«6- im Unterhaltungsblatt des vorwärts Hänschenklein an öer Zront. Von Hermann HeijermanS. Im Kreise der Enkelkinder, beim mollig wärmenden Kamin, bewegte sie strahlend von Jugendlichkeit den silberweißen Kopf. Mit purpurglühenden Lippen und Kinnspitzchen wie reife Tomaten und Wangen leuchtend wie Mohnblumen im Sonnenlicht, nickten ihr die großäugigen Lauscher zu. Zuerst hatte sie ihnen von ihrem Bruder erzahlt, der bei einem Klewanganfall in fernen Kolonien das Leben verloren, dann von ihrem Vater, der ach, wie lange war das nun schon her unter Napoleon   gefallen, und nun, weil die Kleinen so sehr darum gebeten, begann sie, während der Sturmwind wie «in böser Teufel das Häuschen umtobte und ihr mit seinem Brausen das Sprechen erschwerte so besonders kräftig war ihr« Stimme doch nicht mehr, begann sie eine neue, wundersame Erzählung. Kommt Dir auch der Schlaf noch nicht, Joseph? Und Du, Katharinchen, wirst Du heute überhaupt nicht müde? Nein? Dann will ich Euch noch vom Hänschenklein erzählen wie Häuschen. klein aus der Stadt mit den hohen Schornsteinen hinausspazierte, um seinen Vater, der Soldat war, aufzusuchen----* War sein Vater denn weggelaufen?" fragte Liesing  , da» Nest- Wen, das ihr unablässig in die Rede fiel. Großmutter, sag' ihr aber jetzt, daß sie still s«n soll!" rief Annemarie, die sich über Liesings ewige Unterbrechungen ärgerte. Na, na, wir kommen schon noch hin," beschwichtigte die Groß- mutter,und zum Fragen hat man doch den Mund. Nein, Klein- chen, weggelaufen war er nicht, es war ein Krieg ausgebrochen, ein gewaltiger Weltkrieg so sin Krieg wie unter Napoleon  , von dem ich Euch eben erzählt«, und weil der Vater von Häuschen- klein mitkämpfen mußte, hatte er, als Hänschenklein schlief, die Stadt mit den hohen Schornsteinen verlassen, und als das Bürsch- chen wach wurde, war Vaters Bett leer. Wo ist Vater?" hatte eS gefragt, gerade wie unser Kleinchen auch, das immer so viel wissen will, aber HänSchenS Mutter saß da und weinte Tränen, Tränen so dick und groß, wie die Regen- tropfen draußen, und gab ihm keine Antwort. Sie hätte ihm aber auch gar keine Antwort geben können, weil der König des Landes mit den hohen Schornsteinen verboten hatte, zu sagen, wohin die Soldaten gegangen waren. Mutti, warum weinst Du?" fragte Hänschenklein gang un- mutig wenn sein Muttchen weinte, bekam er auch gleich immer nasse Augen. Weil ich so bange bin," schluchzte die Mutter und faltete die Hände, so wie Ihr das auch jeden Abend tut, und dann begann sie für ihren Mann, der Soldat war, zu beten. Warum bist Du denn so bange?" fragte er noch einmal, aber so leise, daß sie es gar nicht hörte und lauter wagte er nicht zu fragen, weil sie betete, und weil man jemand, der betet, nicht stören darf. Aber am Abend diese? TageS, als er in seinem Bettchen lag, erfuhr er doch, weshalb seine Mutter so bange war. denn in ihrer Angst und in dem Glauben, daß er schliefe, betete sie lautauS und fragte den lieben Gott, ob er ihren Mann auch wiedergeben, und ob er ihn im Krieg nicht umkouunen lassen würde. Und während sie schluchzend flehte:Lieber Gott, wüßte ich doch nur, wo er sich aufhält, wo er geblieben ist," da schlug die Uhr gerade gruseliger- weise zwölf schlug so gruselig, daß Hänschenklein, genau wie auch unser Katharinchen das manchmal macht, den Kopf unter die Decke steckte dumm, nicht wahr, Kinder? denn wenn man ein böses Gewissen hat, helfen tausend Decken nicht. Und die Uhr schlug ein?,, und die Uhr schlug zwei, und die Uhr schlug drei und