.Sie dürfen nicht so gut zu mir sein! Neberlassen Siemich mir selbst und meinem Kummerl Die Schande des Ver-blichenen soll nicht den Freund streifen, der auch eine falsche Vor-pellung von chm hatte I" sagt« Fräulein Svensson.Aber Singling war aufopfernd, edel und gut, bis die jungeDame vom Toupefenster aus mit ihrem schwarz gerändertenTaschentuch ihm Lebewohl winkte.Manch ein weniger hervorragender Mann als Singling hatschon am Ratstisch des Königs gegessen oder irgendwo an derSpitze der Gesellschaft gestanden. Es war nur ein Zufall, daß er beimKanzleirat stehen geblieben war. Aber geachtet und angesehenwar er. Als seine Frau starb, als fein SO. Geburtstag und dannfein dreißigjähriges Amtsjubiläum im Dienste des Staates feierlichbegangen wurde, umgaben ihn die Spitzen der Gesellschaft wie«inehuldigende Mauer.Er hatte einen einzigen Sohn, der den philosophischen Doktor-grad besaß, schon mit 29 Jahren berühmte Abhandlungen veröffent»lichte und eine Franeaise elegant anzuführen verstand.Eines Tages kam dieser Sohn nach Hause und erzählte, daß erin der südschwedischen Universitätsstadt das Herz eines sehr reichen,hübschen und guten Mädchens gewonnen habe. Genau in dieserReihenfolge sagte er es: reich, hübsch, gut.Der Vater lächelte zufrieden und freute sich darüber, daß dieGelehrsamkeit des Sohnes ihn nicbt blind machte für die Realitätendes Lebens. Dann packte der Kanzleirat seinen Frack ein undmachte sich bereit, mit dem Sohn zur Veröffentlichung der Ver-lobung nach den» Süden zu reisen.Das HauS des Fabrikanten Gumsen wurde aufs prächtigstegerichtet und geputzt, denn die Eltern Gumson wußten sehr wohl,daß sie den jungen Leuten zwar ein gut Teil Moneten gebenmußten, daß aber der Doktor«ine gute Partie und der alteKanzleirat ein hö hst angesehener Mann war.Als Bater und Sohn ankamen, empfing sie ein liebes Mädchen,eins von der Art, wie die meisten eben sind; ein etwas korpulenter,kupferroter, herzlich verbindlicher Papa, der würdiger Bize-Bort-führ« der Stadtkämmerei war, und eine recht fein aussehende.doch momentan etwas gedrückt und bang dreinsckiauende Mama,deren ganzes Gesicht verlegen«rötete, als d«.Kanzleirat mitwarmer Galanterie ihre Hand an seine Lippen fübrte..Als zukünftige Verwandte will ich Sie gleich Franz nennen,'sagte sie..Wollen Sie mir wohl ein paar Minuten zu einemGespräch unter vi« Augen gewähren?' fragte sie dann weich undverbindlich, fast ein wenig scheu, nachdem die Begrüßung glücklichüberstanden war.Als sie in ihrem kleinen Boudoir allein waren, blickte stedemütig zu dem stattlichen Künzleirat auf und flüsterte:.Wir haben uns schon einmal gesehen..Der ftanzleirat bemühte sich erfreut, höflich und«kennend zublicken, es gelang ihm jedoch nicht dies weiter zu bringen, als biszu einem so intelligenten Mann recht albernen Anstarren.Es zuckte in Frau GumfonS Gesicht, als wäre sie im Begriffin Tränen auszubrechen, sie senkt« den Kopf und fuhr fort:.Ich bin... ich bin«ine geborene Svensson...'Der Aanzleirat gab seinem Gesicht den Ausdruck von Per-ständnis und von einer Freude, die auf jeden Träg« des NamensSvensson schmeichelhaft wirken mußte. Al>« die Frau de? Hausesbegriff, daß er von der Wirklichkeit noch immer weit entfernt war,verbarg ihr sanftes, bekümmertes Gesicht in ihrem Taschentuch undschluchzte:..Ich bin Anna Svensson, gegen die Sie