Hr. 25.- 1916. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Sonntag, 36. Jannar  . Sofia  « Die Hauplstadt dc-Z ÄönigreichZ Bulgarien bat während des letzten Menswenaltcrs eine geradezu inärdbenhafte Entwickelung er­fahren, die aller Boraussicht nach, wenn wieder Frieden eingekehrt fein wird, weiter anhalten wird. Im Jahre 1382 wurde Sofia   von den vordringenden Türken besetzt und fast volle 500 Jahre stand es unter der Herrichast des Halbmondes. Am 3. Januar 1878 wurde. die Stadt von den Ru>ien besetzt und im Friedensschluß auf dem Berliner   Kongreß wurde das neue Fürstentum Bulgarien zunächst unter türkischer Oberhoheit geschaffen. Man schwankte damals längere Zeit, welche Stadt man zu der Ehrenstellung der Hauptstadt des neuen Fürstentums erheben sollte. Eine derartige Gruppe war für die altbulgarifche Zarenstadt Trnovo eingenommen, die zwei Jahr- hunderte lang die Haupt- und Krönungsstadt des Reiches ge- weien war. ES waren mehr romanlisch-Iegendäre Erinne- rungen, die zugunsten dieses in einer Felsenschleife des Jantra malerisch auf hohen Kallfelsen gelegenen OertchenS sprachen als nüchterne Ueberlegungen. «ofia freilich, der seitherige Sitz der türkischen   Gouvernements». Verwaltung des gesamten Rumelien, war damals allerdings auch nur ein kleines Nest von kaum 14 000 Einwohnern. Außer dem Konak deS Paschas war in der ganzen Stadt kein nennenswertes Gebäude vorhanden, nur einstöckige Hütten mit Backstein- oder Rauhsteinunterbau und Lehmwänden oder Wänden aus Weiden- gestecht, während die Dächer aus plumpen Falzziegeln bestanden, die heute nur noch in den entlegensten Dörfern angetroffen werden. Die Straßen waren ungepflastert und verwandelten sich zur Zeit der Dauerregen im Frühjahr und Herbst in förmliche Mo- röste. Minen in den Hauptstraßen gab eS tiefe Krater, die Reste umgestürzter türkischer Brunnen, die ein gefährliches Hinder- vis für den Wagenverkehr bildeten. Die Beleuchtung bestand aus Petroleumlaternen, die auf mannshohen Pfählen aufgestellt, aber nur sehr unregelmäßig instand gehalten waren. Fremde, die in Sofia   geschäftlich zu tun hatten oder es aus anderen Gründen passieren mußten, pflegten es so einzurichten, daß sie nur bei Tage dort zu weilen brauchten, um die Nacht in angenehmeren Berhällniffen zuzubringen. Daß dieses Städtchen mit allen seinen Mängeln trotzdem zur Hauptstadt ge- wählt wurde, obgleich es nicht entfernt dem damals schon über 50 000 Einwohner zählenden Rustschuk   oder dem über 30 000 zählen- den Borna   gleichkam, wird als eine Tat von weitschauender Kühnheit bezeichnet da die Entwicklungsmöglichkeiten gerade dieses Orts, der in einer prachtvollen weiten Ebene, 550 Meter über dem Meeres- ipiegel an der Bahn von Konstantinopel   nach Belgrad   liegt, ins Auge faßte. In der Tat ist die rasche fast amerikanisch anmutende Entwick- lung ein getreues Spiegelbild der außerordentlichen Entwicklung. die das junge Fürstentum im Laufe nur eines Menschen- alters durchgemacht hat. In zehn Jähren hat sich die Ein- wohnerschaft von Sofia   verdoppelt, war auf über 30 000 angewachsen, und heute ist es bis zu einer Großstadt von 130 000 Einwohnern cmporgeblüht, nicht eingerechnet die zahlreichen etwa 20 000 be- tragenden mazedonischen Flüchtlinge, die sich meist in den Vororten angesiedelt haben. An der Stelle des baufälligen Konaks, in dem der türkische   Pascha