Nr. 89.- 1916. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Mittwoch, 16. Februar. Das diamantene Antwerpen. Von©ata«ton Dembitzer. (Schluß.) Vor dem CafeW e b e Eine Sommernacht in Antwerpen   ist von seltenem Reiz. Man muß mit Diamanten handeln und auch das eigene �Herz in Stein verwandeln, um unempfindlich für diese Schön- heiten zu sein. Eine sanfte, milde Nacht in derKaiserlei", dort, wo sich Hundert von Cafes und das großeCafe Weber" be- finden... Auf beiden Seiten der Straße spazieren elegante Manner und Frauen, tänzelnd und flirtend. Alle Sprachen der Welt kann man hier hören und alle Trachten studieren. Fremde aller Länder konimen gcschäftshalber nach Antwerpen   und be- wundern die Schönheit der Stadt. Helles Licht überflutet die ganze Straße. Eine merkwürdige Atmosphäre strahlt dieses Leben aus mit den mannigfaltigsten Tönen der Musik, die aus den Cafehäusern herüberschallt und sich mit dem fröhlichen Lachen der Spaziergänger zu einer seltenen Symphonie vereinigt. Das Echo klingt bis zum besternten Himmel hinauf, und die Sterne schauen neugierig herunter auf dieses wechselvolle Leben... Draußen vor den Cafehäusern sitzen an kleinen Tischen Hunderte von Mäirnern und Frauen. Abkühlung und Vergnügen nach dem heißen Sommertage suchend; sie beobachten kritisch jeden Vorüber- gehenden und machen dazu ihre Glossen: O. diese Dame stammt sicherlich aus Paris  , steh nur den schicken Gang..." Schau nur, wie sie das Kleid rafft, sie ist sicherlich eine Polin, eine echte Polin..." In einem Zelt neben dem Cafe produziert sich ein Chinese mit seinem rhythmischen Tanze und seinem melancholischen Singsang. Seine Lieder scheinen nur einen Ton zu haben, und sie klingen so traurig. Ohne die Sprache zu verstehen, spürt man, daß es wehmütige Heimatslieder sind... Und du versinkst für einige Minuten in deine Erinnerungen und denkst an deine Heimat, an deine Jugend, an jene wehmutsvollen Lieder, die dein ganzes Leben begleiten.. Jetzt, zu dieser Stunde schläft dein stilles Städtchen; dieselben Sterne, die du hier siehst, strahlen ihr mildes Licht auf sie aus. Der Markt und die schmalen, stillen Gäßchen sind einsam und verlassen. Mitten im Markte steht ein einstöckiges Häuschen, von dem ein Lichtschimmer erglänzt. Dort sitzt ein Mädchen mit einem Roman in der Hand... Das ist die Ruchele... Jetzt macht sie das Fenster auf. Im milden Mondschein erscheint ihre anmutige Gestalt. Der Sommerwind streichelt ihr schönes Haar und liebkost sie... Sie schaut mit ihren Augen in die weite Ferne, voll Sehnsucht. Sucht sie dich oder einen anderen?... Tu blasser Jüngling im fremden Lande, ohne Namen und ohne Vermögen, deine Seele flattert im Winde herum, irrt umher und wird ewig irren und weinen... Würde der Chinese nicht mit seinem Singsang aufhören, um, mit der Mütze in der Hand, das Geld einzusammeln, so könnte man noch stundenlang träumen... Vor demCafe Weber" sitzt die Aristokratie der Stadt. Die Gespräche tönen von Tisch zu Tisch hinüber. Seit wann bist Du aus Monte Carlo   zurück?" Ich bin gar nicbt dort gewesen, weil meine Frau schon seit Wochen im Bade weilt." Weißt Du schon? ChaSkele hat sich für zwanzigtausend Mark ein neues Auto zugelegt." Es wäre richtiger, wenn er seine Schulden bei Sternbergs begleichen wollte." ImCafe Weber" herrscht ein ungewöhnliches Gedränge. Die Kellner wissen nicht, wohin sie sich zuerst wenden sollen