»Nnd sie sind z«m Tode verurteilt worden?"»Zum Tod. Alle beide.'„Zum Tod— und der Mann, den sie erschlagen wollten, lebt?"fragte ich.»Zum Tod— und er lebt. Was willst Du— wir habenstrenge Gesetze, strengere als Ihr in Oesterreich. Auf Straßenraubschon steht bei uns der Strang. Morgen soll Rustam Sclimagilschgehenkt werden.'Da war wieder eine beklommene Stille in der Runde, bis deralte Hadji-Beg sie brach:„Und nun bitten wir Dich, Effendüm— bitten Dich, wie eineMutter für ihren Sohn bittet— wir MoSlim für einen Moslim:telegraphier' Du an den gnädigen Kaiser und flehe ihn in unseremNamen an und füge Deinen Namen hinzu— und stell' ihm vor, daßder Beraubte ein Moslim war und dem Räuber, wieder einemMoSlim, verziehen hat; und da der Beraubte dem Räuber verziehenhat, möge der gnädige Kaiser nicht grausamer sein als das Opferund als der Kor'an und Tschitap— und möge ihm das Lebenschenlen, weil auch Gottes Gnade in diesem Fall kein Lebenumkommen ließ. Telegraphier, Effendüm, ich bitte Dich, an dengnädigen Kaiser."Gegen Mittag hielten Edhem-Beg und ich auf dampfendenPferden vor dem Telegraphenamt von Bjeli-Schehir.Dann warteten wir bis zum Abend, was eS werden sollte.Ucberall in der Stadt sprach man erregt von den bevorstehendenHinrichtungen. Im Türkenviertcl saßen die Leute gedrängt in denCafeS, den kleinen Läden der Krämer, der Barbiere. In der Serben-stadt standen sie in Haufen auf der Straße, und alles erzählte undgestikulierte.Ich blieb beim jungen Edhem-Beg.Da sahen wir draußen einen Landauer mit zwei Schimmelnvorfahren.„Der Vater," sagte Edhem.»ES hat ihn auf dem Turm nichtgeduldet."Der alte Hadji Hafis trat ein, mit dem langen Pilgerstabin der Hand eine Wildheit im Blick und Ungeduld in jeder Be-wegung. Ich hatte ihn noch nie— und überhaupt keinen Moslim—so gesehen.Als er mich erblickte, streckte er mir beide Hände entgegen.„Ah, komm, komm, Effendüm, mit mir aufs Gericht!"— Daßeine Antwort aus Ischl nicht gekommen war, hatte er schon auf demTelegraphenamt erfahren.„Komm mit mir aufS Gericht I Dort ver«stehen sie mich nicht, ich verstehe sie nicht— Du wirst ihnen meineZunge reden."Wir fuhren. Der Hadji HafiS ließ sich beim Präsidenten melden.Wir fanden schon Besuch dort— den langen Peter Kumowitsch,Kirchenältcsten der Serben— und der Präsident mußte zu beidennur einmal reden, zum Serben und dem Moslim, denn beide wolltendasselbe.Sie wollten, daß man den Verurteilten heute abend nicht dasUrteil lese. Beide, die Moslim wie die Serben, hatten an denKaiser telegraphiert und hofften auf Begnadigung. Wenn die armenSchlucker aber begnadigt würden— wozu ihnen Todesangst ein-jagen durch Verkündigung des Urteils? Wartet doch lieber, bis derKaiser geantwortet hat lDer Präsident lächelte hilsloS.„Ja. Gott...." sagte er.„seht mal, Leute: eS tut mir jaselbst furckitbar leid, aber meiner Vorschrift muß ich genügen. Diezwei sind rechtskräftig verurteilt— Seine Majestät hat dem Rechtfreien Lauf gelassen— die Justifizierung wird also morgen umsieben Uhr früh stattfinden müssen. Und das Gesetz verlangt, daßich den Verurteilten zwölf Stunden vorher das Urteil verkünde."„Wenn wir Moslim aber telegraphiert haben, Effendüm?"„Auch wir Serben, Gospodine?"Der Präsident ging im Zimmer umher, lupfte die Achseln undschnalzte mit den Fingern.