Hänschenklein. schlwf noch immer nicht die ganz« lange Nacht lag er wach und dachte an die Worte seiner Mutter, wo sein Vater wohl geblieben sei, und warum ihm wohl sein lieber bester Bater nicht Lebewohl gesagt hatte, als er weg- gegangen war. Das hatte sein Bater natürlich doch getan das könnt Ihr Euch doch wohl denken, nicht wahr?, sein Barer hatte ihn, als er schlief, wohl zehnmal ganz leise geküßt, bange, daß er davon wach werden könnte und daß Hänschenklein dann weinen würde, und daß dem Vater dann selbst das Herz weich werden könnte denn das habt Ihr doch eben noch gehört, wenn ein Krieg ausbricht, kommt nicht jeder Soldat wieder heim.... Als die Uhr wieder schlug es war eine Kuckucksuhr, die bei jedem SchlagKuckuck, Kuckuck" rief, genau solch eine Kuckucks- uhr, wie hier bei uns im Zimmer, Kinder, da stand Hänschenklein leise wie eine Katze auf, kleidete sich ganz allein an und lief, gerade wie unser Kleinchen auch immer, auf'den Zehen an das Bett seines MuttchenS und lauschte, ob sie auch nicht wach geworden sei und ce] Der Sang öer Sakije. Ein Roman auS dem niodernen Aegypten  . Von Willä Seidel. Der Beh saß noch immer im Pavillon. Ein fremdes Fieber, der Anhauch irgendeines kommenden unerhörten Ge- schehnisses traf ihn wie die Nähe eines unausdenkbaren Fatums, das von dem aufwachsenden Schatten genährt, irgendwo unvermeidlich seinen Weg kreuzen müsse. In den wenigen Minuten des Ueberganges von der Dämmerung zur Nacht wachte ein Schauer auf, wimmelte wie mit Ameisen- fußen durch den Park oder umfächelte wie ein Vampir mit den Hautschwingen eines fliegenden Hundes sekundenlang seinen geneigten Kopf. Ein kurzes Asthma befiel ihn, eine lächerliche Beschleunigung des Pulses. Es kam und ging; es irritierte nur flüchtig, wie etwas scheinbar Grauenhaftes, daS sich bei schärferem Blick alS ein nichtiger Spuk erweist. Er atmete tief auf unb schritt langsam in den Garten zurück. Die Abendglut war erstorben, und daS schwarze, üppige Blau der Nacht umfing mit ungeheuerer Beruhigung die Welt. Die Palmenkronen standen wie Filigran im Sternen- licht. Nun aber, mit dein Verblassen aller Geräusche, rührte sich das eigentliche Leben des Gartens. Schreckhaft stiegen da und dort vielfältige Schreie empor, bald in Pausen, bald atemlos wie eine Kette von Hilferufen, kreischend und gedämpft, murrend oder als hohles Geheul. Un- zählige Lungen sogen die Nachtluft ein und stießen sie »vieder aus. gesättigt von den Lauten befreiter Brunst oder tierischer Trauer über geknebelte Triebe. In Hunderten von Käfigen fieberte es, tappte es rasselnd umher. Der Gibbon steigerte seine Stimme zu einer einzigen Klangkurve, die wie eine Rakete in eine Garbe von bellenden Schluchztönen zer- platzte. Die Makaks in ihrem Drahthaus schnatterten fassungslos, und als Hassan herzutrat, sah er ihre Silhouetten wie geschleuderte Bälle durcheinanderwirbeln. Der Gnustier er- zeugte an den erbarmungslosen Gitterstäben ein Geräusch, als werde ein Maschinengewehr entladen. Er arbeitete stumm und wütend, wie ein Dämon der Ver- nichtung. Er mußte unsagbar leiden. Und die blauen Schatten quollen tiefer und tiefer auf. und in ihrem verzauderten Bezirk brodelte es von Lauten. dann piepte er wie so'n kleines Mäuschen:Nun wein' man nicht mehr, Muttchen ich werde Vater schon finden, und wenn ich ihn gefunden habe, dann bringe ich ihn Dir nach Haus, hörst Du?"