und haben es nicht leicht, mit ihrem balancierenden Geschirr sich durch die Menge zu winden. Ter dicke Direktor mit der großen Glatze steht am Büfett, macht seine üblichen Verbeugungen und bedauert mit devotem Gesicht, keinen Platz mehr für die neuen Gäste schaffen zu können. Und das Orchester spielt in buntem Durcheinander. Erst einen Wiener Walzer  , dann ein wehmütiges französisches Wiegenlied, und plötzlich erschallt die bekannte Melodie, in die die ganze Versammlung lärmend einstimmt: Puppchen, du bist mein Augenstern, Puppchen, Hab dich zum Fressen gern." Der ganze Saal erbebt, die lauten Stimmen dringen hinaus und erregen die Aufmerksamkeit der draußen Sitzenden. Die Tuitschen, die Duitschenl" Das deutscheCafe Weber" ist das vornehmste in Antwerpen  . Wenn ein Diamantenhändler zeigen will, daß er französische Kultur angenommen hat, geht er ins deutscheCafe Weber"... Halten sich einige junge Kaufleute für gebildet und wollen sie über Literatur und Kunst sprechen, dann gehen sie zu Weber. Unver- getzlich bleibt mir ein Abend, an dem ich mit eingebildeten Ge- bildeten in diesem Cafe zugebracht habe. Man sprach von Heinrich Heine  . Unter den Juden des Ostens bildet Heinrich Heine   noch immer das aktuellste Gespräch. Und man stritt sich darüber, ob Heine zum Christentum übergetreten war und aus welchen Grün- den. Stundenlang, bis zum Ueberdrutz, wurde dieses Thema durch- gehechelt... Plötzlich wandte sich ein junger Mann an mich: Sie werden verzeihen, war Heinrich Heine   ein Enkel oder ein Urenkel von Goethe?" Dann teilte sich die Gesellschaft in zwei Gruppen und man diskutierte ernstlich über die Abstammung und die Verwandtschaft Heinrich Heines  ... Aber diese jungen Leute können auch ernst und traurig sein. An den Feiertag-Abenden erinnert man sich an seine alte, traute Heimat, und diese Erinnerungen ziehen ins Herz ein und lasten schwer. Man gedenkt des alten innigen Familienlebens, und eine Verzweiflung fatz> einen bei dem Bewußtsein, fremd und verlassen zu sein. Man wandert von einem Cafe ins andere, nian fühlt sich überall einsam und verloren... Man langt beimCafe Weber" an, setzt sich an einen Tisch, versucht irgendein Thema anzuschneiden. Plötzlich stockt die Unterhaltung, die Erinnerungen nehmen einem gefangen, und das alte Weh läßt keine Fröhlichkeit aufkommen. Man ärgert sich über das grelle Licht, das einem weh tut, man ist wütend auf die lustigen, lachenden Menschen, und man möchte die Augen schließen und von seiner Heimat träumen. Da klingt das alte Lied in die Ohren: Ich beng noch mein« Fraind Vun die Jugendtäg, Ich geh arum un such Zurück den Weg."... Da summt einer ein Liedchen vor sich hin, man öffnet die Augen, und es wird etwas wärmer ums Herz. Plötzlich fängt auch der zweite an mitzusingen. Langsam schwindet die traurige Stimmung. daS Orchester fängt an zu spielen, neue Gesichter zeigen sich, und die früheren Träume sind verweht. Da hört man in der Nähe eine Unterhaltung: Wem hast Du heute die Partie Diamanten verkauft?" Bei Schachme Storwitz." Ach so." Man schweigt, dann erhebt sich einer, die anderen tun das gleiche. Man verläßt das Cafe, spaziert noch ein wenig auf der Promenade und geht dann langsam nach Hause. Aber von der Ferne noch hört man aus der schmalen Gasse Stimmen: Vergiß nicht morgen mitzubringen diePartie"." Welche Partie?" Die Du heute dem Schachme Storwitz verkauft hast." Von