»Gut/ sagte das Meer, das nicht gern an seine Ausbrüche erinnert wurde, besonders wenn es unruhig war. Der Bauer baute die Deiche und machte sie so hoch, wie er konnte. Er grub und drainierte und säre Futtergras. Jahr auf Jahr wurde das Land fruchtbarer und grüner. Es war bald voll roter Kühe, die bis zum Bauch im Grase gingen und fich fett fraßen. EineS TageS, als er grub, stieß sein Spaten auf etwas Hartes. Er nahm den Gegenstand aus und betrachtete ihn. Es war ein großes, rostiges Eisen; und er erkannte, daß es einmal eine Wetter- sahne gewesen war. .Gott   mag wissen, wo du einmal gesessen und dich gedreht hast/ sagte er..Vergoldet bist du vielleicht auch gewesen. Du hast eine so vornehme Form/ Mit diesen Worten warf er das Ding auf den Deich und vergaß es. (Schluß folgt.) Die Ausstellung der Sezcffion. L ES darf der Sezessionsleitung nachgerühmt werden, daß sie ihre Ausstellungen mit großem organisatorischen Geschick ordnet und be- ständig bemüht ist, die Verbindung mit den Quellen ihres jungen Lebens zu erhalten und durch zeitweiliges Einsügen der Lebens- werke vereinzelter Künstler dem Publikum einen Ueberblick auch über die Vergangenheit zu geben. Diesmal sind es der Münchener Hugo v. Habermann, der Schwede Zorn sowie Wilhelm Trübner  , denen eigene Säle ein« geräumt wurden außerdem find abermals den Arbeiten der Mit- glieder französische beigesellt. Bon dem trotz der entgegengesetzten Numerierung als Kopf zu bettachtenden Saal Vitt, rechts vom Eingang angefangen, sind es diesmal van Gogh, Claude Monet  , Renoir  , Manet und C ö z a n n e,' deren Einfluß auf unsere gegenwärtige Malerei durch markante Beispiele illustriert wird. Van Gogh  (62a.) suchte den eigentümlichen Lichteindruck der Mauern des Viadukts in Wechselwirkung zur Helle der Luft fest- zuhalten. Das ist eines der neuentdeckten Beobachtungsgebiete, deren Reize bis dahin als unwesentlich und nicht eigentlich ernsthaft als darstellenswert gelten. Wie sehend gewordene Blinde, die lange das Freie, daS Licht entbehren mußten, freuen sich diese Maler zunächst selbst an den unscheinbarsten Lichteffekten und suchen allen ihren Möglichkeiten nachzugehen. Bei Claude Monet  (174 Seerosen, 173 Wasseriris) kommt daS Mühen um die ungebrochene Wirkung der Naturfarbe hinzu, das heule ganz besonders in unserer Malerei herrscht und auch in dieser Ausstellung sehr ersichtlich wird. So ungewohnt es uns sein mag, die Natur so ungezwungen dargestellt zu sehen, wird e§ uns nicht schwer fallen, den Forlschritt in der Naturerfassung zu fühlen. In Renoir  <212 San Marco in Venedig  ) wiederum rst gut der ungestüme Drang, auch unter gänzlicher Außerachtlassung der abstrakten Form die Gegenstände ganz durch die Farbe zu erfassen, ersichtlich. C ö z a n n e schließlich<38 Bahndurchstich bei Aix en Provence  ) sammelte mit jener entschlossenen Eile, die allen, auch den heutigen tührern der Sezession besonders eigen, diese herrlich neuen, hellen rd- und Lnfttöne zu einer kräftig frischen Melodie. Ohne diese tatkräftige, oft brutal wirkende Entschlossenheit wären sie alle im akademiichen Gipssaal geblieben und wir mit ihnen. Manet   darf nur bedingt mit diesen in eine Reihe gebracht werden. Seine Bedeutung endet nicht ebenfalls schon im Verdienst um die Fortentwickelung der Technik. Gerade auch vor dieser »Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko"<163) werden wir in der Verbindung einer seine Zeit weit