856—»Sether" an, den James Clerk Maxwell(1831—1879), einerder größten Physiker der Neuzeit, für die 9. Auflage derüBncyclopaedia Britannica geschrieben hat.Schon in dieser flüchtigen Bestimmung, die übrigens durchHeutige Anschauungen weit überholt ist. wird der Aether als eineuniverselle Substanz angesprochen und da» mit vollem Recht, denn«{cht nur die Lichterscheinungen, sondern auch die elektrischen undmagnetischen Vorgänge, gewisse Wärmeerich einungen, wie nichtMinder die Aeutzerungen der rätselhaften Schwerkraft werden aufden Aether zurückgeführt. Ja, es gibt Physiker, die im Aether dasfctimäre Element des Weltalls überhaupt erblicken und die greif-dare Materie als eine spätere Entwickelungsstufe des allumfassendenAethers betrachten. Doch zu diesen Höhen des Gedankens führenmühselige Pfade der Forschung und über die gilt es zunächst einenallgemeinen Ueberblick zu gewinnen. V. Tb.Kleines f eullleton.Das neue Diphtherieschubmittel Behrings. Ueber das neulichauf dem Kongreß für innere Medizin erstmals öffentlich besprocheneneue Diphtherieschutzmittel, mit dem E. v. Behring über sein früheresHeilserum hinaus fortgeschritten ist, erfährt man Näheres in derneuen Nummer der„Deutschen Medizinischen Wochenschrift'. SieVeröffentlicht Behring? Vortrag über da? neue Schutzmittel. Spritztman einem Tier— gewöhnlich werden Pferde dazu verwendet—da« von Diphtheriebazillen ausgeschiedene Gift in allmählich steigender Menge ei», so wird es immer widerstandsfähiger gegen dasGift, weil sich im Blut ein Gegengift(Antitoxin) bildet, welches dasDiphtheriegist unschädlich macht. Dieses Verfahren nennt manaktive Immunisierung. Das Blutserum der aktiv immunisiertenTiere, das also das Gegengift enthält, ist das bisher gebräuchlicheHeilserum. Seine Anwendung bei menschlichen Diphtherie-wanken stellt eine passive Immunisierung dar, das heißt, derKörper de» Kranken bekommt in dem eingespritzten Serum dasGegengift fertig geliefert und braucht es nicht, wie das vorbehandelteTier, selbst zu erzeugen. Nun hat man auch versucht, mit diesemHeilserum gesunde Personen, die der Ansteckung durch Diphtheriekranke ausgesetzt sind, z. B. die Geschwister kranker Kinder, vor-beugend zu behandeln. daS heißt sie vor der Infektion zu schützen;indessen waren die Erfolge nur gering, weil der Jmpffchutz entweder ungenügend ist oder doch nur sehr kurze Zeit, wenigeWochen, vorhält. Ein unter bestimmten Bedingungen hergestelltesGemisch von Diphtheriegist und Gegengift(Toxin und Antitoxin)bewirkt nun— wie die Schutzpockenimpsung— eine kurze, völligharmlose Fieberreaktion und veranlaßt im Blute der Geimpften dieBildung emer Antitoxinmenge, die nicht nur groß genug ist, um sievor der augenblicklichen Ansteckungsgefahr zu schützen, sondern auchlange Zeit, bis zu einem Jahre, vorhalten kann. Diese Impfungwurde bereits an nahezu IM Personen ohne Schädigung durch'geführt und in einem Krankenhause ist eS gelungen, während einerDiphtherte-Hausepidemie sämtliche Geimpfte gesund zu erhalten.Darüber hinaus hat das Verfahren noch die große Bedeutung, daßman mit kleinen Blutmengen, die solchen Geimpften entnommenwerden, wieder andere Personen passiv immunisieren kann, was denBorzug hat, daß gewisse unangenehme Erscheinungen, die dastiertiche Serum beim Menschen biswellen hervorruft, die Er'scheinungen der sogenannten Anaphylaxie, vermieden werden. Dieneue Methode erfordert die größte Sorgfalt, weil die verschiedenen«ltersperioden verschieden empfindlich find und namentlich