der anderen Seite hört man ein lautes Lachen, dann ein leisesGute Nacht". kleines Zeuilleton. Die Stimmen üer Völker. In der drahtlosen Telegraphie ist es dem Menschen gelungen, sich geheimnisvolle Kräfte dienstbar zu machen, die er im Grunde noch nicht versteht: er muß ihre Stimmungen und Launen stu- dieren, muß sich ihnen anpassen. Zuweilen sprechen die Wellen lauter, zuweilen leiser und undeutlicher; es ist Glückssache, und so kommt es, daß diese oder jene Nacht, die im übrigen höchst un- freundlich, kalt und stürmisch sein mag, für die drahtlose Tele- graphie ganz besonders günstig ist. Besonders auf See kann man in einer solchen Nacht die Stimmen der Nationen mit erstaunlicher Klarheit hören, und ein wunderbares Erlebnis ist es. wie ein Mit- arbeiter derTimes" auf Grund eines Besuchs der drahtlosen Station eines englischen Kriegsschiffes schildert, wenn man den Empfänger ans Ohr legt, ihn auf die betreffende Wellenlänge ein- stellt und nun plötzlich die Stimme der gewaltigen deutschen Funkenswtion N. hört. N. ist außerordentlich pünktlich; genau um 12 Uhr hebt seine kräftige, klare, klingende Stimme an, und nachdem es das Anfangszeichen gegeben hat, sendet es mit dieser seiner klaren Stimme durch die summende, brummende, wirre Welt von Geräuschen, die im Empfänger die rastlose Tätigkeit der drahtlosen Telegraphie in der ganzen Welt verkünden, die deutschen Meldungen hinaus. Dann kommt Poldhu, dessen Stimme einen tiefen, groben, murmelnden Ton hat; und wenn man die Wellenlänge wiederum anders einstellt, so wird diese grobe Stimme durch eine feinere, glockenähnliche verdrängt, welche von den Masten des Eiffelturms kommt. Aber immerwährend, indes der Lauscher auf hoher See nach- einander auf diese Stimme horcht, geht das Summen und Tönen der unzähligen drahtlosen Meldungen, die den Luftraum durch- schwirren, als ein undeutliches Summen und Singen weiter. Dann bricht plötzlich eine laute Stimme durch dies Gemurmel. Es ist die des englischen Flottenbefehlshabers, der den Schiffen seine Befehle übermittelt. Da er sich in ziemlicher Nähe besindet, so klingt diese Drahtung natürlich sehr viel stärker als die Stimmen von N., Poldhu oder vom Eiffelturm. Eine ganze Welt von Bot- schaffen, Meldungen, Mitteilungen, Befehlen usw. vereinigt und begegnet sich hier. Bald wird die Stimme eines englischen Flotten- befehlshabers im Mittelmeere laut, bald hört man den Leiter der deutschen Nordseeflotte sprechen oder man lauscht Befehlen, die der russische Höchstkommandierende in der Ostsee   ergehen läßt. Natur- lich sind das alles nur Laute, Stimmen, deren Inhalt man nicht versteht. Es sind verabredete Zeichen, deren Sinn nur der ent- rätseln kann, der den Schlüssel dazu besitzt. Indes geht durch die Apparate natürlich auch eine ganze Anzahl von Botschaften, die nicht politischer oder militärischer Natur sind und die sich keiner I geheimen Zeichen bedienen. Das ist dann der Humor im Empfänger ! der drahtlosen Station: eben hat man noch Madrid   oder eine ! Balkanstation sprechen hören, und wer weiß was für bedeutende politische oder militärische Entscheidungen oder Mitteilungen das geheimnisvolle Summen und Ticken enthielt da fährt dazwischen eine Botschaft von Smith an Jones, worin er ihm die bedeutungs- volle Tatsache mitteilt, daß er 2000 Pfund Erbsen an ihn habe abgehen lassen...._ Sin neuartiges Kopierverfahren. Ueber ein