residierte, erhebt sich heule das in Renaissance- form ausgeführte Schloß. Die Stadt besitzt heute eine Reihe großer und eindrucksvoller Gebäude, in denen öffentliche Verwaltungen untergebracht sind: außer der Hagia Sofia  , die der Hauplstadt den Namen gegeben, sind eine Reihe christlicher Kirchen und Moscheen vorhanden. Zu erwähnen ist auch die nationale Bibliothek und Staatsdruckerei, das Parlamcntsgebäude; ferner besitzt Sofia   eine Universität, ein Gymnasium für Knaben, eines für Mädchen, eine Militärscbule, eine Ackerbauschule und zahlreiche andere hervor- ragende Bauten._ Kitines Feuilleton. Oer neue Suöermann. Hermann Sudermanns Tragikomödie.Diegutgeschnkttene Ecke"', aus dem Zyklus.Die entgötterte Welt"", mit der er vom Versdrama und dem Kgl. Schauspielbaus wieder zum modernen Sittenstück zurückkehrte, wurde im Lessing-Theater mit großem Beifall aufgenommen. Szenenführung und Dialog weisen die von früher her bekannten Züge auf. Scharfe und bühnenwirksam spannende HerauSaibeitung fler Kontraste� die es aber mit dem inneren Zusammenhange wie den psychologischen Möglichkeiten nicht sonderlich genau nimmt und in dem Stnebcn nach inarkanier Pointierung(namentlich bei Schilderung di�c Salonwelt� leicht ins Grelle und Gespreizte entgleist. Die Satire aut modernes Aestheteiuum. die hier die ersten Akte füllt. arbeitet mit recht plumpen Mitteln. Weder das malende hysterisch ehrgeizige TöchJpchen des alten Brandstedler noch sein die Künste der Nackttänzerer studierendes Mündel mit ihrer selbstgefällig zur Schau getragenen Schamlosigkeit, noch das zwischen beiden bin und her pendelnde Lileratenbürschchen kommen zu lebendigem Eindruck. Die Redeblüten ihrer Korruption nehmen sich papieren wie auf Draht gezogen aus. Und ähnlich steht es mit dem Weyrauchschen Ehepaar, das als Besitzer eines fuloristischen Salons durch Presscreklame und planmäßiges Bluffen des Publikums angeblich glänzende Geschäfte macht. Diesem fragwürdigen Gesindel stellt der Verfaffer in dem alten Verlagsbuchhändler Brandstedter einen ehrlichen Idealisten und Kunstenthusiasten gegenüber, dem es mit dem Wahlspruche.Die Kunst dem Volke" ernst ist. Einflußreich und angesehen, hat er in der Stadtverordnetenversammlung seines Vorortes das Projekt eines .Thealerbaues durchgesetzt, in dem den Massen Gutes zu billigen Preisen geboten werden soll, und den Auitrag übernommen, den Platz dafür, die gutgeschnittene Ecke eines Terrainspekulanten käuflich zu sichern. Diese beiden Figuren durch Herrn Bassermann, der den Alten in einer höchst einprägsamen. Paul Lindau  nachgebildeten CharaktermaSke gab. und durch Herrn V a l l e n t i n famos vertreten entschieden den Erfolg des Abends. Wenn die Gestalt Brandstedters ihre intime Färbung wohl weniger dem Dichter als dem Darsteller verdankte, hatten an der Ausmalung deS SpekulantenthpuS beide gleichen Anteil. Da ist die Eigenart von vornherein nrit sicherem Instinkt vorgezcichncü Die anschauliche Fülle kleiner Züge erinnert an die glänzende Skizzierung des wähl- verwandten Handlungsreisendcu auS der»Schmetterlingsschlacht". Und diese robuste, mit allen Hunden gehetzte Niedertracht, die un- erschütterlich, trotz gegenteiliger Erfahrungen, überall das gleiche Gaunertum vorausfetzt, der alle anderen Zwecke als die gröbsten materiellen stets nur als Vorwände und als Mittel, Einfaltspinsel reinzulegen, gelten, erhielt