schwieriger Arbeiten fällt den Pionieren vielfach die Anleitung der anderen Waffen zur Einrichtung des Geländes, seiner Formen und seiner Bedeckung zu Kampf- und Deckungszwecken, zum Schaffen von Bewegungshindernissen, Herstellen von Kolonnen- wegen, von Brücken über Wasserlöufe und tiefe Einschnitte, von Sturmgassen durch Hindernisse zu: überall kann ihre Tätigkeit den Kampf schwerwiegend, ja entscheidend beeinflussen. Vor- bedingung dazu sind nicht nur Energie und Selbständigkeit ihrer Offiziere und Unteroffiziere, sondern auch volles Verständnis für die Bedürfnisse des heutigen Gefechts und die Eigenart aller Waffen._ Im Kampfe mit öen Zreijcharen. Au» dem Briefe eines Stabsarztes teilt die„Ostsec-Zeitung" w. a. das Folgende mit: .... Unsere Truppe marschierte durch einen dichten Wald auf der Landstraße. Plötzlich erhielten wir Feuer, und zwar, wie sich spater herausstellte, von F r a n k t i r e u r s- F r a u e n, die sich im dichten Walde versteckt hatten I! Neben mir erhielt ein Leutnant einen Schutz ins Bein, ein Grenadier einen Schutz ins Auge. Wir bogen nun auf einen Waldweg ab, gingen etwa einen Kilometer tief hinein und stellten dort vorläufig die Pferde, Sanitäts- und Küchen- wagen und Krankonträger auf. Fch selbst ging, wie alle Offiziers. zu Fuß durch den Waldrand, wo die Truppe sich gegen die vom Feind besetzten Dörfer entwickelte, die gleichzeitig durch unsere Artillerie beschossen wurden. Nach kurzem Gefecht rissen die Fran- zosen teils aus, teils ergaben sie sich. Wir hatten dabei nicht viel Verluste, einige Leichtverwundete. Nun überschritten wir den Bahn- dämm, um die Höhen, wo der Feind sich verschanzt hatte, zu nehmen. Ich war anfänglich mitgegangen. Da es schien, als ob der Feinst �zurückgewichen sei, schickte ich einen Mann zurück, um die Krankenträger, Pferde und Sanitätswagen heranzuholen. Unsere Truppen hatten inzwischen die Höhen erstiegen, als ich plötzlich von hinten bemerkte, wie Schrapnells in die Schützenlinien einschlugen. Im Wald, der sich über 15 Kilometer weit erstreckt, hatte ein Spion auf einem Baum gesessen, der mit der feindlichen Artillerie tele- phonisch verbunden war und ihr immer mitteilte, wann Truppen oster Kolonnen aus dem Walde herauskamen. Ter ganze Wald steckte voll Franktireurs. Wir fanden einen vier- zehnjährigen Jungen, der sich ein Loch gegraben hatte, ein Gewehr und massenhaft Patronen vor sich, lieber ihn war ein Scheunentor gelegt und mit Erde und Laub bedeckt, so war er selbst nicht zu sehen, konnte aber alles beobachten und schoß von Zeit zu Zeit in unserem Rücken. Er baumelte bald darauf. Die Sanitätskompagnie hatte, als sie aus dem Walde heraus- trat,, ebenfalls starkes Feuer bekommen. Der Feinst konnte natür- lich nichts sehen, wußte aber Richtung und Entfernung von jenem telephonisch mit ihm verbundenen Spion. Wie mir mein Assistenz- arzt am anderen Tage erzählte, hatte er den Befehl, mit den Wagen und Krankenträgern nachzukommen erhal�n. Während des Weges durch den Wald waren sie von allen Seiten beschossen worden, darunter von Frauen und Kindern. Merkwürdigerweise kamen sie ohne Verluste davon. Als sie an die Waldecke kamen, mutzten sie auf höheren Befehl umkehren. Unser Regiment kam am nächsten Tage nicht wieder ins Gefecht, da es die Ausgabe hatte, die ge- nommenen Stellungen gegen einen etwaigen Angriff, der aber nicht erfolgte, zu halten. Ich ging nun etwa 6 bis 7 Kilometer zu Fuß zurück und fand schließlich Wagen, Pferde und Burschen. Als ich mit ihnen über die Eisenbahnbrücke zog, bekam ich ungemein hef- tiges Feuer vom Bahndamm aus. Ich sah eine Anzahl Zivilisten zwischen den Bäumen am Bahndamm. Aus der Kirche wurde auf etwa 100� Meter Entfernung Maschinengewehrfeuer auf die Krankenträger abgegeben. Ich nahm auch ein Gewehr, um auf die Schurken sden ersten Schuß gab eine Frau ab) zu schießen. In der Kirche fand sich ein Maschinengewehr. Bedient wurde es vom Pfarrer(dazu stimmt die von uns mitgeteilte Er- klärung des Kaplans Dr. Sonnenschein nicht. Red. d.