einst so gütig undherzlich waren, als... als mein unglücklich« Bruder..."Ter Kanzlei rat errötete und erstarrte für«wen Moment beidem Erwachen der demütigendsten Erinnerung seines Lebens. FrauAnna mißverstand ihn, sank zusammen und murmelte tonlos:.Ich kann es Ihnen ja nicht v«denken, wenn Sie durcki dieSchande des Unehrlichen auch auf seiner reinen, unschuldigen Nichteeinen Makel sehen. Aber bitte... schonen Sie die jungen Leute!Ich schwöre Ihnen, daß unsere beiden Familien im übrigen flecken-los find..DaS Gesicht des Kanzleirats leuchtete auf. er küßte mit einergwissen H«zlichkeit ihre Hand und sagte impulsiv:.Meine beste Anna, verstehen Sie es nicht falsch, wenn dietraurige Erinnerung an einen lieben und untwrgeßlichen, aberunglücklichen Freund mich nicht unberührt lassen kann, doch ichschwöre, daß ich in diesem Augenblick warm und treu für den Totenempfinde und... nicht mit Unwillen an seine Schwest« und d«enTochter denke, oder um des Blutes willen besorgt bin...'Er war geradezu imponierend und bezaub«nd liebenswürdig,als« schloß:.Deine Tochter ist ebenso gut wie mein Sohn, ja. nochviel besser, da eine gute Frau stets besser ist als ein guterMann!'—Beim Verlobungsdiner strahlte der Kanzleirat und«wärmtealle durch seine bezwingende Herzlichkeit, so daß d« Sohn stolzerals je auf seinen Vater war. Die junge Braut war entzückt undFabrikant Gumson ordentlich hochmütig, weil« mit einem solchenMann nun bald verwandt fern sollte.Auch Frau AnnaS letzter Gedanke war noch vor dem Ein-schlafen:.An meinem armen unglücklichen Bruder muß doch wohletwas Gutes gewesen sein, wenn« einen solchen Freund ge-Winnen konnte."Das Stromgebiet des Rheinsund feine 6e schichte.Daß in den Formen der Erdoberfläche große Veränderungenvor sich gegangen sind, daß heute hohe Gebirge weit in die Willenhineinragen, wo einstmals ein mehrere Tapsend Meter tieferOzean seine Fluten wälzte, das sind Vorsteülingen, die dank denFortschritten der geologischen Wissenschaft mehr und mehr bei derAllgemeinheit Eingang gefunden haben. Wie aber diese Um-wälzungen sich vollzogen haben, wie sie bis in die Gegenwarthinein sich fortsetzen, langscnn, unmerklich, daß wir kurzlebigenMenschen uns ihrer gar nicht bewußt werden, das ist noch viel zuwenig bekannt. Wir sind es nicht gewohnt. Berge und Täler unddie Flüsse, deren Lauf sie bestimmen, als vorübergehende Erschei--nungen zu betrachten. Und doch brauchen wir nur einige Jahr-zebntausende rückwärts zu gehen, um von den heutigen durchausverschiedene Verbältnisse in unserer Heimat anzutreffen. Dieheutigen Flußläufe der norddeutschen Ströme, besonders der Oderund Weichsel, haben sich erst, nachdem die letzten Gletscher derEiszeit nach Norden über die Ostsee sich zurückgezogen hatten»herausbilden können").Etwas älter und seiner geologischen Geschichte halber besonder?interessant ist die allmähliche Entwickelung des Rheins, die Haupt»sächlich in dje Eiszeit fällt.Wenn wir den heutigen Lauf des Rheins etwas genauer be»trachten, springt sofort in die Augen, daß er aus drei deutlichvoneinander geschiedenen Teilen besteht, dem Oberrhein von derQuelle bis Schafshausen, den? Mittelrhein von da bis Bingen unddem llnterrhcin von Bingen bis zur Mündung. Bei Schafshausenund Bingen befinden sich Stromschnellen, ein sprechender Beweisdafür, daß dieser Teil des Bettes noch nicht