überragenden Kompositions- gäbe mit seinem, unfehlbar reinem Farbenklang und geistiger Ueber- legenheit in der Beseelung seiner Schöpfungen jene Größe sehen, die ihn zum unbesttitten größten Maler des XIX. Jahrhunderts macht. Von den Deutschen   führt infolge seiner energischen Knappheit. Gedrungenheit bei außerordentlicher formaler Festigkeit immer noch Liebermann  . Seine aktive Natur gestattet ihm nicht jenes Durchdringen der Naturfarbe, wie es Manet gegeben war. WaS er nicht im Moment packen kann, fällt unter den Tisch. Das sehen wir mehr noch als in den diesjährigen.Reitern am Meeres- strande*(160) in den Porträts von Richard Dehme!<1S8) und Friedrich Naumann  (IM). In den, Reiterbild ist es daS Moment des Beweglichen in den Pferden, das Unruhige, Ge- spannte, also das eigentlich Elementare des Bildes die lebendige Kraft, die den Eindruck ausmacht. Das zu erfassen, ist stets für ihn das Ziel seiner Kunst gewesen, der Anfang und das Ende seines Könnens. ES ist die vor Fülle zitternde Lebenskraft, die uns in seinen Bildern eleftrisiert. Die beiden Porträts, Dehmcls und Naumanns, haben Ursache gegeben, von einem Abfallen Liebcrmanns zu sprechen. Das ist wohl ein Unrecht. Er hat nie mehr zu geben gesucht, als er mit seinen Augen erfassen konnte die reale Wirklichkeit. Das Retouchieren, das Einsetzen von wirkungsvollen Lichtern und»Adler- blicken*, wie sie Menzel im reifen Alter in seinem eigenen Schaffen bedauerte, hat er nicht nur selbst stets verschmäht, sondern auch seinen Anhängern gründlich abgewöhnt. Wir sahen darin bisher ein Verdienst das des Strebcns nach Sachlichkeit. Das etwas müde, zweifelnde Bild DehmelS entspricht weniger den Vorstellungen, die wir uns von ihm nach seinen jugendlichen Werken machten, als das deS Politikers Naumann  . Aber wir vergessen, welche Zeiten vergangen sind, seit D e h m e l seine stärksten Dichtungen erlebte, und suchen noch heute die Energie. Straffheit der Züge in ihm, wie sie Peter Behrens   einst festhielt und möchten das heutige Manko nun Liebermann   ankreiden. Trotzdem bewies das Gruppenporträt Hamburger Gelehrter, wie sehr Liebermann   überall versagt, wo eS ein tieferes Eindringen, ein behutsameres Suchen nach dem Eigenartigen des Darzustellenden gilt. Seine energische Haft sichert ihm glänzende Triumphe, vor Menschen, deren Eigenart und Seele gänzlich im Aeußeren aus- geprägt ist wie bei dem energisch-festen Rathenau, dem Baron B e r g e r zur eindringenden Analyse taugt seine Hand weniger. II h d e Kitt mit seinem»schweren Gang*(269) etwas zurück. Der sehr luftigen Landschaft ordnen sich die sehr scharf charatteri- fierten Figuren sehr schön lein, doch wirkt das Bild in seiner fast kleinlichen Technik, an der Vergangenheit des Malers gemessen, sehr still. Ganz gewaltig drängt sich dagegen wieder C o r i n t h mit seiner.Malerfamilie*(40) in den Vordergrund. Wir lernen bei ihm, daß ein beharrlicher Wille bei ausreichender Kraft seinen Ge- schmack uns aufzudrängen vermag. Es ist viel Gewaltsames in seinen Kompositionen. Erkermt man aber erst, wie viel Ehrlichkeit, Solidität in seinem Schaffen liegt, und vor allem welche«ammet- Pfoten dieser Bär beim Malen zeigt, wird Man ihm sehr interessiert folgen. Schwer, klobig find z. B. neben der stattlichen Frau mit dem Kinde Mann und Sohn hingebaut. Aber beide wirken dadurch finnvoll als Kontrastdunkel zu den, herrlichsten und empfindungs­vollsten Farbenkunstwerk, das zwischen