_ Seine Mutter aber das ist ja selbswerständlich die hörte ihn nicht, denn sonst würde sie zu ihm gesagt haben:Hänsl, Du darfst jetzt nicht allein auf die Straß« gehen, Dein Vater ist weit von hier in einem ganz sicheren Land" sein Muttchen aber schlief so fest, wie Du, Joseph, wenn Du morgens in die Schule mußt und nicht wach zu kriegen bist. Als Hänschenklein an der Uhr vorüberkam, sagte er noch: Kuckuck, nun mußt Du aber gut auf mein Muttchen acht geben, nun, wo hier kein Mann mehr im Hause ist!" Kuckuck!" rief die Uhr, well es gerade ein Viertel war. Danke schön!" flüsterte Hänschenklein und schlich auf den Strümpfen cm die Haustür. In der kleinen Straße war er erst sehr bange, denn Tommy, der große Hund der Nachbarn, von denen der Mann und der Sohn und auch noch ein Nesse mit Vater in den Krieg gezogen waren, kam ärgerlich kläffend auf ihn loS, als ob er ihn beißen wolle, aber das forsche Bürschchen sagte gleich:Tommy, Du darfst mir nichts tun. denn ich suche Deinen Herrn auch, und wenn ich ihn gesunden habe, bringe ich ihn schnell mit, und dann kriegst Du feine leckre Knochen!" Tommy wedelte vor Vergnügen mit dem Schwanz und lief ein Stückchen mit, bis an den Wald, weiter wagte er sich aber nicht.Leb' wohl," sagte Hänschenklein, und weil er nun, als der Hund zurückgetrottet war, niemand mehr hatte, mit dem er sprechen konnte, blickte er nach dem Mond, der immer hinter den Baumzweigen lachte, lachte, daß Hänschenklein kein Auge von seinem Mund mit den Zähnen abwenden mochte. So weit war daS alles sehr ulkig, nicht wahr? ES war aber nur erst der Anfang eine dicke boshafte Wolke, die sich mit dem Mond herumzankte, be- gann jetzt nämlich stark zu jagen, und da ihr der Wind etwas nach- half, lief sie schneller als der Mond, der immer hinter den Baum- zweigen lachte und überholte ihn und machte den ganzen Wald dunkel. Au, cm!" rief Hänschenklein, well er mit den Finger» w Brennesseln gegriffen hatte.Au, au!" rief er abermals, als er über eine Baumwurzel strauchelte und ihm das Knie scheußlich weh davon tat. Er mußte sich sogar einen Augenblick deshalb setzen, aber weinen tat er nicht nur alberne kleine Jungen weinen, hörst Du das, Berthold? aber als er sich wieder erhob, hatte er den Weg voll- ständig verloren es war noch dunkler um ihn herum, als in einem Zimmer, wenn die Rouleau? heruntergelassen sind und die Lampe ausgedreht ist. Aber still war es keineswegs im Wald, denn die Blätter an den Bäumen rumorten, wie hier heute abend im Garten und die Eulen, die mißgelaunt waren, kreischten und schrien, als ob sie miteinander kämpfen wollten. Lieber Mond, wo bist Du denn?" fragte der tapfer« Junge. Aber der Btond hinter den Wolken machte den Mund nicht auf und es blieb so dunkel, wie in unserem Keller, wo Speck und Gemüse aufbewahrt wird da ist es doch dunkel, Kinder, was? Hänschenklein hockte eine Weile nieder und blickte vor sich hin und versuchte dann tastend seinen Marsch durch den Wald fortzusetzen. Es glückte ihm aber nicht. O, o, wie lvird sich mein Muttchen be- unruhigen, dachte er, und wie schade doch, dachte er, daß ihr der Kuckuck nicht erzählen kann, was ich tun will. Nun zum erstenmal verlor er den Mut. Und weil er sein Mütterlein so innig hatte beten hören, kniete er auch auf dem Boden nieder, faltete seine Händchen und sprach:Lieber Gott über dem Mond und über den Wolken, sei doch, bitte, so freundlich und zeige mir den Weg zu meinem Vater ich würde doch meiner Mutter und Nachbars Tommy eine sehr große Freude damit machen. Hilf mir doch, lieber Gott  !" Als er die Augen wieder aufmachte beim Beten schließt man doch die Augen, nicht wahr?, erschrak er vor einer