„B.") und einigen Männern, die das Rote Kreuz am Arm hatten. Sie wursten alle erschossen. Nun richtete ich einen Verbandplatz ein und ließ das Schlachtfeld absuchen. Wir fanden etwa 30— 40 Schwerverwundete, die wir zusammentrugen, verbanden und lagerten. Auch hatte ich etwas Wein aufgetrieben und konnte allen, die Durst hatten, Wasser mit Wein geben. Als ich einem Schwerverwundcten einen Verbanst anlegte, wurde ich wieder beschossen. Eine Kugel schlug dicht neben mir ein. Der Schutz kam aus einem Hause, von dem die Rote Kreuzfahn« wehte. Als nun Munitionskolonnen, die keine Bedeckung hatten, durch- zogen, wurde es lebendig. Aus allen Häusern, aus den Kellern, den Bodenluken pfiffen die Kugeln, so daß ein Bataillon zur Hilfe eilen mußte. Samtliche Häuser, über LOS, wurden durchsucht, überall fand man Zivilisten, Frauen und Bengels zwischen 15 und 17 Jahren, dazu massenhaft Gewehre,
Jagdflinten, Revolver. Man kann sich unsere Wut denken. Mehr als ISO Einwohner wurden erschossen, darunter 30 Frauen, jedes Haus einzeln angezündet. Da kam noch mancher Schurke brennend herausgestürzt. Bis zum anderen Morgen brannte das Dorf, man hörte fortwährend das Explodieren der Patronen, die mitverbrannten. Auch die Kirche wurde angesteckt; als sie brannte, erfolgte eine gewaltige Explosion. So wie hier, erging es auch dem Nachbardorf, beide sind vom Erdboden verschwunden, die Bewohner(Belgier ) ausger ottet. Am nächsten Tage in der Morgenfrühe marschierten wir dann in der Richtung gegen X., eine stark befestigte Bergstadt. Zuerst i>e- schotz unsere schwere Artillerie das Niest. Tie Franzosen blieben die Antwort nicht schuldig. Trotzdem rückte unsere Infanterie in Schützenlinien ruhig vor. Ich habe nicht einen einzigen Mann zurückbleiben sehen, nicht einen einzigen, der auch nur eine Spur von Furcht gezeigt hätte. Ich fand 3 Tote und 16 Schwerver- wundete, die ich im Schrapnellfeuer zusammensuchte und hinter den Hecken und Heuschobern verband. Sobald eine Schützenlinie über den Weg am Heuschober ging, prasselte das Schrapnellfeuer wieder los. Ein Verwundeter wurde, während ich ihn verband, nochmals von einer Schrapnellrugel getroffen. Schließlich löste sich das Rätsel. Wir fanden einen Telcphondraht im Hafcrfeld, der bis zu den feindlichen Batterien reichte. Der Heuschober war für sie der Richtungspunkt, die Entfernung genau bekannt. Auf dem Kirchturm saß der Pfarrer(siehe oben) und beob- achtete den Weg. Sobald Deutsche dicht vor dem Wege waren, telephonierte er zu den feindlichen Batterien, und diese schössen immer auf dieselbe Stelle. Ich ließ den Draht durch einen Kranken- träger mit der Kleiderschere durchschneiden, und seitdem bekamen wir keinen Schutz mehr dorthin. Das größte Wunder ist, daß weder ich noch eines meiner Pferde verwundet wurde.... Der Fanatismus der Belgier ist grauenhaft, das feige Schietzen aus dem Hinterhalt, der Mißbrauch des Roten Kreuzes unter Führung der Pfarrer(siehe oben) etwas Unglaub- liches. Die weiße Binde mit dem Roten Kreuz am Arm hat gar keinen Zweck und bietet keinen Schutz; im Gegenteil, gerade auf uns hat daS Gesindel es besonders abgesehen. Von meinen Kranken- trägern sind vier verwundet worden. Tie Lazarette müssen alle starke Bedeckung haben, sonst wird alles niedergemacht. Einem Ulanen haben sie beide Hände abgeschnitten, einem verwundeten Leutnant wollten sie die Augen ausstechen, Weiber an der Spitze. Wir können uns nur dadurch helfen, daß ein- fach alle Ortschaften, aus denen Zivilisten schießen, verbrannt und die Einwohner erschossen werden. In einem Dorfe, durch daS wir gestern kamen, standen nur noch wenige Brandruinen, ein alter Mann und ein kleines Kind saßen halb blödsinnig auf einem Schutt- Haufen und aßen rohe Futterrüben. Dazwischen irrten vier Ziegen