weilPersonen die früher Diphtherie überstanden haben oder nochDiphtheriebazillen beherbergen, besonder» stark auf die Impfungreagieren Der Erfinder gibt sein Mittel vorläufig nur an Anstaltenab. die sich verpflichten, in jedem einzelnen Falle eine minutiös ausgearbeitete Kontrolle, die in seinem Aufsatz ebenfalls genau mit-geteilt wird, zu üben. Erst wenn viele ganz genaue Beobachtungenvorsiegen, soll da? Verfahren der Allgemeinheit zugänglich gemachtwerden.Kunst.Die Zurückgewiesenen. Einige jener Künstler, die vonder diesjährigen Sezession abgelehnt worden find, haben in einemLaden am Kursürstendamm 126 ihre refüsierten Bilder ausgestellt.Wer die Ausstellung besucht, bringt natürlich die Frage mit, obdiese Bilder mit Recht oder Unrecht abgelehnt sind, ob Rankünemitgewirkt hat öder allzu geschäftlicher Eifer, die neuesten Rich-tungen an die Siezession zu fesseln. Die privatkapitalistischen Be-«ehungen der Firma Cassirer zu der Sezession weichen ja imoevorstehenden Prozeß hoffentlich klargestellt und nicht etwa durchein zartes Einverständnis zweier GefchästSmächte. wie sie dieHäuser Masse und Cassirer repräsentieren, vertuscht werden. Abersoviel kann hier gesagt werden, daß es in der Sezession genugBilder gibt, die an Qualität oder„Neuheit" den zurückgewiesenennicht überlegen sind.— Die Restisierten selbst bespricht im folaen-d«, unser Kunstreferent.Während man sonst in dem Salon der Zurückgewiesenen keckeAevolutionäre und Perückenbedroher zu finden pflegt, trifft man diesmalbekannte Erscheinungen. Der Gesamteindruck ist weder über-ad noch peinlich. Man sieht sofort, daß man eS mit redlichenLeuten zu tun hat, mit Künstlern, die strebend sich bemühen. Beieinigen allerdings muß man mit leichtem Unbehagen feststellen, daßsie einem allzu großen AblehnungSbedürfniS folgten, oder, was nochbedenklicher ist, daß sie die ihnen eingeborene gesunde Art grundlosmodernisieren wollten.Zu diesen Auffrischern gehört B isch o ff- Cu lm; er hatbisher mit treuer Objekttvität den trocknen Strand und die farblosenDünen der ostpreußischen See gemalt und hat die grell gekleidetenund doch fast schwarz wirkenden Fischer und Bauern seiner Heimatin solch nüchternes, aber ernst und fast würdig wirkendes Milieuhineingestellt. Nun ist er plötzlich ganz bunt geworden; man fühltsofort und man muß es sagen, daß Bischoff-Culm diese neue Skalavon den„Jungen" entlehnte. Auch das wäre harmlos, wenn maneS nur nicht spürte; man spürt es aber, weil solche grelle Palettegegen die Natur dieses Malers ist. Wenn er uns wieder erfteueuwill, so kehre er zu sich selber zurück.Hoffnungsloser ist es um Max Neumann bestellt; er wandeltin den Spuren Beckmanns. Das ist unklug, weil Beckmann selbernoch ein Suchender ist. Dazu kommt, daß Neumann daS großeFigurenbild noch nicht zu beherrschen vermag; die Körper laufenauseinander, wirken farblos. Um die Tierbilder Her st eins stehtes ähnlich; sie zeigen sehr viel Farbmaterie, aber wenig Strnttur.Weit besser ist P o t t n e r. Wenn seine Bilder auch ein wenigmüde und melancholisch wirken, so webt in ihnen doch ein verliebtesGefühl, eine� Passion zu Hühnern und Enten. F i n e t t that ganz spaßig die Stimmung eines winkligen HofeSin Verona gemalt; eS ist Nacht und Komödianten lärmen. ErnstOppler kreist nach wie vor um Max Liebermann, ohne dabei zueigener Klarheit durchzudringen. Röhricht, ein sehr junger Mensch,glaubt durch Plakateffekte vorwärts zu kommen. Eugen Spiro undLinde-Walther sind die alten geblieben; das wirkt sehr