durch den Schauspieler frappant sinnfällige Verkörperung. Man sab einen stiernackig vier- schrötigen Kerl, hinter dessen vergnügten Grimassen doch immer wieder gefährliche BöÄartigkeit hervorlugt, spitzbübisch munter. flegelhaft vertraulich, der seiner Schadenfreude bei gelungenen Sireichen durch Pfeifen und Gurgellaute inneren Wohlbehagens Lust macht. Brandstedter, der den Geschäftsmann richtig eintaxiert, versteht es, ihn zu nehmen, seine schwindelhaften Forderungen zu- nächst herabzudrücken. Unübersichtlich verwickelte Intrigen kreuzen den Abschluß des Vertrages, und nun wendet sich alles gegen den gutgläubigen Idealisten. Seine eigenen Fraktionsgenoffen im Stadtparlamenl fallen von ihm ab. Empört schleudert er ihnen den Vorwurf erbärmlicher Feigheit ins Gesicht und bricht nach fiebernder Erregung vom Herz- schlage getroffen, zusammen. Stirbt aber nicht. Sondern wird drei Jahre später im letzten schwächsten Akt in alle Ehren wieder ein- gesetzt. Sein intimster Feind(Herr Forell), den man bisher für einen ganz geriffenen Schleicher hielt, bringt ihm die Freudenbot- schaff und. murmelt, offenbar im Interesse der Aktualität, ein paar peinlich törichte Propheienwortc, daß nur ein Krieg die Deutschen  wieder auf die Beine bringen könne! Außer den Genannten wäre vor allem noch Jlka Grüning, die in der Rolle der Theaterprinzessin brillirte, zu erwähnen. dt. Lustspkelhaus:-Der Gatte ües Iräulekns�. Daß man zu einem neuen Schwank oder Lustspiel wie zu neuen Operetten stets in Erwartung von Enttäuschungen hin- geht und meist wirklich enttäuscht nach Hause kommt, gilt als aus- gemacht. Diesmal sind wohl viele Besucher des Lustspielhauies mit angenehmen Empfindungen weggegangen. Also muß der Lustspiel- Dreiakter»Der Gatte des Fräuleins" von Gabriel Dregely wahrscheinlich besser geartet sein, als zu befürchten stand. Und so ist es auch. Zwar mutet füis erste der Titel etwas.verzwickt" an. In ihm ist aber doch die Fabel des Stückes, aus die kürzeste Formel gebracht, enthalten. Auf welche Art ein Junggeselle der Gatte einer ihm total unbekannten jungen Dame werden kann, ohne bei der standesamtlichen Trauung zugegen gewesen zu sein? Sehr einfach wenn er einen Freund hat, meint mancher. Der Autor belehrt uns gegenteilig. Wenn be­sagter Freund, obwohl längst.Ehekrüppel" und Vater eines neun- jährigen Töchterchens, sich in ein reizend hübsches Mädchen verliebt Wenn et mit ihr unter dem Namen des besten Busen- freundes einesberühmten" Abgeordneten sich standes­amtlich verheiratet und ihr erst dann gesteht: Er sei nicht der Abgeordnete.Dr. Tanner", sondern eben ein längst verheirateter anderer. Und wenn er nun auch dem Freunde der törichten Streich gesteht: dann kann geschehen, was der Titel des Lustspiels erraten läßt. Aus diesem einen Punkte hat Dregely eine belustigende Handlung entwickelt. Natürlich denkt man gleich an den Staats- anwalt als strafende Nemesis. Denn ein Fall von Bigamie liegt vor. Allein solche Materie würde nur den Juristen tnleressieren. Hauptsache bleibt das trefflich ersonnene und lebendig dialogisierte Spiel und Gegenipiel der Beteiligten. So kam die Unterhaltung nirgendwo ins Stocken dank auch der hübsch abgerundeten Dar- stellung des Lustspiels._ ek. Eine neue Zugbeleuchtung. Eine weue Jugbelenchtung mit Steinkohlen hat die preußisch- hessische Staatsbahn Ende Mai 1915 auf allen Strecken