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Bevor ich zu mir gekommen war, hatte man den armen Jivan und irgendwo schreibt er:" Ich weiß, daß das Unglüd heilig ist; Iwanowitsch mit Hilfe zweier Wächter bereits vollständig entkleidet. ich weiß auch, daß einstmals die Verkommenen und Zurückgebliebenen Wie es sich herausstellte, war der Unglückliche durch und durch unschuldig waren. Ich möchte einen Sträfling küssen und zu ihm mit Konterbande ausgefüllt. Ein Auge hatte er aus Porzellan,- und sagen: Du bist heilig, weil ich Dich geliebt hätte, als Du Kind aus was für einem Porzellan noch dazu! In seinem Halse fand warst. Ich liebe Dich, weil jeder menschliche Schmerz sich auf Dein man eine filberne Luftröhre und im Bauche seidenen Operations Geficht gelegt und es entstellt hat."
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bindfaden bester Qualität. Den ausgezogenen Jwan Jwanowitsch Dieser Bruder des hl. Franziskus von Affifi, dessen Seele ichleppte man auf das Zollamt und legte ihn auf die Wage, wobei wie eine reine Schale ist, in der selbst die verdorbensten Früchte lange herumgestritten wurde, wie der Zoll zu bemessen sei: ob wie noch mit dem legten Rest ihrer Schönheit auftauchen, steigt der Fuß für Leder oder wie für Gold oder schließlich wie für hinab in den elendesten Schmutz der Gosse. Einem armen Seide. Endlich fam man dahin überein, den Zollsatz wie für Gold Bettler legt er sein Herz zu Füßen; der sorgengrauen Arbeiterfrau in Betracht zu ziehen; unterdeffen jedoch hatte Jwan Jwanowitsch streichen seine Hände lind übers Haar; in das ewig gleiche, kümmer seinen Geist bereits aufgegeben und man beschloß, sein Sfelett zu liche Dasein eines fleinen Bureaumenschen bringt er ein wenig Licht, konfiszieren und im Wege der öffentlichen Versteigerung zu ver- und vor der Dirne in ihrer zertretenen Menschlichkeit niet er nieder, taufen. wie vor einer Madonna. Alles Unrecht der Welt nimmt er auf sich Der Zollwächter, dem ich ein reichliches Trinkgeld gab, brachte und bittet, ihnen dienend, die Armen um Verzeihung. Es ist ein mir in mein Kupee den Jwan Jwanowitsch in einer Verfassung, die tiefes Müssen in ihm:„ Etwas lebt in mir das Leben der andern, an seiner echt russischen Provenienz feinen Zweifel mehr aufkommen und das kann ich nicht meistern". Das ist das Große an diesem ließ, nämlich als Stelett. Glauben Sie, daß ich auf dem Peters- Dichter des Proletariats, daß er nicht von außen, meinethalben von burger Zollamt nicht angehalten wurde?! Und noch wie?! An einer Theorie her, vor das Leben der Tiefe tritt. Schauend und fangs berlangte man von mir, ich solle wie für Elfenbein bezahlen, mitfühlend erlebt er das Gesez des Daseins, das das Schicksal denn die Knochen des Jwan Janowitsch waren sehr weiß. Nach der proletarischen Existenz bestimmt. Er erfaßt das Gesetz im langem Unterhandeln gab man sich mit einem Zollfaz zufrieden, Innern, und sein Herz ist ganz erfüllt von dem Rhythmus dieses wie man ihn bei gewöhnlichen Knochen berechnet. Seins. Es ist eine Welt, die er mit jeder Faser erlebt hat, und die er als Welt wieder vor uns stellt in ihrer furchtbaren unabwend lichen Schicksalsnotwendigkeit. Und dieses Erleben seines reichen Herzens gibt seinen Worten eine ungeheure Macht und seinen Bildern die Wucht des großen Sinnbildes. Die reine Kraft des Schauens aber ist von solcher Gerechtigkeit und Unbefangenheit, daß der künstlerische Eindruck mit dem Ueberschwellen des Empfindens erliegt. Es ist etwas Barbarisches in diesem Dichter, wenn man ihn mit anderen Franzosen vergleicht. Aber er weiß:" Jegt braucht man Barbaren. Sehr nahe bei Gott muß man gelebt und ihn nicht in Büchern studiert haben. Straft ist nötig, ja But, und ein tiefes Erschauen des Lebens."