klagenst umher. Das war alles, was übrig gebliehen war von einer großen, blühenden Ort- s ch a f t.../ �_ kleines Feuilleton. <p Tannenberg, o Tannenberg...! Die»Deutsche Kriegszeitung", der Ableger des»Lokalanzeigers", läßt sich von ihrem Spezialberichrerstatter aus Osterode schreiben: »Die Massengräber, die über da« Schlachtfeld zerstreut sind, mußten von den gefangenen Russen ausgehoben werden, die unter Aufsicht unserer Landstürmleute diese Arbeit verrichteten. Waren die Toten dann gebettet und die Hügel aufgeschichtet, so schleppten unsere braven ostpreußischen Landwehrmänner Blumen heran, lasen umher- liegende Helme und zerbrochene Waffen auf und schmückten damit pietätvoll die Gräber der deutschen Brüder. An jedem Grab hielten sie dann eine stille Andacht ah. In grimmigem Humor schmückten sie aber auch die Gräber der gefallenen Feinde, und zwar mit— Schnapsfla scheu, die de» toten und verwundeten Russen abgenommen wurden. Auf fast allen russischen Massengräbern prangen eine oder mehrere solcher Schnapsflaschen." Wir nehmen zur Ehre des deutschen Militärs an, daß dieser (ungenannte) Berichterstatter lügt. Schneiü. Schneid ist ein Wort, das jetzt in der kriegerischen Zeit viel ge- braucht wird, leider aber recht häufig falsch. Der Norddeutsche hat an diesem vorwiegend in Bayer» heimischen, kennzeichnenden Wort schon seit Jahren Gefallen gefunden und verwendet es mit Vorliebe. Weil er aber nicht weiß, daß dieses Wort erst vor kurzem aus der bayerischen Mundart in die Schriftsprache einzudringen begonnen und
Aus den weiter hinten stehenden Wagen erklang es in 'gedehnten und schwermütigen Tönen herüber: Für das heilige Rußland sterbend... Aber wieder fiel das langgezogene Arrcstantenlicdchen ein: Ich sitze hier und weine Und kau' mein Bißchen Brot. Als Hund ich euch erscheine, Als Mensch hin ich euch tot! Die Töne wirbelten durcheinander, vereinigten sich mit Pfeifen und Geschrei; in die kräftigen Männerstimmen mischte sich, schlangengleich, ein heller Silberklang—■ jemand begleitete, an ein Glas schlagend. Man stampfte mit den Füßen den Takt dazu, und das Lied brauste in rasend, fröhlichem Wirbel dem rauhen Winde entgegen. Ich kehrte zurück,— und wieder hoben und senkten sich, wie träge� Wellen, die gedehnten, großartig-düsteren Töne des Liedes.�ermak". Von der entgegengesetzten Seite kam ein Güterzug an. Der Zug mit den Sängern setzte sich in Bewe- gung. Zwischen den beiden Zügen kräftig widerhallend, schwoll daS. Lied mächtig an, wie eine Hymne: „Sibirien ist dem Zaren unterworfen Und wir lebten nicht vergeblich in der Welt." Der eine Zug blieb zurück,— und plötzlich, als wäre an der mächtigen Hymne etwas in Stücke gegangen, tönte das Lied dumpf und verklang in der kalten, windigen Nacht. Als ich am folgenden Morgen�erwyche, höre ich am Fenster die kindlich-frohe Stimme eines Soldaten. „Oh, wie warm!" Der Himmel ist klar, die Sonne brennt. Nach allen Seiten dehnt sich endlos die Steppe aus; unter dem warmen Hauche des Windes wiegt sich das trockene, verbrannte �Gras. In der Ferne sieht man abschüssige Hügel: über die Steppe reiten langsam vereinzelte Burjaten, ziehen Herden von Schafen und zweihöckerigen Kamelen. Der Bursche unseres Leutnants, der Baschkir Mohaiiimedka, schaut gierig aus dem Fenster, mit einem Lächeln, das sein flaches Gesicht mit der plattgedrückten Nase ganz in Falten legt. „Warum lachst Du, Mohammed?" „Kamele!" antwortete er freudig und verwirrt, von Er- knnerungen an seine Heimat ergriffen. Wie warm, wie warm! Man glaubt es kaum, daß eS in dm letzten Tagen so schwer und so kalt und so trübe war. Ueberall hört man fröhliche Stinimen, überall tönt Gesang. An den Erdstürzen waren wir vorbei, aber wir fuhren trotzdem ebenso langsam und hatten ebenso lange Aufenthalte. Dem Marschbefehl gemäß sollten wir schon längst in Charbin sein, aber wir fuhren immer noch auf transbaikalischem Gebiete.