Frauengestalt in Linen  ; weihen Kleide, die Lichtlein in ihren Augen hatte, Licht- lein, als ob in ihrem Kops eine kleine Lampe brenne. Die Frau bückte sich zu Hänschenklein herab und sprach mit genau so einer lieben Stimme wie sein Mütterlein, wenn sie ihn abends zu Bett brachte:Ei, Hänschenklein, waS tust Du denn abends so spät noch im Wald das will doch Deine Mutter sicher nicht haben?" Ich suche meinen Vater, weil mein Muttchen so weint," sagte der Junge.Hilf mir doch, liebe Frau!" Das will ich gern tun, mein Bürschchen," nickte die Frau;ich weiß, wo Dein Vater ist aber er wird wohl nicht mit Dir nach Hause gehen dürfen, denn morgen muß er mit allen seinen Lands- leuten gegen die Krieger aus dem anderen Land mit den noch höheren Schornsteinen kämpfen." Wenn ich ihm erzähle, daß Mutter solchen Kummer hat," sprach da? Bürschchen vertrauensvoll,dann geht er gleich mit mir, liebe Frau denn mein Vater hat mich sehr lieb und wenn sie ihn töteten, müßte ich ja noch lange warten,«he ich ihn wieder- sehen könnte..."(Schluß folgt.) Der Himmel wurde zu einer samtschwarzen Bürde, die be- ängstigend tief über dem Garten hing, durch den hie und da leichte PhoSPhorfünkchen irrten. Die Sterne blinzelten klein und angstvoll. Auf einmal fuhr der Einsame zusammen; denn ganz in seiner Nähe brach ein schwerer, sonorer Orgel- ton aus, dessen brntale Baßwelle durch den Garten wütete und dann mit einem gepeinigten Röcheln rasselnd abschnappte, wie der jäh gestaute Schwall einer schwarzen Woge oder wie eine Last, die unter dem Keuchen ihre» Trägers schwer zu Boden stürzt. Danach hörte er nichts als daS dumpfe Tappen schwerer Pranken, und die Sihoulettcn von vier großen Löwen zeich- neten sich kaum sichtbar ab. Zuweilen sah er zwei schimmernde Löcher, in denen grünes Licht floß. Dann begann ein Grunzen, ein Schnarchen, als hocke eine Horde von Teufeln auf einem gespenstischen Blasebalg... Das Schnarchen steigerte sich zu einer Salve von zischenden Halstönen, und dann heulte der sonore Klang wiederum mächtig auf. ein riesiges Gestön, das mit einem U begann und ein unreines A mit einem wüsten O verkuppelte, so elementar, daß im Bereich seiner Wirkung alle Pulse stockten. Die Raubtiere waren in voller Brunst. Sie spielten daS täppische Spiel ihrer Begattung und polterten gegen die Holz- wände. Sie schnoperten und fauchten; sie warfen einander mit den Pranken zu Boden; sie verwühlten sich zu formlosen Knäueln, und zwischendurch hielten sie inne und erhoben ihren rohen Kraftgesang... Ein ganz junger Löwe sprach aus irgend einer Ecke heraus ein hohes, reinesAu"; er sprach es mit Kinderstimme; und in diesem leisenAu" lag der Keim desselben Gebrülls, das die Luft um ihn erzittern machte und sein kindliches Raubtterhcrz erregte... Und Hassan konnte sich nicht von seinem Standort trennen; er lauschte hingenommen und begeistert. Irgendwie erinnerte er sich plötzlich wieder mit aller Macht der eigenen Vorsätze für diese Nacht. Er riß sich los und schritt beflügelt von hinnen, bis er nach einigem Suchen das Ausgangsportal des Gartens wiederfand. Er weckte den Wärter, der ihn herausließ, und bestieg die wartende Kalesche. Mit kurzem Entschluß verlangte er nach Mena-House ge- fahren zu werden. Er gedachte dortselbst zu Abend zu essen, sich währenddessen in aller Ruhe für das Spätere vorzubereiten und dann in die Stadt zurückzukehren. Der Bezirk der Laternen hatte aufgehört. Die Straße leuchtete schwach. An der Stelle des Sonnenuntergangs gab es noch eine geisterhafte Helle, mit