Verfahren, um auf trockenem Wege Gegenstände, welche bislang nicht als kopierfähig galten und gegebenenfalls photo- graphiert werden mußten, in der Kopierpresse kopieren zu können, berichtet Dr. W. Blumenthal imZeniralblatt für Bibliothekswesen". Das Verfahren ist bestimmt, dem Wissenschaftler, Techniker, Sach- verständigen usw. die Arbeit zu erleichtern, indem es ermöglicht, Tabellen,' Textabschnitle, Zeichnungen auch kompliziertester Art, nicht mit Kopiertinte geschriebenen Schriftsätze usw., besonders doppelseitig bedruckte oder beschriebene Seilen, in wenigen Minuten originalgroß mit allen Feinheiten zu kopieren, ohne daß dabei lichiempsindlicheSubstanzen verwandt werden. Das Jnleressanie und Neuartige an diesem Ver- fahren ist, daß das Original nicht wie bei der gewöhnlichen Briefkopie befeuchtet werden muß, sondern völlig trocken und in Papier und Druck oder Schrift unverletzt bleibt. Daher eignet sich das Ver« fahren besonders sür wertvolle gedruckte oder geschriebene Blätter. Dem wenige Minuten dauernden eigentlichen Kopieren geht ein kurzesSensibilisieren"(empfindlich machen) des betreffenden Buch- oder Schristblattes voraus, d. h. es wird, ebenfalls in der Kopier« presse, der Einwirkung eines für Trnck und Papier unschädlichen Gases ausgesetzt, das vom Druck abgestoßen, vom Unterarund aus« gesogen wird. Dann wird ein völlig trockenes Blatt auf das sensi« bilisierte Drucklatt usw. aufgepreßt. In kurzer Zeit(12 Minuten) wandert das vom Original absorbierte Gas bildmäßig in das auf« gepreßte Blatt hinein und kann, wenn es gefärbte chemische Ver« bindungen zu bilden vermag, hier leicht sichtbar gemacht werden. Es folgt ein kurzer Fixierungsprozetz, und die Kopie ist fertig. Es ist selbstverständlich, daß hierbei das Original, da eS ja lediglich kurze Zeit mit einem dafür unschädlichen Gas behandelt wird, nicht»n geringsten leidet und daß man von derselben Stelle beliebig oft kopieren kann. Da das Verfahren alle Oberflächenunterschiede, auch dem Auge nicht sichtbare, wiedergibt, kann es auch zur Kopie von Buntdrucken. Stoffmustern, fettigen Fingerabdrucken(Kriminalistik) Verwendung finden. Auch sonst ergeben sich noch manche Möglich- leiten. Das Verfahren scheint überdies bedeutend einfacher, schneller und billiger zu arbeiten als die gewöhnlichen photographischcn Reproduktionen._ Nottze». Vorträge, lieberDie öffentliche Bücherei" spricht am Freitag, den 18. Febr.. Dr. L a d e w i g im Zentralinstitut sür Erziehung und Unterricht(Potsdamer Str. 120.) Beginn 8 Uhr, Eintritt frei. Die KriegSbilderauS st ellung der Akademie der Künste am Pariser Platz   wird Donnerstag, den 17. Februar, mittags 12 Uhr eröffnet werden. Bon 2 Uhr ab ist sie allgemein zugänglich und wird von Freitag, den 18. Februar an täglich von 10 bis ö Uhr geöffnet sein. Sie enthält größere Kollektionen von Ludwig Detimann, Otto Heichert  , Fritz Erler  , Hugo Vogel  , Ernst Vollbehr  . Ludwig Monzel, Max Fabian   und anderen Künstlern. Auch Bildhauerkunst ist vertreten. Der Leiter der Straßburger Oper Hans P fitzner wurde vom Gemeinderat nicht wiedergewählt und stellte darauf auch seine Tätigkeit als Lehrer am Konservatorium und als Leiter der städtischen Konzerte ein. Der hervorragende Künstler soll nicht sparsam genug gewirtschaftet und den guten Leuten zu genialisch gekommen sein. L9j Der Sang öer Sakije. Ein Roman aus dem modernen Aegypten. Von