sym«pathisch. Sie zeigen beide Menschenmalerei, gut beobachtet und ge«fällig, wenn auch nüchtern dargestellt.Viel Begabung zeigt H a s e t e r, ein flotter Dekorateur; ermacht aus der wilden Szenerie einer Urwaldjagd, aus Tigern, Ele-fanten und anderen Bestien, einen exotischen Teppich. R. Br.200Geschichtliches.AusgrabungenJahreIm Jahre 1718 kaufte fich ein ehemaligerin Herculanum......._ österreichischer General,ein Prinz d'Elbeuf, ein Grundstück in der Nähe von Portici amVesuv. Er legte sich dort ein prächttge Villa an, die er mit erlesenenKunstwerken zierte. Von Zeit zu Zeit suchte ihn nun ein Bauer derUmgegend auf, der ihm Stücke von antiken Marmor- und Bronze-statuen verkaufte. Einmal erkundigte sich der Prinz danach, woherdie Anttken des Landmannes stammten. Treuherzig erwiderte er:„Ich ziehe sie aus dem Brunnen l" Der Gutsherr, der da irgendein Geheimnis witterte, kaufte ihm sofort den Brunnen ab und da»anliegende Feld dazu. Er ließ dort Nachgrabungen veranstaltenund in einiger Tiefe stieß man auf die Ruinen einer alttömischenStadt: man hatte Herculanum wieder entdeckt. Bekannt ist daSSchicksal der beiden kampanischen Städte Pompeji und Herculanum,die durch den denkwürdigen Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 nachThristus verschüttet worden sind. Jener zufällige Fund, der genauvor 200 Jahren gemacht wurde, eröffnete eine lange Reihe glänzenderEntdeckungen aus dem Gebiete der antiken Kulturgeschichte. Indessenwar der Gang der Ausgrabungen von Pompeji und der von Hercu-laneum ganz verschieden.Die Stätte, wo Pompeji verschüttet lag, war fast unbewohntund deshalb verhältnismäßig billig zu kaufen gewesen. Sokonnte der Staat sie ohne allzu große Opfer erwerbenund daS alte Pompeji zum größten. Teile freilegen lassen.Auf den Trümmern von Herculanum stehen jedoch zweimoderne Städtchen, Resina und Portici, die bollkommen abgerissenwerden mußten, ehe man zu einer umfassenden Ausgrabung desantiken Ortes schreiten könnte. So ist uns Herculanum heute, wievor 200 Jahren im großen und ganzen noch unbekannt. Rur einigewenige Häuser wurden bei zufälligen Gelegenheiten aufgedeckt. Freilichwaren die Objekte, die sie enthielten, so wertvoll wie nur Wenige»,da« in Pompeji geftlnden worden ist. Prächtige Bronzen waren e»und Gemälde, und viele Hunderte von Buchrollen. Die Katastropheist im Jahre 79 über Herculanum viel schneller hereingebrochen al»über Pompeji.' Während eS den EinwohAern Pompeji» fast durch-weg möglich war, fich und ihre Habe zu retten, wurden die Bürgervon Herculanum verschüttet mit allem, waS sie besaßen. Soist die größte Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß man bei einer Au»-grabung dieser Stadt unschätzbare Kunstwerke und vor allem vieleverlorene antike Schriftsteller auffinden wird. Bonden Büchern EpikurS und seiner Schüler war kein einzige? auf unsgekommen, aber eine der paar Villen, die in Herculanum ausgegrabenfind, hat uns eine Fülle von Schriften au? dieser Philosophenschulebeschert.Bor einiger Zeit wollte der amerikanisch« Professor Waldsteinmit Hilfe der Milliardäre seiner Heimat die Aufdeckung von Hercu-lanum unternehmen, aber Italien lehnte mißtrauisch da» Anerbietenab. Die Italiener wollen da« Unternehmen selbst durchführen. Vi»jetzt ist e? aber noch ganz unsicher, ob und wann die Ausgrabungenbeginnen werden. Sie kosten eine Rlesensmnme.Aedatteur: Alfred Wielepp, Neukölln. Druck u, Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlag»anstalrPaul Swger öeTo..B«rlln SW