Armer Wania! Immerwährend schaust Du mich mit Deinen ausgehöhlten Augen an und es scheint mir, als würdest Du weinen. Und ich habe Dir doch immer gesagt, Du mögest dem Bieloostrower Zollamt ausweichen. 32
Charles Louis Philippe.
Das Leben dieses jungen französischen Dichters, der mit 35 Jahren starb, und dessen Werke nun der Verlag Fleischel u. Co. in einer deutschen Gesamtausgabe( 6 Bände) verlegt, ist äußerst einfach verlaufen. Philippe wurde geboren am 4. August 1874. Sein Vater war Holzschuhmacher in einem Kleinen Nest der Landschaft Bourbonnais . Bis zum 12. Lebensjahre besuchte er die Volksschule. Durch Stipendien wurde ihm der Besuch des Gymnafinms ermöglicht; doch scheiterte sein Plan, die Studien fortzuseßen. Nach manchem hin und Her fand er schließlich Anstellung bei der Pariser Stadtver waltung. Nach kurzer Stranfheit starb er am 21. Dezember 1909. Mit diesem Tage begann sein Ruhm. Seine Erlebnisse waren Erlebnisse der Seele.
Paris und die kleine Stadt, in der er geboren wurde, sind die beiden Punkte, von denen aus Philippe das Bild des Lebens aufzeichnet, wie er es gesehen in seiner zerstörenden Unerbittlichkeit. In zwei Romanen, die man aus seinem Gesamtwerk herausgreifen mag, hat er diese beiden Stätten und ihr charakteristischstes Elendsleben zu dichterischen Symbolen gestaltet. Der eine ist der Zuhälterroman „ Bübü von Montparnasse". Mit der fabelhaften Kunst, ganz in das Innerste einer Existenz aufzugehen, und mit jener Gerechtigkeit, die das gute Gefühl noch im Verkommensten sucht, läßt er diesen Burschen vor uns erstehen; zeigt die Notwendigkeit seines Werdens. ,, Er wurde ein Wenn es wahr ist, was Oskar Wilde schreibt:" Die Freude ist zuhälter , denn er lebte in einer Gesellschaft, in der es von reichen für den schönen Körper, der Schmerz für die schöne Seele", so ist Menschen wimmelt, und die Reichen sind die Starken und sie beCharles Louis Philippe in Wahrheit ein Dichter der Seele, denn stimmen den Beruf des einzelnen. Ihr Geld sollte ihnen zu Frauen er ist der Dichter des Leides. Sein Wesen scheint nicht für die verhelfen. So war es denn wohl nötig, daß es zuhälter gab." Es Freude und das Glück geschaffen zu sein. Das Erleiden ganzer ist einfach das Gesetz seines Wesens. Bübü lebt mit einer Generationen hat sich in diesem Sprößling einer Arbeiter Prostituierten, die er auf den Fleischmarkt gebracht. Diese Bertha raffe zu einer unbegrenzten Leidensfähigkeit fublimiert, die seine Mátenier, im Grunde alles andere als eine Dirnennatur, lernt einen Seele dem Schmerz der ganzen Welt öffnet und aus dem tiefen ver- jungen Beamten kennen, Pierre Hardy, in dessen edlem Menschentum stehenden Mitgefühl für alle die, die die Natur oder die Gesellschaft fich der Dichter selber darstellt. Bertha infiziert sich und kommt ins ausgestoßen und erniedrigt, schreibt er in seinen Briefen: Ich liebe Spital. Aber auch Bübü und Pierre hat sie angesteckt. Da Bübü die ganze Schöpfung, aber am meisten liebe ich die, die leiden." Er durch ihre Krankheit erwerbslos ist, begeht er einen Einbruch und hat in dem Erinnerungsbuche Mutter und Kind" von seiner Jugend kommt ins Gefängnis. Aber Pierre fümmert sich um Berta und erzählt. Es ist eine Idylle, auf die ein schwerer bleierner Himmel nimmt die vom Leben Bertretene, Leidgeprüfte zu sich, bis Bübü beständig niederdrückt: die schwere graue Decke der Sorgen, der wiederkommt und sie brutal reklamiert. Eine Hölle, schauervoll und Freudlosigkeit; der dumpfe hoffnungslose Fatalismus derer, die selbst quälend, aufdampfend vor Schmutz und geschwängert mit dem Dunst im Lachen die Kümmernis nicht vergessen und in der Fron des der Kneipen und