sehr alt ist, daß hierein Durchbruch erst in neuester Zeit entstanden sein kann. DasStromgebiet vom„Vater Rhein' setzt sich aus drei ursprünglichgetrennten Flußsystemen zusammen.Rekonstruieren wir einmal das Bild, das Mitteleuropa vord« Eiszeit bot. Im Süden hatten sich in der Mitte der Terttär-zeit, damals noch um ein Bedeutendes höher, die Alpen empor-gefaltet; nach Nordwesten, ihnen vorgelagert, erstreckte sich einhch«, einheitlicher Gebirgskanim, der Jura, von Südfrankreichbis nach dem Fichtelgebirge. Zwischen dem Jura und den Alpenbefand sich eine Senk«, in der heut« unter anderem ein Teil bexoberen Rhone, Aar und obere Donau fließen. In dieser Senkedrangen auch die Gletscher der Eiszeit, die von dem sogenanntenRhonemassiv, Finsteraarharn und Montblanc, ausstrahlten, vorund erfüllten sie vollständig, so daß sie teilweise selbst über denJurakamm hinwegfloffen; ihre letzten Ausläufer müssen im Nord-osten Sigmaringen erreicht haben. Für die beim Abtauen ent-stehenden Schmelzwasser bildete selbstverständlich der Querriegeldes Juragebirgcs ein unüberwindliches Hindernis: fie nahmenihren Weg entlang dem Südostrand des Jura, wo durch dieGletscher eine tiefe Rinne ausgcschnrft worden war, die heute teil-weise vom Genfer. Reuenburger ind Bieler See eingenommenwird. Obere Rhone. Oberrhein und obere Donau bildeten damalszusammen ein Stromgebiet, dessen Ursprung in das Seengebietsüdlich von Genf zu setzen ist; von da flössen die Gewässer nord-östlich das heutige Aartal entlang; gegenüber der Aarmündungfließt heute ein kleiner Bach, die Wutach, in den Rhein. DessenBett bildete die Fortsetzung des Stromes, d« dann weiter imBett der oberen Donau bis in die Gegend von Donauwörth floß.Dort befindet sich zwischen dem Schwäbischen und FränkischenJura eine breite Lücke, durch die die Wörniy heute in die Donaumündet. Wahrscheinlich wurde sie von der alten Donau, die inder Gegend des Montblanc entsprang und nun hier eine scharfeWendung nach Norden machte, benutzt; bei Ansbach müßte danndie Verbindungsstelle der alten Donau mit dem heutigen Fluß«gebiet des Mains gelegen haben.Der Main, ebenso auch der Neckar, haben ihren Lauf nur un-wesentlich»«ändert. Vor und während der Eiszeit befand sichaber an der Stelle ihres heutigen Mündungsgebiets, der ober-rheinischen Tiefebene, durchflössen vom Mittelrhein, ein großerBinnensee, das Mainzer Becken, das sich da gebildet hatte, wo zuBeginn der Tertiärzeit sich eine riesige Erdscholle losgelöst hatteund zwischen Odenwald und Schwarzwald einer- und Haardtund Vogesen andererseits in die Tiefe gesunken war. In diesemBinnensee, bei dem sich Zufluß und Verdunstung ungefähr dieWagschale gehalten haben müssen, mündete von Süden durch dieBurgundische Pforte— heute bezeichnet durch die Trace desRhein-Rhonekanals— der Doubs und die obere Saüne, vonNorden die Lahn von Gießen her durch die Wetterau. DerNeckar mündete noch in historischer Zeit in der Gegend von Mainzin den Rhein; sein Bett von Heidelberg bis Mannheim ist sehrwahrscheinlich künstlich, vielleicht ertt von den Römern hergestelltworden. Ob das Mainzer Becken rrsprünglich einen Abfluß nach") Darüb« ist kürzlich im Verlag von E. Grieser, Frank-furt a. M., in der Sammlung„Aufwärts!' ein sehr lehrreichesBüchlein erschienen: Prof. Dr. 9V. Kobelt, Die alte»Flußläufe Deutschlands. Preis 20 Pf.