leiner Farbe des Tages kleines ZeuiUeton. Lejsmg- Theater:-Ein Spiel vom Toö' D ramatis che Dichtung von Mechtild L i ch n o lv s k y. Daß die Direktion des Lessing-Theaters sich über das geradezu frappante dramatische, lyrische und gedankliche Defizit dieser Szenen gelauscht haben sollte, darf wohl als ausgeschlossen gelten. Es lag ein gut Stück Rücksichtslosigkeit gegen das Publikum darin, einem so aus- gesprochen dilettantischen und nervenpeinigend langweiligen Versuche die Psorten der Bühne zu erschließen. Bei alledem, ein Teil der Zu- schauer brachte es unter dem höflichen Schweigen des andere» sertig, die einen in den Kreisen der aristokratischen Diplomatie wohlbekannten Namen tragende Verfasserin am Schluß des öfteren hervorzurufen. Der Tod, der heute im Wüten des mörderischen Weltkrieges sinnloser, blinder, grausamer als je erscheint, tritt da in schwarzem Gehrock mit den sanften Reden, dem blassen Antlitz eines elegisch gestimmten Aestheten auf. Der große beruhigende Gedanke,� daß sein Vernichteramt zugleich zahllosem schwersten Leiden die Erlösung bringt, ja daß ein ewig im Zirlelkreis bewegtes Leben, aus dem es kein Entrinnen gäbe, unendlich furchtbarer wäre als ein im Augenblicke noch so gesürchteies Ende, verflüchtigt sich zu einer Spielerei von süßlich lächerlicher Unwahrhafngkeit. Die feierlich gehlähte Prosa, in der sich beispielsweise Mutler und Tochter alsMütterleiu" undTöchterleiu" betitulieren und scder Satz auf Stelzen schreitet, machl die Falsch- heit des Grundtons vollends unerträglich. Das Töchterleiu, das einen buckligen Verlobten von höchstem Seelcnadel verloren hat, ist ein Engel von Gemüt und in allen Treuen   für den Hingegaugcnen auch andere mit ihrer Liebe zu beschenken gern bereit. Dann gibt es in dem Stück noch eine böte Dame, die den Liebcsreichlum des Engels verlästert(vermutlich soll sie die feine Welt und ihre lügnerische Konvention bedeuten), einen schmachtenden Verehrer dieser, einen Königssohn, der für den Engel glüht, und endlich einen vom Tod patronisiertcn in ge- walligen Worten schwelgenden jungen Künstler. Schließlich ist es so weit gekommen, daß der Tod daS Mädchen geküßt und der Entseelten eine Leichenrede hält. Aber der Lorhang hebt sich un« bekümmert von neuem. Im Morgengrauen auf der Brücke eiueS (von K o s s o w S kl sehr stimmungsvoll entworfenen) Proletarier- Viertels ergebt der Tod, wie Ahaöver zu ewigem Wandern ver- dämmt, sich in gemessenem Philosophieren, und spricht dazwischen mit einem Bcttelweib, die anscheinend für ihren Liebsten Gisl von ihm verlangt. Die Ueberlebenden: die trauernde Mutter und der übergeschnappte inzwischen völlig wahnsinnig gewordene An- beter der Weltdame stellen sich, weiß Gott   woher, noch einmal ein. um dann dem Tod daS Feld zu einem Schlußworte zu räumen. Es istoie Zeit der Großeltern", vermerkt beschwichtigend der Theater- zetlel. Die Schauspieler mühten sich um die verlorene Sache redlich. Lina Lossen   repräsentierte eindruckS» und hoheitsvoll die trauernde Mutter. Eine in Anbetracht der spröden Aufgabe außerordentlich anerkennenswerte Leistung bot Theodor L o o« in der Gestalt des TodeS. Die völlig schlichte Haltung und das klangvoll dunkle Organ, daS jedes unnütze Pathos mied, strahlte» da manchmal auf die Worte einen Schimmer von Wärme und Gefühl zurück, der ibnen selber fehlte._ ät. Nottze». Theaterchronil. Im Einverständnis mit dem Magistrat sollen auch in Schöneberg   volkstümliche Aufführungen derKleinen Hauskomödien" veranstaltet