Willi Seidel  . So folgte sich Gefährt auf Gefährt, in einer Atmosphäre don Staub und flüchtigen Wohlgerüchen. Jetzt kam eine Equipage; ein Kawasse saß neben dem Kutscher  . dessen enthaltsame blaue Livree mit der des Kawassen einen seltsamen Zwiekampf von mondäner Knappheit und ausschweifender Farbenfreudigkeit ausfocht... und in dem Fond lagen einheimische Hofbeamte mit hellbraunen Ge- sichtern. Auf ihren schauspielerisch zerschnittenen Zügen ruhte der fahle Wachsglanz üppig geübter Laster. Sie schwatzten miteinander, sie spreizten beringte Finger; sie trugen weit- geschnittene Kleider aus englischem Stoff und stemmten die Füße in grellfarbenen Strümpfen wagcrecht an den Rücksitz ... Zuweilen schlugen sie einander auf die Schenkel und wieherten, daß die Tarbuschquasten von einer Seite auf die andere flogen. Nun folgt ein Dogcart selbst gelenkt von einer ver- blühten Miß mit überhitztem Gesicht unter dem knappen weißen Hut, die ihren sehnigen Körper in Waschleinwand wie einen Bogen spannte. In ihren harten Knochcnfingern hielt sie Zügel und Peitsche wie eine Beute, und ihre blassen Augen berechneten jede Distanz. Hinter ihr auf dem RückPlatz hockte ein indischer Groom im Kakianzug mit hellblauem Turban. Das Dogcart ward überholt von Automobilen aller Marken, die mit aufheulenden Sirenen, mit Fanfarengeschmetter oder schauerlich röchelnden Hupen eine Gasse in das Gewimmel sprengten. In ihrem Brodem trappelten von der Mouski oder vom Straßenhandel zurück- reitende Bauern, ganz hinten auf dem Kreuz ihrer strapazierten Esel hockend. Das wüste Gebrüll eines vorwärts lavierenden Wagenvermieters brach sich Bahn. Er führte auf einem einrädrigen schmutzigen Karren einen Klumpen aneinander- gedrängter Weiber mit sich, die mit ihren Zehen spielten oder Zuckerrohr zerzupften... Dann kam wieder eine Folge von Mietskutschen, unter dem eintönigen Uah  -Ruf der Berberiner auf den Böcken, unter denen Bündel von grünem Pferdefutter hervorlugten. Zwischendurch schob sich wieder ein eleganteres Privatgefährt irgend eines Be­amten aus dem englischen oder ägyptischen Dienst. Zu- weilen flitzte auch ein Gig oder ein Tilbury mit Strohsitzen vorbei, besetzt mit Damen der Gesandt- schaffen und ihren weichherzigen praktischen Kindern; und gelenkt von entschossen dreinsehenden, gebräunten Herren, die zum Sporttng Club fuhren, um am Abend bei Golf oder Tennis von der Kopfbürde ihres oft heiklen Amtes aufzu- atmen. Dort wo Daud und Jane jetzt standen, hielten mehrere Gefährte vor dem flachen Gebäude des Skating-Ring, wo am Abend als grotesker Effekt auf einer Filmtafel, die zwischen zwei Palmen in der blauen Luft hing, sich zauber- Haft flimmernde Geschehnisse oder Jnglizschicksale unverständ- lichen Charakters abwickelten, wo in einem höllischen Licht- kegel, dessen Ursprung niemand erfuhr, Mord und Totschlag lautlos entstanden uud verblaßten... Jedem, der schwerere, weichere Luft gewöhnt ist, atmet dieser ganze Tumult von Verkehr auf der schwer federnden Eisenkonstruttion der wuchtigen Brücke wie ein Stück unwirk- lichen Lebens entgegen. Und doch bebt und dröhnt dieser Komplex von Beton- und Stahlvernietungen, auf ovalen Steinfundamenten ruhend, um die das zag strömende Wasser des Stromes quillt und doch fliegt der Staub greifbar und stechend in die Augen, wird das Ohr gepeinigt, die Schulter erschüttert von den Stößen in der