Die chinesische Grenze war nicht mehr fern. Und in der Erinnerung lebte wieder auf, was wir in den Zpitungen über die Chungusen gelesen hatten, über ihre kalte, wilde Grausam- keit und über die unglaublichen Qualen, mit denen sie die in ihre Gefangenschast geratenen Russen behandeln. Ueberhaupt das Fürchterlichste, was mir seit meiner Aushebung borge- schwebt hatte, waren diese Chungusen. Ein eisiger Schauder schüttelte mich schon bei dem bloßen Gedanken an sie. Bei einer Ausweichstelle stand unser Zug sehr lange. Nicht weit von uns war ein burjatisches Zeltlager sichtbar. Wir gingen hin, um es anzusehen. Neugierig empfingen uns schlitzäugige Leute mit ihren platten, zimtbraunen Gesichtern. Auf der Erde krochen nackte, bronzefarbige Kinder herum, Frauen in kunstvollem Haarschniuck rauchten aus langen Pfeifen. Neben der Jurte war ein schmntzig-wcißes Schaf mit kleinem Fettschwanz an einen Baum angebunden. Der Oberarzt kaufte es dem Burjaten ab und befahl ihnen, es sogleich zu schlachten. Man band das Schaf los, warf es auf dem Rücken, und die Burjaten machten sich an die Arbeit. Sie drückten die Füße und den Kopf des Schafes auf den Boden, ein junger Burjate schnitt mit seinem Messer dem lebenden Schafe den oberen Teil des Bauches auf und griff mit der Hand in den Schlitz hinein. Das Schaf schlug um sich, seine klaren, dummen Augen verdrehten sich und neben der Hand des Burjaten quollen die aufgeblähten, Weißen Eingeweide hervor. Der Burjate wühlte mit der Hand unter den Rippen, die Einge- weide bewegten sich im Taste mit dem raschen Ein- und Aus- atmen des Schafes, das immer heftiger zuckte und heiser blött?. Ein alter Burjate mit ausdruckslosem Gesicht kauerte ani Boden, warf uns scheele Blicke zu und drückte mit den Händen die schmale, weiche Schnauze des Schafes zusanunen. Der junge Burjate zog durch das Zwerchfell hindurch das Herz heraus, das Schas zuckte zum letztenmal und seine sich per- drehenden klaren' Augen standen still. Die Burjaten fingen an, ihm geschwind die Haut abzuziehen. Die fremden, platten Gesichter blieben vollständig aus- druckslos und gleichgültig. Die Frauen sahen zu, pafsten ihre Pfeifen und spuckten auf den Boden. Und meiner bemächtigte sich der Gedanke: So werden auch uns die Chungusen den Bauch aufschlitzen, gleichgültig ihre Pfeifen rauchend, und ohne unsere Leiden zu bemerken. Lächelnd sagte ich dies meinen Kameraden. Sie alle zuckten nervös mit den Achseln, und es schien, als wäre auch ihnen dieser Gedanke aufgetaucht. (Forts, folgt.)
