibt bestimmteinen recht'starken Natureindruck, und gar Feldbauers Pferde-bilder geben mehr als nur malerische Impressionen, sie erschöpfenschon ihren Stoff ziemlich, über so sehr wir die blendenden Vor-züge ihrer Malerei und ihrer Kompositionsgabe anerkennen, wedersie noch E r l e r s'Bilder erzwingen Ehrfurcht, und doch ist sie eS.die wir wor jedem Kunstwerk verspüren möchten. Ein Bl!v wieMünze rö„Bildnis in Grün" ist, als Dekoration betrachtet, eineprächtige Leistung. Aber•ist ein Porträt nur eine Wnüddekorationwie ein Teppich? Wirkon die allen Meister auch schon nach fünf