eingeführt. Das aus Gasanstalten bezogene Gas wird mit einsin Druck von etwa 10 Atmosphären in die Wagenbehälter eingefüllt und nrit einem 1,6 Meter Wassersäule entsprechenden Ueberdruck in eineni Glühlichtbvenner verbraucht, dessen etwa haselnußgroßer Glüh- körper bei der hohen Temperatur der blauen Gasflamme in sehr Helles Glühen kommt. Die neue Lampe verbraucht nicht allein iveniger Gas als die bisherige, sondern hat auch keine Zündflamme, so daß deren 6 6 Liier betragender Verb rauch ebenfalls entfällt. Dabei sind die kleinen Glühkörper sehr widerstandsfähig. Sie cirt- halten am Boden eine Magnesiumkroire, die, wenn der Glühkörper zerbricht, selbst weiter glüht und auf diese Weise für die Notbe­leuchtung sorgt. Die Beleuchtung läßt sich auch für die Kopf- lampen und Schlußlampen der Züge benutzen, wenn ihre Lkfit- stärke durch Vermischung des Gases mit Kohlenwasserswffelr er- höht wird. Nottze». Vorträge. In der Urania   gelangt der Vortrag Aegypten, der Suezkanal und der Weltkrieg" in dieser Woche am Sonnlag, Mittwoch, Donnerstag, Freilag und Sonnabend zur Dar- stellung. Im Institut f ür Meereskunde spricht Dienstag. den 1. Februar, Profeffor Eduard Meyer   über.Ver- faffung und innere Zustände der amerikanischen Union'; Frei- tag, den 4. Februar, Dr. W. Vogel über.Die Zurückdrängung Deutschlands   von der See". Artur Trebitsch hält am Freitag, 4. Febr., abends 8 Uhr. auf Ver­anlassung der Trep'.ow-Slernwarte im Hörsaal des Kunstgewerbe- Museums einen Vortrag über:»Erkenntnis und Logik". China   führt die Schulpflicht ein. Während einige europäische Länder die allgemeine Swulpflicht noch nicht ein- geführt haben, wird sie in China   im Laufe dieses Jahres zur Talsache werdeu. Fahrbare Krieg Sbüchereien. In der kgl. Bibliothek fand dieser Tage eine Besichtigung der ersten fahrbaren Kriegs- büchereien statt. Bisher gingen die meisten der ins Feld gesandten Einzelbücher mangels organisierter Verwaltung verloren. In ver- schließbaren Wagen an die Front gebracht, sorgfältig nach zeit- gemäßen Volksbibliolheksgrundsätzen katalogisiert, hält die von Politik und KonfessionLinleressen freie, von der Diviston beaufsichtigte Leihbibliothek die Bücherschätze zusammen, bewahrt sie vor vorzeitiger Abnutzung, kann noch in der Okkupationszeit wertvolle Dienstc leisten, ebenso im Heeresdienst nach dem Kriege. Körperschaften und Städte haben bisher schon eine Anzahl von fahrbaren Büchereien gestiftet. Der Nährwert der billigen Käse. Der Käse wird seit langem als ein ausgezeichnetes Nährmittel empfohlen, da er neben Fett hauptsächlich Eiweiß in Form des phosphorhaltigen Kaseins enthält. Als besonders nahrhaft, wohlschmeckend und be- kömmlich gelten die Fettkäse wie Camembert, Brie, Neuchateller, Ehester. Sie sind daher auch viel teurer als die sogenannten Mager- käie wie Ouark, Zwergkäie, Bierkäse und Ttlsiter. Ueber diese billigen Käse sind nun von Dr. Friedmann und Dr. Magarschek in Königsberg   Versuche angestellt worden, die in der»Zeilschritt für Hygiene" veröffentlicht werden. Sie ergaben, daß die teuren von den billigen Käsesorten sich nur sehr wenig durch den Nährwerl unter- scheioen, jedenfalls nicht in dem Grade, daß der Preisunterschied fich daraus rechtfertigen ließe. i5] Der Sang öer Sakije. Ein Roman aus dem modernen Aegypten. Von Willi Seidel  . Als der Weli diese Verse sang, geschah ein Wunder. Ein