daß die Mundart den unbetonten e-Auslaut der Hauptwörter unterdrückt(der Has. die Bas. die Freud), darum verstehl er auch den ursprünglichen Sinn nicht(die Schneide) und behandelt das Worl entsprechend dem gleichbedeutenden„Mut" als männlich. Der Alt- bayer K. Stieler hat eine Gedichtsammlung veröffentlicht unter dem Titel„Habt's a Schneid?"(a eine; einen wäre mundartlich»an"). Die„lustinga Truderinga" singen:»Mir bam a Schneid".� Dem Bayern ist das weibliche Geschlecht des Wortes selbstverständlich. Von Norddentschland aus aber scheint das männliche immer mehr Boden zu gewinnen. Hat doch jüngst erst sogar � der Kaiser von »dem Schneid" unserer Krieger gesprochen und selbst in süddeutsche Zeitungen beginnt die Verkcnnung des Wortes schon sich einzu- schleichen. Eine Jährt üurch Selgien. Ans einem Aufsatz von Herbert Eulenberg in der„Köln . Zig.": „Ich Hab' es gesehen, ich Hab' es selbst gesehen!" schrieb Goya unter die grauenvollsten seiner Radierungen, in denen er die Eni- setzen des Krieges, los desastros de la guerra, geschildert hat. Ich bin drei Tage in Belgien gewesen, habe die Verheerungen des Krieges gesehen und wiederhole mir, in den Frieden meines Heims zurückgekehrt, immer wieder Goyas Worte:„Ich Hab' es gesehen! Ich Hab' es gesehen," um die Greuel, die ich erblickt, nicht als bloße böse Traumgebilde zu fühlen. Die Fahrt von Aachen nach Lüttich über die Straße, die das deutsche Heer gezogen ist, hat man schon oft beschrieben. Soweit man uns Menschen, die wir seit Jahr- zehnten im geschützten und vielfach versicherten Friedenszustand ge- lebt haben, so etwas überhaupt beschreiben kann. Man mutz diese leeren ausgebrannten Dörfer und Städte geschaut haben mit ihren kahlen schwarzen Mauern, die ohne Dach trostlos in den Himmel ragen, muß den Geruch nach Asche und Verwesung eingeatmet und muß vor allem die friedhofartige Stille um diese öden Stätten in sich empfunden haben, um ein Bild von dem Krieg zu bekommen, von dessen Schauerlichkeit wir im Innersten wie vor dem Haupt der Gorgo erbeben. Herve zum Beispiel, das vielgenannte Landstädtchen im frucht- baren Pays de Herve, das durch seinen fetten Käse auch über Bel- gien bekannt war, kann man sich, auch wenn man es nicht gekannt hat, ohne viel Phantasie leicht wieder aufbauen. Ich versuchte es, vor dem kleinen hübschen Hvtel neben der Kirche stehend, und träumte mir im Schatten einer mächtigen Linde, die auf dem Platz wächst, das idyllische ländliche Leben zurück, das die Milchbauern und Viehzüchter hier geführt haben müssen. Vor dem Hotel standen noch die Eisengxstelle— das Holz war ausgebrannt— der Gartenmöbel, von denen man weit in das grüne hügelige Land um Ver- viers blicken konnte. Hier haben wohl abends die Honoratioren von Herve, um ihren Bürgermeister oder Geistlichen versammelt, gesessen und über das Wohl und Wehe ihrer Gemeinde geredet. Und Szenen wie aus„Hermann und Dorothea" begaben sich hier. Jetzt ragen von dem Hotel nur die nackten Mauern in die Luft. Vorn an der Fassade klebt noch wie ein verfallenes Bogelnest ein Balkon. Sein Mauerwerk ist von einer Kugel teilweise zerschmet- tert worden und sein eisernes Geländer von der Hitze zusammen- geschmolzen. Selbst die breite alte Linde ist von ihr auf der einen Seite ganz gebräunt worden. Wohin man blickt, sieht man schwarze Häuserwändc, die einen ans leeren Totenaugen anstarren. Ein einsames Huhn, das sich verlaufen hat, irrt töricht gackernd über den Platz. Kein Mensch ist zu sehen. Doch! Da hinten am Ein- gang zu einer der ausgestorbenen Straßen nimmt ein herum- ziehendes Photographenpaar, Mann und Frau, ein paar deutsche Landwehrleute, die so bieder dreinschauen, als könnten sie keiner Fliege etwas zuleide tun, vor diesem schauerlichen Hinter- grund auf.... ... So anständig ich unsere Soldaten und vor allem unsere Offiziere sich gegen die Einwohner betragen sah, so töricht und minderwertig fand ich gelegentlich das Benehmen deutscher Zivi- listen, die nur aus Neugierde oder Sensationslust jetzt das Land durcbreisen.„Wir werden schon Zug in diese schlappe Bande be- kommen!" hörte ich einen Deutschen in einem Hotel in Namur einen alten, vornehmen Kellner anschnauzen, der verbaselt, wie er durch den Krieg geworden, vergessen hatte, mit dem Braten den Salat zu servieren. Derlei Erobererallüren wirken namentlich einem schwächeren Gegner gegenüber höchst häßlich. Man sollte überhaupt seitens unserer Behörden nur solchen Zivilisten, die ein berechtigtes öffentliches Interesse vertreten und geltend machen können, eine Reise durch Belgien gestatten. Privatleute, die nur bloße Anregung■ oder Stoff für Stammtischuntechaltung suchen, möge man strengstens fernhalten. Es ist scheußlich, wenn man Touristengespräche vernimmt wie:„Waren Sie noch nicht in Löwen? Unbedingt zu machen! Wir sind gestern im Mondschein von Brüssel dorthin gefahren. Schauerlich großartiger Eindruck! Wie Pompeji !" Allen solchen Reisenden, die Schlachtfelder und Ruinen dort mit stumpfer Teilnahme wie irgendeine Cookschc Reisegesellschaft abgrasen, sollte der Eintritt in Belgien nach Mög- lichkeit versperrt werden....