„Donnerwetter, Donnerwetter— jedesmal kommt ihr mir mitEuern Telegrammen. Ja, hat eS denn schon je genützt? GlaubtIhr denn wirklich...? lieber die Sache ist doch Vortrag gehaltenworden. So was wird ja oben nicht überS Knie gebrochen. Daist Seine Exzellenz, der Minister, der daS bosnische Ressort hat—da sind die SektionSchefs— da ist der Vorstand des Zivilkabinetts—ja, seht. Leute: alle diese Herren geben ihre Meinung ab und habenihre Meinung abgegeben— Seine Majestät hat darauf geruht, sichallergnädigst zu entschließen... glaubt Ihr wirklich, daß solcheEntschlüsse einem Telegramm zuliebe umgestoßen werden? Ichglaube es nicht. Geht ruhig nach Haus und bescheidet Euch. Ichkann nicht helfen, ich muß das Urteil verkünden."(Schluß folgt.)Die Ausstellung der SezcITion.Von Robert Breuer.I.Man hört des öfteren mahnen, daß es notwendig sei, dasKunstwerk naiv zu betrachten. Naiv, das heißt: schweigsam gc-irießend, andächtig empfangend, freudig glaubend. Solche Art istgewiß zu loben und hat ihren Lohn in sich selber. Indes, sie ifldoch nicht die einzige, auch nicht die höchste. Es gibt noch einsandere Art, vor Kunstwerken zu stehen: bei ihr steigert sich daSAnschauen zu einer Auseinandersetzung, zu einer Analyse der Be-standteile des einzelnen Objektes und der Zusammenhänge, indenen es wuchs. Die Zusammenhänge sehen und die Entwicke-lungslinien, die von einem Werk zum andern führen, herausfühlen,das ist wohl eine minder kurzweilige, aber eine desto mehr Kräftsbergende und den Enthusiasmus spannende Art, des Kunstan-schauens. Jetzt erst sieht man den Sinn und das Temperament!alles Gewordenen, sieht alles Gewordene als Werdendes. Nun ge-winnt man erst den Maßstab, subjektiv genießend, den objektivenWert des Erregers festzustellen. Nun enipfängt man erst Witte-rung von den Zielen, auf die hinaus all die bunte Vielheit der Er-scheinungcn, bewußt oder unbewußt, gerichtet ist. So lasset unsdenn, ohne daß darüber die Naivität Schaden leide, aus dem, waSdiese Ausstellung der Sezession zu zeigen hat, die Entwickelungs-linien aufdecken.Wer Augen hat, wird bald die Wegrichtung der jüngsten Pro-duktion zu spüren wissen. Sie ist schon oft genug festgestellt worden,sie war die Ursache, die eigentliche, wenn auch verborgene derletzten Verfassungskämpfe im Körper der Sezession; sie wurde unslängst durch Parallelerscheinungen in der Literatur des RomanSund des Dramas, auch in der des Welterkennens bestätigt. DieseWegrichtung weist, um es auf Formeln, auf immer einseitige Wort-spiele zu bringen: vom Naturalismus auf das Erlebnis des Geistes»vom Detail auf das Monumentale, von der Nervosität des Im-prcssionismus auf die rhythmische Ausgeglichenheit des Exprcsjio-nismus. Da hätten wir nun die beiden Worte, das eine, das dieEindrücke meint, das andere, das die UmPrägungen, die vom Per-sönlichen durchbebte Auslegung des Eindruckes umfassen möchte.Zwei Worte nur, und schließlich doch zwei Welten des AnschauenSund der Taseinsführung. Gewiß, es wird oft schwer halten, deut-lich zu scheiden, wo Impression, Ivo Expression; zu zeigen, wannidie Hieroglyphe, die alle Malerei von der Natur abstrahieren muß»aus dem Abbild zur Form, aus dem Zweck zum Mittel wurde. Ist!es doch auch oft schwer zu sagen, wo