Licht erglühte unter seinem Kaftan und erhellte die Herz- gegend. Es war ein ruhig brennendes Licht, es schwebte wie ein Stern in den Kleidfalten. Es flackerte nicht und verlosch nicht. Der Weli schien es kaum zu bemerken; es schien, als habe es sich von selbst an seiner Inbrunst entzündet. Die Menge starrte entgeistert, ganz Auge, ganzOhr: nur ein seufzendes, atemloses Geflüster ging um. Dort unten saß der Heilige wie ein Glühwurm in seinem unirdischen Schinimer und sang immer lauter das Ende der Sure... Zum Schluß, als sie in ein Lob Allahs   endete, erlosch das Licht, und die Dunkel- heit sank herein. Da stiegen die Leute herab, langsam und ehrfürchtig, und legten kleine Gaben vor dem verstummten Welt med«. Die Frauen küßten, einen Spruch murmelnd, sein Gewand.-- Als sich die Menge langsam zerstreut hatte, nahm der Heilige das Lämpchen heraus. Es war schwarz und flach, und wenn man es oben drückte, so glühte ex. Es war ihm selbst nicht recht begreiflich, das Teufelslämpchen; es war ihm schauerlich und befremdlich; aber er sagte sich, daß es rundum geschlossen sei und somit das Höllcnlicht keinen Ausweg habe. Er machte für sich noch eine kleine Privatillumination, um den Ertrag, der in Zi- garetren, Weizenbroten, Obst und einer Schüssel voll Bohnen und Hammelspeck bestand, zu sichten und zur Hälfte aufzu­zehren. Dann löschte er sein Licht und fiel, satt und zufrieden, auf der Stelle in einen sorglosen Schlaf. Anderen Tages war es das erste für Daud, daß er den Schulmeister nach dem Weli fragte. Ich bin sehr betrübt", sagte Ali-ibn-Musa,daß ich es versäumte, den heiligen Mann zu hören. Allah strafe mich! Ich saß und rauchte, und mein Magen war gefüllt. Da liefen die Leute vorbei und schrien:.Ein Weli, ein Weli l Draußen im Feld l' Und ich Unwürdiger sprach zu mir selbst:.Das Feld ist weit entfernt, und bald wird Abu-Gagaz, mein Vetter, kommen, und wir werden miteinander das Brettspiel ziehen also blieb ich in Lässigkeit; doch als ich hörte, der Weli habe ein Wunder getan und einen Schimmer gezeigt, da verfluchte ich mich und sprach daS Bußgebet. Heute nun will ich den heiligen Mann gewißlich besuchen." Er sang sehr schön, Schulmeister!" unterbrach ihn Daud geschäftig.Er sang die Sure dersich Reihenden!" ?lllah! Du weißt das I Du bist mir wohlgefällig, Sohn des Zabal! Ich muß dich durchaus loben! Dein Fleiß und deine Beharrlichkeit sind erstaunlich I Was nun den Weli anlangt, so gilt für ihn jenes Wort, das gesprochen ward: Wahrlich, über die Begünstigten Gottes wird keine Furcht kommen, und sie werden keinen Kummer haben." Welcher Art sind nun diese Personen? fragt ihr mich. Darauf sage� ich dir, Daud, und euch anderen Knaben(o Saffar, lasse jene Maus frei und zerre sie nicht am Schwanz; denn der erhabene Gott hat ihn ihr gegeben!) darauf sage ich euch: die Aulija sind solche, die Gott   ganz ergeben sind und einen außerordentlichen Glauben besitzen, so daß sie die Macht haben, Wunder zu ver- richten. Das Haupt der heiligen Männer ist der Kntb, den Gott segne. Er geht unsichtbar umher und tut Gutes; ja, er ist hier und dort zugleich. Ein Bruder meines Vaters, der die Pilgerfahrt machte, sah ihn auf dem Dach der Kaaba   sitzen und vernahm ihn, wie er zur Mitternacht dreimal schrie:O Barmherzigster der Barmherzigen!"