beiden in Mutter und Kind geschaffen ist. Um dieses Bildteils halber wird Corinth   nicht in unserer Kunst veslöschen können. Man vergleiche mit diesem Baby, dessen feuchtwarmc Haut man spürt(von der Hand der Mutter, ihrer wunderschönen Haltung ganz abgesehen), das von Fritz Rhein  <215 im Hauptsaal) oder das von Linde« Walthers(161). Rhein   ist härter und strenger und wirkt durchaus nur durch die Zeichnung, trotzdem er auch mit Farben arbeitet, ober ein Meister der Farbe wird er nicht, weder hier noch in dem großen männlichen Akt(213). Dieser ist sogar recht unmalerisch zu nennen, aber in der Zeichnung bedeutend. Linde-WalthersKind mit Mutter*(161) ist weit mehr auf Farbe gearbeitet, auch das andere Bild des Malers Brelonisches Bauernkind* ist ganz farbig gesehen; aber bei beiden ist wohl redliches Mühen, aber nicht jene virtuose Meisterschaft im spielend leichten Hinsetzen der Farbtöne zu finden, die eben Corinth  besitzt. Beide finden neue und natürliche Situationen: Rhein  den Kinderwagen, Linde- Walther   eine hübsche Situatton nach dem Bade, das Spielen der Mutter mit dem Kinde. Das sind gegen die auch von den Photographen her bekannten Arrangements von Kinderporträts erfteuliche Fortschritte. Eine starke diesmal wieder wesentlich befestigte Stellung nimmt in der Sezession auch Ulrich Hübner   mit seinen Hafen- bildern ein. Seine Bilder<131 Hamburger Hafen   in Morgenionne, 130 Blick auf Altona  , 134 Kohlenschuten im Hamburger Hafen  ) sind frische, wahre, kraftvolle Naturansschnitte, wie sie durchaus unserem heutigen Empfinden liegen. Das war ja ein besonderes Verdienst dieser»Maler- Revolutionäre*, die Schönheiten des Alltags, der Arbeit erschlossen, und hier, nicht im Fabelland, den Reiz deS Daseins geftmden zu haben. Stutz' Blumen und Stilleben<235, 236) hinterlassen diesmal kotz ihrer Bravour keinen stärkeren Eindruck. Bedeutender erscheint der Dresdener   Robert Sterl   mit seinen Steinbrechern<228, 226). Hier fällt zunächst schon aus, was wir noch weiterbin als typischen Fortschritt dieser Ausstellung erkennen werden, das Operieren mit größeren Mengen von Figuren. Das größere der Bilder<228) ist nicht nur dann der kühn ergriffenen Situation und dem interessant gelösten Lichtproblem auf- fallend, es gibt zugleich in sehr einfacher Darstellung einen starken, fast durch das Grelle der Farbe lärmenden Eindruck von diesem Stück Leben. Klinger hat das oft und virtuos zeichnerisch bewältigt, was hier Sterl mit sehr schönem Erfolge von rein malerischer Sette versuchte. Dabei arbeitet er ohne jede Empfindelei, durchaus nur von dem Krafteindruck dieser arbeitenden Menschenreihe gefesselt. Als.Kulturbild* darf F a u r c s.Bärentanz*(49) erwähnt werden, das den monotonen Rundgang von UntersnchungS- gefangenen um einen Baum in recht charakteristischer Zeichnung der Typen festhält.! E. R. Weiß ist mit einer Reihe Aktstudien und seinen bekannten Blumenbildern vertreten. In seinen Akten<275, 276, 277) versucht er(freilich nicht mit sichtlichem Erfolg), mit knappen, auf den Aus-- druck beschränkten Andeutungen jene Bluthülle zu erreichen, die Corinth   auf seine Art gibt. Immerhin ist er unablässig bemüht, freie, natürliche BewcgungSmöglichkeiten deS Aktes zu versuchen, und selbst wenn er, wie Greiner als Radierer, nicht zur Vcr- arbeitung dieser zahlreichen Studien in selbständigen Bildern kommt, wird feine Tätigkeit ihren anregenden Wert für spätere Nachfolger