das Kind aufhört und der Er-wachsene beginnt, oder wann die exakte Historie zur logischen Spe-kulation wird. Niemand bestreitet, daß die Grenzen zwischen!solchen Provinzen des geistigen Lebens schwanken und ineinanderfließen; aber die Provinzen bleiben immerhin Tatsachen. Es gibtJahre des Sammclns und Jahre des formenden Bauens, Jahröder Analyse und solche der Synthese. Wobei man nur nie ver-gessen darf, daß es in solchein Wechsel niemals einen Stillstand!gibt; immer wieder drängen neue Eroberer von heute gegen bisSiegcsmale von gestern. Auch das, was wir heute halb töricht.halb schüchtern als Expressionismus bezeichnen, wird nicht das Endesein; aber es bedeutet eine Etappe, daran ist nicht mehr zu zweifeln..»••D ie Impressionisten. Das Programm fordert dieEinfangung des pulsenden Augenblicks, die Spiegelung der zucken-den Wirklichkeit, den Schrei des Wildes und das Temperamentseines Jägers. Wenn dem so ist, dann möchte man wissen, wasJoseph Oppenheimer hier zu suchen hat. Sein Damenbild-nis ist nichts als eine mißratene und obendrein geschmacklos undschlecht gemalte Maskerade. Mit Fritz Rhein steht es kaumbesser; zum mindesten sind seine Porträts abgetötet, hart in Linieund Farbe, sind ohne Grimasse, ohne Geste, ohne psychisches Or-namcnt. sOrnamcnt heißt nicht Zutat, heißt Extrakt.) Wesentlichsympathischer ist schon Baluschek, weil er mit schlichter Sach-lichkeit genau das schildert, was er sieht. Zwar vermag er nichtanzuschauen, vermag nicht, ausschauend das Eigentliche, denTakt, den Herzschlag zu erfassen; er bleibt am Boden, imeinzelnen, in den Kleinigkeiten der Vergänglichkeit. Doch suchter über solche Enge nicht hinwegzutäuschen, und das versöhnt mitdiesem hahnebüchcnen Äegistrator. Die«Mittagspause auf demFabrikhof", die er diesmal zeigt, ist sogar wieder einmal eine schöneSammlung seines beobachtenden Talentes. Beinahe ließe sich sagen,daß aus den fleißigen Notizen ein Bild wurde; es blieb aber wohkdoch noch zu sehr Reproduktion des Zufälligen. Um einige Gradedem Leben näher kommt B i s cho ff- C u l m; hier und da scheinter es zu erreichen. Die Frauen, die von der Arbeit kommen unddurch die gelben, von magerem Gras überrieselten Dünen schreiten,haben einiges von dem Geruch der Arbeit im Brand der Sonneund im Sturm des Meeres. Es fehlt aber die Tatze, das Zu-schlagende..Merkwürdig genug, daß ttluaS von solchen Energien m T h o-m a s Waldlandfchast aus dem Jahre 1b92 zu spüren ist. Manmöchte kaum glauben, daß der damalige Meister, der mit-�eiren»'chaft das Erbe Courbets und Taubignys verwaltete, dcrielbe ist»der heute seine hüstelnden, sentimentalenLitancien über Heimat-kunst säuselt. Daß aber auch im Alter die Fähigkeit der Jugendbeharren kann, beweist so recht im Gegensatz zu Thoma Josef.Israels. DaS Selbstporträt, das hier von ihm hängt, läßt nichtnur des Motives und � der Stimmung wegen an das gewaltigeAltersbildnis Rcmbrandts denken. Wohl fehlt dem aus blaugrauemNebel, aus farbiger Materie sich organisierenden Antlitze Israelsdas Dämonische, das unter Gewittern Auflachende, das Ueber»menül'liche; es bleibt aber doch genug der Selbstbcschauung, d«Ssinnlichen Verscnkens und der malerischen Sammlung. Man muß' es sagen, daß gerade öiejcs Bekenntnis vom eigenen GreijentuN