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sprach ihm zu schreiben und ging, begleitet von seinem Sohne und einigen anderen Beduinen zur Elektrischen. Ich wollte mit dem Frank bezahlen, aber Osmar litt es nicht und löfte mir ein Billett. Ich mußte ihm in die Hand versprechen, zu schreiben, und fragte, was ich ihnen für ein Gegengeschent machen könnte." Well, wenn Du durchaus willst, so schide mir und meinem Vater eine Taschen uhr. Und wenn Du doch in Aegypten bleibst und kommst einmal in Not, so komm zu uns. Die Tür von meines Vaters Hauſe steht für Dich immer offen!" Er füßte mich zum Abschiede, dann rollte der Wagen fort! Wir winkten uns noch lange zu, dann verschwanden ihre Gestalten und die Pyramiden in der Ferne. Ich wußte, daß ich dort draußen Freunde fürs Leben gefunden haite.
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Am Mittag desselben Tages saß ich in der Herberge. Ich wollte doch nochmals versuchen, Arbeit zu finden, ich konnte mich von dem schönen Lande nicht trennen. Neben mir saß ein deutscher Jude. Wir kamen ins Gespräch, ich erzählte ihm mein gestriges Abenteuer, zeigte ihm die Altertümer und sagte ihm, daß ein blauer Starabäus wie der ein Pfund kostete. Dann pacte ich alles wieder in meine Tabaksdose. Später bat er mich um etwas Tabak für eine Zigarette, ich gab ihm die Schachtel und erhielt fie auch zurück. Dann ging ich bis zum Abend nach Arbeit. Die fand ich zwar nicht, aber daß mein blauer Skarabäus fehlte, das fand ich plöblich. Ich dachte sofort an den Israeliten, der hatte ihn sicher gestohlen. Ich lief spornstreichs in die Herberge zurüd und forschte nach ihm. Er kam nur zum Essen dahin, aber einer der Diener wußte seine Wohnung und erbot sich, mich für einen Frank dahinzubringen. Den Starabäus mußte ich wieder haben, fo opferte ich den Frank. Es war schon dunkel, als wir nach dem Boulat tamen, wo der Hebräer wohnte. Es war im Hinterhause im ersten Stock, bei einem Griechen. Ein junges Mädchen öffnete. Eie sprach italienisch. Si, si, Signore, Signor Vogel ist da. Hier links." Jch trat ohne anzufiopfen in das bezeichnete Zimmer. Der Spitzbube trank gerade Tee, und verschluckte sich gleich vor Schred, als er mich sah. Gib den Starabäus heraus, Du Hund, sonst drehe ich Dir den Hals um", sagte ich recht höflich und streckte auch gleich die Hand nach seiner Gurgel aus. Er war schnell gefaßt. Starabäus? Ich habe teinen. Wie kommen Sie überhaupt dazu" Ich antwortete gar nicht, schloß die Türe von innen zu und wollte ihn packen. Hilfe", schrie er ein paarmal, jedesmal in einer anderen Sprache und sprang auf das Soja. Und wenn Du ganz Kairo zusammenbrüllst, ich bekomme meinen Starabäus. Her damit!"" Ich habe keinen, Hilfe!" Da hatte ich ihn beim Schopfe und vifitierte ihm die Taschen. Wenn er sich sträubte oder schreien wollte, gab's eins auf den Mund. Draußen auf dem Flur kreischte das Mädchen, ein Mann brüllte und donnerte an die Tür und wollte wissen, was drinnen vorging. Der Kerl hatte ihn nicht bei sich. Da geriet ich in Wut. Ich drückte ihm die Kehle zu." Bekomme ich ihn jebt? Sonst erwürge ich Dich." Das hätte ich natürlich nicht getan, aber das bißchen Drüden half schon. Lassen Sie los, ich ich"" Du willst ihn Herausgeben?"" Hilfe!", schrie er sofort wieder, als ich ihn losließ. Klatsch gab's eine Ohrfeige, dann machte ich wieder Miene, ihn bei der Kehle zu nehmen." Mein Gott, nicht! Ja, ich Habe" Wo?", fragte ich, schnell fag's!"" Dort auf dem Schrank in der Zigarettenschachtel." Ich ging hin und wirklich: er lag mit atvei Ringen darin.