dem Geruch des Spitals, ist es, die Philippe hier Heute nicht an das Morgen zu denken wagen." Sein Vater, seine malt. Das Entießen vor der Seuche peitscht die Seelen zum Wahnsinn; Mutter und noch weiter zurück in seinem Geschlecht", sagt er von und doch wirkt das Wert nicht abstoßend, sondern groß und er einer seiner Gestalten, und man mag glauben, daß er mit diesen greifend durch die Tiefe des Empfindens, durch die reine MenschlichWorten von sich selber spricht, alle hatten sie schwarze Hände, graue feit des Dichters. Gefichter gehabt und jene Arbeiterschultern, die breit und stämmig Der andere Roman, Der alte Perdrig", führt in die kleine geworden, um voller Kraft auf ihrer Sklavenerbeit wuchten zu Stadt", die Philippe auch in entzückenden novellistischen Ausschnitten fönnen. Und immer weiter zurück ging er, zurück bis zu jenem Tag, geschildert hat. Hier sieht man das Schicksal lautlos und zeran dem das Wort gesprochen ward: Du sollst dein Brot essen im Schweiße malmend über das Leben eines alten Schmiedes hinschreiten, der deines Angesichtes. Die dunkle schweißtropfende Masse der Armen, durch eine Augenkrankheit brotlos geworden ist und der Gemeinde deren Abkömmling er war, begleitete ihn mit Tagen ohne Lachen; zur Last fällt. Vater Berbrir erlebt das Unanständige der öffentmit dem Lachen der Reichen, das einem lehrt, daß man wohl lachen lichen Wohltätigkeit; das Preisgegebensein des Almosenempfängers fönnte; mit der einzigen Freude, die man wie einen Schatz hütete, und das Schweigen der Verlassenheit, das um den Armen fich breitet, und die die Reichen einem stehlen, ohne daß sie Nutzen davon hätten; und er kommt zu der bitteren Lebensstimmung:„ Man muß die Unmit einem wundgeschlagenen Schädel zum Beweis dafür, daß das glücklichen ihrem Schicksal überlassen". Jedes Gefühl des MenschLeben seine Fauft erhebt und niedersausen läßt; mit dem Gefühl, seins wird in dem Armen vernichtet und es bleibt ihm nichts, als daß das Unglück kein Feind mehr ist, weil man an sein Antlig ge- die schreckliche, bleierne Ergebenheit. wöhnt ist."
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Diese seine Blutsvergangenheit hat sein Gefühlsleben geprägt und ihn empfindlich gemacht für die Erlebnisse der Armut. Er ist,
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Die menschliche Größe Philippes liegt in dem Heroismus des Mitleidens, der zu großem dichterischen Bathes wird. Aber sein Weg ging über die Darstellung des Elends hinaus. In dem Roman wie sein Meister Dostojewski , der Dichter der Erniedrigten und BeMarie Donadieu" heißt es:" Ich habe begriffen, daß man sich um leidigten, in seinem Herzen brennt die Flamme jener sich im grenzen Aeußerlichkeiten nicht zu fümmern braucht und vom Leben das Große losen Mitleid verschenkenden Liebe des Evangeliums, die nicht empfängt, und Wesentliche fordern muß." Vielleicht war er berufen, ein sondern gibt; die" Unendlichkeit und Vertausenfachung" ist. Mein Lebensdeuter im höchsten Sinne zu werden. Da fällte ihn der Tod, erster Ehrgeiz war der eines Verfolgten" schreibt er, und in einer bevor er in sich zur Reife gekommen. Ueber den Armen lastet„ die Novelle läßt er Jesus Christus sagen:„ Es ist gar nicht nötig, die Frage Hand Gottes " schwerer als über anderen. weiter zu prüfen. Mit geschlossenen Augen weiß ich, daß die Armen P. Hamecher. immer recht haben." Tief aus der Seele des Armen heraus spürt er die tröstende Kraft des guten Wortes. Güte ist stärker als menschliches Wissen," heißt es einmal; und selbst den. Tschandola, den Ausgestoßenen möchte er in seine Arme nehmen und Bruder nennen." Du Heilige, Lu Heilige!" sagt er zu einer armen Dirne,