Notizen. — Stilblüten aus großer Zeit.„Berk. Tagebl.". Meier-Gräfe :»Dies nimmt jeder Deutsche in den Kamps mit: mögen wir siegen oder unterliegen, der Weg ist richtig. ES geh' nur so, wenn überhaupt. Nur mit dem Kaiser. Wenn daS Undenk- bare geschähe, wenn alles fiele, der Thron bliebe aufrecht Sind drei Menschen übrig, werden sie sich voi dem Tbrone verneigen und von vorn beginnen." — Dnsselbe Blatt, lieber Kammerspiele:„Lia Rosen ... war dw wahrhafte Ruferin im Streite, die unsere Phantasie zu Schlacht und Sieg trug: selbst eine Fanfaren singende Fabne." — Urania. Am Dienstag und Donnerstag wird Herr Professor Dr. Donath seinen Vortrag»Die Röntgenstrahlen im Kriegsdienst" noch einmal wiederholen. An den übrigen Tage» gelangt der Vortrag„Die Weichsel und die Masnrischen Seen als Bollwerke unserer Ostmark" am Sonntag. Montag, Mittwoch. Freitag ii»d Sonnabend zur Darstellung. Am Sonntag, Montag, Mittwoch, Freitag und Sonnabend, nachmittags 4 Uhr, wird der Bortrag „Lütlich und das belgische Land" zu kleinen Preisen wiederholt. — Neuer VerS der National-Kannibalen.(Aul einer blutrünstigen Ansichtskarle gedruckt.)„Macht aus ganz Frank- reich Frikassee, Rußland zum Deutschen Reiche, Und au« ganz Eng- lands Macht zur See Macht eine Wasserleiche."— Oben ein deutscher Soldat mit dem Eisernen Kreuz , der in einem Topf mit Franzosen- ftikassee rührt. — Die Vereinigung oft preußischer Künstler und Kunstfreunde hält am heutigen Sonntag im R e i ch s t a g zugunsten ihrer flüchtigen Landsleute einen Vortragsabend ab. Karten sind bei A. Wertheim, Bote u. Bock, im Jnvalidendank und bei dem Vorsitzenden Dr. Felix Borchardt, Charlottenburg , Schlüter- straße 28, erhältlich. — Bolkskun st abend e. Es haben bisher 22 Volkskunst- abende in den vom Berliner Magistrat zur Verfügung gestellten Räumen stattgefunden. In der nächsten Woche werden die Volks« kimstabende fortgesetzt, und zwar Montag, den 14., Mittwoch, den 16., und Freitag, den 18. September, abends 8 Uhr, in folgenden Schulaulen: W, Steglitzer Straße 8a, NW , Albrechtstratze 27, NW , Bochumcr Straße 8, N, Panlstraße 19, 0, Koppenstraße 75. S, Dresdener Straße 113. Demnächst werden auch in den anderen Groß-Berliner Gemeinden die ersten Volkskunstabende stattfinden. Der Eintrittspreis beträgt für jedermann 10 Pf. In jeder Aula wird ein neues Programm geboten werden. — Kinderspielzeug. Jetzt werden auch Kindersäbel ver« kauft mit der Aufschrist:„Jeder Stoß Ein Franzos'".— Weih- nachten wird man vermutlich fingen:»Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all zvir schlachten Franzosen und Russen im Stall."