werden. Zunächst finden am Sonnabend(um 3 Uhr) und Sonntag(um 7 Uhr) zwei Volksabeude in der Chamiffoschule, Barbaroffaplatz 6 statt. K un st ankaufe der Stadt Ebarlottenburg' Die Stadt Charlottenburg   hat aus der Ausstellung der Freien Sezession drei Werke angekauft, darunter eine FrühlingSlandschan von Brockhusen und die Bronzebüste Ludwig Franks von Karl Ebbinghaus  . Ein Miß st and, der nach Abhilfe schreit. In dem angesehenen Pariser Verlage Eres ist jetzt eine von einem Herrn Vallery-Radot herausgegebene, dem Andenken Pius X.   ge- widmeteAnthologie der katholischen   Poesie von Frauyois Villou bis zur Gegenwart" erschienen. In der Einleitung zitiert der Heraus- geber folgende Sätze seines Freundes Paul Claudel  , des auch in den deutschen Ltteraturcafos vor dem August 1314 fleißig bewcih- räucherten dichtenden Betbruders:Wenn man Rabelais, Montaigne  , Racine, Moliöre oder Victor Hugo  liest, wie sollte man da vermuten, daß ein Gott für unser ewiges Heil am Kreuz gestorben ist? Diesem Mißstand muß ab- geholfen werden I" verwandt. Ein kühlerer Nachtwind spazierte über die schwarz- strotzenden Felder und rief ein mattes, einsilbiges Geräusch in den schweren Blättern der Lebbachbäume hervor. Aber Hassan konnte sich nicht.ganz dieser Stille anheim- geben, wie er es gezwungenermaßen unter anderen Umständen getan hätte. In seinem Hirn begatteten sich noch die Löwen. Und so, wie sie an ihre Käfigschrankcn gepoltert waren, so stieß erregtes Blut an die Schranken seines Schädeldachs, und jeder Herzschlag schwemmte neue üppige Bilder herzu und überlud seine Phantasie mit krausen, triebhaften Wünschen. Er geriet in ein stilles, wachsendes Fieber. Die un- bestimmte Erwartung von etwas Kommendem ergriff ihn wiederum, als sei er im Begriff, in einen Bezirk emzutretcn, in dem er nach innerstem Belieben schalten könne: so recht aus dem Vollen heraus und als der starke Mann, der er war. Die Erinnerung an das unbehagliche Gefühl im Zwic- licht kostete ihn nur noch eine kurze Verblüffung, die in dem breiten Lächeln, daS er jetzt der Nacht zeigte, spurlos ver- schwand. Er lauschte auf: verwundcrlicherweise war er jetzt nicht der einzige mehr auf der breiten Straße. Hinter ihm sausten die schlanken Traber einiger Tilburys; das federnde Rollen einer zweiten Kalesche drang in den Bereich seines nach rück- toärts lauschenden Gehörs.Es geht bunt zu in dieser Nacht." dachte er und wandte sich um. Wagenlaternen mit flaugclben Lichtkegeln hüpften hinter ihm drein, trüb zunächst in dem Staub, den er selbst erzeugte, und dann heller und gleißender. Anscheinend bin ich nicht der einzige, der sich heute da draußen amüsieren will... um so besser; ich werde Gesell­schaft haben." Aus irgendeinem Grunde kam ihm der Wunsch, nicht überholt zu werden, und er sagte zu dein Kutscher:Fahre schnell, Sohn der Trägbeit, zeige, daß nieiuc Pferde gut sind..." Und der Berberiner, ver­ständnisinnig und keiner Zumutung abgeneigt, gebrauchte die Peitsche. Die Gäule gerieten in Galopp. Hassan, in einer Stellung, als sitze er auf einem Paradescssel, flitzte dahin und erfreute sich an dem gleichmäßig heftigeren Luftzug, der seine Wangen umstrich. Doch mit Aerger nahm er wahr, daß das Geräusch der Gegner ihm dicht auf den Fersen blieb, Er wollte sich um keinen Preis den Spaß versagen, als erster bei dem Hotel anzulangen. Man schien jedoch hinter ihm erfaßt zu haben, daß es einen Rekord gelte; er hörte kurze Rufe und erkannte aus einmal untrüglich, daß diese Rufe englisch   waren.(Forts, jolgt