rücksichtslosen, sorglos kreischenden Menge, die zu Fuß geht. Aber dieses Theater von Luxus und malerischer Bettclhaftigkcit, dieser Misch- masch von Rassen, diese erdrückende Zurschaustellung flacher Begierden und zurückhaltender Selbstzucht, dies un­erhörte Nebeneinander von Orient und Okzident hat etwas Entrücktes... und alles, was sich in dem leuchtenden Staub abspielt, unter einem nackten, grellgelben Himmel, gemahnt an einen Traum, in dessen Wirbel alles Gefühl für das Echte zur Farce wird. Ja, jedes aufrechte Atemholen wird zu einem leichten Ringen nach Luft, etwa wie in der sacht von Sinnlichkeit durchsetzten Stunde eines lähmenden Fiebers, das an die Grenzen jenes Unvermögens führt, wo Hirn und Sinne sich gegeneinander auflehnen und befehden. Daud stand stumm am Platz, und zum zweiten Male seit seiner Ankunft ward sein kleiner Kopf hilflos und seine Ge- danken wurden erdrückt angesichts dieser tausend wechselnden Erscheinungen, die sich jagten. Hauptsächlich war es die eigene Rasse, die er wahrnahm, die ein so erhöhtes, prunkvolles Leben zu führen schien... ein Stolz überkam ihn auf all die fetten Krämer, Gelehrten und Beamte, die von seiner Farbe waren, und ein bohrender Ehrgeiz, auch dereinst so gemächlich und gespreizt im Fond einer Kalesche sitzen zu dürfen. Er hatte eine begeisterte Zustimmung auch für die siegesfreudige Zudringlichkeit der niederen Kasten, zu denen ihn etwas wie ein wohlwollendes Zusammengehörigkeitsgefühl hinzog; und er nannte diese Zudringlichkeit insgeheim Selbstherrlich- kcit. Ach, er kannte das gut: das war der Wunsch, aus dem Mist, darin man wider Willen gelandet war, wie ein Phönix sich erheben zu wollen! Und wie ein Phönix, der einen emsigen Schnabel hatte, einen kräftig einheimsenden Schnabel, hart zu hacken bereit, wenn eine weiße Haud sich etwas von seinem Raubfutter aneignen wollte, sich bereichern wollte mit der un- erträglich kühlen Geste der Jngliz, deren Hände nie zappelten und sich nie im Gebete falteten!-- Hi«: unterbrach Jane seine Gedankengänge, indem sie ihn energisch zum Weitergehen ermahnte. Er nahm sie an der Hand, und mit verschleiertem Blick in die Kaleschen spähend, schob er sich traumbefangen durch das Gewühl. Haremsdamen beugten sich unter dem halbgeschlossenen Lederdach ihrer plumpen Familienkutschen vor, weiße Setdenschleier um Mund und Kinn; und ihre mandel- förmigen Augen entsandten Blitze zärtlich-eifriger Neugier zu Jane herüber, die unentwegt weiterging. Ihre hell- grauen geraden Augen, deren strenger Ausdruck durch die Aussicht auf das nahende Abendessen leicht gemildert war, blickten weder nach rechts noch nach links, und so war es im Grunde sie, die die Führung übernahm. Daud ging nun, versonnen und etwas albern lächelnd, in ihrem Kielwasser und gab acht, daß man ihrem flinken Schritt Platz machte. So segelte sie wie eine kleine Fregatte aus Batttst und Spitzen voll Energie durch den ausgelassenen Menschenstrom und setzte die kleinen Füße mit den festen Waden wie ein NIaschmchen auf. Als sie an der Kaserne vorüberkamen, drang unendliches Dudelsackleieni aus den Fenstern, in denen müßige Gordou- Highlanders lehnten: Stummelpfeifen im Mund, zwischen Blumentöpfen und ausgehängten Uniformstücken. Von den Fußballplätzen wehte Staub über die Straße und verlor sich in dem dunkelolivfarbencn Laub der über die Abgrenzungs- mauern lugenden Fikuskronen. (Forts.   folgtJ