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Blöblich sprang der Hebräer nach der Tür, schloß auf und stürzte schreiend hinaus. Ich hörte einen Mann zur Korridortür hereinkommen, eine Säbelscheide flirrte. Jetzt wurde es Zeit zum Verduften. Es war zwar mein Starabäus, aber so etwas wie ein Ueberfall war's doch. Mindestens Hausfriedensbruch. Aber wo hinaus? Dort war ein Fenster. Sofort war ich oben. Hinter mir stürzten Leute ins Zimmer. Ich sah deutlich ein Schuppendach unter mir und sprang. Au weh! Ich brach durch die Dachpappe, war im Nu wieder heraus und sprang auf gut Glück vom Schuppen herunter. Unten fiel ich mit dem Knie auf eine umgestürzte leere Tonne. Jezt konnte ich nicht mehr laufen, es tat höllisch weh. Da kroch ich es war feine andere Rettung mehr möglich in die Tonne. Hoffentlich suchten sie mich nicht darin. Ein paar Minuten später kam eine wilde Jago die Treppe heruntergepoltert und fuhr vorn zur Haustür hinaus. Ich beschloß, in meiner Tonne noch eine Weile dem alten Diogenes Kontur renz zu machen. Aber da kam einer und machte mir welche: der rechtmäßige Bewohner der Tonne, ein großer gelber Hund. Aha, auf den hatten sie sich verlassen, darum hatten sie auf dem Hofe gar nicht erst nach mir gesucht. Er steckte den Kopf herein und schnüffelte mißtrauisch. Ich schob leise den Arm vor und spreizte die Finger." Wenn Du Lärm schlägst, nehme ich Dich jezt bei der Kehle, mein Freund", dachte ich. Aber er war vernünftig und verhielt sich ruhig. Herein tam er allerdings nicht, es war etwas nicht geheuer. Solange der vor der Tonne saß, war ich sicher, daß sie mich nicht darin suchen würden. So brannte ich mir eine Bigarette an und massierte mein Knie. Dann troch ich vor, flüsterte ihm beruhigend zu und streichelte ihn vorsichtig. Er ließ sich's gefallen und wir schieden als gute Freunde. Ich fam unbehelligt hinaus. In meine Herberge ging ich freilich nicht. Wer weiß, was der verdammte Jude alles geschwindelt hatte. Vielleicht war die Polizei schon dort und wartete auf mich.
Die Nacht verbrachte ich nach alter guter amerikanischer Gewohnheit in einem Güterwagen, früh ging ich dreift und gottes
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fürchtig aufs Konsulat und fragte nach Arbeit. Haben Sie schon einmal in einem Hotel als Hausdiener gearbeitet?" Sogar als Portier."" Schön, nehmen Sie diese Empfehlung und fahren Sie nach Helouan in das Sanatorium des Doktor Glanz. Der sucht einen Hausdiener."" Bitte, wie weit ist's bis dahin?"" Sine Bahnstunde, ungefähr fünfzig Kilometer!" Ich fragte noch gewissenhaft nach dem Bahnhof. Als ich ihn gefunden hatte, ging ich drum herum und stieg vor der Stadt auf die Geleise. Dann wanderte ich wohlgemut los. An diesem Tage wäre ich wirklich beinahe verdurstet. Immer Wüste, nichts als Wüste ringsherum. Nachmittags gegen fünf Uhr bekam ich von einem arabischen Stredenarbeiter einen Schlud Wasser und ein Stüd Bohnenbrot. Abends gegen neun Uhr kam ich in Helouan an und wurde angenommen.