--- Dies beschwor mein Vaterbruder, und es wäre Sünde, daran zu zweifeln. Ein anderer Ort, den der Kutb sich wählt, ist die Nische des Bab- es- Suweili in der Stadt Kairo  . Jedes zweite Jahr- hundert ruft der Prophet den Gott segne den bis­herigen Kutb ab und erwählt einen neuen zu seinem Dienst... Unter dem Schutze nun dieses einzigartig Begünstigten steht auch jener Mann, den ihr gestern saht; und mich dünkt, er ist von höherem Grad, da er von innen heraus zu leuchten anhebt, wenn er die Worte vom.Garten' spricht. Dies ist alles, was ich euch über die Aulija berichten kann... und nun weiter, im.Haus Jmran'!"--- Das war auf der Straße nach Karnak, um die Mittags- zeit. Es war ein Tag wie viele andere, und Daud ging heraus. Er ging allein mit noch nüchternem Magen und machte sich im Gehen viele Gedanken. Sein Inneres war durch manches Neue in Verwirrung gesetzt; dann und wann wachte eine unbestimmte Sehnsucht auf... Wonach? Ja, wonach? Die Straße vor ihm zog sich, zu grellgelbem Staub ge- trocknet, unabsehbar dahin. Unter jedem Lebbachbaum ruhte, gleichmäßig um den Stamm verteilt, ein runder, abgezirkelter Schatten: die Sonne stand im Zenit. Das Leben ringsum schwieg; glutheißer Atem des Südwindes rührte sich. Auf einmal wußte Daud, wie er so im Staub dahin- trottete und Mistkäfer mit der harten Sohle zerknirschte, wo- nach seine Sehnsucht sich rühre I Geselligkeit war es, wonach ihn verlangte, aber nicht mit Sawan, Ajr oder Saffar, sondern mit einem, der ihm selber ähnlich sei. Denn wenn er auch mit den ungebärdigen Knaben den halben Tag hinter Kälbern und Rindern herrannte, die Vauwabs und die Fremden ärgerte, die Auslagen bestahl und andere noch entzückendere und phantasievollere Scherze trieb, so befielen ihn doch Plötz- liche Augenblicke einer fremdartigen Ernüchterung. Ihm war, als ob aus einem Versteck heraus eine Stimme spreche:Warte, o Daud, warte noch eine Weile, denn bald komme ich!" Wer war das, der fortwährend ein Ich sprach, das seinem eigenen tief verwandt, ja fast überlegen schien? Es war ein stolz hervorgestoßenes, trotzig besehlshaberisches und doch freundschaftliches Ich, das sich anzeigte... Dabei, wenn er überlegte, wie der beschaffen sein müsse, der es ge- sprachen habe, konnte ihm sein Hirn keinen weiteren Finger- zeig geben, und seine Träume gingen fruchtlos ihren bunten Pfad... Er tvarf sich auf der Seite der Straße unter einen Stamm. Und er sah aus dein Schatten der Akazie heraus über den kahlen Graben und die grünen Felder. Sein Blick verweilte bei fernen Palmengruppen und blassen Hügeln. Eine Frau ging vorbei, schwarz und winzig bewegte sie sich wie eine Ameise in einem ungeheuren flachen Teller; die Kanäle blitzten fadendünn wie in Zinn   graviert; und links lag der Karnak-Komplex in wuchtiger Ruhe. Ein Kamel wandelte steif auf ihn zu, und ein kleines Mädchen in Mohnblumen- rotem Kattunhemd führte es hüpfend am Halfter... Ein Dunst von ewiger Mühsal lag auf dem hitzegeschwän- gerten Bereich, ein Heller Sonnenbrodem, in dem alle Gegen- stände zitternd versanken. Und ivabernd, flimmernd zerrann das Gesichtsfeld; die Konturen wurden wesenlos und die fernen Schreie einzelner Menschen und Tiere zu stillen Zirp- tönen... Das leichte Trappeln eines Esels auf der Straße, hinter dem ein stoßweises Treiberkeuchen flog, sickerte in die Brut- stille des Nichts hinein, wie das Ticken einer Uhr, das mit letztem Schwingen der entspannten Feder mählich endet.... (Forts, folgt.)