Es war sechs Monate später, es gab schon wieder Fünfundvierziggradtage. Die Saison ging zu Ende, wir rüsteten uns, das Pharaonenland zu verlassen. Da kam eines Abends unser Gärtner und sagte mir, daß draußen eine Anzahl Beduinen auf Kamefen wären. Einer hätte nach mir gefragt. Ich ahnte sofort, wer cs war; wir hatten uns ja oft geschrieben. Eine Minute später schüttelte ich Omar und seinem Vater die Hände. Sie luden mich ein, mit ihnen nach den Totenfeldern von Sakkarah zu gehen und bei ihren Grabungen zuzusehen. Ob ich mit wollte? Wie gern wollte ich mit! Ich erbat und erhielt Urlaub für den letzten Tag beim Doktor. Kurz vor Sonnenuntergang ritten wir durch die Straßen von Helouan dem Nile zu. Ich hatte eines der Packkamele bekommen. Es wurde Nacht, bis wir aus der Stadt famen. In schaukeindem Schritt trugen uns die Kamele dem Strome zu. Bei Bedrachini setzten wir in der Fähre darüber und drüben gings weiter bei mattem Sternenglanz durch die Täler der Wüste. Diese gleichmäßigen Hügel sehen aus wie ein au Sand und Steinen er starrtes Meer. Hier herrscht die Ruhe des Todes, eine Ruhe, von der man sich nur schwer einen Begriff machen kann. Am Grunde der verdursteten trockenen Wadis( Wüstentäler) ist das leise Klingeln eines jagenden Sandkörnchens, das hoch oben am Rande der Schlucht der Wind treibt, ein großes Geräusch. Kein Laut unterbricht diese feierliche Stille, fein Vogelruf, fein Summen einer Fliege. Hier herrscht der Tod in seiner furchtbarsten, nadtesten Gestalt, der Tod an sich. Oben funkelten die Sterne im weißen Klaren Glanz des Südens und um uns dehnten sich die weiten Flächen von Horizont zu Horizont.
Der Ritt dauerte sechs Stunden. Beim ersten Sonnenlicht des jungen Tages, das vom Often heraufflutete, standen wir vor der einsamen, ehrwürdigen Pyramide des Sakkarahs. Die Beduinen errichteten ein Zelt und begannen dann an einem Felsenabhange den Schutt aus einem Grabe zu schaufeln, das Omars Vater entdet hatte. Ich streifte in der Umgebung umher, besah mir die zu Mittag wieder zum Zelt zurück. Beim Essen gab mir der Alte Ausgrabungen englischer und amerikanischer Gelehrten und kehrte einen Starabäus von derselben Größe wie mein blauer. Der hier war aber grün. Hier nimm den, der ist echt. Es ist das Erste, was wir fanden!" Ja, ist denn mein Blauer nicht auch echt?" fragte ich.„ O nein," sagte der Alte, ich sagte Dir doch, daß ein Echter ein Pfund Wert hat, der deinige aber nicht, weil er eben nicht echt war. Hattest Du mich nicht verstanden?" Ich war baff! Da hatte ich also wegen zehn Pfennig einen Ueberfall und Hausfriedensbruch begangen! Ich erzählte meinen Freunden meine Abenteuer wegen des gestohlenen Starabäus und löfte ein schallen des Gelächter aus.
Dann nahm ich Abschied von den andern. Omar begleitete mich bis Helouan zurüd. Am ersten Hause sagte ich auch ihm Lebewohl, vielleicht für immer, denn am andern Tage reiste ich ab. Ich sah wehmütig zum letzten Male die Sonne in einer Farbensymphonie hinter Saffarah untergehen. Allah il Allah. Jaha Mohamed Rasul il Allah verklang des Hodschas Ruf im Abendwinde.
Mutterliebe bei Infekten.
In jedem Tierleben bildet, wie man weiß, die Fortpflanzung die Höhe des Lebens, und je fleiner, je niedriger organisiert ein Tier sich darstellt, desto ausschließlicher ist sein Dasein der Erhal tung seiner Art gewidmet, bis zu jenen Formen herunter, die nach vollendetem Wachstum einfach in Stücke zerfallen, sich sozusagen selbst auflösen, um aus den Teilstücken ihres eigenen Körpers ihre Nachkommen erstehen zu lassen. Wenn wir allerdings an das Wort Brutpflege denken, so wird uns wohl fast niemals eine niedere Tierform in den Sinn kommen, stets vielmehr die weitgehende Fürforge, die die meisten unserer Säugetiere, speziell aber auch die Vögel ihren Jungen angedeihen lassen, und die uns mit ihren hübschen Einzelheiten schon seit unserer Kindheit bekannt sind. Aber in ihrer Art ebenso gute Mütter, Mütter, deren gesamter Lebensinhalt einzig und allein die Sorge um die Erhaltung ihrer Jungen bildet, finden wir bei den Insekten.
Für das weibliche Insett gibt es überhaupt nur eine wichtige Beschäftigung, und die ist, einen günstigen Platz für die Ablage der Gier auszusuchen, einen Platz, der diesen zugleich Schutz, womöglich den ausschlüpfenden Larven auch gleich Futtergelegenheit bietet. Denn die Insektenmutter weiß, daß sie ihre Kinder nie im